Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 23. Kammer | Entscheidungsdatum | 18.04.2012 | |
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Aktenzeichen | 23 Sa 109/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 155 Abs 4 S 9 SGB 5, § 164 Abs 2 SGB 5, § 164 Abs 3 SGB 5, § 164 Abs 4 SGB 5 |
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 08.12.2011 - 16 Ca 7933/11 - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Die Parteien streiten um den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses.
Die am ……1959 geborene, einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Klägerin stand seit dem 1.1.1979 zur Beklagten und ihren Rechtsvorgängern in einem Arbeitsverhältnis als Sozialversicherungsfachangestellte. Ihr monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt 2.485,39 Euro bei einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 29,15 Stunden. Derzeit erhält sie eine bis zum 13.8.2013 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sie ist Mitglied der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft. Auf ihr Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Betriebskrankenkassen (MTV) Anwendung. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 MTV ist das Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 50. Lebensjahres und einer zehnjährigen Beschäftigungszeit nur aus einem in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden wichtigen Grund kündbar.
Die Beklagte, eine geöffnete Betriebskrankenkasse mit Sitz in Stuttgart und weiteren Geschäftsstellen in Berlin und Hamburg, ist zum 1.4.2004 aus einem Zusammenschluss der BKK B. und der BKK H. entstanden. In die BKK B., Körperschaft des öffentlichen Rechts, ist zum 1.1.1999 die frühere Betriebskrankenkasse des Landes Berlin überführt worden, mit der die Klägerin ursprünglich ihr Arbeitsverhältnis begründet hatte. Nach Anzeige ihrer Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung vom 7.4.2011 verfügte das Bundesversicherungsamt (BVA) mit Bescheid vom 4.5.2011 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Schließung der Beklagten zum 30.6.2011. Die Klägerin wurde hiervon mit Schreiben vom 6.5.2011 informiert. Ihr wurde mitgeteilt, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der Schließung gemäß §§ 153, 155 Abs. 4 Satz 9 und 164 Abs. 4 SGB V zum 30.6.2011 endet. Das ihr von dem Landesverband der Betriebskrankenkassen Baden-Württemberg im Rahmen des Unterbringungsverfahrens unterbreitete Beschäftigungsangebot vom 13.5.2011 hat die Klägerin nicht angenommen. Mit einem weiteren, am 30.5.2011 zugegangenen Schreiben vom 24.5.2011 kündigte die Beklagte ihr vorsorglich betriebsbedingt zum 30.6.2011, hilfsweise zum 31.12.2011. Hiergegen wehrt sich die Klägerin mit der am 26.5.2011 eingegangenen Klage. Mit der am 3.6.2011 eingegangenen und mit dem vorliegenden Verfahren verbundenen Klage vom selben Tage greift sie die Kündigung vom 24.5.2011 an. Gegenüber dem Land Berlin hat die Klägerin in einem weiteren Verfahren ein Rückkehrrecht geltend gemacht.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V in unmittelbarer Folge des Schließungsbescheides geendet hat. Die Regelung des § 164 Abs. 4 SGB V treffen sie nicht. Es würden nur die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten enden, die nicht nach Absatz 3 untergebracht werden. Aufgrund ihrer ordentlichen Unkündbarkeit gemäß § 20 Abs. 1 MTV sei sie aber nach § 164Absatz 3 Satz 3 SGB V unterzubringen. Das sei nicht geschehen. Das ihr unterbreitete Beschäftigungsangebot sei wegen seiner Unbestimmtheit hinsichtlich der zu verrichtenden Tätigkeiten, der zu zahlenden Vergütung und der anzurechnenden Betriebszugehörigkeit sowie wegen der Entfernung der neuen Arbeitsstelle von mehr als 550 km und ihrer familiären Anbindung an Berlin unzumutbar. Es habe schon wegen ihrer vollen Erwerbsminderung nicht angenommen werden können. Zudem sei die Beendigungsregelung nur so zu verstehen, dass die Arbeitsverhältnisse lediglich unter Einhaltung der kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften und tariflichen Regelungen mit dem Tag der Kündigung beendet werden können. Andernfalls sei § 164 Abs. 4 SGB V mit Art. 9 und 12 GG nicht vereinbar. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der gesetzlichen Vorschriften des SGB V ohne Einhaltung der tariflichen Kündigungsfirsten stelle einen unzulässigen Eingriff in ihre durch Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit dar und berühre das durch Art. 9 GG geschützte Grundrecht der Koalitionsfreiheit. Ihr Aufgabenbereich sei auch nicht weggefallen, weil noch für die Dauer von mindestens 2 Jahren Abwicklungsarbeiten zu erledigen seien. Im Übrigen verstoße die Beschränkung der Unterbringungsregelung auf ordentlich unkündbare Arbeitnehmer gegen Art. 3 GG. Die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses ergebe sich auch nicht aus dem behaupteten Verlust der Rechtsfähigkeit der Arbeitgeberin. Sie bestehe gemäß § 155 AGB V solange fort, wie es der Zweck der Abwicklung erfordere. Die Kündigung sei mangels sozialer Rechtfertigung, ordnungemäßer Beteiligung des Personalrates und bestandskräftiger Zustimmung des Integrationsamtes unwirksam.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass das Arbeitsverhältnis unmittelbar aufgrund gesetzlicher Anordnung mit der Schließung zum 30.6.2011 geendet habe. Der Beendigungsautomatismus erfasse sowohl die ordentlich kündbaren als auch die ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer. Er sei nicht von dem Fehlen einer Beschäftigungsmöglichkeit im Rahmen der Abwicklungsarbeiten oder von Unterbringungsbemühungen und ihrem Erfolg abhängig. Das sei folgerichtig, weil sie mit der Schließung ihre Rechtspersönlichkeit verloren habe und damit den Arbeitnehmern der Arbeitgeber abhanden gekommen sei. Die Regelung des § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V sei nicht verfassungswidrig. Selbst wenn ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 GG vorliegen würde, sei er zur Sicherung eines bezahlbaren Krankenversicherungsschutzes geeignet, erforderlich und angemessen. Art. 9 Abs. 3 GG sei nicht verletzt, weil die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter verkürzten Fristen und ohne Rücksicht auf den Ausschluss ordentlicher Unkündbarkeit möglich und hinzunehmen sei. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG liege mangels vergleichbarer Sachverhalte nicht vor. Andernfalls hätte er lediglich einen Anspruch des benachteiligten Arbeitnehmers auf Gleichstellung oder Schadensersatz, nicht aber die Unwirksamkeit der Beendigungsregelung zur Folge. Jedenfalls sei die wegen der vollständigen Betriebsstilllegung ausgesprochene Kündigung wirksam, zu der der zuständige Hauptpersonalrat gehört und die Zustimmung des Integrationsamtes erteilt worden sei. Im Übrigen stehe der Klägerin ein Rückkehrrecht zum Land Berlin zu.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 8.12.2011 der Klage mit den zuletzt noch verbliebenen Anträgen in vollem Umfang entsprochen und festgestellt,
1. dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht am 30.6.2011 beendet worden ist;
2. dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24.5.2011 nicht beendet worden ist
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte als Abwicklungskörperschaft der C. NKK für parteifähig erachtet, weil es sich bei der vorliegenden Bestandstreitigkeit um ein typisches Abwicklungsgeschäft im Sinne des § 155 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1 SGB V handele. Das Arbeitsverhältnis der ordentlich unkündbaren Klägerin sei weder kraft Gesetzes noch aufgrund der Kündigung beendet worden. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass das Arbeitsverhältnis ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer nur dann endet, wenn sie nicht untergebracht werden, weil sie ein nach § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V zumutbares Angebot nicht angenommen haben. Das der Klägerin unterbreitete Angebot sei jedoch mangels erkennbarer Anrechnung ihrer zurückgelegten Beschäftigungszeiten nicht zumutbar gewesen, so dass seine Nichtannahme ohne Folgen für den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses geblieben sei. Andernfalls läge ein unangemessener Eingriff in ihre grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit vor, weil das Gesetz keinen anderen Ausgleich vorsehe, um die mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbundenen Härten auszugleichen. Der Eingriff in ihr Grundrecht scheide nicht schon deswegen aus, weil die Arbeitsverhältnisse schon aufgrund eines durch die Schließung bedingten Verlustes der Rechtspersönlichkeit des Arbeitgebers enden. Die Kasse bestehe auch nach der Schließung als Abwicklungskörperschaft fort. Die Kündigung vom 24.5.2011 habe das Arbeitsverhältnis nicht beenden können, weil die Beklagte zur ihrer sozialen Rechtfertigung einen fehlenden Beschäftigungsbedarf nicht hinreichen dargetan habe.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 13.1.2012 zugestellte Urteil am 17.1.2012 Berufung eingelegt und sie am 24.2.2012 begründet. Sie führt aus, dass das angefochtene Urteil auf einer falschen Anwendung materiellen Rechts beruht. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin habe nach §§ 155 Abs. 4 Satz 9, 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V zum 30.6.2011 ipso jure sein Ende gefunden. Auf die Unterbreitung eines zumutbaren Unterbringungsangebotes komme es nicht an. Ein etwaiger Eingriff in ihre Grundrechte sei aus verfassungsgemäßen Gründen gerechtfertigt. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sie durch den Schließungsbescheid als Körperschaft des öffentlichen Rechts ausgelöscht worden und damit ihren Rechtsverhältnissen das Rechtssubjekt abhanden gekommen sei. Das stelle zudem eine Betriebsstilllegung dar, wie sie umfassender nicht sein könne, so dass auch die vorsorglich ausgesprochene Kündigung gerechtfertigt sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. 12.2011 - 16 Ca 7933/11 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie äußert Zweifel an der Zulässigkeit der Berufung, weil sich deren Begründung nicht mit dem angefochtenen Urteil auseinandersetze und nur die schon erstinstanzlich vertretenen Positionen wiederhole sowie Rechtsstandpunkte hinsichtlich Entscheidungen anderer Gerichte darstelle. Jedenfalls habe das Arbeitsgericht zutreffen darauf hingewiesen, dass die Unterbreitung eines zumutbaren Angebotes notwendig gewesen, aber nicht erfolgt sei, weil eine Erklärung über die Anerkennung der Vorbeschäftigungszeiten und damit zusammenhängend über die Anerkennung des tariflichen Sonderkündigungsschutzes fehlte. Da lediglich eine Vergütungsspanne angegeben werde, sei auch nicht ersichtlich, dass die Vergütung ihrem bisherigen Bruttogehalt entsprochen hätte. Es sei unzutreffend, dass die Entfernung des Beschäftigungsortes keine Rolle spiele. Entgegen der Auffassung der Beklagten könne bei einer Weiterbeschäftigung oder Einhaltung von gesetzlichen sowie tariflichen Kündigungsbeschränkungen und -fristen keine Rede von einer Gefährdung der Gesundheitssysteme sein. Insbesondere sei es nicht erforderlich sie mit dem Ziel der Einsprung verhältnismäßig geringer Kosten aufzugeben, zumal die Arbeitnehmer keine Möglichkeit haben, den Schließungsbescheid zu überprüfen und eine Beendigung gemäß § 164 Abs. 4 SGB V von einem auf den anderen Tag durchaus möglich wäre. Ein derart weiter Eingriff in die Tarifautonomie und die gesetzlichen Regelungen zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen sei nicht gerechtfertigt. Er lasse sich auch nicht mit einem Untergang als Körperschaft öffentlichen Rechts begründen, weil sie bis zu zum Abschluss ihrer Abwicklung fortbestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Begründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Der Auffassung des Arbeitsgerichts, das Arbeitsverhältnis des Klägers sei nicht Kraft gesetzlicher Anordnung beendet worden, weil aufgrund verfassungskonformer Auslegung § 164 Abs. 4 SGB V nicht Arbeitnehmer erfasse, die, wie die Klägerin, entgegen §§ 155 Abs. 4 Satz 9, 164 Abs. 3 SGB kein zumutbares Angebot einer anderweitigen Anstellung erhalten haben, mit Ausführungen zur Auslegung der Norm entgegen getreten. Dass sie sich darüber hinaus auch mit Entscheidungen anderer Gerichtsurteile auseinandersetzt, dient lediglich der weiteren Absicherung ihrer Rechtsauffassung.
II.
Die Berufung ist begründet. Entgegen der angefochtenen Entscheidung war nicht festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht beendet worden ist. Ihre zulässige Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat gemäß §§ 155 Abs. 4 Satz 9, 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V mit dem 30.6.2011 sein Ende gefunden. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen legen vor.
2.1 Die Beklagte ist zum 30.6.2011 geschlossen worden. Der vorläufig vollstreckbare Schließungsbescheid der BVA ist nicht aufgehoben worden.
2.2 Nach § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V gilt für die Betriebskrankenkassen § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V entsprechend mit der Maßgabe, dass § 164 Abs. 3 Satz 3 nur für Beschäftigte gilt, deren Arbeitsverhältnis nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden kann.
2.1.1 § 164 Abs. 2 SGB V regelt Versorgungsansprüche von Versorgungsempfängern und ihren Hinterbliebenen. Absatz 3 Satz 1 und 2 betrifft Dienstordnungsangestellte. Nach Absatz 3 Satz 3 ist den übrigen Beschäftigten bei dem Landesverband der Innungskrankenkassen oder einer anderen Innungskrankenkasse eine Stellung anzubieten, die ihnen unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und bisherigen Dienststellung zuzumuten ist. Jede Innungskrankenkasse ist nach Absatz 3 Satz 4 verpflichtet, entsprechend ihrem Anteil an der Zahl der Versicherten aller Innungskrankenkassen Anstellungen nach Satz 3 anzubieten. § 164 Absatz 4 Satz 1 SGB V bestimmt, dass die Vertragsverhältnisse der Beschäftigten, die nicht nach Absatz 3 untergebracht werden, mit dem Tag der Auflösung oder Schließung enden.
2.1.2 Die grundlegende Regelung ist § 164 Abs. 3 Satz 3 und 4 sowie Absatz 4 SGB V. Demnach enden mit dem Tag der Schließung die Arbeitsverhältnisse aller Beschäftigten. Die Arbeitsverhältnisse der Untergebrachten enden aufgrund der Unterbringung bei dem Landesverband oder einer anderen Kasse. Für die bis zur Schließung noch nicht untergebrachten oder auf sonstige Weise ausgeschiedenen Arbeitnehmer kommt Absatz 4 Satz 1 zur Anwendung. Nach dem Wortlaut und dem Regelungszusammenhang kommt es für die Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse nicht darauf an, ob ihnen überhaupt eine Stellung angeboten worden ist, ob sie zumutbar war und ob das Angebot mit Grund abgelehnt wurde. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob bei der geschlossenen Kasse wegen anfallender Abwicklungsarbeiten über den Tag der Schließung hinaus noch ein Bedarf an der Beschäftigung einzelner Arbeitnehmer besteht. Die Beendigung der Vertragverhältnisse wird von derartigen Unständen nicht abhängig gemacht. Sie knüpft allein und bedingungslos daran an, dass der Beschäftigte zum Tag der Schließung nicht untergebracht worden ist. Die Bezugnahme auf Absatz 3 macht die Beendigung nach Absatz 4 nicht davon abhängig, dass nicht nur die Unterbringung unterblieben ist, sondern auch die in Absatz 3 für die Unterbringung enthaltenen Maßgaben eingehalten worden sind. Aus der Formulierung in Absatz 3 Satz 3 und 4, der gemäß eine angemessene Stellung anzubieten ist und jede Innungskrankenkasse verpflichtet ist, Anstellungen anzubieten, folgt, dass die betroffenen Beschäftigten einen Anspruch auf ein derartiges Angebot haben. Das Gesetz gibt keine Frist für die Erfüllung des Anspruchs und für die Annahme der Angebote vor. Demnach kann ein zumutbares Angebot noch nach dem Tag der Schließung abgegeben und ein vor dem Tag der Schließung abgegebenes Angebot noch nach dem Tag der Schließung angenommen werden. Gleichwohl ordnet Absatz 4 Satz 1 ohne Differenzierung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Tag der Schließung an. Es kommt daher nicht darauf an, ob das der Klägerin unterbreitete Angebot angemessen war oder nicht.
2.1.3 § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V bringt § 164 Abs. 2 bis 4 mit der Maßgabe auf die Betriebskrankenkassen zu Anwendung, dass Absatz 3 Satz 3 nur für ordentlich unkündbare Beschäftigte gilt. Damit wird die Verpflichtung des Landesverbandes und der Betriebskrankenkassen zum Angebot einer zumutbaren Stellung auf diesen Personenkreis beschränkt. Für die Anwendung des in Bezug genommenen Absatzes 4 sieht § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V keine Maßgabe vor. Damit beleibt es bei der Grundregel, dass alle noch bestehenden Vertragverhältnisse mit dem Tag der Schließung enden.
2.2 Die Beendigungsregelung gemäß §§ 155 Abs. 4 Satz 9, 164 Abs. 3 und 4 SGB V ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
2.2.1 Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Er schützt den Einzelnen mit der Garantie der freien Wahl des Arbeitsplatzes, zu der auch der Wille zu seiner Beibehaltung gehört, gegen staatliche Maßnahmen, die diese Wahlfreiheit beschränken. Mit der Wahlfreiheit ist jedoch keine Bestandsgarantie für den einmal gewählten Arbeitsplatz verbunden. Direkte staatliche Eingriffe in bestehende Arbeitsverhältnisse sind möglich. Art 12 Abs. 1 Satz 2 GG gilt auch für die Arbeitsplatzwahl. Auch sie unterliegt gesetzlichen Beschränkungen, die an der Bedeutung der Wahlfreiheit gemessen nur zur Sicherung eines entsprechend wichtigen Gemeinschaftsguts und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig ist (vgl. BVerfG Urteil vom 24.4.1991 - 1 BvR 1341/90 - in AP Nr. 70 zu Art. 12 GG). Die Beendigungsregelung greift zwar in die Wahlfreiheit ein, genügt aber den dafür notwendigen Anforderungen.
2.2.1.1 Die Sicherung eines bezahlbaren Krankenversicherungsschutzes in der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung ist gemäß dem Sozialstaatsgebot des Art. 20 GG ein beachtliches Gemeinwohlinteresse, dass einen Eingriff in die Rechte aus Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen kann (vgl. BVerfG Urteil vom 10.6.2009 - 1 BvR706/08 - in BVerfGE 123, 86). Dem dient die Beendigungsregelung. Mit der Beendigung der Arbeitsverhältnisse sollen die Kosten der Abwicklung einer wegen dauerhafter Leistungsunfähigkeit geschlossenen Kasse begrenzt und möglichst gering gehalten werden. Dies geschieht in Beachtung des Interesses der Versicherten, die Beiträge zur Krankenversicherung erträglich zu halten, und des Interesses der in § 155 Abs. 4 SGB V vorgesehenen Haftungsgemeinschaft der übrigen Kassen, finanziell nicht überfordert zu werden.
2.2.1.2 Zur Erreichung des Ziels ist die Beendigungsregelung geeignet. Mit der Beendigung aller Arbeitsverhältnisse zum Tag der Schließung werden Kosten durch Verzögerungen bei Einleitung der ansonsten von dem Arbeitgeber zu veranlassenden Entlassungen oder bei ihrer Durchführung vermieden. Die Kasse wird in die Lage versetzt, sich frei von Unwägbarkeiten und finanzieller Risiken der Entlassungen auf die Abwicklung gemäß § 155 Abs. 1 und 2 SGB V auszurichten und personell auszustatten.
2.2.1.3 Die Beendigungsregelung ist zur Erreichung des Ziels auch erforderlich, weil mildere Mittel zur gleich wirksamen Förderung des angestrebten Ziels nicht zur Verfügung stehen. Die Kündigungen oder Abschluss von Aufhebungsverträgen würden wegen des damit verbundenen Verwaltungsaufwandes sowie der damit einhergehenden zeitlichen Verzögerungen weitere Kosten verursachen und im Hinblick auf die damit einhergehenden Rechtsunsicherheiten eine zügige Abwicklung zur Lasten der Versicherten und der Haftungsgemeinschaft erschweren.
2.2.1.4 Die Regelung ist auch angemessen. Zwar führt die Regelung der §§ 155 Abs. 4 Satz 9, 164 Abs. 4 SGB V zu einer Belastung der Klägerin, der ohne Einhaltung seiner tariflichen Kündigungsfrist das der Sicherung seiner Existenz dienende Arbeitsverhältnis verliert, ohne gesetzlichen Kündigungsschutz in Anspruch nehmen und ohne die Schließungsentscheidung überprüfen zu können. Allerdings ist auch bei Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes die Entscheidung des Arbeitgebers zu Schließung seines Betriebes nicht auf ihre Rechtfertigung und ihre Zweckmäßigkeit, sondern darauf zu überprüfen, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. BAG Urteil vom 23.4.2006 – 2 AZR 1110/06 – in AP Nr. 177 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Um die Schließung einer Betriebskrankenkasse nach § 153 Abs. 1 Nummer 3 SGB V anordnen zu können, hat das BVA keinen freien Entscheidungsspielraum. Vielmehr muss die dauerhafte Leistungsunfähigkeit festgestellt werden. Die Arbeitsverhältnisse enden demnach nicht ohne Prüfung und Feststellung der dafür erforderlichen Notwendigkeit. So hat sich das BVA nach der Begründung ihres Bescheides vom 4. Mai 2011 erst zur Schleißung entschlossen, nachdem bisherige Sanierungsversuche trotz der Finanzhilfen aus dem BKK-System gescheitert waren, trotz weiterer Hilfen eine Sanierung nicht mehr möglich und bis Ende 2011 ein Anwachsen der Verschuldung auf rund 98, 2 Millionen zu erwarten war. Damit wird erkennbar, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin auch unabhängig von der angeordneten Schließung keinen dauerhaften Bestand haben konnte, sondern vor seiner Beendigung stand. Auch bei Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes wäre es gegen ihren Willen einseitig zu beenden gewesen.
Die Beendigung traf die Klägerin nicht ohne Ankündigung. Ihr Termin und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen waren ihr mit Zugang der Unterrichtung über den Schließungsbescheid bekannt. Bereits mit dem Schreiben vom 13.5.2011 ist ihr ein Beschäftigungsangebot unterbreitet worden. Zwar werden mit der sich daraus ergebenden Zeitspanne die gesetzlichen Kündigungsfristen unterschritten. Sie ist aber auch nicht so unbedeutend für das Bedürfnis, sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einzustellen, dass deswegen ein unangemessener Eingriff in den sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Schutz bestehender Arbeitsverhältnisse vorliegen würde.
Der Eingriff ist nicht deswegen unangemessen, weil zum Beendigungstermin noch ein Bedarf an Arbeitskräften für die Abwicklungsarbeiten bestanden hat. Das Bundesarbeitsgericht hat unter Berücksichtigung des durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesses des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes und im Hinblick auf die sich aus § 242 BGB ergebenden Rücksichtsnahmepflicht des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer grundsätzlich einen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bzw. Wiedereinstellung zuerkannt, wenn sich zwischen dem Ausspruch einer wirksamen betriebsbedingten Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ergibt (vgl. BAG Urteil vom 28.6.2000 - 7 AZR 904/98 - in AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung). Zwar hat die Beklagte keine Kündigung ausgesprochen, sondern ein Dritter die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führende Schließungsanordnung getroffen. Gleichwohl waren bereits vor dem Schließungszeitpunkt Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Rahmen der Abwicklung erkennbar. Die Interessenlage ist auch nicht anders als bei einer betriebsbedingten Kündigung, so dass der Klägerin grundsätzlich ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung zuzugestehen wäre, wenn sie bei den Abwicklungsarbeiten eingesetzt werden konnte. Gleichwohl führt das nicht zur Unangemessenheit der Beendigungsregelung. Eine Weiterbeschäftigung wäre nur befristet und der Abwicklung angepasst möglich. Ohne die Beendigungsregelung wäre die Beklagte hierzu auf einen nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers möglichen Änderungsvertrag, eine Änderungskündigung oder eine Beendigungskündigung verwiesen. Das würde wiederum dem mit der Beendigungsregelung verfolgten Ziel der Kostenersparnis und Planungssicherheit zuwiderlaufen.
Die Überlegungen der Klägerin zur Gewichtung der Personalkosten und ihrem weiteren Anfall wegen der Abwicklungsarbeiten können nicht verfangen. Es ist zu berücksichtigen, dass die Haftungsgemeinschaft der Krankenkassen ausweislich der Begründung des Schleißungsbescheides schon zuvor erhebliche Mittel zur Rettung der Beklagten aufgewandt hat. Es kann auch nicht außer Acht gelassen werden, dass ohne die Beendigungsregelung die Personalkosten durch Verzögerungen bei Einleitung und Durchführung der dann erforderlichen Entlassungen weiter steigen werden.
Die Beendigungsregelung ist auch hinsichtlich der schwerbehinderten Arbeitnehmern und der ihnen Gleichgestellten angemessen. Selbst bei Anwendung der sie vor Kündigungen schützenden Normen wäre wegen der Schließung der Kasse eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch gegen ihren willen möglich und nicht zu vermeiden.
2.3 Eine Ungleichbehandlung gegenüber Arbeitnehmern von Gesellschaften des Privatrechts, deren Arbeitsverhältnisse bei Auflösung der Gesellschaft nicht von Gesetzes wegen enden, sondern gekündigt werden müssten, ist durch das im Gemeinwohl liegende Interesse an einem bezahlbaren Krankenversicherungsschutz und dem besondere Haftungssystem der Betriebskrankenkassen gerechtfertigt. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs. 1 GG liegt damit nicht vor. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs. 1 G wegen einer Ungleichbehandlung gegenüber Beschäftigten, die gemäß §§ 164 Abs. 3, 171d Abs. 1 Satz 5 SGB V einen Anspruch auf Unterbringung haben, sowie führt allenfalls zu einem Anspruch auf Gleichbehandlung, nicht aber zur Unwirksamkeit der Regelung. Mit den Dienstordnungsangestellten ist die Klägerin aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse nicht vergleichbar.
2.4 Art. 9 Abs. 3 GG hindert den Gesetzgeber nicht, in den Bestand von Arbeitsverhältnisses unter Abkürzung von Fristen einzugreifen. Eine gesetzliche Regelung, die in dem Bereich, der auch Tarifverträgen offen steht, kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn der Gesetzgeber sich dabei auf mit Verfassungsrang ausgestattete Rechte stützen kann und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (vgl. BVerfG Beschluss vom 24.4.1996 – 1 BvR 712/86 – in BVerfGE 94, 268). Die Beendigungsregelung gemäß §§ 155 Abs. 4 Satz 9, 164 Abs. 4 SGB V dient der durch Sozialstaatsgebot des Art 20 GG geforderten Sicherung eines bezahlbaren Krankenversicherungsschutzes. Für die Bestimmung des Schließungstermins und dem damit einhergehenden Zeitpunkt für die Beendigung der Arbeitsverhältnisse sind die konkreten Umstände der Betroffenen Kasse und die Situation der Versicherten sowie die des Haftungsverbundes von Bedeutung. Dem kann eine Entscheidung durch das BVA besser Rechnung tragen als eine Regelung der Tarifvertragsparteien.
3. Da das Arbeitsverhältnis der Klägerin gemäß §§ 155 Abs. 4 Satz 9, 164 Abs. 4 SGB V mit dem 30.6.2011 beendet worden ist, konnte die Klage auch mit ihrem gegen die Kündigung vom 19.5.2011 gerichteten Antrag keinen Erfolg haben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Auslegung der §§ 155 Abs. 4 Satz 9, 164 Abs. 3 und 4 SGB V und ihrer Übereinstimmung mit dem Grundgesetz zugelassen worden.