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Entscheidung 5 O 200/18


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 5. Zivilkammer Entscheidungsdatum 20.11.2018
Aktenzeichen 5 O 200/18 ECLI ECLI:DE:LGNEURU:2018:1120.5O200.18.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Antrag des Beklagten auf Aussetzung des Verfahrens vom 07.09.2018 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Kläger macht einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung hinsichtlich von zuviel abgerechneten Lebensmittelbestellungen gegen den Beklagten als Inhaber der Firma … geltend.

Aufgrund einer Strafanzeige des Klägers wurde bei der Staatsanwaltschaft Neuruppin, Az. 365 Js 15768/16, ein Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten eingeleitet wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betrugs und Bestechung bzw. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr. Das Ermittlungsverfahren ist nicht abgeschlossen.

Der Beklagte ist Inhaber der in Berlin und Oberkrämer ansässigen Firma ..., welche die Großküche des Klägers am Standort XXX regelmäßig mit Lebensmitteln belieferte. Gegen den Beklagten besteht der Verdacht, dass er im Zusammenwirken mit einem Mitbeschuldigten dem Kläger bewusst in der Absicht, diesen zu schädigen, über einen längeren Zeitraum (mindestens ab 2012 bis 2016) hinweg nachträglich in Sammellieferscheinen eine wesentlich höhere Anzahl an gelieferten Lebensmitteln bzw. anderweitige Lebensmittel eingetragen und sodann in Rechnung gestellt habe. Ein Mitbeschuldigter habe diese Lieferscheine als ehemaliger Leiter der Großküche am Standort … dem Kläger gegengezeichnet. Der hierdurch erzielte Mehrerlös, welcher für den Kläger den Schaden darstellt, sei zwischen den beiden Beschuldigten aufgeteilt worden.

II.

Eine Aussetzung des Rechtsstreits hatte nicht zu erfolgen.

Gemäß § 149 Abs. 1 ZPO kann das Gericht die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen, wenn das Ergebnis der strafrechtlichen Ermittlungen auf die Entscheidung des Zivilprozesses von Einfluss ist. Zweck dieser Regelung ist, dass die im Strafverfahren allgemein besseren Erkenntnismöglichkeiten aufgrund des geltenden Untersuchungsgrundsatzes im Zivilverfahren, welches dem Verhandlungsgrundsatz folgt, zunutze gemacht werden sollen. Das Gericht hat insoweit das Gebot der Verfahrensbeschleunigung gegen die zu erwartenden Vorteile einer Aussetzung abzuwägen. Die Aussetzung kommt hiernach nur in Betracht, wenn die Umstände, die eine Auswertung des strafrechtlichen Ermittlungsergebnisses für den konkreten Fall als geboten erscheinen lassen, den Stillstand des Verfahrens auch in Ansehung des Interesses an einer alsbaldigen Entscheidung des Rechtsstreits rechtfertigen (BGH, Beschluss vom 17.11.2009, Az. VI ZB 58/08, NJW-RR 2010, 423; OLG Stuttgart NJW 1991, 1556). Es wird verlangt, dass konkrete Punkte, auf deren Feststellung es im Zivilverfahren ankommt, streitig sind und im strafrechtlichen Verfahren mit einer Aufklärung gerade dieser Umstände zu rechnen ist, sodass eine erneute Aufklärung im Zivilverfahren nicht notwendig ist und der Zivilprozess damit prozessökonomisch geführt werden kann (BGH, Beschluss vom 17.11.2009, Az. VI ZB 58/08, NJW-RR 2010, 423, 424; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.06.1980, Az. 4 W 34/80, NJW 1980, 2534). Die streitigen Umstände, auf die es im Zivilprozess ankommt, müssen konkret dargelegt werden. Ein pauschaler Hinweis auf überlegene Erkenntnismöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden genügt diesen Anforderungen dagegen nicht (OLG München, Beschluss vom 18.03.2008, Az. 10 W 1000/08, NJW-RR 2008,1091).

Der Kläger hat grundsätzlich ein Interesse an einer zügigen Entscheidung über seine eingereichte Klage. Demgegenüber ist der Beklagte bestrebt, dass die im Strafverfahren möglicherweise festzustellenden entlastenden Umstände ebenso im Zivilverfahren Berücksichtigung finden. Dem bisherigen Vorbringen des Beklagten ist lediglich zu entnehmen, dass aus dem strafrechtlichen Verfahren ein zusätzlicher erheblicher Erkenntnisgewinn zu erwarten ist sowie eine weitere gründlichere Klärung des Sachverhaltes erfolgen wird. Zum Beweis der Schadenshöhe wird im Wesentlichen neben den Lieferscheinen und Sammelrechnungen die Vernehmung der jeweiligen Mitarbeiter der Großküche angeboten. Offen bleibt, inwieweit Feststellungen im Strafverfahren diesbezüglich leichter oder einfacher geklärt werden können und damit eine erneute Prüfung dieser Umstände im hiesigen Zivilverfahren nicht erfolgen wird. Grundsätzlich entfalten nämlich Feststellungen im strafrechtlichen Verfahren keine Bindungswirkung für das Zivilgericht. Insbesondere die Vernehmung von Zeugen hinsichtlich der vorgetragenen manipulierten Lieferscheine und Sammelrechnungen kann das Zivilgericht selbst vornehmen und muss dies dann eingenständig würdigen. Die durch den Gesetzgeber eingeführte Verzahnung zwischen dem straf- und zivilrechtlichen Verfahren, etwa in Form einer Verwertungsmöglichkeit von Sachverständigengutachten im Zivilprozess, ist zum derzeitigen Zeitpunkt nicht ersichtlich. Insoweit ist im Rahmen der Abwägung durch das Gericht dem Interesse des Klägers gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Beklagten hier der Vorrang einzuräumen.

Hinsichtlich des Vortrages, wonach dem Beklagten aufgrund der im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erfolgten Sicherstellung und Beschlagnahme seiner Geschäftsunterlagen eine Rechtsverteidigung mangels Aufbereitung dieser Unterlagen nicht möglich sei, ist auf das Recht zur Akteneinsicht und Besichtigung von amtlich verwahrten Beweisstücken gemäß § 147 StPO hinzuweisen. Bei in Papierform vorhandenen Akten kann die Akteneinsicht neben der Einsichtnahme in den Diensträumen auch durch Bereitstellen einer elektronischen Fassung der Akten bzw. einer Aktenkopie zur Mitnahme gewährt werden. Das Einsichtsrecht kann vor Abschluss der Ermittlungen gemäß § 147 Abs. 2 StPO zwar versagt werden, soweit dies den Untersuchungszweck gefährden kann. Dass die Staatsanwaltschaft dem Gesuch nach Akteneinsicht oder Besichtigung der sichergestellten Unterlagen nicht stattgeben würde, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Im Schriftsatz vom 07.09.2018 wird lediglich mitgeteilt, dass sich die Einsicht in die Geschäftsunterlagen derzeit schwierig gestaltet.

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