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Überbrückungsgeld - versicherungsrechtliche Voraussetzungen - sozialrechtlicher Herstellungsanspruch - Auskunfts- und Beratungspflichten


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 22.05.2014
Aktenzeichen L 3 U 179/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 143 SGB 7, § 20 Abs 5 SeemKSa, § 13 SGB 1, § 14 SGB 1, § 15 SGB 1, § 115 Abs 6 SGB 6

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 31. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Befreiung von der Versicherungspflicht zur Seemannskasse (SmK) für den Zeitraum vom 23. August 2002 bis zum 26. Dezember 2006 und die Erstattung von Arbeitnehmerbeiträgen i. H. v. 5.226,33 €.

Der 1949 geborene Kläger ist nautischer Schiffsoffizier und war von Juli 1966 bis März 1976 in der Seefahrt beschäftigt und in der SmK pflichtversichert. Vom 15. Oktober 1976 bis zum 21. Dezember 1982 absolvierte der Kläger eine Hochschulausbildung. Vom 31. März 1984 bis zum 16. Mai 1984, vom 23. Juli 1984 bis zum 11. November 1984 sowie vom 13. Dezember 1984 bis zum 30. April 1985 war der Kläger erneut seemännisch beschäftigt und in der SmK pflichtversichert. Anschließend war der Kläger ausschließlich an Land beschäftigt und unterlag nicht der Pflichtmitgliedschaft in der SmK. Am 23. August 2002 nahm der Kläger erneut eine seemännische Beschäftigung als nautischer Schiffsoffizier auf, die er seitdem ununterbrochen ausübt. Mangels Antrags auf Befreiung unterlag der Kläger ab der Aufnahme einer seemännischen Beschäftigung im August 2002 wieder der Beitragspflicht zur SmK. Sein Arbeitnehmeranteil an den an die Beklagte geleisteten Beiträgen belief sich von August 2002 bis zum 26. Dezember 2006 auf insgesamt 5.226,33 €.

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2006 (Eingangsdatum: 27. Dezember 2006) stellte der Kläger bei der SmK unter Hinweis darauf, dass er die Wartezeit von 240 Monaten mit versicherungspflichtigen Seemannszeiten für die von der Beklagten zu erbringende Sozialleistung (Überbrückungsgeld) nach seiner Erwerbsbiografie nicht mehr erfüllen könne, den Antrag auf Befreiung von der Beitragspflicht und den Antrag auf Erstattung der Arbeitnehmeranteile der seit dem 23. August 2002 an die SmK geleisteten Beiträge.

Mit Bescheid vom 23. Januar 2007 entsprach die SmK dem Antrag des Klägers teilweise und befreite ihn nach § 20 Abs. 5 ihrer Satzung ab Antragseingang (27. Dezember 2006) von der Verpflichtung zur Zahlung von Arbeitnehmerbeiträgen. Gleichzeitig lehnte die Beklagte die rückwirkende Befreiung und Erstattung der seit dem 23. August 2002 geleisteten Arbeitnehmerbeiträge mit der Begründung ab, dass die Befreiung nach § 20 Abs. 5 ihrer Satzung erst ab Antragseingang wirke.

Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, bereits bei seinem Wiedereintritt in eine seemännische Beschäftigung sei für die SmK objektiv erkennbar gewesen, dass er altersmäßig/fahrtzeitmäßig nicht mehr in der Lage sein werde, die Wartezeit und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für das Überbrückungsgeld zu erfüllen. Die SmK habe ihre Informationspflichten verletzt, da sie ihn nicht darauf hingewiesen habe, dass er die Anspruchsvoraussetzungen nicht mehr erfüllen könne und ihn nicht über die Befreiungsmöglichkeit belehrt habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2007 wies die SmK den Widerspruch als unbegründet zurück. In § 20 Abs. 5 ihrer Satzung komme das auch im Bereich der See-Sozialversicherung geltende Solidarprinzip zum Ausdruck, welches nur in Ausnahmefällen eine Erstattung von Beiträgen zulasse. Eine Erstattung der Beiträge komme auch nach § 26 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) nicht in Betracht, da die Beiträge wegen der bestehenden Versicherungspflicht zu Recht vereinnahmt worden seien. Im Übrigen liege auch kein Verstoß gegen Aufklärungs- und Beratungspflichten vor. Vielmehr würden alle Arbeitgeber, die seemännisches Personal beschäftigten, bereits im Aufnahmebescheid auf die Besonderheiten der SmK hingewiesen. Zugleich übersende man den Arbeitgebern ein Exemplar der Satzung und ein Merkheft. Über die Besonderheiten der Regelung zur Befreiung von der Beitragspflicht werde zudem regelmäßig in der Beitragsübersicht und in Rundschreiben informiert. Daneben hätten auch die Versicherten jederzeit die Möglichkeit, sich entsprechend zu informieren. In der Hauptverwaltung und den Bezirksverwaltungen der SmK lägen entsprechende Merkhefte aus und auch im Internet stünden die relevanten Informationen jederzeit zur Verfügung. Darüber hinaus sei auch in der Mitgliederzeitschrift, der See-Sozialversicherungszeitung, welche auch dem Kläger übersandt werde, regelmäßig auf die Befreiungsmöglichkeit hingewiesen worden. Daneben sei ein gezieltes Anschreiben an die Versicherten nicht möglich, da die Anmeldung der seemännischen Beschäftigungsverhältnisse durch die Arbeitgeber regelmäßig im maschinellen Meldeverfahren bei der Seekrankenkasse als zuständiger Einzugsstelle erfolge, ohne dass sie selbst hiervon Kenntnis erhalte. Darüber hinaus sei aber auch nicht erkennbar, für welche Versicherten welcher Beitragsanteil abgeführt werde, da die Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsanteil für alle Beschäftigten des Betriebs abführten.

Mit seiner bei dem Sozialgericht (SG) Potsdam erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er ist der Auffassung, der SmK habe bei sorgfältiger Überprüfung des Pflichtversicherungsverhältnisses von Anfang an klar sein müssen, dass er die Voraussetzungen für das Überbrückungsgeld nicht mehr erfüllen konnte. Sie habe die Beiträge „stillschweigend eingestrichen“, ohne ihn oder den Arbeitgeber zu informieren. Es liege ein offensichtliches Organisationsverschulden vor, wenn die SmK sich zur Erfüllung ihrer Informationspflichten nicht in der Lage sehe. Die SmK sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gehalten, die Versicherten unabhängig von einem konkreten Beratungsbegehren bei Vorliegen eines konkreten Anlasses auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen. Die Informationspflicht habe sich vorliegend für die Beklagte bei sorgfältiger Würdigung des „Versicherungssachverhalts“ geradezu aufdrängen müssen.

Mit Wirkung zum 01. Januar 2009 ist der bisherige Träger der SmK, die See-Berufsgenossenschaft, mit der BG fürFahrzeughaltungen, jetzt BG für Transport und Verkehrswirtschaft (BG Verkehr), fusioniert und die SmK ist in die DRV Knappschaft-Bahn-See (die Beklagte) integriert worden.


Das SG Potsdam hat die Klage mit Urteil vom 31. Mai 2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Erstattung der von ihm im Zeitraum vom 23. August 2002 bis zum 26. Dezember 2006 geleisteten Arbeitnehmerbeiträge zur SmK i. H. v. 5.226,33 €. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch ergebe sich zunächst nicht bereits aus der Satzung der SmK, die in ihrer hier maßgeblichen Fassung noch auf Grundlage des mit Wirkung zum 31. Dezember 2008 außer Kraft getretenen § 143 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) erlassen worden sei (Satzungsermächtigung nunmehr in § 137 c Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch <SGB VI>). Der Kläger sei nach § 7 Nr. 1 der Satzung bei der SmK pflichtversichert gewesen, da er auf Seefahrzeugen gegen Entgelt rentenversicherungspflichtig beschäftigt und bei der See-Berufsgenossenschaft unfallversichert gewesen sei. Nach den §§ 18, 20 der Satzung seien die Beiträge zur SmK unter den dort genannten Voraussetzungen und im dort geregelten Umfang gemeinsam von Unternehmern und Versicherten zu tragen. Nach § 20 Abs. 5 der Satzung würden versicherte Beschäftigte, die – wie der Kläger – das 45. Lebensjahr vollendet hätten unter den dort näher geregelten Voraussetzungen, die der Kläger unstreitig erfülle, von der Beitragspflicht befreit. Nach § 20 Abs. 5 Satz 2 der Satzung wirke die Befreiung vom Beginn des Beschäftigungsverhältnisses an, wenn sie innerhalb von zwei Monaten danach beantragt werde, sonst vom Eingang des Antrags an. Nach den einschlägigen Satzungsbestimmungen komme daher eine rückwirkende Beitragserstattung an den Kläger nicht in Betracht. Es werde insoweit nach § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die ausführliche Begründung der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen.

Die Satzung der Beklagten verstoße auch nicht dadurch gegen höherrangiges Recht, dass sie keine Möglichkeit der Beitragserstattung vorsehe, wie sie für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung in § 210 SGB VI geregelt sei. Sie entspreche zunächst der Satzungsermächtigung in § 143 Abs. 1 Satz 3 SGB VII (jetzt § 137c Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB VI), der die Beklagte zum Erlass einer Satzung mit Regelungen zu Voraussetzungen und Umfang der Leistungen sowie zur Festsetzung und Zahlung der Beiträge ermächtige. Nach § 143 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 SGB VII (jetzt § 137c Abs. 3 Satz 3 SGB VI) könne die Satzung insbesondere auch eine Beteiligung der Seeleute an der Aufbringung der Mittel vorsehen. Eine Satzungsbestimmung zur Beitragserstattung sei auch verfassungsrechtlich, insbesondere im Lichte von Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG), nicht geboten. Anwartschaften und Ansprüche der Versicherten auf das von der Beklagten gewährte Überbrückungsgeld stünden hierbei zunächst unter dem Schutz der Eigentumsgarantie, weil sie eine vermögenswerte Rechtsposition darstellten, dem Versicherten als ausschließlichem Rechtsträger wie Eigentum zugeordnet seien, auf erheblichen Eigenleistungen des Versicherten (und seiner Arbeitgeber) beruhten und der Sicherung der Existenz des Versicherten dienten, der ab dem 55. Lebensjahr aus der Seefahrt ausscheide und bis zum Eintritt der gesetzlichen Altersrente seinen Lebensunterhalt bestreiten müsse (vgl. Landessozialgericht <LSG> Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. Dezember 2004, L 1 RA 40/04, zitiert nach juris, m. w. N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts <BVerfG>). Der Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG werde durch die fehlende Möglichkeit einer Beitragserstattung in der Satzung der Beklagten jedoch nicht beeinträchtigt, da den Versicherten durch die Satzungsbestimmungen keine derart grob unwirtschaftlichen Belastungen auferlegt würden, dass das Übermaßverbot erreicht würde. Es handele sich vielmehr um öffentlich-rechtliche Regelungen, die vom Gedanken des Solidarausgleichs geprägt seien, und bei denen das privatrechtliche Element einer Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung in den Hintergrund trete (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27. August 2003, L 1 RA 228/01, abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Im Gegensatz zur Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung diene das in der Satzung geregelte Überbrückungsgeld nicht der (dauernden) Alterssicherung der Versicherten, sondern gewähre unter den im Einzelnen geregelten Voraussetzungen ein zeitlich befristetes Überbrückungsgeld bis zum Erreichen der Altersgrenze. Dieser strukturelle Unterschied des Überbrückungsgeldes zur Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung rechtfertige es, in der Satzung der Beklagten keine dem § 210 SGB VI vergleichbare Erstattungsregelung für geleistete Beiträge vorzusehen, da diese Beiträge ihrer ursprünglichen Zweckrichtung nach nicht zum Aufbau einer anderweitigen privaten Altersvorsorge vorzusehen seien. Es gebe keinen aus Art. 14 Abs. 1 GG folgenden allgemeinen Grundsatz, wonach Beiträge zur Sozialversicherung bei fehlender Inanspruchnahme von Leistungen zu erstatten wären. Die Einbehaltung von Beiträgen sei vielmehr Ausdruck einer verhältnismäßigen Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, die durch das Solidarprinzip gerechtfertigt sei.

Die Beklagte habe gegenüber dem Kläger auch nicht ihre aus §§ 13, 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) folgenden konkreten Auskunfts- und Beratungspflichten verletzt; insoweit werde Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden genommen (§ 136 Abs. 3 SGG). Die von der Beklagten zutreffend dargestellten Abläufe des maschinellen Meldeverfahrens durch die Arbeitgeber und die Modalitäten des Beitragseinzugs, welcher durch die Krankenkassen als Einzugsstellen gemeinsam mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag erfolge, hätten bei Wiedereintritt des Klägers in seemännische Beschäftigung zur Überzeugung der Kammer keinen Beratungsanlass für die Beklagte gegenüber dem Kläger erkennbar gemacht. Eine Befreiung von der Beitragspflicht könne ggfs. erst nach Prüfung des Versicherungsverlaufs erfolgen, der aufgrund der technischen Gegebenheiten (ebenso wie z. B. in der gesetzlichen Rentenversicherung) nicht bei jeder Beschäftigungsaufnahme geprüft werden könne. Wie bei jedem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis sei es auch keineswegs allein Sache der Versicherungsträger sich um alle Belange der Versicherten zu kümmern. Diesen obliege es vielmehr bei der Aufnahme einer Beschäftigung grundsätzlich selbst, sich nach den Einzelheiten der Sozialversicherung zu erkundigen. Hierfür hätte für den Kläger auch durchaus Anlass bestanden, da die Beitragsentrichtung zur SmK aus den vom Arbeitgeber erstellten Lohnabrechnungen ohne Weiteres ersichtlich sei. Die Beklagte sei durch die in den angefochtenen Bescheiden angeführten Maßnahmen (Veröffentlichungen, Übersendung von Merkheften an Arbeitgeber, etc.) ihren allgemeinen Hinweis- und Beratungspflichten in ausreichendem Umfang nachgekommen.

Für das Bestehen einer Beratungspflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI in direkter oder analoger Anwendung gegenüber dem Kläger seien keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die Regelung greife nur bei solchen Sachverhalten, bei denen das Bestehen von Ansprüchen für den Leistungsträger naheliegend und ohne Rückfrage bei dem Versicherten feststellbar sei. Diese Voraussetzungen lägen aus den von der Beklagten angeführten Gründen nicht vor.

Gegen das ihm am 06. August 2012 zugestellte Urteil des SG Potsdam richtet sich die vom Kläger am 03. September 2012 bei dem LSG Berlin-Brandenburg eingelegte Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Er macht erneut geltend, dass es die Pflicht der Beklagten gewesen sei, Auskunft zu erteilen und zu beraten, jedenfalls wenn es um die Befreiung von einer Beitragspflicht gehe und die diesbezügliche Antragstellung allein durch die Versicherungsnehmer erfolgen könne. Der Sozialversicherungsträger könne bei bestehender Beratungspflicht diese auch nicht auf Arbeitgeber delegieren. Auch wenn sich jeder Versicherte informieren könne, werde die Beklagte nicht von ihrer Beratungs- und Aufklärungspflicht entbunden. Hierfür genügten auch keine angeblichen Hinweise in Mitgliederzeitschriften, wobei die Beklagte auch nicht konkret die Fundstelle genannt habe.

Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass ein gezieltes Anschreiben an die Versicherten nicht möglich sei. Es handele sich um einen innerbetrieblichen Organisationsprozess, der eine bestehende Aufklärungs- und Beratungspflicht nicht begrenzen könne. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Beklagte nicht die Seeleute über Einzelheiten ihres Versicherungsverhältnisses informieren könnte. Insbesondere biete es sich im Hinblick auf die Altersgrenze von 45 Jahren geradezu an, Seemänner, die ab dem 45. Lebensjahr gemeldet würden, über die Befreiungsmöglichkeit und die 2-Monats-Frist zu informieren.

Die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, es verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, dass die Satzung seinerzeit keine Möglichkeit der Beitragserstattung entsprechend der Regelung in § 210 SGB VI enthalten habe, werde nicht geteilt. Die Wartezeiten in der Rentenversicherung seien wesentlich niedriger als beim Überbrückungsgeld. Er selbst habe nicht geahnt, dass er ohnehin keine Chancen mehr gehabt habe, eine Leistung von der Beklagten zu erhalten und sich daher von der Versicherungspflicht hätte befreien lassen können. Ergänzend werde auf ein Urteil des Bundessozialgerichts <BSG> vom 02. November 2007 (B 1 KR 14/07 R, Rn. 31) hingewiesen, worin ausgeführt werde, dass Leistungsträger unabhängig von einem konkreten Beratungsbegehren gehalten seien, bei Vorliegen eines konkreten Anlasses auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängten und von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt würden. Von daher sei die Beklagte gehalten gewesen, alle Personen, die erst nach dem 45. Lebensjahr beiträten, auf die einschlägige Satzungsregelung hinzuweisen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 31. Mai 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 23. Januar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2007 zu verurteilen, dem Kläger rückwirkend für die Zeit vom 23. August 2002 bis zum 26. Dezember 2006 (in der Sitzung fälschlich als 29. Dezember 2006 protokolliert) von der Beitragspflicht zur SmK zu befreien und die in diesem Zeitraum geleisteten Beiträge i. H. v. 5.226,33 € zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf das angefochtene Urteil, ihren Bescheid vom 23. Januar 2007 und den Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2007 sowie ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren. Der Kläger sei bereits zum Zeitpunkt der Einführung der SmK in den 70-iger Jahren seemännisch tätig gewesen. Die Einrichtung der SmK und ihre Leistungen sei unter Seeleuten in dieser Zeit ein wichtiges Thema gewesen. Sie habe auch keine aus § 115 Abs. 6 SGB VI resultierende Hinweispflichten verletzt, da es sich bei der Befreiungsmöglichkeit um keinen typischen Sachverhalt handele, sondern jeweils eine individuelle Prüfung der Befreiungsvoraussetzungen erforderlich sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG Potsdam hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten (SmK) vom 23. Januar 2007, mit welchem diese den Kläger erst ab dem Tag der Antragstellung, dem 27. Dezember 2006, von der Beitragspflicht zur SmK befreit und es abgelehnt hat, ihm die für den Zeitraum vom 23. August 2002 bis zum 26. Dezember 2006 geleisteten Arbeitnehmerbeiträge i. H. v. 5.226,33 € zu erstatten, erweist sich als rechtmäßig.

Der Senat verweist zur Begründung zunächst auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des SG Potsdam im angefochtenen Urteil vom 31. Mai 2012, denen er sich nach eigener Überprüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) und nimmt des Weiteren Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden (§ 153 Abs. 1 SGG i. V. m. § 136 Abs. 3 SGG).

Rechtliche Grundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Befreiung von der Beitragspflicht ist § 143 Abs. 1 Satz 3 SGB VII in seiner bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung (nunmehr § 137 b Abs. 1 SGB VI) i. V. m. § 20 Abs. 5 der Satzung der SmK. Nach dieser Vorschrift werden auf Seefahrzeugen gegen Entgelt rentenversicherungspflichtig Beschäftigten wie der Kläger, die das 45. Lebensjahr vollendet haben, unter den dort näher geregelten Voraussetzungen von der Beitragspflicht befreit. Nach § 20 Abs. 5 Satz 2 der Satzung wirkt die Befreiung vom Beginn des Beschäftigungsverhältnisses an, wenn sie innerhalb von zwei Monaten danach beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. Nach dieser Bestimmung kommt die vom Kläger begehrte rückwirkende Befreiung von der Beitragspflicht zur SmK und eine Erstattung der für die Zeit vom 23. August 2002 bis zum 26. Dezember 2006 geleisteten Beiträge nicht in Betracht, weil er die Befreiung von der Beitragspflicht nicht innerhalb der 2-Monats-Frist beantragt hat, sondern erst am 27. Dezember 2006, also mehr als vier Jahre nach der erneuten Aufnahme einer seemännischen Beschäftigung. Aus dem Gesagten folgt zugleich, dass eine Erstattung der geleisteten Beiträge nach § 26 Abs. 2 SGB IV deshalb nicht in Betracht kommt, weil es sich nicht um zu Unrecht entrichtete Beiträge gehandelt hat. Der Kläger war nach § 7 Nr. 1 der Satzung der SmK pflichtversichert und damit beitragspflichtig.

Bedenken zur Rechtswirksamkeit oder Verfassungsgemäßheit der Regelung in § 20 Abs. 5 der Satzung der SmK bestehen nicht. Die Satzung beruht auf der Grundlage des §§ 143 SGB VII und sie ist - worauf die Beklagtenvertreterin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG Potsdam am 31. Mai 2012 unter Vorlage eines Urteils des SG Düsseldorf vom 21. Oktober 2010 (S 26 R 336/07) hingewiesen hat - von der Vertreterversammlung der See-Berufsgenossenschaft beschlossen und vom Bundesversicherungsamt genehmigt worden. Die Satzungsbestimmung des § 20 Abs. 5 verstößt insbesondere nicht - wie das SG Potsdam zutreffend ausgeführt hat - gegen das Grundrecht auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Dieses Grundrecht gibt dem Kläger keinen Anspruch darauf, als abhängig Beschäftigter nicht der Versicherungspflicht zu unterliegen. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Versicherungspflicht nicht an die individuelle soziale Schutzbedürftigkeit eines Versicherungspflichtigen anknüpft, sondern lediglich den Tatbestand der Beschäftigung voraussetzt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. November 2010, L 8 R 187/09, m. w. N., in Juris). Von daher begegnet auch der Umstand, dass die Satzung keine der Regelung in § 210 SGB VI entsprechende Möglichkeit der Beitragserstattung enthält, wegen der grundsätzlich bestehenden Versicherungspflicht des Klägers nach § 7 Nr. 1 der Satzung der SmK und des andersartigen Regelungszwecks in § 210 SGB VI keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Andere von der Verfassung geschützte Rechte, insbesondere die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), sind ebenso wenig tangiert. Insbesondere unterliegt die in § 20 Abs. 5 der Satzung der SmK geregelte 2-Monats-Frist nach Aufnahme der Beschäftigung, innerhalb derer der Antrag auf Befreiung von der Pflichtversicherung gestellt werden kann, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dem Interesse des Klägers, keine Beiträge zu einer Sozialversicherung zu entrichten, aus der er keine Leistungen mehr erhalten kann, steht das Interesse der Versichertengemeinschaft an Klarheit, ob und wie lange ein Versicherter der Solidargemeinschaft angehört und deren Zwecke durch seine Beitragsentrichtung fördert, gegenüber. Bei Abwägung der geschützten und widerstreitenden Interessen erscheint es daher nicht unverhältnismäßig, die Geltendmachung des Befreiungsanspruches rückwirkend nur innerhalb von zwei Monaten nach Aufnahme der Beschäftigung und danach nur noch mit Wirkung für die Zukunft zuzulassen (vgl. zu alledem LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. November 2010, a.a.O., m.w.N).

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ist auch nicht nach den Grundsätzen über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den Kläger so zu stellen, als hätte er die Befreiung von der Beitragspflicht rechtzeitig, also innerhalb der in § 20 Abs. 5 Satz 2 der Satzung der SmK normierten Frist von zwei Monaten nach Beginn des Beschäftigungsverhältnisses, beantragt.

Tatbestandlich setzt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch voraus, dass der Sozialleistungsträger aufgrund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses eine dem Betroffenen gegenüber obliegende Pflicht, insbesondere zur Erteilung einer zutreffenden Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I) verletzt und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zufügt. Auf seiner Rechtsfolgenseite ist der Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegenden Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte. Verschulden ist demgegenüber nicht Voraussetzung des Herstellungsanspruchs(vgl. zu allem Seewald in Kasseler Kommentar, Vorbemerkungen vor §§ 38 – 47 SGB I Rdn. 120 ff. m. w. N.). Der vom Kläger erhobene Anspruch geht dahin, der Beklagten die Berufung auf die Überschreitung der 2-monatigen Frist für den Antrag auf Befreiung von der Beitragspflicht zu versagen. Er verlangt damit etwas, das im Recht grundsätzlich anerkannt ist und von daher auch im Wege des Herstellungsanspruches bei Vorliegen der Voraussetzungen geltend gemacht werden könnte (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12. Oktober 1979, 12 RK 47/77, in Juris). Dem geltend gemachten Anspruch steht auch nicht entgegen, dass es nicht um eine Sozialleistung, sondern um eine Beitragserstattung geht (vgl. BSG, Urteil vom 25. Mai 2000, B 10 LW 16/99 R, in Juris). Die Anwendung der Grundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch scheitert auch nicht an der Versäumung der Frist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) (vgl. hierzu BSG, a. a. O.). Auch ist die Möglichkeit, die volle Erstattung der gezahlten Beiträge zu verlangen, durch § 20 der Satzung der SmK zeitlich sehr eingeschränkt und es liegt auch nahe, dass der Kläger die Beiträge ab Wiederaufnahme einer seemännischen Beschäftigung im Jahr 2002 nicht geleistet hätte, hätte er gewusst, dass er die für die Inanspruchnahme des Überbrückungsgeldes erforderlichen Versicherungszeiten nicht mehr erfüllen kann.

Die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sind im Fall des Klägers gleichwohl nicht gegeben. Die Beklagte hat zunächst nicht die ihr nach § 13 SGB I obliegende Aufklärungspflicht im Sinne einer Allgemeininformation verletzt. Bezogen auf den Streitfall genügte bzw. genügt die Beklagte ihrer allgemeinen Aufklärungspflicht, indem sie auf die Vorschriften ihrer Satzung z.B. in ihrer Mitgliederzeitschrift hinwies bzw. hinweist. Der Senat hat auch keine Zweifel an der Richtigkeit des Vortrages der Beklagte, entsprechende Hinweise über die Besonderheiten der Regelung zur Befreiung von der Beitragspflicht würden in der Mitgliederzeitschrift, der See-Sozialversicherungszeitung, welche auch dem Kläger übersandt werde, publiziert. Des Weiteren, dass in der Hauptverwaltung und den Bezirksverwaltungen der SmK entsprechende Merkhefte auslägen und auch im Internet die relevanten Informationen jederzeit zur Verfügung stünden und darüber hinaus alle Arbeitgeber, die seemännisches Personal beschäftigten, bereits im Aufnahmebescheid auf die Besonderheiten der SmK hingewiesen würden, eine Satzung und ein Merkheft erhielten und regelmäßig in der Beitragsübersicht und in Rundschreiben informiert würden. Bestätigt wird der Vortrag der Beklagten u. a. durch die erstinstanzlich vorgelegten Kopien der Mitgliederzeitschrift See Sozial 3/2000 Seite 14 und 2/2001 Seite 15 mit Beiträgen zur Befreiungsmöglichkeit auf Antrag des Seemanns und Hinweisen, wer hierüber genauer Auskunft erteilen kann. Abgesehen davon, kann ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch nicht auf eine unterbliebene oder ungenügende Aufklärung i. S. v. § 13 SGB I gestützt werden (st. Rspr. BSG, Urteile vom 30. Juli 1977, 5 RJ 64/95, 20. Juni 1990, 1 RR 4/89, 06. Februar 2003, B 4 RA 38/02 R, Rz. 22, und 04. März 2014, B 1 KR 17/13 R, Rz. 9; jeweils in Juris). Aus der allgemeinen Aufklärungspflicht der Verwaltung nach § 13 SGB I entsteht demgegenüber für den einzelnen Versicherten kein Anspruch auf Erfüllung der Aufklärungspflicht und bei unterbliebener Aufklärung auch kein Anspruch auf Herstellung des Zustandes, der bei gehöriger Aufklärung bestanden hätte (BSG, Urteile vom 21. Juni 1990, 12 RK 97/88, und 30. Juli 1997, 5 RJ 64/95, beide in Juris). Zudem ist ein Leistungsträger nicht verpflichtet, von einer bestimmten Satzungsbestimmung betroffene Mitglieder persönlich anzuschreiben. Im Regelfall ist es den Versicherten zuzumuten, sich über Änderungen in der Mitgliederzeitschrift zu informieren (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juni 1986,12 RK 10/86, in Juris).

Der vom Kläger geltend gemachte Herstellungsanspruch lässt sich auch nicht aus einer Verletzung der Pflichten zur individuellen Beratung (§ 14 Satz 1 SGB I) oder zur individuellen Auskunft (§ 15 SGB I) herleiten. Eine fehlerhafte Auskunft/Beratung der Beklagten gegenüber dem Kläger liegt nicht vor, denn dieser hat sich nicht vor dem 27. Dezember 2006 mit einem diesbezüglichen Begehren an die Beklagte gewandt. Der Beklagten ist aber auch nicht vorzuwerfen, dass sie eine Beratung oder Auskunft gegenüber dem Kläger pflichtwidrig nicht vorgenommen hätte. Voraussetzung für das Entstehen einer derartigen Auskunfts-/Beratungspflicht nach §§ 14 Satz 1, 15 SGB I wäre zumindest ein konkreter Anlass zur Auskunft/Beratung (so genannte Spontanberatung bzw. – auskunft), d.h. ein entsprechender Informationsbedarf des Versicherten müsste für den Versicherungsträger offen zu Tage treten (BSG, Urteil vom 25. August 2009, B 3 KS 1/09 R, in Juris m.w.N.). Daran fehlte es hier. Zwar weicht der berufliche Lebenslauf des Klägers unter Berücksichtigung seiner langjährigen Tätigkeit zu Land von dem typischen Berufsleben eines Seemanns, der im Regelfall ohne weiteres die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Überbrückungsgeldes erreicht, deutlich ab, so dass wegen der Unmöglichkeit der Vollendung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des Überbrückungsgeldes eine Befreiung von der Versicherungspflicht nahegelegen hätte. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass es in der Zeit vor dem 27. Dezember 2006 eine Sachbearbeitung durch die Beklagte bzw. die SmK gegeben hätte, bei der diese eine klar zu Tage liegende Dispositionsmöglichkeit des Klägers übersehen oder jedenfalls nicht auf diese hingewiesen hätte. Denn die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht erschließt sich nur bei einer individuellen zielgerichteten Prüfung des Versicherungskontos. Allein aufgrund der Meldung des Arbeitgebers über die Aufnahme einer seemännischen Beschäftigung durch den Kläger, die Abführung von Beiträgen durch den Arbeitgeber sowie die maschinelle Gutschrift von Versicherungszeiten im Konto des Klägers bestand für die Sachbearbeitung der Beklagten bzw. der SmK noch kein erkennbarer Anlass für eine individuelle Prüfung des Versicherungskontos des Klägers im Hinblick auf eine mögliche Erfüllung der Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht. Daher sah sich der Senat auch nicht zu weiteren, vom Kläger angeregten Ermittlungen in Form der Einholung einer Auskunft bei der Beklagten, wann die ab dem 23. August 2002 entrichteten Beiträge auf seinem Konto gutgeschrieben worden sind, gedrängt.

Auf eine Verletzung der Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 S. 1 SGB VI kann der Kläger seinen Herstellungsanspruch ebenfalls nicht stützen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ist zwar nicht auf die Verletzung der Pflichten aus §§ 14, 15 SGB I beschränkt, sondern kommt auch bei Verletzung der aus § 115 Abs. 6 Satz S. 1 SGB VI resultierenden Hinweispflicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift sollen die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Kernpunkte der Regelungsmotivation sind insbesondere auch der Anspruchsverlust bei verspätetem Antrag (vgl. zur Begründung des Gesetzgebers BT-Drucks 11/5530 S. 46 zu § 116 Abs. 6 ff des Entwurfs). Eine derartige Hinweispflicht soll sich auch nicht ausschließlich auf Rentenansprüche beschränken (vgl. BSG, Urteil vom 25. Mai 2000, B 10 LW 16/99 R, in Juris).

Darauf zielt der Kläger mit seiner zur Begründung der Berufung vertretenen Auffassung, es biete sich im Hinblick auf die Altersgrenze von 45 Jahren in der seinerzeit gültigen Satzung an, Seemänner, die bei der Beklagten ab dem 45. Lebensjahr gemeldet werden, über die Befreiungsmöglichkeit und über die 2-Monats-Frist zu informieren. Auch wenn eine derartige individuelle Aufklärung der Versicherten über Einzelheiten der Befreiungsmöglichkeit wünschenswert wäre, folgt daraus noch nicht eine Hinweispflicht i. S. v. § 115 Abs. 6 SGB VI.

Vorliegend kommt, da der zur beurteilende Sachverhalt nicht den Regelungen des SGB VI unterlag, weder eine direkte Anwendung des § 115 Abs. 6 SGB VI in Betracht noch findet sich eine entsprechende Vorschrift im SGB VII. Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Klägers, dass der Rechtsgedanke des § 115 Abs. 6 SGB VI auf seinen Fall entsprechend anzuwenden wäre, denn es handelt sich nicht um einen „geeigneten Fall“ im Sinne dieser Vorschrift. Bei dem Tatbestandsmerkmal des § 115 Abs. 6 SGB VI „in geeigneten Fällen“ handelt es sich um einen der Auslegung zugänglichen unbestimmten Rechtsbegriff. Eine Hinweispflicht ohne konkreten Anlass besteht nur bei typischen Sachverhalten, ferner müssen die Adressaten derartiger möglicher Hinweise für den Versicherungsträger konkret bestimmbar sein, weil die Regelung den Schutz der Einzelnen bezweckt. So ist für den Senat schon nicht ersichtlich, dass es der Beklagten bzw. der SmK im hier relevanten Zeitraum vor dem 27.Dezember 2006 anhand der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) ohne weitere Ermittlungen jederzeit möglich gewesen wäre, zu erkennen, dass der Kläger die Voraussetzungen für das Überbrückungsgeld nicht mehr würde erfüllen können. Die Beklagte trägt insoweit vor, dass ein gezieltes Anschreiben der Versicherten nicht möglich sei, da die Anmeldung der seemännischen Beschäftigungsverhältnisse durch die Arbeitgeber regelmäßig im maschinellen Meldeverfahren bei der Seekrankenkasse als zuständige Einzugsstelle erfolge, ohne dass sie selbst hiervon Kenntnis erhalte. Es sei auch nicht erkennbar, für welche Versicherten welcher Beitragsanteil abgeführt werde oder ob - wie im Fall des Klägers - ein neues seemännisches Beschäftigungsverhältnis begründet worden sei, da die Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsanteil für alle Beschäftigten des Betriebs abführten. Zwar mag es der Sachbearbeitung der Beklagten auch in der Zeit vor dem 27. Dezember 2006 möglich gewesen sein, durch Aufrufen der Versicherungskonten der 45jährigen Seemänner deren relevanten Daten zu ermitteln und dabei zu erkennen, ob diese noch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für das Überbrückungsgeld erfüllen können oder nicht. Dies beinhaltet jedoch eine über das Aufrufen der Versicherungskonten hinausgehende weitere Prüfung bzgl. der Frage, ob mangels Erfüllbarkeit der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen durch bestimmte Versicherten für die von diese geleisteten (bzw. noch zu leistenden) Beiträge mit Sicherheit kein Äquivalent in Form des Überbrückungsgeldes gegenübersteht. Denn die Lebensläufe und mithin auch die Versicherungsverläufe der versicherten Seemänner, die das 45. Lebensjahr erreicht haben, sind unterschiedlich. Dies zeigt bereits der Fall des Klägers, der sein Erwerbsleben nur zum Teil auf See verbracht hat. Eine derartig weitgehende Verpflichtung der Beklagten zur Ermittlung des betroffenen Personenkreises und Erteilung eines entsprechenden Hinweises zur Möglichkeit der Befreiung nach § 20 Abs. 5 der Satzung lässt sich indes aus § 115 Abs. 6 SGB VI nicht begründen.

Ebenso wenig lässt sich aus § 115 Abs. 6 SGB VI eine allgemeine Hinweispflicht bzgl. der Befreiungsmöglichkeit für alle Seemänner, die das 45. Lebensjahr vollendet haben, begründen. Ein diesbezügliches Anschreiben aller Versicherten im entsprechenden Alter würde zumeist „ins Blaue“ gehen, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass jährlich eine große Gruppe von Seemännern, die das 45. Lebensjahr vollenden, den Tatbestand der Befreiungsmöglichkeit nach § 20 Abs. 5 der Satzung der SmK erfüllen. Zudem ist eine derartig allgemeine Hinweispflicht schon durch die Maßnahmen der Beklagten bzw. der SmK zur allgemeinen Aufklärung ihrer seemännischen Versicherten und deren Arbeitgeber abgedeckt. Die Begründung einer darüber hinausgehenden Hinweispflicht der Beklagten bzw. SmK lässt sich auch nicht aus dem mit § 115 Abs. 6 SGB VI bezweckten Schutz des Einzelnen herleiten. Einer derart besonderen Schutzbedürftigkeit steht auch für die Seemänner, die die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für das Überbrückungsgeld nicht mehr erfüllen können, das in der SmK geltende Solidaritätsprinzip gegenüber. Zu bedenken ist hier, dass es auch für die beitragspflichtigen 45jährigen Seemänner, die zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch erfüllen können, ungewiss ist, ob sie jemals ein Äquivalent für ihre Beitragszahlungen tatsächlich erhalten, da die Gewährung von Überbrückungsgeld von weiteren Faktoren, insbesondere der Höhe des aus einer anderweitigen Beschäftigung erzielten Arbeitsentgelts abhängig ist bzw. es wegen Fortführung der seemännischen Beschäftigung bis zum Erreichen der Altersgrenze nicht in Anspruch genommen werden kann. Es ist in einer Solidargemeinschaft durchaus nicht allein Sache des Versicherungsträgers, sich um einzelne Belange aller Versicherten zu kümmern. Vielmehr liegt es im Verantwortungsbereich der Versicherten, sich bei Aufnahme einer Beschäftigung nach den Voraussetzungen zur Begründung bestimmter sozialrechtlicher Ansprüche zu erkundigen. Dies gilt auch für Versicherte, die längere Zeit auf See sind. Zudem hätte es für die Wahrung der 2-monatigen Frist genügt, den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht telefonisch oder kurz schriftlich zu stellen. Derartige Kommunikationsmöglichkeiten bestanden auch zum hier relevanten Zeitpunkt nicht nur zu Land, sondern auch auf See. Abgesehen davon, dass es nicht in den Verantwortungsbereich der Beklagten fällt, dass der Arbeitgeber - wie der Kläger behauptet - ihn bei seinem Wiedereintritt in die seemännische Beschäftigung nicht auf die besonderen Beiträge zur SmK hingewiesen hat, ergab sich für ihn die Abführung von Beiträgen und damit seine Beitragspflicht aus den monatlichen Gehalts(Heuer)abrechnungen. Vielmehr hätte es sich dem Kläger unter Berücksichtigung seines Lebensalters bei Wiederaufnahme der seemännischen Tätigkeit (52 Jahre), des Umstandes, dass er bei seinem Wiedereintritt im Jahr 2002 lediglich rd. 11 Jahre bei der SmK pflichtversichert gewesen war und seiner vorangegangenen langjährigen Beschäftigung an Land (vom 01. Mai 1985 bis zum 22. August 2002) aufdrängen müssen, zu klären, ob die ihm bis zu seinem 55. Lebensjahr verbleibenden 3 Jahre Fahrzeit ausreichen würden, um die noch fehlenden Pflichtbeitragszeiten für die Inanspruchnahme des Überbrückungsgeldes zu begründen. Dies gilt umso mehr, als es sich nicht um die erstmalige Aufnahme einer seemännischen Tätigkeit gehandelt hat, sondern um die Wiederaufnahme nach bereits früherer langjähriger Beschäftigung zur See.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs. 2 SGG vorliegt.