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Grundsteuer


Metadaten

Gericht VG Potsdam 11. Kammer Entscheidungsdatum 20.12.2013
Aktenzeichen VG 11 K 682/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 191 Abs 1 S 1 AO

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Duldungsbescheides.

Betroffen hiervon ist das gemischtgenutzte Grundstück Gemarkung ..., Flur ..., Flurstück …, verzeichnet im Grundbuch von ..., Blatt 10, mit der postalischen Anschrift „... 13 in ... “.

Dieses gehörte ursprünglich den Eheleuten ... und ... ..., denen das Grundstück zunächst mit einem Grundsteuermessbetrag in Höhe von 122,00 DM zugerechnet wurde. Auf dieser Grundlage zog der Beklagte Herrn ... ... mit Fortgeltungsbescheid vom 17. Januar 1994 ab dem Jahre 1993 bei einem Hebesatz von 300 % zur Zahlung der Grundsteuer B in Höhe von jährlich 366,00 DM heran.

Mit Grundsteuermessbescheid vom 27. Februar 1997 setzte das Finanzamt ... den Grundsteuermessbetrag mit Wirkung auf den 1. Januar 1993 dann auf 212,00 DM fest, woraufhin der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 17. März 1997 die ursprüngliche Festsetzung auf eine jährliche Grundsteuer in Höhe von 636,00 DM nach oben korrigierte. Mit Bescheid vom 3. Februar 1998 folgte dann die Veranlagung für das Jahr 1998, die aufgrund einer Erhöhung des Hebesatzes auf 350 % mit Bescheid vom 10. Juli 1998 zu einer Grundsteuer B in Höhe von 742,00 DM führte. Mit Fortgeltungsbescheiden vom 19. Januar 1999 und 12. Januar 2000 folgten dann die Veranlagungen für die Jahre 1999 und 2000 in derselben Höhe.

Bereits seit 1997 kam es zu Zahlungsproblemen, auf die der Beklagte mit Vollstreckungsaufträgen vom 12. Februar, 21. April und 23. Juli 1998 reagierte. Nachdem diese erfolglos verliefen, erließ der Beklagte unter dem 31. August 1998 gegenüber der Sparkasse Ostprignitz-Ruppin eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung über die ausstehenden Beträge. In der Drittschuldnererklärung vom 2. September 1998 wies die Sparkasse darauf hin, dass sie vorrangige Forderungen habe und die Konten des Schuldners im Übrigen kein pfändbares Guthaben aufweisen würden.

Nachdem unter dem 11. September 1998 eine Ratenzahlungsvereinbarung mit Frau ... ... zustande kam, in der sie sich verpflichtete, den rückständigen Betrag in Höhe von 1.646,40 DM in monatlichen Raten ab dem 20. September 1998 zu begleichen, nahm der Beklagte die Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der Sparkasse mit Schreiben vom selben Tage zurück. In der Folgezeit beglichen die Eheleute ... die Rückstände allerdings nur in einer Höhe von insgesamt 900,00 DM.

Mit Beschluss des Amtsgerichtes ... vom 13. Oktober 1999 wurde dann auf Antrag eines anderen Gläubigers die Zwangsverwaltung über das Grundstück angeordnet. Trotz unverzüglicher Anzeige an den Zwangsverwalter wurden bis zur Aufhebung der Zwangsverwaltung mit Beschluss des Amtsgerichtes ... vom 7. Juli 2000 keine der ausstehenden Fälligkeiten beglichen.

Mit Vollstreckungsauftrag vom 28. Juli 2000 sollte dann die Grundsteuer für das Jahr 1999 und die für das erste Quartal 2000 eingezogen werden, was aber ebenfalls erfolglos verlief.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 5. September 2000 erwarb der Kläger das streitbefangene Grundstück, für das er am 28. August 2001 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde.

Auf Anfrage des Herrn ... ... vom 9. März 2001 teilte der Beklagte mit Schreiben vom 10. April 2001 mit, dass sich der Rückstand auf insgesamt 2.632,50 DM belaufe und er mit einer Ratenzahlung von 50,00 DM monatlich einverstanden sei. Hierauf erfolgte aber nur die Zahlung einer Rate am 3. August 2001.

Mit Amtshilfeersuchen vom 21. Mai 2002 an die Stadt ..., in deren Zuständigkeitsbereich die Eheleute ... zwischenzeitlich verzogen waren, bat der Beklagte um Beitreibung der ausstehenden Beträge in Höhe von 1.321,91 € zuzüglich 14,00 € Mahngebühren. Aber auch die daraufhin im Jahre 2003 eingeleiteten Vollstreckungsversuche blieben erfolglos und der Vollstreckungsauftrag wurde dem Beklagten unter dem 25. September 2003 von der Stadt ... zurückgereicht.

Unter dem 9. November 2005 wurde Herr ... ... hinsichtlich der ausstehenden Beträge nochmals gemahnt und wurde zuzüglich Säumniszuschlägen und Mahngebühren ein Betrag von insgesamt 1.795,09 € gefordert. Mit „Kontoauszug“ vom 8. Oktober 2008 wurden sodann nochmals die Grundforderungen in Höhe von insgesamt 1.321,91 € geltend gemacht; aber auch hierauf erfolgten keine Zahlungen.

Nach vorheriger Anhörung des Klägers erließ der Beklagte unter dem 16. Dezember 2008 die hier angefochtene Duldungsverfügung, mit der der Kläger auf die bestehende dingliche Last in Höhe von 1.320,36 €, auf seine Verpflichtung zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück und auf seine Ablösebefugnis hingewiesen wurde.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 29. Dezember 2008 Widerspruch ein, den er im Wesentlichen damit begründete, dass der Beklagte die durch § 11 Abs. 2 GrStG vorgesehene Beschränkung des Haftungsanspruches nicht beachtet habe. Zudem habe er das ihm nach § 191 Abs. 1 AO zustehende Entschließungs- und Auswahlermessen nicht ausgeübt. Insbesondere habe er zu keinem Zeitpunkt die weitere Gesamtschuldnerin der Grundsteuer, Frau ... ..., in Anspruch genommen und habe er sich damit sehenden Auges einer weiteren Vollstreckungsmöglichkeit begeben, wodurch der Grundsatz der Subsidiarität verletzt worden sei. Dem Beklagten treffe daher ein erhebliches Mitverschulden an dem Steuerausfall, der zu einer Ermessensreduzierung auf Null dergestalt führe, dass der Kläger von jeglicher Zahlungspflicht freizuhalten sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2009 – zugestellt am 24. März 2009 - wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass angesichts der wiederholten Vollstreckungsversuche eine Zahlungsverjährung gegenüber dem Voreigentümer nicht eingetreten sei. Im Übrigen sei es ausreichend, dass nur einer der Eheleute in Anspruch genommen worden sei, da diese Gesamtschuldner seien und jeder Gesamtschuldner zur Zahlung des vollen Betrages verpflichtet sei.

Am 24. April 2009 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Aufhebungsbegehren unter Vertiefung des bisherigen Vortrages weiterverfolgt.

Der Kläger beantragt,

den Duldungsbescheid des Beklagten vom 16. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2009 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide. Ergänzend weist er darauf hin, dass beide Voreigentümer angesichts der angeordneten Zwangsverwaltung des Grundstücks offensichtlich nicht zahlungsfähig waren, so dass eine Inanspruchnahme von Frau ... ... nicht zweckmäßig war.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung und gemäß § 87 a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter anstelle der Kammer entscheiden.

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Duldungsbescheid des Beklagten vom 16. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für den Duldungsbescheid ist § 191 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Hiernach kann der (materiell) Duldungspflichtige, der kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, durch schriftlichen Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden, wobei diese Vorschrift gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 3 Abs. 2 AO auch für die Grundsteuer als Realsteuer gilt.

Der Kläger ist als Eigentümer des streitbefangenen Grundstückes grundsätzlich duldungspflichtig im Sinne dieser Vorschrift. Die Grundlagen für die materielle Duldungspflicht ergeben sich aus dem gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 AO entsprechend anwendbaren § 77 Abs. 2 Satz 1 AO. Hiernach hat der Eigentümer wegen einer Steuer, die als öffentliche Last auf dem Grundbesitz ruht, die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz zu dulden. Nach § 12 des Grundsteuergesetzes (GrStG) ruht die Grundsteuer auf dem Steuergegenstand als öffentliche Last. Steuergegenstand sind u. a. die Grundstücke (§ 2 Nr. 2 GrStG).

Entgegen der Auffassung des Klägers bezieht sich die Duldungspflicht nach § 12 GrStG nicht nur auf öffentliche Lasten, die für die Zeit seit dem Beginn des letzten Kalenderjahres vor der Übereignung zu entrichten sind. Denn diese in § 11 Abs. 2 Satz 1 GrStG geregelte zeitliche Beschränkung der persönlichen Haftung nach der der Grundstückserwerber neben dem früheren Eigentümer für rückständige Grundsteuer nur insoweit haftet, als diese für die Zeit seit dem Beginn des letzten Kalenderjahres vor der Übereignung zu entrichten ist, findet auf die dingliche Haftung des § 12 GrStG keine Anwendung. Das ergibt sich aus der Gesetzessystematik, die zwischen der Steuerschuldnerschaft gemäß § 10 GrStG, der persönlichen Haftung des Grundstückserwerbers gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 GrStG und der dinglichen Haftung des Grundstücks gemäß § 12 GrStG unterscheidet (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Februar 2007 – 9 S 49.06 -, S. 5 des Entscheidungsabdruckes; VGH München, Beschluss vom 4. Juni 2003 – 4 ZB 03.668 -, Juris, Rn. 7).

Da die Duldungspflicht akzessorisch ist, setzt der ohne zeitliche Beschränkung mögliche Erlass eines Duldungsbescheides nur voraus, dass der zugrunde liegende Steueranspruch festgesetzt, fällig und vollstreckbar ist; eine zeitliche Beschränkung ergibt sich nur insoweit, als der Steueranspruch noch nicht durch Zahlungsverjährung erloschen sein darf (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1987 – 8 C 25/85 -, Juris, Rn. 18).

Das ist hier der Fall. Denn gegenüber dem Vor(mit-)eigentümer wurden die Steueransprüche für die Jahre 1977 – 2000 jeweils mit bestandskräftigen Bescheiden festgesetzt, wurden die festgesetzten Beträge nach Maßgabe der §§ 28 und 31 GrStG in Teilbeträgen fällig gestellt und waren diese Beträge mangels Anordnung einer aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO vollstreckbar. Diese Steueransprüche sind auch nicht durch Zahlungsverjährung gemäß §§ 228 ff AO untergegangen, weil die fünfjährige Frist des § 228 Abs. 1 Satz 2 AO für die einzelnen Steueransprüche wiederholt wirksam gemäß § 231 Abs. 1 AO durch die vom Beklagten eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen unterbrochen wurde. Und auch die gemäß § 231 Abs. 3 AO dann mit dem Ablauf des Kalenderjahres jeweils neu beginnenden Verjährungsfristen wurden hinsichtlich des ausstehenden Gesamtbetrages mit dem Amtshilfeersuchen an die Stadt ... erneut unterbrochen, so dass nach deren Beendigung im Jahre 2003 die mit dem 1. Januar 2004 neu beginnende Verjährungsfrist erst mit dem 31. Dezember 2008 ablief. Der Duldungsbescheid vom 16. Dezember 2008 wurde damit rechtzeitig vor Ablauf dieser Frist erlassen.

Soweit der Beklagte sein ihm durch § 191 Abs. 1 Satz 1 AO eingeräumtes Ermessen dahingehend ausübte, anstelle des vorherigen Miteigentümers den Kläger als Duldungsverpflichteten in Anspruch zu nehmen, lässt auch diese – nach Maßgabe des § 114 VwGO nur eingeschränkt überprüfbare Ermessensentscheidung - keine Ermessensfehler im Sinne des § 5 AO erkennen.

Bei der Entscheidung darüber, ob ein Duldungsbescheid nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO wegen eines ausstehenden Grundsteueranspruches erlassen werden soll (sog. Entschließungsermessen), ist die Aufgabe der steuererhebenden Behörde zu berücksichtigen, Steuerausfälle zu verhindern. Dabei dient das Rechtsinstitut der Steuerhaftung der Verstärkung und Sicherung des Steueranspruchs. Im Falle der Uneinbringlichkeit der Steuer muss unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 AO) daher die Haftungsinanspruchnahme die Regel sein (vgl. BFH, Urteil vom 29. September 1987 – VII R 54/84 -, Juris, RN. 14; Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7. Oktober 2010 – 4 K 1663/07 -, Juris, RN 38; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 23. Mai 2011 – 13 K 2586/10 -, Juris, RN. 28). Diese Zielrichtung tritt im Grundsteuerrecht besonders zutage, da neben der dinglichen Haftung aus der öffentlichen Last gemäß § 12 GrStG sogar noch eine zusätzliche persönliche Haftung des Grundstückserwerbers gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 GrStG angeordnet und damit den Gemeinden eine weitere Befriedigungsmöglichkeit eingeräumt wird.

Der Inanspruchnahme des Steuerschuldners gemäß § 10 GrStG kommt aber grundsätzlich Vorrang zu (Grundsatz der Subsidiarität). Infolgedessen muss im Rahmen der Ermessensausübung berücksichtigt werden, wenn die Steuerschuld gegen den Steuerpflichtigen ohne weiteres geltend gemacht werden kann (vgl. BFH, Urteil vom 2. Februar 1994 – II R 7/91 -, Juris, RN. 23).

Im Rahmen des von dem Abgabegläubiger auszuübenden Ermessens ist auch zu berücksichtigen, ob ihn ein mitwirkendes Verschulden am Entstehen eines Abgabenausfalls trifft. So kann ein mitwirkendes Verschulden des Abgabegläubigers am Entstehen des bevorstehenden Abgabeausfalls die Inanspruchnahme eines Duldungsschuldners ermessensfehlerhaft machen, sofern dessen eigenes Verschulden gering ist und dem Abgabengläubiger eine besonders grobe oder sogar vorsätzliche Pflichtverletzung zur Last fällt (vgl. BFH, Urteile vom 22. Juli 1986 – VII R 191/83 -, Juris, RN. 9; und vom 4. Juli 1979 – II R 74/77 – Juris, RN 8). Ein solches Mitverschulden ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes aber selbst dann nicht anzunehmen, wenn der Abgabengläubiger über einen längeren Zeitraum hin von seiner Befugnis zur Beitreibung ausstehender Abgaben keinen Gebrauch gemacht hat und die Beitreibung gegenüber dem persönlichen Abgabenschuldner ohne ausreichenden Nachdruck pflichtwidrig verzögert hat (vgl. BFH, Beschlüsse vom 2. Juli 2001 – VII B 345/00 -, Juris, RN. 10, und vom 28. August 1990 – VII S 9/90 -, Juris, RN. 9).

Der Abgabengläubiger braucht deshalb im Regelfall, wenn außergewöhnliche Umstände nicht vorgetragen oder ersichtlich sind, seine Entschließung, den Haftenden in Anspruch zu nehmen, jedenfalls dann nicht besonders begründen, wenn eine anderweitige Realisierung des Steueranspruchs nicht möglich ist. Grundsätzlich ausreichend ist es deshalb, wenn der Abgabengläubiger in der Entscheidung ausführt, dass Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber dem persönlichen Abgabenschuldner erfolglos geblieben seien und nicht mehr durchgeführt werden können (vgl. BFH, Urteil vom 29. September 1987 – VII R 54/84 -, Juris, RN 15).

Letztlich kommt es für die Prüfung dieser Ermessensentscheidung nicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an, sondern sind die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend. Denn aus dem Wesen einer Ermessensvorschrift, einen Spielraum dafür zu geben, unter einer Mehrzahl rechtlich zulässiger Verhaltensweisen wählen zu lassen, folgt, dass die durch § 114 VwGO dem Umfang nach umschriebene gerichtliche Rechtskontrolle der Ermessensentscheidung nur auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch die Verwaltungsbehörden selbst bezogen sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 1990 – 8 C 42/88 -, Juris, RN 34; BFH, Urteil vom 29. September 1987 – VII R 54/84 -, Juris, RN. 13).

Unter Beachtung dieser Vorgaben liegen Ermessensfehler nicht (mehr) vor.

Insoweit ist zunächst anzumerken, dass nicht einmal ansatzweise erkennbar ist, dass der Beklagte zum einen überhaupt erkannt hatte, dass ihm beim Erlass eines Duldungsbescheides ein Ermessen zusteht bzw. zum anderen, dass er im Duldungsbescheid vom 16. Dezember 2008 überhaupt Ermessen ausgeübt hat, zumal sich auch in dem Anhörungsschreiben vom 8. Oktober 2008 keine diesbezüglichen Ansatzpunkte finden. Aus der – insoweit freilich spärlichen – Begründung des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2009 ist aber noch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass sich der Beklagte wohl auch aufgrund der Ausführungen in der Widerspruchsbegründung vom 29. Dezember 2008 bewusst war, über die Inanspruchnahme des Klägers nach Ermessen entscheiden zu dürfen.

Allerdings sind die Ausführungen hierzu zumindest lückenhaft, weil der Kläger in seinem Widerspruchsschreiben ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass unter Beachtung der nur subsidiär möglichen Inanspruchnahme seiner Person als Duldungsschuldner zuvor auch eine Veranlagung und eine nachfolgende Vollstreckung gegen die frühere Miteigentümerin hätte versucht werden müssen. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die Erwägung des Beklagten im Widerspruchsbescheid, dass es zur Wahrung des Grundsatzes der Subsidiarität ausreichend sei, nur einen von mehreren Gesamtschuldnern in Anspruch zu nehmen, in dieser Pauschalität nicht zutreffend sein dürfte.

Denn auch die Regelung des § 10 Abs. 3 GrStG zur Gesamtschuldnerschaft ist wie die oben dargestellten Regelungen zu den Haftungsschuldnern nach §§ 11 und 12 GrStG darauf ausgerichtet, dem Grundsteuergläubiger eine möglichst sichere Verwirklichung seines Steueranspruches dadurch zu gewährleisten, dass ihm mehrere Schuldner zur Verfügung gestellt werden. Ist somit dem Abgabengläubiger gemäß § 44 Abs. 1 AO möglich, jeden Gesamtschuldner auf den gesamten Abgabenbetrag in Anspruch zu nehmen, dann dürfte grundsätzlich davon auszugehen sein, dass er verpflichtet ist, vor Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist gemäß §§ 169 AO zu prüfen, ob bei Zahlungsschwierigkeiten des bereits in Anspruch genommenen Steuerschuldners nicht auch die Inanspruchnahme weiterer Gesamtschuldner in Betracht kommt. Jedenfalls dann, wenn dem Abgabengläubiger der inländische Wohnort der weiteren Grundsteuerschuldner bekannt ist bzw. hätte bekannt sein können – immerhin werden der Gemeinde mit dem Grundsteuermessbescheid die weiteren Gesamtschuldner namentlich und mit deren (zumindest damals) aktuellen Wohnadresse mitgeteilt -, dürfte bei einem späteren Erlass eines Duldungsbescheides von einem erheblichen Mitverschulden der abgabenerhebenden Behörde auszugehen sein, wenn in dieser Richtung nichts unternommen wurde.

Einer Entscheidung hierzu bedarf es im vorliegenden Fall allerdings nicht, weil die hier gegebenen Umstände ausnahmsweise eine Inanspruchnahme der weiteren Gesamtschuldnerin nicht nahelegten. Denn insoweit hat der Beklagte in einer gemäß § 114 Satz 2 VwGO zulässigen Art und Weise seine Ermessenserwägungen im Rahmen des Klageverfahrens ergänzt bzw. ausgetauscht. Denn die soeben beschriebene Verpflichtung des Abgabengläubigers zur Heranziehung weiterer Gesamtschuldner ist ernsthaft nur dann in Betracht zu ziehen, wenn sich hierdurch eine realistische Möglichkeit eröffnet, den Steueranspruch auch bereits auf der Primärebene durchsetzen zu können. Dies dürfte bei der hier vorhandenen weiteren Gesamtschuldnerin, der Ehefrau des bisher in Anspruch genommenen Grundstückseigentümers, nicht der Fall gewesen sein. Denn für die insoweit im Jahre 2001 erstmalig anzustellende Prognose – Ende des Jahres 2001 wäre die Festsetzungsfrist für die ältesten noch offenen Grundsteueransprüche aus dem Jahre 1997 abgelaufen – hätte eine separate Veranlagung der weiteren Gesamtschuldnerin keine Aussicht auf eine erfolgreiche Begleichung bzw. Vollstreckung geboten. Denn insoweit führt der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 12. August 2009 zutreffend aus, dass angesichts der im Jahre 1999 angeordneten Zwangsverwaltung des Grundstückes gegen beide Grundstückseigentümer eine Werthaltigkeit einer weiteren Schuldnerschaft der Frau ... ... nicht gegeben gewesen wäre, da beide Eigentümer offenkundig nicht zahlungsfähig waren. Hinzu kommt, dass auch der Zwangsverwalter während seiner fast neunmonatigen Verwaltungszeit nicht in der Lage war, mit dem Grundstück die Begleichung der laufenden Fälligkeiten zur Grundsteuer zu gewährleisten. Im Übrigen hatte sich Frau ... ... für den Beklagten erkennbar bereits im Jahre 1998 um die Begleichung der rückständigen Grundsteuerforderungen ihres Mannes gekümmert, unter dem 11. September 1998 eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Beklagten abgeschlossen und unter dem 22. Januar bzw. 27. April 1999 sogar jeweils 200,00 DM an den Beklagten gezahlt. Unabhängig von einer eigenen Verpflichtung war Frau ... ... offensichtlich gewillt, im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit die für das Grundstück anfallenden Grundsteuern gemeinsam mit ihrem Ehemann zu begleichen. Da sich die finanzielle Situation der Eheleute ... Mitte des Jahres 1999 offensichtlich weiter verschlechterte, was schließlich zur erfolglosen Zwangsverwaltung ab Mitte Oktober 1999 bis Anfang Juli 2000 und sodann zur Veräußerung des Grundstücks an den Kläger im September 2000 führte, war für den Beklagten angesichts der im Frühjahr 2001 mit Herrn ... ... abgeschlossenen und im Ergebnis nicht eingehaltenen Ratenzahlungsvereinbarung erkennbar, dass ein zusätzliches Vorgehen gegen Frau ... ... wohl nicht erfolgreich sein würde. In dieser Situation durfte der Beklagte aus Zweckmäßigkeitsgründen ausnahmsweise von einer Inanspruchnahme der weiteren Gesamtschuldnerin absehen.

Bei dieser Sachlage scheidet die vom Kläger geltend gemachte Ermessens-reduzierung auf Null wegen der fehlenden Inanspruchnahme der früheren Miteigentümerin des Grundstücks auf jeden Fall aus, weil insoweit Anhaltspunkte für eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung des Beklagten nicht erkennbar sind. Im Übrigen wurde der vorhandene Ermessensfehler im Laufe des Klageverfahrens durch eine Ergänzung der Begründung erfolgreich geheilt. Hierauf hat der Kläger prozessual aber nicht reagiert, sondern im Schriftsatz vom 3. September 2009 uneingeschränkt an seinem Aufhebungsantrag festgehalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Abs. 1 Nr. 11, 711 ZPO.

B e s c h l u s s :

Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes auf 1.320,36 € festgesetzt.