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Entscheidung 9 K 1027/08


Metadaten

Gericht VG Potsdam 9. Kammer Entscheidungsdatum 24.03.2011
Aktenzeichen 9 K 1027/08 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den verfassungsschutzrechtlichen Auskunftsanspruch.

Unter dem 5. September 2007 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten als Verfassungsschutzbehörde Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten. Zum damaligen Zeitpunkt war sie Mitglied des brandenburgischen Landtags für die DVU. Mit Bescheid vom 2. Mai 2008 erteilte der Beklagte ihr teilweise Auskunft über die bei der Verfassungsschutzbehörde gespeicherten sie betreffenden Daten. Es handelt sich hierbei neben persönlichen Daten (Vor- und Zuname, Beruf und Berufsbezeichnung Diplom-Ingenieurin, Lichtbild und Anschriften seit 1998) um 19 Einzelinformationen insbesondere zu politischen Aktivitäten der Klägerin als Mitglied der DVU. Weitergehende Auskunft lehnte der Beklagte unter Bezugnahme auf § 12 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 des Brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes (BbgVerfSchG) ab. Zugleich hieß es, die Ablehnung bedürfe gemäß § 12 Abs. 3 S. 1 BbgVerfSchG keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Eine solche Gefährdung wäre gegeben, weil sich aus der Begründung ableiten ließe, auf welche Weise die Kenntnis der Daten erlangt worden sei. Ferner wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie sich zwecks einer Überprüfung an den Landesdatenschutzbeauftragten wenden könne.

Die Klägerin hat am 28. Mai 2008 Klage erhoben. Sie meint, es sei nicht nachvollziehbar, was die Auskunftsverweigerung gegenüber einer unbescholtenen Bürgerin rechtfertigen könne. Es bestehe kein öffentliches Interesse an der Geheimhaltung der Erkenntnisse sowie der nachrichtendienstlichen Arbeitsmethoden und Mittel der Verfassungsschutzbehörde. Jedenfalls müsse ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung Vorrang eingeräumt werden. Ihre Aktivität in der DVU könne die Auskunftsverweigerung nicht rechtfertigen, weil es sich um eine verfassungsmäßige Partei handle.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 2. Mai 2008 zu verpflichten, ihr vollständig Auskunft über die bei der Verfassungsschutzbehörde zu ihrer Person gespeicherten Daten zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt seine ablehnende Entscheidung. Die der Verfassungsschutzbehörde vorliegenden weitergehenden Erkenntnisse verdeutlichten und belegten die rechtsextremistische Betätigung der Klägerin. Als Mitglied der DVU unterstütze und fördere sie deren Ziele. Diese richteten sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, weil die Partei eine undemokratische Gesellschaftsordnung anstrebe und Bezüge zur Ideologie des Nationalsozialismus aufweise. Auch aus Gründen des Quellenschutzes könne eine Mitteilung über die Informationen nicht erfolgen. Darüber hinaus enthielten die Erkenntnisse personenbezogene Daten Dritter, die aus Datenschutzgründen nicht vorgelegt oder bekannt gegeben werden dürften. Schließlich bestehe auch ein öffentliches Interesse an der Geheimhaltung der nachrichtendienstlichen Arbeitsmethoden und Mittel der Gewinnung von Erkenntnissen über die rechtsextremistischen Bestrebungen der DVU. Insgesamt überwiege das öffentliche Interesse an der Geheimhaltung der Erkenntnisse gegenüber dem Auskunftsbegehren der Klägerin. Die Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörde bezögen sich nicht auf Abstimmungen oder Ausführungen der Klägerin im Landtag, einem seiner Ausschüsse oder in einer Fraktion.

Das Gericht hat den Beklagten zur Übersendung des kompletten Verwaltungsvorgangs oder um die Einreichung einer Sperrerklärung aufgefordert. Daraufhin hat dieser unter dem 6. Oktober 2008 die in Rede stehenden Informationen gemäß § 99 Abs. 1 S. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung für gesperrt erklärt. Hierzu hat er unter anderem ausgeführt, die Herkunft dieser Daten sei geheimhaltungsbedürftig, weil sie oft auf Quelleninformationen beruhten. Der Schutz der Quelle gebiete es, die Informationen nicht mitzuteilen. Außerdem sei den Quellen eine Vertraulichkeitszusage gemacht worden. Würde diese nicht eingehalten, könnten aktive Quellen an der Vertraulichkeit ihrer Gespräche zweifeln; die Arbeit mit ihnen könnte erschwert oder sogar beendet werden. Potentielle Quellen könnten von einer Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz Abstand nehmen. Die Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörde könnte offen gelegt und die künftige Arbeit wesentlich erschwert werden. Der Einsatz von Quellen sei für den Verfassungsschutz aber unerlässlich. Auch sonst könnten aus den Akten Rückschlüsse auf die Arbeitsweise von Verfassungsschutzbehörden, die Übermittlungswege und die Zuständigkeitsbereiche der Mitarbeiter der jeweiligen Verfassungsschutzbehörden gezogen werden. Soweit Erkenntnisse aus anderen Bundesländern stammten, sei dem Grundsatz der Datenhoheit (§ 12 Abs. 4 BbgVerfSchG) Rechnung getragen worden. Die Akten seien auch nicht im Wege der Schwärzung vorlagefähig; die gesamten Aktenstücke unterlägen dem Quellenschutz. Dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung drohender Beeinträchtigungen für die Arbeit des Verfassungsschutzes und der körperlichen Unversehrtheit von nachrichtendienstlichen Quellen müsse gegenüber der umfassenden Aufklärung des Sachverhalts größeres Gewicht beigemessen werden. Die Klägerin hält die Sperrerklärung für rechtswidrig. Ihre Begründung sei zu pauschal und bestehe aus Textbausteinen. Der Beklagte bemühe hierzu ausschließlich ihre Mitgliedschaft und Arbeit in bzw. für die DVU.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die die Kammer im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, aber unbegründet.

Die Ablehnung der von der Klägerin begehrten weitergehenden Auskunftserteilung erweist sich im Rahmen der hier möglichen Prüfung nicht als rechtswidrig und verletzt sie nicht in ihren Rechten; sie hat keinen Anspruch auf weitere Auskunftserteilung (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

Die Verfassungsschutzbehörde hat gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 BbgVerfSchG auf Antrag Auskunft über die zur antragstellenden Person gespeicherten Daten sowie den Zweck und die Rechtsgrundlage ihrer Speicherung zu erteilen. Dem kam der Beklagte zum Teil auch nach. Dass er eine weitergehende Auskunft auf der Grundlage der Auskunftsverweigerungsgründe gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BbgVerfSchG ablehnte, kann die Kammer nicht beanstanden.

Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BbgVerfSchG können Auskunftserteilung oder Einsichtsgewährung (nur) unterbleiben, wenn das öffentliche Interesse an der Geheimhaltung der Erkenntnisse sowie der nachrichtendienstlichen Arbeitsmethoden und Mittel der Verfassungsschutzbehörde gegenüber dem Interesse der antragstellenden Person an der Auskunftserteilung oder Einsicht überwiegt (Nr. 1) oder die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der überwiegenden berechtigten Interessen von Dritten geheim gehalten werden (Nr. 2). Dabei bedarf die Ablehnung der Auskunftserteilung gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 BbgVerfSchG keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Verweigerung gefährdet würde.

Ob die in dem angefochtenen Bescheid angeführte Begründung für die Ablehnung der weiteren Auskunft hieran gemessen in formeller Hinsicht ausreichen würde, kann dahinstehen. Denn der Beklagte hat hierzu jedenfalls im gerichtlichen Verfahren Näheres ausgeführt (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes), insbesondere dass aus Gründen des Quellenschutzes eine Mitteilung über die Informationen nicht erfolgen könne und dass es um die Geheimhaltung der nachrichtendienstlichen Arbeitsmethoden und Mittel der Gewinnung von Erkenntnissen über die rechtsextremistischen Bestrebungen der DVU gehe. Dem formellen Begründungserfordernis ist hiermit Genüge getan, zumal der Beklagte auch in der Sperrerklärung vom 6. Oktober 2008 noch weiter dargelegt hat, dass die Akten zum Schutz der Quellen und der Arbeitsweise des Verfassungsschutzes zurückzuhalten seien.

Auch in materieller Hinsicht sind die von dem Beklagten angeführten Gründe für die Verweigerung weiterer Auskünfte – jedenfalls dem Grunde nach – nicht zu beanstanden. Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung, des Bestands und der Sicherheit des Bundes und der Länder. Dazu gehört es, Gefahren frühzeitig zu erkennen. Dieses Ziel rechtfertigt es, verfassungsdienstlich gewonnene Informationen, Informationsquellen, Arbeitsweisen und Methoden der Erkenntnisgewinnung geheim zu halten;

vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. Oktober 2008 – OVG 95 A 4.08 – m.w.N.

Soweit die Klägerin einwendet, der Beklagte führe für die Auskunftsverweigerung ausschließlich ihre Mitgliedschaft in der DVU bzw. ihre Arbeit für diese an, sowohl die DVU als auch sie selbst würden als rechtsextremistisch bezeichnet und hieraus werde auf ihre Verfassungsfeindlichkeit geschlossen, geht dies fehl. Denn der Beklagte stützt seine Entscheidung gerade nicht auf die Tätigkeit der Klägerin für die DVU für sich genommen, sondern auf die Notwendigkeit des Quellenschutzes und der Geheimhaltung der nachrichtendienstlichen Arbeitsmethoden und Mittel der Gewinnung von Erkenntnissen. Indem er die Zugehörigkeit der Klägerin zur DVU anführte, zeigt der Beklagte lediglich das politische Spektrum auf, in dem sich die Klägerin bewegt. Hiermit wird der Sache nach erläutert, weshalb die Klägerin beobachtet wird und die Offenbarung etwaiger Informanten und Arbeitsmethoden des Verfassungsschutzes nachteilig wäre. Dies ist – auch mit Blick auf das Parteienprivileg gemäß Art. 21 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) – nicht zu beanstanden;

zur Beobachtung von Parteien durch den Verfassungsschutz vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juli 2010 – 6 C 22.09 –, juris Rn. 20 ff.

Ob die in Rede stehenden Daten die Anforderungen an die Auskunftsverweigerung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BbgVerfSchG auch im Einzelnen erfüllen, vermag die Kammer nicht zu prüfen, denn der Beklagte hat eine Sperrerklärung abgegeben und die Vorlage der entsprechenden Unterlagen verweigert. Diese Möglichkeit ist in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO vorgesehen, wenn das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen. Zugleich sieht § 99 Abs. 2 VwGO für diesen Fall aber auch die Durchführung eines „in camera“-Verfahrens vor; danach stellt das Oberverwaltungsgericht auf Antrag eines Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist;

zum „in camera“-Verfahren im Fall geheimhaltungsbedürftiger Vorgänge vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999 – 1 BvR 385/90 –, juris Rn. 89.

Die Durchführung des „in camera“-Verfahrens hat die Klägerin jedoch nicht beantragt. Zwar hat sie eingewandt, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Sperrerklärung lägen nicht vor. Ihr diesbezüglicher Vortrag richtet sich indes im Wesentlichen darauf, dass der Beklagte aus ihrer Mitgliedschaft in der DVU unzulässige Schlüsse ziehe. Im Übrigen hat ihr Prozessbevollmächtigter auf Nachfrage des Gerichts ausdrücklich mitgeteilt, dass ein Antrag auf Durchführung eines „in camera“-Verfahrens nicht gestellt worden sei.

Es ist auch nicht feststellbar, dass die Entscheidung des Beklagten an einem Ermessensfehler leidet. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 BbgVerfSchG ist die Entscheidung über die Verweigerung der Auskunftserteilung unter Abwägung der in Satz 1 der Bestimmung genannten Interessen mit dem Interesse der antragstellenden Person an der Auskunftserteilung oder Einsicht abzuwägen. Dass der Beklagte hierbei das Interesse der Klägerin, insbesondere ihre Rechte auf politische Betätigung und informationelle Selbstbestimmung, fehlerhaft gewürdigt hätte, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen stellt es keinen Ermessensfehler dar, wenn die Verfassungsschutzbehörden im Regelfall von einer Auskunftserteilung absehen und nur bei Geltendmachung besonderer Umstände anders verfahren;

vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1990 – 1 C 42.83 –, juris Rn. 33.

Besondere Umstände sind hier indes weder geltend gemacht noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Gründe, gemäß §§ 124 Abs. 2, 124a Abs. 1 VwGO die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt; für eine anderweitige Bestimmung fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten (§ 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes).