Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 09.01.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 N 85.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 6 Abs 1 UVG, § 7 Abs 1 S 1 UVG, § 116 BSHG, § 97a SGB 8 |
Für die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsverlangens nach § 6 Abs. 1 UVG ist es ausreichend, dass die Inanspruchnahme des Elternteils, bei dem das Kind, für das Unterhaltsvorschuss gewährt wird, nicht lebt, nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG in Betracht kommt. Dies ist der Fall, solange nicht offensichtlich ist oder sogar fest-steht, dass eine solche Inanspruchnahme wegen Rechtswidrigkeit der Unterhaltsvorschussgewährung oder der Barunterhaltsverpflichtung ausscheidet - sog. Negativevidenz - (in Anlehnung an die Rechtsprechung zu Auskunftsverlangen nach § 116 BSHG und § 97a SGB VIII).
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. September 2011 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen den Bescheid des Beklagten vom 11. Januar 2011, mit dem er den Kläger über die Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen ab dem 1. Oktober 2010 an dessen Tochter informiert sowie ihm die auf § 6 Abs. 1 des Unterhaltsvorschussgesetzes - UVG - gestützte Pflicht zur Erteilung von Auskünften über seine wirtschaftlichen Verhältnisse auferlegt hat. Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei zur Erteilung der fraglichen Auskünfte verpflichtet. Mit dem auf die Zulassungsgründe ernstlicher Richtigkeitszweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sowie grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützten Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Der Antrag hat keinen Erfolg. Dabei kann dahinstehen, ob sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat mit der Folge, dass der Berufungszulassungsantrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden ist, weil der Beklagte mit Schriftsatz vom 30. November 2012 (Bl. 143 der Akte) mitgeteilt hat, an der Durchsetzung dieses Bescheides nicht mehr festhalten zu wollen, nachdem der Kläger außergerichtlich die strittigen Auskünfte über seine wirtschaftlichen Verhältnisse erteilt habe. Denn jedenfalls ist er unbegründet.
1. Ernstliche Richtigkeitszweifel liegen nicht vor. Das Verwaltungsrecht hat vielmehr zu Recht eine Auskunftspflicht des Klägers hinsichtlich seiner Einkommensverhältnisse gegenüber dem Beklagten gemäß § 6 Abs. 1 UVG angenommen. Nach dieser Vorschrift ist der Elternteil, bei dem das unterhaltsvorschussberechtigte Kind nicht lebt, verpflichtet, der zuständigen Stelle auf Verlangen die Auskünfte zu erteilen, die zur Durchführung des UVG erforderlich sind. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Verwaltungsgericht aus den im erstinstanzlichen Urteil genannten Gründen zutreffend bejaht. Das Berufungszulassungsvorbringen ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Ausführungen zu wecken.
a) Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, der Auskunftsanspruch hätte nicht auf § 6 Abs. 1 UVG, sondern auf § 7 Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz UVG gestützt werden müssen mit der Folge, dass die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens an den Voraussetzungen des § 7 UVG zu messen sei. In § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG heißt es zwar, dass bei Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen der Unterhaltsanspruch gegen den Elternteil, bei dem das unterhaltsberechtigte Kind nicht lebt, in Höhe der Unterhaltsleistung nach dem UVG „zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch“ auf das Land übergeht. Daraus folgt aber nicht, dass für den vorliegend in Rede stehenden Auskunftsanspruch diese Vorschrift Rechtsgrundlage wäre. Der unterhaltsrechtliche Auskunftsanspruch, den § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG meint, ist der zivilrechtliche Auskunftsanspruch des unterhaltsberechtigten Kindes gegenüber dem barunterhaltspflichtigen Elternteil nach § 1605 BGB (Grube, UVG, 2009, § 7, Rn. 8). Dieser Auskunftsanspruch besteht bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG gegebenenfalls neben demjenigen aus § 6 Abs. 1 UVG.
b) Das Verwaltungsgericht ist außerdem zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger der ihm auferlegten Auskunftsverpflichtung nicht mit Erfolg entgegenhalten kann, seine Tochter habe ihm gegenüber keinen Anspruch auf Barunterhalt und die Unterhaltsvorschussleistungen seien (daher) rechtswidrig gewährt worden.
Für die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsverlangens nach § 6 Abs. 1 UVG ist es ausreichend, dass die Inanspruchnahme des Elternteils, bei dem das Kind, für das Unterhaltsvorschuss gewährt wird, nicht lebt, nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG in Betracht kommt. Dies ist der Fall, solange nicht offensichtlich ist oder sogar feststeht, dass eine solche Inanspruchnahme wegen Rechtswidrigkeit der Unterhaltsvorschussgewährung oder der Barunterhaltsverpflichtung ausscheidet - sog. Negativevidenz -.
Eine Pflicht zur Auskunft für die in § 6 Abs. 1 UVG genannten Personen besteht nach dem Wortlaut der Norm, wenn sie „zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich“ ist. Das ist bereits dann anzunehmen, wenn ein im Wege des Forderungsüberganges nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG bestehender Leistungsanspruch des Beklagten gegenüber dem Kläger zumindest in Betracht kommt, denn insoweit kommt es für dessen Berechnung auf die Höhe seines Einkommens an. Dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 UVG ist nicht zu entnehmen, dass für die darin vorgesehene Auskunftsverpflichtung darüber hinaus feststehen muss, dass der Betreffende im konkreten Einzelfall auch mit Erfolg nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG herangezogen werden kann. Dagegen spricht bereits, dass durch die Pflicht zur Auskunft über die Einkommensverhältnisse gerade erst ermittelt werden soll, ob die fragliche Person der Höhe nach über ein Einkommen verfügt, das eine Inanspruchnahme nach § 7 UVG ermöglicht. Zweck des Auskunftsverlangens ist es daher, der zuständigen Behörde die Prüfung zu ermöglichen, ob und in welchem Umfang die fragliche Person aus ihrem Einkommen nach § 7 UVG in Anspruch genommen werden kann. Dieser Zweck gebietet es, eine Auskunftsverpflichtung des familienfernen Elternteils im Sinne von § 6 Abs. 1 UVG schon dann anzunehmen, wenn eine Anspruchsverpflichtung nach § 7 UVG zumindest in Betracht kommt, d.h. nicht offensichtlich von vornherein ausscheidet. Insoweit ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21. Januar 1993 - 5 C 22.90 -, BVerwGE 91, 375 ff.) zu § 116 BSHG (nunmehr § 117 SGB XII) und diejenige zu § 97a SGB VIII (Senatsbeschluss vom 4. November 2013 - OVG 6 N 59.13 -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. September 2003 - 4 LA 50/12 -, Rn. 5 bei juris) auf die Auskunftspflicht nach § 6 Abs. 1 UVG übertragbar, da durch die geforderte Auskunft über die Einkommensverhältnisse Erkenntnisse über die Anspruchsverpflichtung nach § 7 UVG gewonnen werden können. Diese Möglichkeit besteht auch dann noch, wenn der in die Auskunftspflicht Genommene geltend macht, eine Leistungspflicht - unabhängig von seinen Einkommensverhältnissen - komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Gewährung der Unterhaltsvorschussleistung an sein Kind rechtswidrig und er tatsächlich nicht zum Barunterhalt verpflichtet sei. Die Rechtmäßigkeit der Maßnahme ist daher im Rahmen des Auskunftsverlangens nicht inzident zu prüfen. Sie ist grundsätzlich dem Bewilligungsverfahren vorbehalten. Die Frage, ob eine Verpflichtung zum Barunterhalt gegenüber dem Kind besteht, ist im Rahmen eines Verfahrens über die Inanspruchnahme nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG zu klären. Sie kann aus den dargelegten Gründen nicht in das Verfahren über die Verpflichtung zur Auskunftserteilung gleichsam vorverlagert werden.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Verwaltungsgericht überzeugend dargelegt, dass keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Unterhaltsanspruch des Kindes gegenüber dem Kläger offensichtlich nicht besteht und dass die Unterhaltsvorschussleistungen auch nicht offensichtlich rechtswidrig gewährt werden.
2. Die Rechtssache weist auch weder besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, die über den Normalfall hinausgehen und deren Klärung deshalb der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedürfte, noch wirft sie Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf. Die von der Berufungszulassung sinngemäß für grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage, „ob ein Forderungsübergang des Unterhaltsanspruchs nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG auch in Fällen rechtswidriger Leistungsgewährung eintritt“, ist nicht entscheidungserheblich. Auf die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG kommt es aus den unter 1. dargelegten Gründen nicht an.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).