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Entscheidung 13 WF 122/20


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 29.10.2020
Aktenzeichen 13 WF 122/20 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2020:1029.13WF122.20.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Zossen vom 18. Juni 2020 abgeändert:

Auf ihre Erinnerung wird die der Bevollmächtigten des Antragsgegners aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrenskostenhilfevergütung auf

600,88 €

(in Worten: sechshundert 88/100)

festgesetzt.

Gründe

I.

In dem Verfahren hatte die Antragstellerin laufenden monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 105 % des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen staatlichen Kindergeldes (seinerzeit 330 €) geltend gemacht sowie rückständigen Unterhalt für den Zeitraum September 2018 bis April 2019 in Höhe von zuerst 2.608 € (Bl. 34), nach Teilrücknahme nur noch in Höhe von 678 € nebst Zinsen (Bl. 34/70).

Mit im Erörterungstermin geschlossenem Vergleich vom 1. Oktober 2019 (Bl. 89) hat sich der Antragsgegner zur Zahlung monatlichen Unterhalts in Höhe von 105 % des Mindestunterhalts abzüglich des Kindergeldanteils sowie rückständigen Unterhalts in Höhe von 358 € verpflichtet.

Das Amtsgericht hat den Verfahrenswert auf 6.536 € festgesetzt.

Das Amtsgericht hat dem Antragsgegner durch Beschluss vom 1. Oktober 2019 Verfahrenskostenhilfe wie folgt bewilligt (Bl. 48 VKH):

"Dem Antragsgegner wird für den ersten Rechtszug für die Hauptsache und den Vergleichsabschluss mit Wirkung ab Antragstellung

Verfahrenskostenhilfe

bewilligt (§ 113 Abs. 1 FamFG, §§ 114, 119 Abs. 1 ZPO); für die Hauptsache eingeschränkt, soweit sich die Rechtsverteidigung gegen die Inanspruchnahme für den rückständigen Unterhalt auf einen höheren Betrag als 678,- Euro richtet.

Rechtsanwältin D… S… wird ... beigeordnet. ..."

Zur Begründung der Einschränkung hat das Gericht auf fehlende Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung Bezug genommen, die sich aus dem Vergleichsabschluss vom selben Tage ergäben, in dem der Antragsgegner die monatliche Unterhaltszahlungsverpflichtung faktisch anerkannt habe.

Die Beschwerdeführerin hat beantragt, bezogen auf einen Gegenstandswert von 1.898 € eine Vergütung in Höhe von 648 € festzusetzen. Wegen der Einzelheiten wird auf ihren Antrag vom 7. Januar 2020 Bezug genommen (Bl. 51/54 VKH).

Mit Beschluss vom 25. Februar 2020 (Bl. 55 VKH) hat die Kostenbeamtin des Amtsgerichts die der Beschwerdeführerin, Rechtsanwältin S…, aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 31,24 € festgesetzt. Diese Vergütung hat die Kostenbeamtin wie folgt berechnet:

Gebühren der Rechtsanwältin aus dem vollen Verfahrenswert, (6.536 € bzw. 4.638 €):.....

1.125,45 €

abzüglich Gebühren aus dem von dem Verfahrenskostenhilfebeschluss nicht abgedeckten Streitwert von 4.638 €:…

1.094,21 €

festzusetzende Vergütung:…

    31,24 €.

Der hiergegen gerichteten Erinnerung der Beschwerdeführerin (Bl. 59 VKH) hat die Kostenbeamtin nicht abgeholfen (Bl. 66 VKH). Die zuständige Richterin hat die Erinnerung durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen (Bl. 69 VKH).

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die Beschwerdeführerin ihr Ziel weiter. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3, 7 RVG) und in der Sache teilweise erfolgreich. Für die Beschwerdeentscheidung ist die Einzelrichterin des Oberlandesgerichts zuständig, §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 2, 8 RVG.

Die Vergütung der beigeordneten Rechtsanwältin ist aus dem Gegenstandswert zu berechnen, auf den sich die Verfahrenskostenhilfebewilligung bezieht.

Die Ansprüche des beigeordneten Anwalts gegen die Staatskasse bestimmen sich – abweichend von der Auffassung des Amtsgerichts – nach dem Wert, für den Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist. Der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse ist so zu berechnen, als ob nur der von der Bewilligung umfasste Betrag geltend gemacht worden wäre (Differenzmethode) (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 24. Aufl. 2019, RVG VV 3335  Rn. 69).

Dieser Gegenstandswert ist hinsichtlich der Ansprüche der Beschwerdeführerin gegen die Staatskasse der Gebührenberechnung bezogen auf die Verfahrensgebühr zugrunde zu legen.Bei – wie hier – nur teilweiser Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe umfasst auch die Beiordnung nur diesen Teil. Der Rechtsanwalt erhält eine Vergütung aus der Staatskasse nur nach dem Wert des Teils, für den er beigeordnet wurde, auch wenn die Partei ihn mit der weitergehenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung beauftragt. Dabei ist nicht quotenmäßig vorzugehen (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a. a. O., BGH NJW 1954, 1406).

Wird einem Beteiligten nur für einen Teil des Verfahrensgegenstandes Verfahrenskostenhilfe bewilligt, dann ist er insoweit gemäß §§ 76 Abs. 1 FamFG, 122 ZPO von der Berichtigung der Gerichtskosten und im Falle der Beiordnung auch dem Bevollmächtigten gegenüber von der Verpflichtung zur Zahlung von Gebühren und Vorschüssen einstweilen befreit. Er steht damit unbeschadet einer etwaigen Nachzahlungspflicht nach § 125 ZPO in der gebührenrechtlichen Behandlung des weiteren Verfahrens einem Beteiligten gleich, welcher die Gebühren selbst bezahlt. In jedem Falle hat er Anspruch darauf, von der Zahlungspflicht der Gebühren in der Höhe einstweilen verschont zu bleiben, die sich für den Umfang der Verfahrenskostenhilfebewilligung bei Berechnung der Gebühren nach dem RVG ergibt. Dies gilt ohne Rücksicht auf die Beteiligtenstellung als Antragsteller oder Antragsgegner (vgl. bereits BGH NJW 1954, 1406; OLG München FamRZ 1995, 750).

Danach kann sich aber die vom Amtsgericht vertretene Auffassung, dass sich der Anspruch des beigeordneten Anwalts gegen die Staatskasse auf den Differenzbetrag zwischen den Regelgebühren aus dem vollen Streitwert und aus dem von der Verfahrenskostenhilfe nicht betroffenen Teil beschränkt, wenn dem Antragsgegner Teilverfahrenskostenhilfe nur zur Abwehr des vom Gericht als erhöht angesehenen Teils einer Forderung bewilligt wird (so auch OLG München JurBüro 1981, 700, aufgegeben durch OLG München FamRZ 1995, 750), nicht durchsetzen.

Mit der überwiegenden Auffassung ist das Beschwerdegericht der Ansicht, dass bei Beschränkung der Verfahrenskostenhilfe auf einen Teil des Anspruchs der beigeordnete Rechtsanwalt die Verfahrenskostenhilfegebühren aus dem Teilstreitwert erhält, für den Verfahrenskostenhilfe bewilligt ist, und eine Beschränkung i. S. des angefochtenen Beschlusses nicht in Betracht kommt (vgl. OLG München, FamRZ 1995, 750; OLG Stuttgart, JurBüro 1984, 1196; OLG Köln, JurBüro 1981, 1011; Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, 11. Aufl., Rdnr. 8 zu § 122; a. M. OVG Bremen, JurBüro 1989, 1689). Nur diese Auffassung entspricht dem § 48 Abs. 1 RVG, wonach sich der Anspruch des Rechtsanwalts nach den Beschlüssen bestimmt, durch die die Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Bezieht sich die Verfahrenskostenhilfebewilligung nur auf einen Teil des Verfahrensgegenstandes, dann kann die Vergütung nur aus diesem Teil berechnet werden. Für eine weitere Einschränkung fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Insbesondere verbietet sich eine Auslegung des Bewilligungsbeschlusses dahin, dass die Verfahrenskostenhilfe nur auf eine Mehrforderung bezogen sei, womit letztlich der Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe ein größeres Gewicht beigemessen würde, als der Bewilligung. Ebenso wenig kann es in diesem Zusammenhang auf eine angebliche Besserstellung der gegnerischen Partei „zulasten der Staatskasse“ (so OVG Bremen, JurBüro 1989, 1689, 1691) ankommen. Maßgeblich ist allein, dass dem Begünstigten ein Anspruch - wenn auch aus einem Teilgegenstandswert - nach §§ 48 Abs. 1, 49 RVG zusteht und korrespondierend hierzu § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO dem beigeordneten Rechtsanwalt im Bereich der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe jeden Anspruch gegen den Beteiligten selbst versagt. Hinsichtlich des von der Beiordnung umfassten Teils des Streitstoffs ist daher ausschließlich die Staatskasse Anspruchsgegnerin des beigeordneten Rechtsanwalts. Die Beiordnung des Rechtsanwalts erfolgt nicht unter der Voraussetzung, dass er zunächst einmal für die Partei und auf deren Kosten und erst in zweiter Linie im Rahmen der Beiordnung und zulasten der Staatskasse tätig werde (vgl. OLG München FamRZ 1995, 750; OLG Stuttgart JurBüro 1984, 1196). Ein durch Verfahrenskostenhilfe begünstiger Beteiligter hat Anspruch darauf hat, dass die Staatskasse aus dem von der Verfahrenskostenhilfe umfassten Verfahrenswertteil die Anwaltskosten ungeschmälert trägt, so dass er und nicht die Staatskasse durch die Gebührendegression begünstigt wird (vgl. OLG München a. a. O.).

Für diese Auffassung spricht auch, dass es dem beigeordneten Anwalt unter Umständen zuzumuten sein kann, nur noch gemäß der Beiordnung tätig zu werden, soweit ein Unterschied zwischen der Vergütung des Wahlanwalts und der aufgrund Beiordnung zustehenden Vergütung besteht (vgl. OLG Düsseldorf BeckRS 2000, 12250 Rn. 3, beck-online). Auch in einem solchen Fall muss es nach dem Zweck der Verfahrenskostenhilfe, den Unbemittelten dem Bemittelten gleichzustellen, gewährleistet sein, dass sich seine - von der Staatskasse zu zahlenden - Gebühren nach dem vollen Verfahrenswert berechnen, für den Verfahrenskostenhilfe bewilligt ist.

Der Erinnerung ist daher zuzustimmen, dass im Hinblick auf die Vergütungsansprüche der Beschwerdeführerin gegen die Staatskasse der Verfahrensgebühr der Gegenstandswert von 1.930 € (2.608 € - 678 €) zugrunde zu legen ist, für den in Bezug auf die Hauptsache Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist. Das Amtsgericht hat dem Antragsgegner Verfahrenskostenhilfe für seine Rechtsverteidigung gegen den geltend gemachten, 678 € übersteigenden Rückstandsbetrag bewilligt. Im gemäß Bewilligungsbeschluss maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung (24. Juli 2019, Bl. 39) hat die Antragstellerin neben laufendem Unterhalt Unterhaltsrückstände in Höhe von 2.608 € (Bl. 34) beansprucht:

1,3 Verfahrensgebühr, § 49, Nr. 3100 VV RVG…

195 €.

Etwas anderes gilt für die Terminsgebühr. Mit Schriftsatz vom 7. August 2019 (Bl. 70) hat die Antragstellerin ihren auf die Unterhaltsrückstände bezogenen Antrag teilweise zurückgenommen und insoweit nur noch 678 € beansprucht. Für die diesem Zeitpunkt nachfolgend zu vergütenden Verfahrensteile, namentlich den Termin, hat die Verfahrenskostenhilfe damit faktisch ihre Wirkung verloren. Denn ein den Betrag von 678 € übersteigender Verfahrenswert, für den allein Verfahrenskostenhilfe bewilligt ist, war nicht mehr Gegenstand des Termins:

1,2 Terminsgebühr, § 49 Nr. 3104 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 0 €…

0 €.   

Der Einigungsgebühr ist der Wert desjenigen Gegenstandes zugrunde zu legen, der im Zeitpunkt der Einigung noch im Streit stand und über den die Beteiligten mit dem Vergleich vorliegend eine Einigung getroffen haben, vorliegend also der Betrag von 4.638 € (laufender Unterhalt plus Rückstände: 12 x 330 € + 678 €). Denn für den Vergleich hat das Amtsgericht dem Antragsgegner ausweislich des Wortlautes des Bewilligungsbeschlusses (Bl. 48 VKH) Verfahrenskostenhilfe ohne Einschränkung bewilligt. Der Einigungsgebühr ist damit ein Gegenstandswert zu Grunde zu legen, der den dem Vergütungsantrag insoweit zugrunde gelegten Wert von 1.930 € übersteigt. Dem steht nicht entgegen, dass aus der Ausgestaltung des Festsetzungsverfahrens als antragsabhängiges Parteiverfahren folgt, dass eine über den von dem Rechtsanwalt gestellten Antrag hinausgehende Festsetzung nicht zulässig ist. Denn innerhalb des insgesamt beantragten Betrages und im Rahmen des dem Antrag zu Grunde gelegten Sachverhalts darf ein Positionsaustausch dahin vorgenommen werden, dass statt einer geforderten, aber nicht oder nicht in der geforderten Höhe entstandenen Gebühr eine andere, nicht geforderte, aber entstandene Gebühr berücksichtigt werden kann. Dabei ist, wenn nichts Gegenteiliges ersichtlich ist, davon auszugehen, dass der Rechtsanwalt alle ihm durch seine aktenkundig im Rahmen und zeitlich nach der Beiordnung entfaltete Tätigkeit erwachsenen Gebühren und Auslagen berücksichtigt wissen will. Beantragt im Sinne des § 308 Abs. 1 ZPO ist dabei der Betrag, dessen Festsetzung der Rechtsanwalt nach dem Gesamtinhalt des Antrags unter Berücksichtigung erhaltener Vorschüsse und Zahlungen Dritter noch aus der Staatskasse erstrebt (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 24. Aufl. 2019, RVG § 55  Rn. 27). Damit berechnet sich die Einigungsgebühr folgendermaßen:

1,0 Einigungsgebühr, § 49 RVG, Nrn. 1003, 1000 VV RVG…

303 €.

Hinzu kommen:

        

die Pauschale für Post und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG, mit…

 20 € 

Zwischensumme:…

518 € 

und 16 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG mit …

 82,88 €.

Damit ergibt sich der zu zahlende Betrag von…

600,88 €.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 56 Abs. 2 S. 2 RVG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).