Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 26. Kammer | Entscheidungsdatum | 08.08.2013 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 26 Sa 1083/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1 AGG, § 6 AGG, § 7 AGG, § 11 AGG, § 15 AGG, § 22 AGG |
Zu den Gesichtspunkten, die den durch die Verwendung der Formulierung "junges, engagiertes Team" in einer Stellenausschreibung aufgekommenen Verdacht einer beabsichtigten Schlechterbehandlung von Bewerbern aus den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts gerade wegen des Alters widerlegen können.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. April 2013 - 6 Ca 13119/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der 1964 geborene Kläger macht eine Entschädigung wegen angeblicher Altersdiskriminierung im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens geltend.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein im Juli 2008 gegründetes Unternehmen. Sie entwickelt Hardware und Software rund um Multitouch, einer Technologie, die es den Benutzern ermöglicht, auf interaktiven Bildschirmen mit intuitiven Bewegungen der Hände und Finger Inhalte zu animieren. Die Beklagte schrieb im Frühjahr 2012 eine Stelle aus. In der Ausschreibung heißt es ua.:
„… Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir einen Mitarbeiter (w/m) im Vertrieb…
Ihre Aufgaben:
• Aktive Aquise von Neukunden
• Business development
• Angebotserstellung
• Erarbeitung von Verkaufsstrategien
• Präsentation des Unternehmens auf Messen
• Kundenmanagement mittels CRM
Ihr Profil:
• Nachweisliche Erfahrung im Vertrieb
• Kenntnisse und Interesse an innovativer Hard- und Software
• Kommunikatives, freundliches Auftreten
• Eigeninitiative und selbstständige Arbeitsweise
• PKW-Führerschein und Reisebereitschaft
• Sehr gute Deutsch und gute Englischkenntnisse in Wort und Schrift
• Teamfähigkeit
Wir bieten Ihnen:
• Vielfältige und spannende Produkte in einem dynamisch wachsenden Markt
• Die Chance der Vertriebsstrukturen einer jungen Marke mit zu prägen
• Ein junges, engagiertes Team
• Einen Arbeitsort im Herzen Berlins
• Eine attraktive, leistungsorientierte Vergütung“
Der Kläger bewarb sich darauf mit Schreiben vom 8. Mai 2012. Sein Tätigkeitsschwerpunkt habe bisher im Vertrieb gelegen. Er habe sich über die Antriebs- und Anlagentechnik hin zur beratungsintensiven Industrie- und Gebäudeautomatisierung spezialisiert. Hervorgehoben hat er seine Erfahrungen im Vertrieb von Visualisierungssystemen. Die Entwicklung seiner Selbstständigkeit habe nicht seine Erwartungen erfüllt. Seine verhandlungsfähige Gehaltsvorstellung gab er in der Bewerbung mit 60.000 Euro/Jahr an. Am 21. Juni 2012 erhielt er eine Absage. Zu einem Vorstellungsgespräch war er nicht eingeladen worden. Für die Stelle stand bei der Beklagten ein Budget von 20.000 Euro jährlich zur Verfügung. Mit Schreiben vom 16. Juli 2012 machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Entschädigung geltend. Mit der beim Arbeitsgericht am 28. August 2012 eingegangenen Klage verfolgt er seine Ansprüche weiter.
Er hat die Ansicht vertreten, die Formulierung „junges Team“ in der Stellenanzeige stelle einen Verstoß gegen §§ 7, 11 AGG dar. Wenn einen Bewerber ein junges, engagiertes Team erwarte, wisse der durchschnittliche Leser, dass er eher in dieses Team passe, wenn er selbst ein entsprechendes Alter mitbringe. Unter einem jungen Team sei ein Team zu verstehen, welches aus jungen Menschen bestehe. Ein junges Unternehmen müsse nicht ein junges Team haben. Mit 48 Jahren könne er nicht mehr in diese Altersgruppe eingeordnet werden. Bei einem jungen Team werde erwartet, dass die Mitarbeiter nicht älter als 40 Jahre seien. Ein Bruttomonatseinkommen hätte 5.000 Euro betragen. Es sei davon auszugehen, dass die Stelle auch besetzt werde. Er habe in den letzten drei Jahren mehr als 100 Bewerbungen/Jahr verschickt. Die Anzahl der Absagen könne er sich nur mit seinem Alter erklären. Im Übrigen erfülle er sämtliche Voraussetzungen der Stellenausschreibung.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung zu bezahlen und diese mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2012 zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie sei ein junges Unternehmen, was zwangsläufig die Neubildung eines Teams mit sich gebracht habe. In diesem Sinne sei die Angabe „junges“ Team zu verstehen. Das ergebe sich auch daraus, dass die Mitglieder des Teams nicht wirklich jung seien. Einschließlich der beiden Geschäftsführer seien vier Personen noch in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts geboren. Der Kläger sei nicht in die engere Wahl gekommen, da er das Anforderungsprofil nicht erfülle. Weder aus der Bewerbung noch aus dem Lebenslauf lasse sich ein Interesse des Klägers an innovativer Hard- und Software erkennen. Insbesondere gingen daraus keine Kenntnisse im Bereich von Multitouch-Software oder im Bereich vergleichbarer IT-Produkte hervor. Die vom Kläger erwähnten Visualisierungssysteme im anlagentechnischen Bereich hätten nichts mit den bei der Beklagten zu vertreibenden Infotainment-Systemen zu tun, was unter den Parteien nicht streitig ist. Auch die Zielgruppe sei eine ganz andere. Zudem habe es an Erklärungen zu den Punkten PKW-Führerschein und Reisebereitschaft gefehlt. Die Vergütungsvorstellungen des Klägers hätten zudem ihre Möglichkeiten weit übertroffen. Von den Bewerbern seien nur zwei eingeladen worden, der eine sei 1960 und der andere sei 1969 geboren. Die Stelle sei nicht besetzt worden. Sie habe beschlossen, die mit dem Know how vertrauten Mitarbeiter zusätzlich mit Vertriebsaufgaben zu betrauen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und das damit begründet, dass der Kläger bereits keine hinreichenden Indizien für eine Vermutung in Bezug auf eine Diskriminierung wegen des Alters vorgetragen habe. Das Adjektiv jung beziehe sich nicht auf eine Eigenschaft des Bewerbers, sondern auf die Dienstzeit der Mitarbeiter bei der Beklagten. Bei der Formulierung „junges Team“ handele es sich um eine Selbstdarstellung der Beklagten als eines noch jungen Unternehmens.
Der Kläger hat gegen das ihm am 29. Mai 2013 zugestellte Urteil am 18. Juni 2013 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Zur Begründung wiederholt und vertieft er unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag. Es sei bei der Annonce davon auszugehen, dass der künftige Mitarbeiter in einem Kreis von jüngeren Mitarbeitern arbeiten solle. Nur ein junger Mitarbeiter passe in ein bestehendes junges, engagiertes Team. Im Übrigen werde dem Bewerber unter der Überschrift „Wir bieten Ihnen“ das mitgeteilt, was ihn erwarte. Das sei keine Selbstdarstellung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. April 2013 – 6 Ca 13119/12 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2012.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Auch sie wiederholt im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Durch die Formulierung habe auch zum Ausdruck gebracht werden sollen, dass der Bewerber angesichts des noch nicht lange bestehenden Unternehmens in nicht ganz geordnete Verhältnisse komme. Die durch den Kläger erwähnte Visualisierungstechnik habe nicht ansatzweise etwas mit der Technik zu tun, die die Beklagte anbiete. Eine Einarbeitungszeit habe das vorhandene Budget nicht zugelassen.
Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien vom 17. Juni und vom 31. Juli 2013 sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8. August 2013.
I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II. Die Berufung ist aber unbegründet, da die Klage unbegründet ist. Der geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger nicht zu.
1) Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Kläger durfte die Höhe der von ihm begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht bei der Höhe der Entschädigung einen Beurteilungsspielraum ein, weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist. Erforderlich ist allein, dass der Kläger Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll, benennt und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angibt (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - AP Nr. 9 zu § 15 AGG = EzA AGG § 15 Nr. 16, Rn. 16). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht, und den Betrag der angemessenen Entschädigung mit 15.000,00 Euro beziffert.
2) Die Klage ist aber unbegründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf die geltend gemachte Entschädigung nicht zu.
a) Der Kläger ist allerdings als Bewerber „Beschäftigter“ nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG und fällt in den persönlichen Anwendungsbereich des AGG. Dabei spielt es keine Rolle, ob er für die ausgeschriebene Tätigkeit objektiv geeignet ist (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - AP Nr. 9 zu § 15 AGG = EzA AGG § 15 Nr. 16, Rn. 18). Auch auf die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung kommt es nicht an. Das Fehlen einer solchen würde allenfalls zum Einwand treuwidrigen Verhaltens des Bewerbers führen (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - AP Nr. 4 zu § 22 AGG = NZA 2012, 667 = EzA AGG § 15 Nr. 17, Rn. 24).
b) Die Beklagte ist als „Arbeitgeberin“ passiv legitimiert. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG ist Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes, wer „Personen nach Absatz 1“ des § 6 AGG „beschäftigt“. Arbeitgeber eines Bewerbers ist also der, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis gebeten hat (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - AP Nr. 9 zu § 15 AGG = EzA AGG § 15 Nr. 16, Rn. 19).
c) Der Entschädigungsanspruch ist rechtzeitig geltend gemacht worden.
aa) Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Im Falle einer Bewerbung beginnt die Frist mit dem Zugang der Ablehnung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG). Mit Schreiben vom 21. Juni 2012 hat die Beklagte dem Kläger eine Absage erteilt. Dieser hat am 16. Juli 2012 einen Entschädigungs- und Unterlassungsanspruch schriftlich geltend gemacht. Mangels anderweitigen Sachvortrags der Parteien ist deshalb unter Zugrundelegung der üblichen Postlaufzeiten davon auszugehen, dass die Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG gewahrt ist.
bb) Der Kläger hat seinen Entschädigungsanspruch durch die beim Arbeitsgericht am 28. August 2012 eingegangene Klage innerhalb der dreimonatigen Klageerhebungsfrist des § 61b Abs. 1 ArbGG geltend gemacht.
d) Es fehlt jedoch an ausreichend Anhaltspunkten für die Annahme, dass der Kläger wegen seines Alters benachteiligt werden sollte. Im Streitfalle liegen keine Indizien vor, die eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen dessen Alters vermuten lassen (§§ 1, 3 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 22 AGG). Der Kläger ist zwar objektiv ungünstiger behandelt worden als andere Bewerber, da er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden ist. Bedenken bestehen aber schon, ob eine vergleichbare Lage vorgelegen hat, da die objektive Eignung des Klägers für die Stelle fraglich ist. Jedenfalls ist der durch die Verwendung der Formulierung „junges, engagiertes Team“ aufgekommene Verdacht einer beabsichtigten Schlechterbehandlung gerade wegen des Alters durch die weiteren Umstände des Falles widerlegt.
aa) Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG. § 15 Abs. 2 AGG enthält nur eine Rechtsfolgenregelung, für die Anspruchsvoraussetzungen ist auf § 15 Abs. 1 AGG zurückzugreifen (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - AP Nr. 4 zu § 22 AGG = NZA 2012, 667 = EzA AGG § 15 Nr. 17, Rn. 30).
bb) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn ein Beschäftigter wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes - zu denen auch das Alter zählt - eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
(1) Nach § 11 AGG darf ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden. Eine Ausschreibung verstößt gegen § 7 Abs. 1 AGG, wenn Menschen, die ein in § 1 AGG genanntes Merkmal aufweisen, vom Kreis der für die zu besetzende Stelle in Betracht kommenden Personen ausgeschlossen werden (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - AP Nr. 4 zu § 22 AGG = NZA 2012, 667 = EzA § 15 AGG Nr. 17, Rn. 57). Die Verletzung der Verpflichtung, einen Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG auszuschreiben, kann die Vermutung begründen, die Benachteiligung sei wegen des in der Ausschreibung bezeichneten verbotenen Merkmals erfolgt (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 59, aaO.).
(2) Es liegt eine ungünstigere Behandlung des Klägers vor.
Diese besteht darin, dass er aus dem Auswahlverfahren ausgeschieden und er anders als zwei andere Bewerber von der Beklagten nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden ist. Dem Kläger wurde damit bereits im Vorfeld der eigentlichen Besetzungsentscheidung die Chance auf Einstellung genommen. Dies stellt eine ungünstigere Behandlung dar, unabhängig davon, ob der Kläger eingestellt worden wäre (vgl. BAG 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08 - AP Nr. 3 zu § 15 AGG = NZA 2010, 1129 = EzA § 15 AGG Nr. 7, mwN). Unerheblich ist es deshalb, dass sich die Beklagte später entschlossen hat, keinen Bewerber einzustellen. Hierdurch wurde die bereits zuvor erfolgte Benachteiligung des Klägers nicht beseitigt. Ein Nachteil im Rahmen einer Auswahlentscheidung liegt auch dann vor, wenn der Bewerber - wie hier der Kläger - nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab in einem Bewerbungsverfahren ausgeschieden wird. Die Benachteiligung liegt bereits in der Versagung einer Chance (st. Rspr., vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - AP Nr. 9 zu § 15 AGG = EzA AGG § 15 Nr. 16, Rn. 24).
Da die ungünstigere Behandlung bereits in der Versagung einer Chance liegt, ist es irrelevant, ob es im Zuge des Auswahlverfahrens später tatsächlich zu einer Einstellung oder Beschäftigung eines anderen Bewerbers kommt. Die Auslegung der Norm darf nicht dazu führen, dass es der Arbeitgeber in der Hand hat, durch geeignete Verfahrensgestaltung, etwa das vorläufige Absehen von einer Stellenbesetzung, die Chancen von Bewerbern wegen ihrer Merkmale nach § 1 AGG so zu mindern, dass seine Entscheidung praktisch unangreifbar wird. Der Bewerber hat Anspruch auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren, der unabhängig von dessen Ausgang besteht (vgl. BAG, Urteil vom 23. August 2012 – 8 AZR 285/11 - AP Nr. 9 zu § 3 AGG = NZA 2013, 37 = EzA § 7 AGG Nr. 2, Rn. 23)
(3) Es bestehen bereits Bedenken gegen das Vorliegen einer vergleichbaren Situation. Es spricht viel dafür, dass der Kläger für die ausgeschriebene Stelle objektiv ungeeignet war.
(a) Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt voraus, dass der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar (nicht: gleich) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen. Für das Vorliegen einer Benachteiligung ist es erforderlich, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde. Könnte auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stünde dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG. Das AGG will vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren. Die objektive Eignung ist keine ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft, sondern Kriterium der „vergleichbaren Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - AP Nr. 9 zu § 15 AGG = EzA AGG § 15 Nr. 16, Rn. 26).
Grundsätzlich ist für die objektive Eignung nicht auf das formelle Anforderungsprofil, welches der Arbeitgeber erstellt hat, abzustellen, sondern auf die Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber stellen durfte. Der Arbeitgeber darf zwar grundsätzlich über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stelleninhabers frei entscheiden, er darf aber nicht durch willkürlich gewählte Anforderungen den Schutz des AGG faktisch beseitigen (vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - AP Nr. 6 zu § 15 AGG = NZA-RR 2011, 494 = EzA § 15 AGG Nr. 13, Rn. 38).
(b) Die Beklagte hat in der Stellenanzeige „Erfahrung im Vertrieb, Kenntnisse und Interesse an innovativer Hard- und Software, kommunikatives, freundliches Auftreten, Eigeninitiative und selbstständige Arbeitsweise, PKW-Führerschein und Reisebereitschaft, sehr gute Deutsch- und gute Englischkenntnisse in Wort und Schrift sowie Teamfähigkeit“ gefordert.
Ob der Kläger alle Voraussetzungen erfüllt, kann dahinstehen. Die Beklagte bestreitet Kenntnisse im Bereich der bei ihr zu vertreibenden Hard- und Software. Es ist insoweit durchaus nachvollziehbar, dass es sich bei den durch den Kläger bisher vertriebenen Produkten im Bereich der Anlagentechnik nicht um solche handelt, wie sie die Beklagte vertreibt. Der Kläger trägt selbst nicht vor, dass er sich bisher überhaupt mit Multitouch-Technik befasst hat. Inwieweit die durch ihn insoweit erwähnte Visualisierungstechnik damit etwas zu tun hat, lässt sich seinem Vortrag nicht entnehmen. Dass es sich um vollkommen unterschiedliche Bereiche und Inhalte handelt, hat der Geschäftsführer der Beklagten in der Berufungsverhandlung anschaulich erläutert. Dem ist die Klägervertreterin nicht entgegen getreten. Angesichts der Unterschiedlichkeit der Tätigkeitsfelder spricht jedenfalls der erste Anschein dafür, dass der Kläger ohne längere Einarbeitung nicht über das notwendige Hintergrundwissen verfügt, um die Produkte der Beklagten vertreiben zu können.
Es ist auch nicht willkürlich, wenn die Beklagte für einen Vertriebsmitarbeiter verlangt, dass er über konkrete Kenntnisse bezüglich der Hard- und Software verfügt, die er vertreiben soll.
(4) Es liegen jedenfalls keine Indizien für die Vermutung vor, dass der Kläger „wegen“ seines Alters benachteiligt worden ist.
(a) Der Kausalzusammenhang zwischen nachteiliger Behandlung und Alter ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an das Alter anknüpft oder durch dieses motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund das ausschließliche Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das verpönte Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat. Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - AP Nr. 4 zu § 22 AGG = NZA 2012, 667 = EzA AGG § 15 Nr. 17, Rn. 42).
Hinsichtlich der Kausalität zwischen Nachteil und dem verpönten Merkmal ist in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen, die sich auch auf die Darlegungslast auswirkt. Der Beschäftigte genügt danach seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verbotenen Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Durch die Verwendung der Wörter „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich der Kausalität zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität erfordern, die aber die Annahme rechtfertigen, dass Kausalität gegeben ist (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 29, EzA AGG § 22 Nr. 3). Liegt eine Vermutung für die Benachteiligung vor, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
(b) Nach diesen Grundsätzen ist eine Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters nicht zu vermuten.
Anknüpfungspunkt für die Vermutung einer Benachteiligung wegen des Alters ist aus Sicht des Klägers der Text der Stellenausschreibung. Insoweit bezieht der Kläger sich nicht auf das eigentliche Anforderungsprofil des Ausschreibungstextes, sondern auf eine Formulierung unter der Rubrik „Wir bieten Ihnen“. Neben der Chance, die Vertriebsstrukturen einer jungen Marke zu prägen, sollte dazu ua. auch ein „junges, engagiertes Team“ gehören.
Es ist nicht auszuschließen, dass eine Formulierung, mit der ein „junges Team“ „angeboten“ wird, geeignet sein kann, die Absicht einer Diskriminierung wegen des Alters zum Ausdruck zu bringen (so zB. LAG Hamburg 23. Juni 2010 – 5 Sa 14/10 – NZA-RR 2010, 629, Rn. 60). Das kann nur im konkreten Kontext (so auch LAG München 13. November 2012 – 7 Sa 105/12 – BB 2013, Rn. 84) und vor dem jeweiligen Ausschreibungshintergrund beurteilt werden. Danach ist es möglich, dass ältere Personen von einer Bewerbung Abstand nehmen, wenn sie zB. damit rechnen müssen, ausschließlich mit jungen Personen zu tun zu haben, insbesondere wenn sie zu ihnen in eine Konkurrenzsituation treten oder sich (wie in dem durch das LAG Hamburg entschiedenen Fall) nach dem Text der Ausschreibung in das Team besonders einbringen sollen. In wieder anderem Zusammenhang kann es sich um eine allgemeine Selbstdarstellung handeln (vgl. LAG Nürnberg 16. Mai 2012 – 2 Sa 574/11 – BB 2012, 2124, Rn. 42, mit ablehnender Anm. Bertzbach in: jurisPR-ArbR 50/2012 Anm. 1).
Zu bedenken ist, dass die Formulierung die Absicht des Stellenausschreibers intendieren muss, Personen mit dem verpönten Merkmal von einer Bewerbung abzuhalten und dass die Nichteinladung zu einem Bewerbungsgespräch auch auf das höhere Alter zurückzuführen ist. Dagegen spricht es jedenfalls, wenn der Arbeitsplatz, um den es geht, mit dem der übrigen Belegschaftsmitglieder nicht vergleichbar ist und eine unmittelbare Konkurrenzsituation gar nicht zu befürchten ist. Hier war die Stelle für einen Vertriebsmitarbeiter ausgeschrieben. Er sollte den Vertrieb strukturieren und aufbauen. Eine unmittelbare Konkurrenz war nicht zu erwarten. Im Gegenteil. Es wäre um einen Erfahrungsaustausch gegangen, für den unterschiedliche Altersgruppen durchaus hätten befruchtend sein können, gerade auch aus der Sicht eines älteren Bewerbers. Es ist im Übrigen auch nicht auszuschließen, dass die Beklagte mit der Formulierung – wie sie behauptet - zum Ausdruck bringen wollte, dass das Team sich erst vor kurzem zusammengesetzt hat. Dafür spricht, dass das Adjektiv „jung“ auf das Team und nicht ausdrücklich auf dessen Mitglieder bezogen ist. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird die Formulierung aber auch benutzt, um auf das noch nicht so hohe Alter seiner Mitglieder hinzuweisen (so auch LAG Hamburg 23. Juni 2010 – 5 Sa 14/10 – NZA-RR 2010, 629, Rn.60). Dafür, dass hier tatsächlich die erst kurze Zusammenarbeit gemeint war, spricht die unmittelbar darüber stehende Formulierung, nach der die Chance bestehe, die Vertriebsstruktur einer jungen Marke mit zu prägen. Es fehlten offenbar insoweit noch wesentliche Strukturen. Damit steht die Erläuterung des Geschäftsführers der Beklagten in der Berufungsverhandlung im Einklang, wonach durch die hier streitige Formulierung eigentlich habe zum Ausdruck gebracht werden sollen, dass der Bewerber mit „noch etwas ungeordneten Verhältnissen“ rechnen müsse.
Bei dieser Betrachtungsweise ist es aber eher unwahrscheinlich, dass die Beklagte den Kläger als einen gestandenen – und im Übrigen ja auch noch gar nicht so ganz alten – Vertriebler wegen seines Alters nicht eingeladen hat bzw. das Alter zumindest Bestandteil eines Motivbündels gewesen ist. Es ist vielmehr durchaus nachvollziehbar, dass die Einladung ausschließlich vor dem Hintergrund der Andersartigkeit Produkte, mit denen der Kläger bisher befasst gewesen ist, einem durch den Kläger selbst in der Bewerbung angedeuteten fehlenden Erfolg im eigenen Unternehmen und wegen der mit dem Budget von 20.000 Euro nicht ansatzweise in Einklang zu bringenden Gehaltsvorstellungen des Klägers in Höhe des Dreifachen dieses Betrages unterblieben ist. Es ist zu verstehen, wenn die Beklagte es nicht als realistisch angesehen hat, die Gehaltsvorstellungen des Klägers bei ihren Vorgaben realisieren zu können. Für die Darstellung der Beklagten spräche es im Übrigen zusätzlich, wenn ein Drittel des Teams, zu dem sich die beiden Geschäftsführer wohl auch zählen, bereits „aus den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts“ stammen sollte. Dann wäre ein nicht unerheblicher Teil des Teams jedenfalls „nicht mehr so ganz jung“. Hinsichtlich der beiden Geschäftsführer hat der Kläger das auch nicht bestritten. Im Ergebnis konnte das tatsächliche „Alter des Teams“ angesichts der übrigen gegen die Absicht einer Diskriminierung wegen des Alters sprechenden bereits dargestellten Gesichtspunkt dahinstehen.
Vor diesem Hintergrund kommt es im Ergebnis auch nicht mehr darauf an, ob einer der eingeladenen Bewerber sogar älter als der Kläger und der andere nicht viel jünger war. Das spräche allerdings noch eindeutiger dafür, dass das Alter des Klägers für die unterbliebene Einladung zum Vorstellungsgespräch nicht ausschlaggebend gewesen sein dürfte.
III. Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
IV. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es handelt sich um einen Einzelfall ohne grundsätzliche Bedeutung. Die Formulierung „junges Team“ kann nicht unabhängig von dem jeweiligen Kontext auf eine Indizwirkung beurteilt werden. Insoweit weicht der vorliegende Sachverhalt auch von dem ab über den das LAG Hamburg in der oben zitierten Entscheidung zu befinden hatte.