Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat | Entscheidungsdatum | 29.06.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 10 N 64.09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 80 Abs 2 VwVfG |
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 26. Mai 2009 wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 4.363,22 EUR festgesetzt.
I.
Der Kläger, ein als Insolvenzverwalter bestellter Rechtsanwalt, begehrt die Feststellung, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für ein behördliches Vorverfahren notwendig war.
Die Beklagte gewährte u.a. der B... GmbH & Co. KG (im Folgenden: Gemeinschuldnerin) zur Errichtung und zum Betrieb eines Blockheizkraftwerks (BHKW) eine Zuwendung in Höhe von knapp 467.500 EUR und zahlte diese vollständig aus. Im Zuwendungsbescheid war eine Zweckbindung der begünstigten Wirtschaftsgüter, d.h. der Betriebsanlagen, bis zum 31. Dezember 2006 bestimmt. Nachdem am 1. Juni 2006 über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt worden war, widerrief die Beklagte mit Bescheid vom 13. Juli 2006 den Zuwendungsbescheid mit Wirkung zum Bewilligungszeitpunkt. Zur Begründung führte sie aus, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weise der Zuwendungsempfänger Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung auf, wodurch die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Tätigkeit nicht mehr vorlägen. Dadurch könne der Zuwendungszweck, die Fortsetzung der Betriebstätigkeit bis zum 31. Dezember 2006, von der Gemeinschuldnerin selbst nicht mehr erfüllt werden. Am Ende des Widerrufsbescheides hieß es, soweit durch eine Weiterführung der Betriebsstätte der im Zuwendungsbescheid festgelegte Zuwendungszweck sowie die erteilten Auflagen noch erfüllt werden könnten und ein mögliches Nachfolgeunternehmen in das Zuwendungsverhältnis eintrete, werde um entsprechende Mitteilung gebeten; in diesem Falle werde die Möglichkeit zur Aufhebung des Widerrufsbescheides geprüft. Den hiergegen gerichteten Widerspruch erhob eine vom Kläger beauftragte Rechtsanwältin seiner Sozietät. Sie rügte die unterbliebene Anhörung und machte geltend, dass der Betrieb des am 7. Juni 2006 veräußerten und am 19. Juni 2006 an den Erwerber übergebenen BHKW ununterbrochen fortgesetzt worden sei. Auf den Widerspruch setzte die Beklagte das Widerspruchsverfahren zunächst aus und hob, nachdem der Kläger mit Schreiben vom 23. Mai 2007 mitgeteilt hatte, er habe sich durch persönliche Inaugenscheinnahme davon überzeugt, dass die BHKW-Anlage immer noch betrieben werde, den Widerrufsbescheid mit Bescheid vom 5. Juni 2007 auf, wobei die Kosten des Widerspruchsverfahrens dem Kläger auferlegt wurden. Auf den erneuten Widerspruch des Klägers legte die Beklagte die Kosten des Widerspruchsverfahrens mit Bescheid vom 2. August 2007 sich selbst auf, erklärte die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren jedoch für nicht notwendig.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren notwendig war, abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
II.
Der auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Das Vorbringen des Klägers, das den Prüfungsumfang für das Oberverwaltungsgericht bestimmt (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO), rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Maßgebend sind dabei allein die innerhalb der gesetzlichen Frist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegten Gründe, so dass der Schriftsatz des Klägers vom 9. Oktober 2009 nur insoweit Berücksichtigung finden kann, als darin fristgerecht vorgebrachte Gründe näher erläutert werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 124 a Rz. 50).
Gemessen an den Einwendungen des Klägers bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Das Vorbringen ist nicht geeignet, einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen Urteils mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage zu stellen (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 2009 - 1 BvR 812/09 -, NJW 2010, 1062, juris).
Der Kläger meint, das Verwaltungsgericht habe den Prozessstoff nur unzureichend gewürdigt und sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein einfacher Fall, der die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren nicht erfordere, vorliege. Dies treffe nicht zu, vielmehr seien selbst dem Verwaltungsgericht Fehler bei der Würdigung des Widerrufsbescheides unterlaufen. Um den Bescheid richtig verstehen zu können, haben dieser in Verbindung mit den widerrufenen Subventionsbescheiden und der Richtlinie über die Gewährung von Finanzhilfen des Ministeriums für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg ausgelegt werden müssen, was eine typische Anwaltstätigkeit sei. Erst durch die Auslegung sei erkennbar geworden, dass es für die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs gegen den Widerrufsbescheid auf die Frage nach der Einstellung des werbenden Geschäftsbetriebs bzw. das „Am-Netz-Bleiben“ des BHKW angekommen sei. Zu beachten sei weiter, dass der Widerrufsbescheid Subventionen betroffen habe, die nicht an die Gemeinschuldnerin, sondern an die sich seit 2004 im Insolvenzverfahren befindliche Muttergesellschaft und damit an einen Dritten ausgezahlt worden seien; dies werfe besonders anspruchsvolle Rechtsfragen auf und erfordere eine Differenzierung zwischen Subventionsgewährung und -auszahlung, was für einen Rechtslaien nicht ohne Weiteres möglich sei. Durch den ohne Anhörung erfolgten Widerruf der Zuwendung habe die Beklagte einen unnötigen Fristendruck erzeugt; auch sei die fehlende Anhörung vom Verwaltungsgericht zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Die Behandlung des Widerrufsbescheides sei für ihn als Insolvenzverwalter besonders haftungsgeneigt gewesen, weshalb er sich der Hilfe Dritter mit volljuristischen Kenntnissen habe bedienen müssen. Wegen der drohenden Strafbarkeit nach § 264 StGB sei es regelmäßig keinem Insolvenzverwalter zuzumuten, Subventionsverfahren unter Zeitdruck ohne anwaltlichen Beistand durchzuführen.
Dieses Vorbringen rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist gemäß § 80 Abs. 2 VwVfG die Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Bevollmächtigten im Vorverfahren - anders als die von Anwaltskosten im gerichtlichen Verfahren (§ 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO) - nicht automatisch, sondern je nach Lage des Einzelfalls nur unter der Voraussetzung der konkreten Notwendigkeit anzuerkennen. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ist unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Rechtsanwalts oder sonstigen Bevollmächtigten bedient hätte. Notwendig ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nur dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeiten der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. Oktober 2009 - BVerwG 6 B 14/09 -, juris, Rz. 5 m.w.N.). Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob es für den Bürger zumutbar ist, das Vorverfahren selbst zu führen, ist derjenige der Hinzuziehung des Rechtsanwalts, das heißt seiner förmlichen Bevollmächtigung (BVerwG, Beschluss vom 1. Oktober 2009, a.a.O., Rz. 8 m.w.N.). Die Notwendigkeit, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen, ist nicht von vornherein zu verneinen, wenn der Betroffene selbst Rechtsanwalt ist. Maßgeblich ist auch insoweit, dass sich bei der gegebenen Sach- und Rechtslage ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsniveau eines Rechtsanwalts bedienen würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 1980 - BVerwG 8 C 10/80 -, BVerwGE 61, 100, juris, Rz. 12 m.w.N.; OVG M-V, Beschluss vom 30. April 2002 - OVG 2 O 42/00 -, NVwZ 2002, 1129, juris, Rz. 11 m.w.N.).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe war die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren nicht notwendig. Der Ansatz des Klägers, der Bescheid sei auslegungsbedürftig und für einen juristischen Laien wegen schwieriger Rechtsfragen nicht verständlich, verkennt bereits, dass es vorliegend nicht darauf ankommt, ob sich eine vernünftige Person ohne Rechtskenntnisse eines Rechtsanwalts bedient haben würde, sondern darauf, ob es einem Bürger mit dem Bildungs- und Erfahrungsniveau des Klägers, mithin einer Person mit Rechtskenntnissen, die auch Erfahrungen als Insolvenzverwalter hat, zumutbar war, das Widerspruchsverfahren selbst zu führen. Diese Frage ist zu bejahen. Schon durch den am Ende des Bescheides befindlichen Hinweis, dass für den Fall der Weiterführung der Betriebsstätte durch ein mögliches Nachfolgeunternehmen, das in das Zuwendungsverhältnis eintrete, bei entsprechender Information die Aufhebung des Widerrufsbescheides geprüft werde, war für den Kläger ohne Weiteres erkennbar, dass es (zunächst) ausgereicht hätte, der Beklagten im Rahmen des Widerspruchs Mitteilung über die schon im Juni 2006 durch ihn als Insolvenzverwalter erfolgte Veräußerung des BHKW zu machen. Bereits diese Information hätte - wie geschehen - zur Aussetzung des Widerspruchsverfahrens und zur nachfolgenden Aufhebung des Widerrufsbescheides geführt, ohne dass es dazu der Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts bedurft hätte.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigten, dass die vom Kläger geschilderten rechtlichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Widerrufsbescheid, die für ein im Insolvenzverfahren befindliches Unternehmen typisch sind, ihm als zum Insolvenzverwalter bestellten juristischen Fachmann nicht unbekannt sein konnten und ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts lösbar gewesen wären. Dass die widerrufene Zuwendung (ausschließlich) an einen Dritten ausgezahlt wurde, trifft schon tatsächlich nicht zu. Vielmehr ist dem Änderungsbescheid der Beklagten vom 27. Februar 2001 zu entnehmen, dass Zuwendungsempfänger die Gemeinschuldnerin und ihre Muttergesellschaft in gesamtschuldnerischer Haftung waren. Die unterbliebene Anhörung der Gemeinschuldnerin vor Erlass des Widerrufsbescheides war für eine juristisch ausgebildete Person unschwer erkennbar. Der Umstand, dass der Kläger durch die einmonatige Widerspruchsfrist gehalten war, fristgebunden gegen den Widerrufsbescheid vorzugehen, rechtfertigt die Beauf-tragung eines Bevollmächtigten nicht, zumal nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich ist, dass er hierzu wegen anderer drängender Terminsachen in seiner Funktion als Rechtsanwalt oder Insolvenzverwalter nicht in der Lage gewesen wäre. Auch die hohe wirtschaftliche Bedeutung des Widerrufs der Zuwendung für die Gemeinschuldnerin, das damit verbundene Haftungsrisiko des Klägers als ihres Insolvenzverwalters und die Strafbarkeit falscher Angaben im Subventionsverfahren nach § 264 StGB bewirken nicht, dass der Kläger als auf dem Gebiet des Insolvenzrechts tätiger Rechtsanwalt den Widerspruch nicht hätte selbst einlegen können. Ob dies auch dann gelten würde, wenn die Beklagte das Widerspruchsverfahren trotz der Mitteilung, dass das BHKW veräußert worden war, fortgesetzt hätte, braucht hier nicht entschieden zu werden, weil es - wie oben ausgeführt - maßgeblich darauf ankommt, ob die Zuziehung des Bevollmächtigten im Zeitpunkt der Beauftragung - hier am 20. Juli 2006, also kurz nach Erhalt des Widerrufsbescheides - notwendig war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).