Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 13. Senat | Entscheidungsdatum | 22.11.2012 | |
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Aktenzeichen | L 13 SB 150/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 69 SGB 10 |
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 durch den Beklagten.
Der 1952 geborene Kläger beantragte erstmals am 6. April 2009 beim Beklagten die Feststellung eines GdB. Dabei trug er vor, wegen eines Tinnitus, seiner Bauchspeicheldrüse, eines Bluthochdrucks sowie eines Bandscheibenvorfalles in ärztlicher Behandlung zu sein. Zudem sei ihm im Februar 2009 ein knotiges Basaliom entfernt worden. Der Beklagte holte daraufhin Befundberichte bei den den Kläger behandelnden Ärzten sowie eine versorgungsärztliche Stellungnahme ein. In dieser befürwortete die Ärztin für Sozialmedizin Dr. M die Anerkennung folgender Funktionsbeeinträchtigungen:
degenerative Veränderungen der Wirbelsäule,
Bandscheibenschäden
(Einzel-GdB 20)
chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse,
Fettleber, Verlust der Gallenblase
(Einzel-GdB 20)
Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung,
Harnsäurestoffwechselstörung
(Einzel-GdB 10)
Schwerhörigkeit, Ohrgeräusche beidseits
(Einzel-GdB 10)
Der Beklagte erkannte daraufhin mit Bescheid vom 17. November 2009 einen GdB von 30 an und stellte fest, dass die Funktionsbeeinträchtigung zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt habe. Mit seinem am 24. November 2009 beim Beklagten eingegangenen Widerspruch begehrte der Kläger die Feststellung eines GdB von 50. Dabei verwies er darauf, an einer chronischen Entzündung der Bauchspeicheldrüse mit erheblichen Beschwerden und mäßiger Beeinträchtigung des Kräftezustandes zu leiden. So träten nach der Nahrungsaufnahme Durchfälle und Bauschmerzen sowie gelegentlich Erbrechen auf. Darüber hinaus bestehe eine ausgeprägte – mittelgradige – Schwerhörigkeit auf beiden Ohren sowie ein Tinnitus mit häufig quälenden Ohrgeräuschen, die zu Schlaflosigkeit und Konzentrationsstörungen führten. Schließlich seien deutliche Funktions- und Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule zu objektivieren. Der Beklagte ließ den Kläger daraufhin durch die Ärztin O begutachten, die in ihrem Gutachten vom 19. März 2010 nach Untersuchung des Klägers die Feststellungen des Beklagten bestätigte. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule des Klägers sei nicht eingeschränkt und die erhöhte Stuhlfrequenz mit einem Einzel-GdB von 20 leidensgerecht bewertet, da der Kläger keinen reduzierten Allgemein- oder Ernährungszustand aufweise. Der Bluthochdruck und die Stoffwechselerkrankungen seien gut eingestellt. Die Bewertung der Schwerhörigkeit und der Ohrgeräusche sei aus dem Befund des HNO-Arztes übernommen. Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2010 mit der Begründung zurück, weder das Widerspruchsvorbringen des Klägers noch die durchgeführte medizinische Sachaufklärung im Widerspruchsverfahren ließen Gesichtspunkte erkennen, nach denen der Kläger zum Personenkreis der schwerbehinderten Menschen gehöre.
Der Kläger hat am 26. Juli 2010 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte des Orthopäden Dr. B vom 30. August 2011, der HNO-Ärztin Dr. G vom 1. September 2011 sowie des Allgemeinmediziners Dr. S vom 30. August 2011 eingeholt. Anschließend hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens bei dem Allgemeinmediziner und Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. S. Der Sachverständige befürwortet in seinem Gutachten vom 1. Februar 2012 aufgrund der Untersuchung des Klägers am 20. Januar 2012 einen GdB von 30. Dem legt er folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:
Verschleißleiden der LWS, Bandscheibenvorfall zwischen
dem 5. Lendenwirbel und dem 1. Kreuzbeinwirbel und
Bandscheibenvorwölbung zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel
(Einzel-GdB 20)
wiederkehrende Zwölffingerdarm-Geschwür-Bildung;
wiederkehrende Bauchspeicheldrüsen-Entzündung;
Verlust der Gallenblase
(Einzel-GdB 20)
medikamentös eingestellte Bluthochdruckerkrankung
(Einzel-GdB 10)
Hörminderung, Ohrgeräusche
(Einzel-GdB 10)
Mit Gerichtsbescheid vom 4. Juli 2012 hat das Sozialgericht nach Anhörung der Beteiligten die Klage gestützt auf das Gutachten von Dr. S abgewiesen und ergänzend ausgeführt, dass die Einwände des Klägers, seine Hörminderung sowie eine bei ihm bestehende Schmerzsymptomatik hätten nicht ausreichend Berücksichtigung gefunden, nicht überzeugten. Gegenüber dem Sachverständigen habe der Kläger dargelegt, die Hörminderung sei vor allem relevant, wenn er sich mit Personen unterhalte, die mit einer hohen Stimmlage sprächen. An den daneben bestehenden Tinnitus habe er sich zwischenzeitlich gut gewöhnt, so dass er diesen häufig gar nicht mehr wahrnehme. In Übereinstimmung mit den vorliegenden Ton- und Sprachaudiogrammen handele es sich in Anwendung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht um eine relevante Hörminderung und komme für einen Tinnitus ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen kein höherer Einzel-GdB als 10 in Betracht. Darüber hinaus habe der Kläger weder gegenüber dem Sachverständigen noch gegenüber dem Gericht bisher eine relevante Schmerzsystematik geltend gemacht. Lediglich ein über das üblicherweise vorhandene Maß an Schmerzen hinausgehendes Ausmaß an Schmerzen, das ärztlicher Behandlung bedürfe, könne den Ansatz höherer Werte rechtfertigen. Ein medizinischer Nachweis für außergewöhnliche Schmerzzustände fehle und sei vor dem Hintergrund des Vortrages des Klägers, der deswegen nicht in ärztlicher Behandlung sei und auch keine Schmerzmedikamente einnehme, auch nicht erkennbar, zumal die eingeholten Befundberichte keine besondere Schmerzsymptomatik belegten.
Der Kläger hat am 18. Juli 2012 Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt, mit der er die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht bzw. weiterhin die Feststellung eines GdB von 50 begehrt. Zur Begründung verweist er darauf, dass das Sozialgericht nicht allein auf der Grundlage eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens habe entscheiden dürfen. Dem Sachverständigen Dr. S fehle die fachliche Kompetenz zur Beurteilung der bei ihm bestehenden hochkomplexen Schmerzsymptomatik und Hörminderung. Infolge der Mulitmorbidität und Progredienz der Leiden komme es zu einer besonders ungünstigen Überlagerung, (teilweisen) Wechselwirkung und Potenzierung der einzelnen Behinderungskomplexe.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4. Juli 2012 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Berlin zurückzuverweisen, hilfsweise, den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 17. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2010 zu verpflichten, bei dem Kläger ab dem 6. April 2009 einen GdB von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegen-stand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
Die zulässige und insbesondere nach § 144 Absatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers hat in der Sache weder mit ihrem Haupt- noch mit ihrem Hilfsantrag Erfolg.
Dabei scheidet die mit dem Hauptantrag begehrte Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Berlin vom 4. Juli 2012 und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Berlin nach § 159 Absatz 1 Nr. 2 SGG bereits deshalb aus, weil die Sache zur abschließenden Entscheidung reif ist. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Feststellung eines höheren GdB als 30. Der Bescheid des Beklagten vom 17. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Absatz 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die dagegen von dem Kläger mit der Berufungsbegründung pauschal vorgebrachten Einwände lassen gerade vor dem Hintergrund der Äußerungen des Klägers gegenüber dem Sachverständigen im Rahmen der Begutachtungsuntersuchung einen tatsächlichen Anknüpfungspunkt vermissen, zumal Dr. S als Facharzt für Allgemeinmedizin sowie für Physikalische und Rehabilitative Medizin über die notwendige Sachkunde zur Beurteilung der Auswirkungen sämtlicher von dem Kläger geltend gemachter Gesundheitsstörungen verfügt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Absatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Absatz 2 SGG nicht gegeben sind.