Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 22. Senat | Entscheidungsdatum | 26.07.2018 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | L 22 R 171/17 | ECLI | ECLI:DE:LSGBEBB:2018:0726.L22R171.17.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 6 Abs 1 SGB 6, § 73 StBerG, § 34 StBerG |
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Januar 2017 geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 14. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2014 verpflichtet, den Kläger für seine Tätigkeit als Syndikus-Steuerberater bei der Beigeladenen in der Zeit vom 1. Juli 2013 bis 31. Januar 2014 von der Rentenversicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Befreiung von der Versicherungspflicht für die Zeit vom 1. Juli 2013 bis 31. Januar 2014.
Der im März 1976 geborene Kläger ist als Steuerberater bestellt (Urkunde der Steuerberaterkammer Düsseldorf vom 26. September 2008).
Zum 15. Januar 2013 hatte der Kläger eine Beschäftigung als Steuerberater bei der S GmbH und Co. KG in L in Brandenburg, wo er seine berufliche Niederlassung unterhielt, aufgenommen. Zum 1. Februar 2013 war er aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Mitglied der Steuerberaterkammer Brandenburg und zugleich Mitglied im Versorgungswerk für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte im Land Brandenburg. Auf seinen Antrag hatte ihn die Beklagte mit Bescheid vom 2. Mai 2013 als Steuerberater bei der S GmbH und Co. KG ab 1. Februar 2013 von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Zum 30. April 2013 war er bei gleichzeitiger Beendigung seiner Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten im Land Brandenburg aus der Steuerberaterkammer Brandenburg ausgeschieden.
Zum 1. Mai 2013 wurde der Kläger Mitglied der Steuerberaterkammer Westfalen- Lippe und zugleich kraft Gesetzes Mitglied im Versorgungswerk der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen.
Zum 1. Juli 2013 nahm der Kläger eine Beschäftigung als Syndikus-Steuerberater bei der Beigeladenen in Berlin auf.
Den im August 2013 gestellten Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. November 2013 ab: Eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht sei für seine Beschäftigung als Steuerberater nur dann möglich, wenn die Pflichtmitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung und in der Berufskammer aufgrund dieser Beschäftigung bestehe. Hierbei müsse die Beschäftigung in einem Bundesland ausgeübt werden, in dem auch ein Versorgungwerk für die jeweilige Berufsgruppe errichtet sei. In Berlin bestehe kein Versorgungswerk für Steuerberater.
Zum 1. Februar 2014 wurde der Kläger aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Mitglied der Steuerberaterkammer Brandenburg und zugleich kraft Gesetzes Mitglied im Versorgungswerk der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten im Land Brandenburg. Am 1. Februar 2014 nahm er eine Beschäftigung als Syndikus-Steuerberater bei der F- AG in B in Brandenburg auf. Auf seinen Antrag befreite ihn die Beklagte mit Bescheid vom 1. April 2014 für die Tätigkeit als Steuerberater bei der F- AG ab 1. Februar 2014 von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Mit seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. November 2013 machte der Kläger geltend, bedingt durch die Versagung der Befreiung von der Deutschen Rentenversicherung sei er einer finanziellen Doppelbelastung ausgesetzt, weil Beiträge sowohl an die Beklagte als auch an das Versorgungswerk der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen zu entrichten seien. Diese finanzielle Ungleichbehandlung könne er nicht ertragen. Der Kanzleiaufbau in Nordrhein-Westfalen habe finanziell durch eine Angestelltentätigkeit unterstützt werden sollen, habe aber wieder eingestellt werden müssen, weil die Doppelbelastung dies nicht zulasse. Eine freie Berufsausübung sowie die freie gleichberechtigte Lebensplanung sei ein Widerspruch gegen den Gleichheitsgrundsatz in Deutschland, Artikel 3 Grundgesetz (GG).
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Für die Beschäftigung als Steuerberater in Berlin könne die Versorgung nur im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung garantiert werden, denn eine andere Sicherung komme für diese Beschäftigung nicht in Betracht, da in Berlin kein Versorgungswerk für Steuerberater bestehe. Die versicherungspflichtige abhängige Beschäftigung in Berlin mit Entrichtung der entsprechenden Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung übe er seit dem 1. Juli 2013 aus. Für die daneben ausgeübte selbständige Tätigkeit würden von der Beklagten keine Beiträge zur Rentenversicherung erhoben. Insofern sei nicht zu erkennen, inwieweit eine Doppelbelastung vorliege.
Dagegen hat der Kläger am 10. Juli 2014 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben.
Er hat darauf hingewiesen, dem Wortlaut des § 6 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) lasse sich nicht entnehmen, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung lediglich dann vorlägen, wenn die Tätigkeit in einem Bundesland ausgeübt werde, bei dem eine berufsständische Versorgungseinrichtung bestehe. Es sei davon auszugehen, dass es einen Eingriff in die Grundrechte aus Art. 14 GG darstelle, wenn Betroffene aufgrund gesetzlicher Vorschriften daran gehindert würden, begonnene Alterssicherungen weiterzuführen, und gehalten seien, in andere Systeme einzuzahlen. Eine Verweigerung wäre als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz zu werten. Nach § 12 der Satzung des Versorgungswerks der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen (Satzung VWS-NRW) könne auf Antrag die Mitgliedschaft im Versorgungswerk fortgesetzt werden, wenn ein Mitglied nicht mehr Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen sei. Die Ausgestaltung und Kopplung der Mitgliedschaft an ein betreffendes Bundesland führe dazu, dass er aufgrund der förderalen Strukturen Nachteile erleide. Der Kläger hat die Satzung VWS-NRW und das Schreiben der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe vom 27. August 2015 vorgelegt.
Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, dass Steuerberater ihren Beruf nur dort ausüben könnten, wo sie zugelassen und damit in das Berufsregister eingetragen seien. Die Beschäftigung bei der Beigeladenen habe nicht zur Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen geführt. Eine freiwillige Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk berechtige nicht zur Befreiung von der Versicherungspflicht. Die Befreiungsregeln verstießen nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Mangels berufsständischer Versorgung kraft Gesetzes in Berlin komme für eine versicherungspflichtige Tätigkeit nur die Alterssicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung in Betracht.
Mit Urteil vom 9. Januar 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für seine Tätigkeit als Steuerberater in Berlin in der Zeit vom 1. Juli 2013 bis 31. Januar 2014. Er sei nicht wegen der in Berlin ausgeübten Beschäftigung Mitglied des Steuerberaterversorgungswerks D. Aus der Bezugnahme auf den Beschäftigungs- bzw. Tätigkeitsort (§§ 9, 11 SGB IV) folge, dass es hinsichtlich der Erfüllung dieser Voraussetzungen auf die Rechtslage in dem jeweiligen Bundesland ankomme. Da in Berlin kein berufsständisches Versorgungwerk für die Berufsgruppe der Steuerberater existiere, komme eine Befreiung nicht in Betracht. Die verfassungsrechtlichen Bedenken teile die Kammer nicht.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 7. Februar 2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. Februar 2017 eingelegte Berufung des Klägers.
Er meint, er sei in Nordrhein-Westfalen Pflichtmitglied des Versorgungswerkes der Steuerberater. Gerügt werde ein Eingriff in Art. 14 und Art. 3 GG. Der Kläger sehe sich aufgrund der föderalen Struktur in seinem Recht auf Gleichbehandlung verletzt, denn bei identischer Beschäftigung im Geltungsbereich des Versorgungswerkes Nordrhein-Westfalen wäre er von der Versicherungspflicht zu befreien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Januar 2017 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2014 zu verpflichten, den Kläger für seine Tätigkeit als Syndikus-Steuerberater bei der Beigeladenen in der Zeit vom 1. Juli 2013 bis 31. Januar 2014 von der Rentenversicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Sie teilt mit, sie folge der Auffassung des Klägers.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 14. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch darauf, wegen seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen für die Zeit vom 1. Juli 2013 bis 31. Januar 2014 von der Versicherungspflicht befreit zu werden. Insbesondere war er als Beschäftigter bei der Beigeladenen aufgrund eines Gesetzes Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI gilt: Von der Versicherungspflicht werden befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.
Die gesetzliche Verpflichtung für eine Berufsgruppe zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI gilt mit dem Tag als entstanden, an dem das die jeweilige Kammerzugehörigkeit begründende Gesetz verkündet worden ist. Wird der Kreis der Pflichtmitglieder einer berufsständischen Kammer nach dem 31. Dezember 1994 erweitert, werden diejenigen Pflichtmitglieder des berufsständischen Versorgungswerks nicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI befreit, die nur wegen dieser Erweiterung Pflichtmitglieder ihrer Berufskammer geworden sind (§ 6 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VI).
Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sind erfüllt.
Der Kläger war kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer, wobei am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für seine Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat.
§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB VI, mit dem u. a. bestimmt wird, dass die genannten Personen „zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat“, beruht auf einer zum 1. Januar 1996 in Kraft getretenen Änderung (Gesetz vom 15. Dezember1995; BGBl I 1995, 1824).
In der Gesetzesbegründung ist dazu ausgeführt (Bundestag-Drucksache 13/2590, S. 18): In der Bundesrepublik Deutschland besteht ein gegliedertes System der sozialen Sicherheit, das sich grundsätzlich bewährt hat. Im Bereich der Alterssicherung erfolgt die Altersversorgung für die Angehörigen der freien Berufe - z. B. Ärzte, Rechtsanwälte, Apotheker - traditionell nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern in berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die auf ländergesetzlicher Grundlage beruhen. Die in einem rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis angestellten Angehörigen dieser Berufsgruppen haben ein Befreiungsrecht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Hiermit wird verhindert, dass diese Personengruppe, die in der jeweiligen Versorgungseinrichtung - ohne die Möglichkeit der Befreiung - pflichtversichert ist, mit einer doppelten Beitragszahlungspflicht belastet wird. Gleichzeitig wird erreicht, dass diejenigen, die im späteren Verlauf ihres Berufslebens in die Selbständigkeit überwechseln, eine geschlossene Versicherungsbiographie in ihrer berufsständischen Versorgungseinrichtung aufbauen können. Die jüngste Erstreckung der berufsständischen Versorgung auf neue Berufsgruppen (Wirtschaftsprüfer, Bauingenieure) und die erweiterte Einbeziehung von Personengruppen in die berufsständische Versorgung, die als abhängig Beschäftigte traditionell der Solidargemeinschaft der Rentenversicherten angehören, haben die Grenze zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischer Versorgung in grundsätzlicher Hinsicht in Frage gestellt. Die Gründung von Versorgungseinrichtungen für eine Berufsgruppe, deren Angehörige regelmäßig nicht freiberuflich tätig sind, und die systematische Ausrichtung der Versorgungseinrichtung gerade auf diesen Personenkreis, der traditionell in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert ist, ist insbesondere im Bauingenieurwesen erfolgt. In Bayern und Nordrhein-Westfalen wurden zum 1. Januar 1995 Versorgungseinrichtungen für Bauingenieure (in Nordrhein-Westfalen über den Anschluss an die nordrhein-westfälische Architektenversorgung) mit der Besonderheit errichtet, dass die Pflichtmitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung auch über eine bloß freiwillige Mitgliedschaft in der Berufskammer der Bauingenieure erworben wird. Dabei steht die freiwillige Mitgliedschaft in der Berufskammer praktisch jedem offen, der über eine entsprechende Berufsausbildung verfügt. Diese Entwicklung gefährdet auf längere Sicht die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung; es besteht die Gefahr, dass sich durch eine Erstreckung der so ausgestalteten berufsständischen Versorgung auf alle Ingenieure (bzw. Bauingenieure) und auf weitere Berufsgruppen ein Erosionsprozess zu Lasten der gesetzlichen Rentenversicherung in gravierender, nicht mehr hinnehmbarer Weise ergibt. Daher soll die Grenze zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischer Versorgung unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen beider Systeme gefestigt werden. Berechtigtes Interesse der gesetzlichen Rentenversicherung ist, den durch die jüngste Entwicklung in der berufsständischen Versorgung drohenden Erosionsprozess in der Solidargemeinschaft der Rentenversicherten durch eine Beschränkung des Rechts zur Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu stoppen. Ein Recht zur Befreiung von der Versicherungspflicht soll daher künftig den Angehörigen der freien Berufe nur noch dann zustehen, wenn für die jeweilige Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer bestanden hat. Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf als weitere Voraussetzung für ein künftiges Befreiungsrecht vor, dass neben der Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung eine Pflichtmitgliedschaft des Antragstellers in der jeweiligen Berufskammer gegeben sein muss. Auch die berechtigten Interessen der berufsständischen Versorgung bleiben gewahrt, da mit der vorgesehenen Beschränkung des Befreiungsrechts im Ergebnis die seit langem akzeptierte Abgrenzung zwischen berufsständischer Versorgung und gesetzlicher Rentenversicherung in ihrer bisherigen Ausprägung gefestigt wird.
Steuerberater erfüllten die Voraussetzungen auch der geänderten Fassung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB VI. Dies folgt aus dem Steuerberatungsgesetz (StBerG).
Die Steuerberater und Steuerbevollmächtigten, die in einem Oberfinanzbezirk oder durch die Landesregierung bestimmten Kammerbezirk ihre berufliche Niederlassung haben, bilden eine Berufskammer (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StBerG).Mitglieder der Steuerberaterkammer sind außer Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten die Steuerberatungsgesellschaften, die ihren Sitz im Kammerbezirk haben (§ 74 Abs. 1 Satz 1 StBerG).
Bereits § 73 Abs. 1 Satz 1 StBerG in der Fassung vom 4. November 1975 (FNA 610-10) bestimmte: Die Steuerberater und Steuerbevollmächtigten, die in einem Oberfinanzbezirk ihre berufliche Niederlassung haben, bilden eine Berufskammer.
Steuerberater waren damit bereits vor dem 1. Januar 1995 kraft Gesetzes Mitglied ihrer (zuständigen) Berufskammer.
Der Kläger war auch wegen der von ihm bei der Beigeladenen ausgeübten Beschäftigung als Syndikus-Steuerberater wegen der aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung. Er gehörte wegen dieser Beschäftigung dem Versorgungswerk der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen an und musste aufgrund der für dieses Versorgungswerk geltenden Vorschriften wegen dieser Beschäftigung Beiträge zu diesem Versorgungswerk zahlen.
Dies folgt aus den Regelungen des Gesetzes über die Versorgung der Steuerberaterinnen und Steuerberater (Steuerberaterversorgungsgesetz Nordrhein-Westfalen - StBVG NRW in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2007; GV. NRW. 2008 S. 41; vgl. dazu https://recht.nrw.de) nebst Satzung des Versorgungswerkes der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen (Satzung VWS- in Verbindung mit den Vorschriften des StBerG.
Der Kläger war Mitglied des Versorgungswerkes der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen. Diese Mitgliedschaft knüpft an die Mitgliedschaft der Steuerberaterkammer an, der der Kläger angehörte, und somit an die Mitgliedschaft der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe.
Die Regelungen zum Versorgungswerk der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen sehen dazu Folgendes vor:
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 StBVG NRW wird eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Namen "Versorgungswerk der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen" (Versorgungswerk) mit Sitz in Nordrhein-Westfalen errichtet.
Nach § 2 Abs. 1 StBVG NRW sind Mitglieder des Versorgungswerks
1. selbständige und nicht selbständige Steuerberaterinnen, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, die einer der Aufsicht des Landes Nordrhein-Westfalen unterstehenden Steuerberaterkammer angehören;
2. Vorstandsmitglieder, Geschäftsführerinnen, Geschäftsführer und persönlich haftende Gesellschafter von Steuerberatungsgesellschaften, die einer der Aufsicht des Landes Nordrhein-Westfalen unterstehenden Steuerberaterkammer angehören, die nicht Steuerberaterinnen, Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte sind;
3. Personen gemäß Nummer 1 oder 2, deren Mitgliedschaft gemäß Absatz 3 Satz 1 geendet hat, wenn die Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Buchprüfer im Lande Nordrhein-Westfalen beendet wird.
Die Satzung kann vorsehen, dass die Mitgliedschaft auf Antrag erhalten bleibt, wenn die Voraussetzungen der Ziffern 1 und 2 in der Person eines Mitglieds entfallen.
Das Nähere regelt die Satzung. Die Satzung kann insbesondere vorsehen, dass die Mitgliedschaft auf Antrag erhalten bleibt, wenn die Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 in der Person eines Mitglieds entfallen. Die Satzung kann ein Höchsteintrittsalter vorsehen (§ 2 Abs. 2 StBVG NRW).
Die Satzung VWS-NRW bestimmt anknüpfend daran u. a. Folgendes: Mitglied des Versorgungswerkes ist, wer vorbehaltlich des nachfolgenden Abs. 2 nach dem 8. Dezember 1998 unter anderem Mitglied einer Steuerberaterkammer im Land Nordrhein-Westfalen wird (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 erste Alternative). Die Mitgliedschaft im Versorgungswerk endet (u. a.), wenn das Mitglied nicht mehr einer Steuerberaterkammer im Land Nordrhein-Westfalen angehört (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 erster Halbsatz). Wessen Mitgliedschaft nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 beendet ist, kann die Mitgliedschaft mit allen Rechten und Pflichten fortsetzen, wenn dies innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach dem Ausscheiden beantragt wird und zum Zeitpunkt der Antragstellung keine Mitgliedsbeiträge rückständig sind. Der Antrag auf Fortsetzung der Mitgliedschaft ist u. a. ausgeschlossen, solange eine Mitgliedschaft in einem anderen Versorgungswerk der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten im Bundesgebiet besteht (§ 12 Abs. 2 Sätze 1 und 3). Wird eine neue Mitgliedschaft in einem anderen Versorgungswerk der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten im Bundesgebiet begründet, endet die Mitgliedschaft nach § 12 Abs. 2 mit dem Tag der Begründung der neuen Mitgliedschaft (§ 12 Abs. 3 Satz 2).
Nach diesen Regelungen richtet sich somit die Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen nach der Mitgliedschaft in einer Steuerberaterkammer im Land Nordrhein-Westfalen.
Die Mitgliedschaft in einer Steuerberaterkammer besteht unabhängig von der Steuerberaterkammer, die die Bestellung zum Steuerberater vorgenommen hat.
Steuerberater und Steuerbevollmächtigte bedürfen der Bestellung; sie üben einen freien Beruf aus (§ 32 Abs. 2 Satz 1 StBerG).Nach bestandener Prüfung oder nach der Befreiung von der Prüfung ist der Bewerber auf Antrag durch die zuständige Steuerberaterkammer als Steuerberater zu bestellen (§ 40 Abs. 1 Satz 1 StBerG).Der Bewerber wird durch Aushändigung einer Urkunde als Steuerberater bestellt (§ 41 Abs. 1 StBerG).
Die Bestellung des Klägers zum Steuerberater erfolgte nach der vorliegenden Urkunde vom 26. September 2008 durch die Steuerberaterkammer Düsseldorf. Diese Bestellung, von der Beklagten als Zulassung bezeichnet, ist entgegen ihren Ausführungen nicht auf einen (diesen) Steuerberaterkammerbezirk beschränkt.
Dies ergibt sich aus den Vorschriften des StBerG, das insoweit an die berufliche Niederlassung anknüpft.
Der Kläger war danach auch wegen der von ihm bei der Beigeladenen ausgeübten Beschäftigung Mitglied der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe.
Nach § 34 Abs. 1 StBerG gilt:Steuerberater und Steuerbevollmächtigte müssen unmittelbar nach der Bestellung eine berufliche Niederlassung begründen und eine solche unterhalten. Berufliche Niederlassung eines selbständigen Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten ist die eigene Praxis, von der aus er seinen Beruf überwiegend ausübt. Als berufliche Niederlassung eines ausschließlich nach § 58 StBerG angestellten Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten gilt seine regelmäßige, bei mehreren Anstellungsverhältnissen seine zuerst begründete Arbeitsstätte.
Der in Bezug genommene § 58 StBerG bestimmt in Satz 1:Steuerberater und Steuerbevollmächtigte dürfen ihren Beruf als Angestellte einer Person oder Vereinigung im Sinne des § 3 Nr. 1 bis 3 StBerG ausüben, also als Angestellte eines Steuerberaters, Steuerbevollmächtigten, Rechtsanwaltes, niedergelassenen europäischen Rechtsanwaltes, Wirtschaftsprüfers und vereidigten Buchprüfers (Nr. 1), einer Partnerschaftsgesellschaft, deren Partner ausschließlich die in Nr. 1 genannten Personen sind (Nr. 2), einer Steuerberatungsgesellschaft, Rechtsanwaltsgesellschaft, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Buchprüfungsgesellschaft (Nr. 3).
Der in Bezug genommene § 58 StBerG bestimmt in Satz 2: Sie dürfen ferner u. a. tätig werden als Angestellte, wenn sie im Rahmen des Angestelltenverhältnisses Tätigkeiten im Sinne des § 33 StBerG wahrnehmen, also in Steuersachen beraten, vertreten bei der Bearbeitung der Steuerangelegenheiten und bei der Erfüllung der steuerlichen Pflichten Hilfe leisten (§ 33 Satz 1 StBerG). Dies gilt nicht, wenn hierdurch die Pflicht zur unabhängigen und eigenverantwortlichen Berufsausübung beeinträchtigt wird. Der Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte darf für einen Auftraggeber, dem er auf Grund eines ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnisses seine Arbeitszeit und -kraft zur Verfügung stellen muss, nicht in seiner Eigenschaft als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter tätig werden (Nr. 5a Sätze 1 bis 3 StBerG).
Nach § 34 Abs. 1 StBerG haben Steuerberater nur eine berufliche Niederlassung. Dies folgt aus Wortlaut und Systematik des § 34 Abs. 1 StBerG.
§ 34 Abs. 1 Satz 1 StBerG ordnet an, dass Steuerberater „eine“ berufliche Niederlassung begründen. § 34 Abs. 1 Satz 2 StBerG erfasst den Sachverhalt, dass der selbständige Steuerberater, der mehrere Praxen unterhält, seine berufliche Niederlassung dort hat, von der aus er seinen Beruf überwiegend ausübt. Der Sachverhalt, dass ein selbständiger Steuerberater daneben noch eine Beschäftigung als Steuerberater ausübt, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Die daraus resultierende Rechtsfolge bezüglich der beruflichen Niederlassung erschließt sich jedoch im Umkehrschluss aus § 34 Abs. 1 Satz 3 StBerG. Allein bei einem ausschließlich nach § 58 StBerG angestellten Steuerberater ist im Wege der gesetzlichen Fiktion die Arbeitsstätte die berufliche Niederlassung. Dieser gesetzlichen Fiktion bedarf es, da Beschäftigte keine Niederlassung haben. Daraus folgt, dass bei einer Beschäftigung als Steuerberater neben einer Tätigkeit als selbständiger Steuerberater die berufliche Niederlassung durch die eigene Praxis bestimmt wird. Schließlich regelt § 34 Abs. 1 Satz 3 StBerG den Sachverhalt, dass bei ausschließlich nach § 58 StBerG angestellten Steuerberater die zuerst begründete Arbeitsstätte als berufliche Niederlassung gilt (so auch ohne weitere Begründung und unter Bezugnahme auf Fundstellen, die dazu nichts aussagen: Gehre, StBG, 6. Auflage 2009, § 34, Rdnrn. 1 und 2; § 10 Abs. 1 Satzung über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe der Steuerberater und der Steuerbevollmächtigten - Berufsordnung (BOStB) - in der Fassung vom 8. September 2010, abgedruckt in DStR 2010, 2659).
Der Kläger war ausgehend davon (ausschließlich) Mitglied der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe, denn er war zum 30. April 2013 aus der Steuerberaterkammer Brandenburg (und dem Versorgungswerk der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten im Land Brandenburg) ausgeschieden und hatte, wie von ihm im Widerspruchsverfahren auch vorgetragen, eine beruflichen Niederlassung als selbständiger Steuerberater im Bezirk der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe begründet. Dies ergibt sich ebenfalls aus dem Schreiben der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe vom 28. Juni 2013.
Daran änderte auch die daneben zum 1. Juli 2013 aufgenommene Beschäftigung als Syndikus-Steuerberater bei der Beigeladenen in Berlin nichts, denn die Niederlassung wird, wie dargelegt, (vorrangig) durch die Praxis des selbständigen Steuerberaters bestimmt. Die Mitgliedschaft des Klägers bestand damit auch wegen dieser Beschäftigung (weiter) ausschließlich bei der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe
Beruhte die Mitgliedschaft des Klägers beim Versorgungswerk der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen auf seiner selbständigen Tätigkeit als Steuerberater in Nordrhein-Westfalen, so war der Kläger zugleich wegen der Beschäftigung bei der Beigeladenen aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder aufgrund Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied dieses Versorgungswerkes und somit einer berufsständischen Versorgungseinrichtung. Die Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung der Steuerberater knüpft an eine Mitgliedschaft in einer Steuerberaterkammer und diese wiederum an eine selbständige Tätigkeit als Steuerberater, aber auch an eine ausschließlich als angestellten Steuerberater ausgeübten Beschäftigung und damit erst recht an eine neben einer selbständigen Tätigkeit als Steuerberater zugleich bestehende Beschäftigung an.
§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI gibt versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die "Beschäftigung, wegen der" sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind (BSG, Urteil vom 03. April 2014 – B 5 RE 13/14 R, Rdnr. 28, zitiert nach juris). Dies folgt auch aus § 6 Abs. 5 SGB VI. Diese Regelung ist in dem Sinn zu verstehen, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen ist. Sie gilt nur für diejenige Tätigkeit, für die sie erteilt ist. Dem entspricht die Erläuterung in der Gesetzesbegründung, wonach die Regelung in § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI dazu dient, den sozialen Schutz der Betroffenen zu verbessern und § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI sicherstellen soll, dass eine vorübergehende berufsfremde Tätigkeit nicht zu einem Wechsel des Alterssicherungssystems führt (Hinweis auf Bundestag-Drucksache 11/4124, S 151, 152). Den Beschäftigungs- bzw. Tätigkeitsbezug der Befreiung hebt auch die Übergangsvorschrift des § 231 SGB VI hervor (BSG, Urteil vom 22. Oktober 1998 – B 5/4 RA 80/97 R, Rdnrn. 19, 20, m. w. N., zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 83, 74 = SozR 3-2600 § 56 Nr. 12).
Die Bestellung zum Steuerberater wird nach § 40 Abs. 1 Satz 1 StBerG unabhängig von einer bestimmten Tätigkeit im Wesentlichen personenbezogen und ohne zusätzliche Beschränkung für alle Betätigungen erteilt, die nach dem StBerG erlaubt sind. Das StBerG setzt dabei voraus, dass diese Tätigkeit grundsätzlich als selbständige Tätigkeit ausgeübt wird, wie § 32 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz StBerG (“freier Beruf“) zeigt. Allerdings lässt das StBerG daneben noch eine Beschäftigung (mit Tätigkeiten im Sinne des § 33 StBerG) zu. Eine solche Beschäftigung ist mit dem Beruf des Steuerberaters selbst dann vereinbar, wenn durch die in Vollzeit ausgeübte Angestelltentätigkeit die selbständige Steuerberatertätigkeit nur als Nebenberuf ausgeübt werden kann (Bundesfinanzhof - BFH, Urteil vom 09. August 2011 – VII R 2/11, Rdrn.9, 14, 15, zitiert nach juris). Darüber hinaus ist auch eine ausschließliche Beschäftigung (mit Tätigkeiten im Sinne des § 33 StBerG) zulässig. Insofern unterscheidet sich das Berufsbild eines Steuerberaters von der eines Rechtsanwalts (zur Tätigkeit eines sogenannten Syndikusanwalts“: BSG, Urteil vom 03. April 2014 – B 5 RE 13/14 R, Rdnrn. 34 bis 37, 39, 43, m. w. N.).
Aus der Sicht der gesetzlichen Rentenversicherung kann zwar nicht darauf verzichtet werden, dass die konkret in Frage stehende Erwerbstätigkeit gerade in der äußeren Form einer Beschäftigung (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) ausgeübt werden kann und andererseits gleichzeitig zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung führt. Eine lediglich inhaltliche Überschneidung der in den zu koordinierenden Systemen erfassten Erwerbstätigkeit genügt daher nicht. Andernfalls würde im Wege der "Auslegung" das funktionell unverzichtbare Erfordernis der Doppelrelevanz einer Erwerbstätigkeit aufgegeben und damit der tatbestandliche Anwendungsbereich von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI überhaupt verlassen (BSG, Urteil vom 03. April 2014 – B 5 RE 13/14 R, Rdnr. 33). Dieser vom BSG im Zusammenhang mit der Beschäftigung als Syndikusanwalt dargestellte Grundsatz wird vorliegend jedoch nicht tangiert. Die Berufsbilder von Rechtsanwälten und Steuerberatern unterscheidet sich gerade darin, dass der Steuerberater auch als angestellter Steuerberater tätig sein darf und in dieser Beschäftigung Mitglied seiner Versorgungseinrichtung ist.
Die Beklagte berücksichtigt diesen Unterschied im Standesrecht ebenfalls, denn sie befreite den Kläger von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung während seiner Beschäftigungen als Steuerberater bei der S GmbH und Co. KG ab 1. Februar 2013 (bis 30. April 2013) und bei der F- AG ab 1. Februar 2014.
Die Tätigkeit eines Steuerberaters unterscheidet sich mithin von der Tätigkeit eines Rechtsanwaltes, der in einer abhängigen Beschäftigung, jedenfalls bis zur Neuregelung durch Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21. Dezember 2015 (BGBl I 2015, 2517) – Syndikusanwälte-Neuordnungsgesetz – mit Wirkung zum 1. Januar 2016, in der Funktion des angestellten Syndikusanwaltes nach seinem Standesrecht nicht als Rechtsanwalt tätig wurde und wegen dieses Beschäftigung auch nicht einer Versorgungseinrichtung angehörte (vgl. zum ganzen: BSG, Urteil vom 03. April 2014 – B 5 RE 13/14 R, abgedruckt in BSGE 115, 267 = SozR 4-2600 § 6 Nr. 12).
Deswegen konnte das Versorgungswerk der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen unter dem 14. August 2013 bescheinigen, dass der Kläger aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Mitglied der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe und ab 1. Mai 2013 kraft Gesetzes Mitglied dieses Versorgungswerkes war. Allein dieses Versorgungswerk konnte daher diese Bescheinigung gerade auch in Bezug auf die zum 1. Juli 2013 aufgenommene Beschäftigung als Syndikus-Steuerberater bei der Beigeladenen in Berlin erteilen. Da der Kläger trotz dieser Beschäftigung seine Niederlassung weiterhin im Bezirk der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe hatte, konnte er nicht Mitglied der Steuerberaterkammer Berlin werden. Die Mitgliedschaft beim Versorgungswerk der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen beruhte daher auch nicht auf einer freiwilligen Fortführung der Mitgliedschaft.
Der Kläger musste in Folge seiner auch wegen der Beschäftigung als Syndikus-Steuerberater bei der Beigeladenen bestandenen Mitgliedschaft beim Versorgungswerk der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen ungeachtet seiner selbständigen Tätigkeit auch wegen dieser Beschäftigung Beiträge zum Versorgungswerk der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen zahlen.
Nach § 8 Abs. 1 StBVG NRW gilt: Die Mitglieder des Versorgungswerkes sind zur Zahlung der satzungsgemäßen Beiträge verpflichtet, die durch Bescheid festgesetzt werden. Für die Berechnung ist das gesamte Arbeitseinkommen und Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14, 15 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs maßgebend.
In Ausführung des § 13 Sätze 1 und 2 Nr. 1 StBVG NRW bestimmt § 30 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Satzung VWS-NRW: Der monatliche Regelpflichtbeitrag entspricht dem jeweils geltenden Höchstbeitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung (Deutschen Rentenversicherung) nach § 158 SGB VI und ist ein bestimmter Teil der für den Sitz des Versorgungswerkes maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenze nach § 159 SGB VI (Beitragssatz). Für Mitglieder, bei denen die Summe der Einkünfte aus steuerberatender oder hiermit vereinbarer Tätigkeit nach §§ 15, 18 und § 19 Einkommensteuergesetz (EStG) die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 159 SGB VI nicht erreicht, tritt auf Antrag für die Bestimmung des persönlichen Pflichtbeitrages an die Stelle der Beitragsbemessungsgrenze die Summe dieser Einkünfte, wobei die Einkünfte aus § 19 EStG vorrangig vor den Einkünften aus §§ 15 und 18 EStG zur Beitragspflicht herangezogen werden. Nach § 30 Abs. 5 Nr. 1 VWS-NRW ist maßgebend für die Berechnung des Beitrages nach § 30 Abs. 2 VWS-NRW bei selbstständig Tätigen das Einkommen des vorletzten Kalenderjahres und bei abhängig Beschäftigten der jeweilige Berichtszeitraum. § 30 Abs. 6 VWS-NRW bestimmt: Abweichend von § 30 Abs. 1 und Abs. 2 VWS-NRW hat ein Mitglied, das von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI befreit ist, mindestens den Beitrag zu entrichten, der gemäß §§ 158 und 159 SGB VI in der jeweils geltenden Fassung an die Deutsche Rentenversicherung zu entrichten wäre.
Das StBVG NRW unterwirft damit die gesamten Einnahmen des Steuerberaters, also seine Einnahmen aus einer Beschäftigung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) und seinen Gewinn aus selbständiger Tätigkeit (§ 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) der Beitragspflicht. Dementsprechend stellt die Satzung VWS-NRW für die Beitragsbemessung sowohl auf Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus selbständiger Arbeit (§§ 15 EStG, 18 EStG) als auch auf Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) ab.
Die weiteren Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstaben b und c SGB VI waren ebenfalls erfüllt.
Es sind, wie aus § 30 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Satzung VWS-NRW hervorgeht, einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen. Diese Voraussetzung wird vom Versorgungswerk der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen unter dem 14. August 2013 bescheinigt. Aufgrund dieser Beiträge werden Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst. Das StBVG NRW und die VWS-NRW enthalten entsprechende Regelungen.
Nach § 10 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 StBVG NRW und nach § 14 Abs. 1 VWS-NRW bestehen Ansprüche auf lebenslange Altersrente (§ 16 VWS-NRW), auf Berufsunfähigkeitsrente (§ 17 VWS-NRW) und auf Hinterbliebenenrenten als Witwen- und Witwerrente sowie als Waisenrente (§§ 21 bis 23 VWS-NRW). Diese Ansprüche unterliegen Verbesserungen und Herabsetzungen (§ 37 Abs. 3 und 4 VWS-NRW).
Die Auffassung der Beklagten, eine Befreiung wegen der Beschäftigung bei der Beigeladenen komme nicht in Betracht, da in Berlin kein Versorgungswerk für Steuerberater bestehe, findet daher, jedenfalls bezogen auf den zu entscheidenden Sachverhalt, im Gesetz keine Grundlage. Die Gesetzesbegründung zur Neuregelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI kann hierfür nicht herangezogen werden, denn danach bezieht sich die bereits vor dem 1. Januar 1995 bestandene gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe auf die Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer, nicht hingegen auf eine solche in der Versorgungseinrichtung. Eine nähere Begründung gibt die Beklagte nicht; maßgebend ist für sie, ob satzungsgemäß zum Versorgungswerk wegen der Beschäftigung gleich hohe Beiträge wie zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen sind. Dies ist der Fall. Aus den vom Sozialgericht angeführten Vorschriften der §§ 9, 11 SGB IV folgt nichts anderes. § 9 SGB IV definiert ausschließlich den Beschäftigungsort, § 11 SGB IV ausschließlich den Tätigkeitsort. Rechtsfolgen ordnen diese Regelungen nicht an.
Für das gefundene Ergebnis spricht auch, dass der Kläger bei Ausübung einer Beschäftigung als Steuerberater in einem Steuerberaterkammerbezirk im Land Nordrhein-Westfalen oder in einem Steuerberaterkammerbezirk außerhalb Nordrhein-Westfalens, in dem eine berufsständische Versorgungseinrichtung besteht, während einer gleichzeitigen Tätigkeit als selbständiger Steuerberater im Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe ebenfalls wegen einer solchen Beschäftigung ausschließlich beim Versorgungswerk der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen Mitglied gewesen wäre, da nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StBVG-NRV die Mitgliedschaft im Versorgungswerk an die Zugehörigkeit der Steuerberaterkammer und nach § 34 Abs. 1 Satz 2 StBerG die berufliche Niederlassung eines selbständigen Steuerberaters an die eigene Praxis anknüpft. Der Kläger wäre mithin im zweitgenannten Fall gerade nicht Mitglied des Versorgungswerkes geworden, in dessen Geltungsbereich die Beschäftigung ausgeübt worden wäre. Obwohl am Ort der Beschäftigung eine Versorgungseinrichtung bestünde, hätte der Kläger zu dieser Versorgungseinrichtung nicht wie vom Beklagten für wesentlich gehalten „satzungsgemäß zum Versorgungswerk wegen der Beschäftigung gleich hohe Beiträge wie zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen“.
Etwas anderes würde lediglich gelten, wenn der Kläger ausschließlich als angestellter Steuerberater beschäftigt gewesen wäre, da in diesem Fall als berufliche Niederlassung die begründete Arbeitsstätte gilt (§ 34 Abs. 1 Satz 3 StBerG). Wäre der Kläger ausschließlich als Syndikus-Steuerberater bei der Beigeladenen beschäftigt gewesen, hätte er der Steuerberaterkammer des Landes Berlin angehört. Da im Land Berlin eine berufsständische Versorgungseinrichtung für Steuerberater nicht geschaffen wurde, lägen in diesem Fall die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nicht vor (für diesen Fall auch: Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 9. Oktober 2002 – L 8 RA 48/01, Rdnr. 23, zitiert nach juris).
Der Kläger ist daher für seine Tätigkeit als Syndikus-Steuerberater bei der Beigeladenen in der Zeit vom 1. Juli 2013 bis 31. Januar 2014 von der Rentenversicherungspflicht zu befreien.
Die Befreiung erfolgt auf Antrag des Versicherten (§ 6 Abs. 2 1. Halbsatz SGB VI). Über die Befreiung entscheidet der Träger der Rentenversicherung, nachdem in den Fällen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI die für die berufsständische Versorgungseinrichtung zuständige oberste Verwaltungsbehörde das Vorliegen der Voraussetzungen bestätigt hat (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VI).
Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an (§ 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI). Die Befreiung ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt (§ 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI).
Die Befreiung beginnt daher ab 1. Juli 2013 mit der Aufnahme der Beschäftigung als Syndikus-Steuerberater bei der Beigeladenen, da sie im August 2013, also innerhalb von drei Monaten vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, beantragt wurde. Die Befreiung endet zum 31. Januar 2014, da sie auf die jeweilige Beschäftigung beschränkt ist.
Die Berufung hat daher Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits. Es entspricht nicht der Billigkeit, einem Beigeladenen, der keinen Antrag gestellt hat (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002 – B 13 RJ 19/01 R, Rdnr. 44, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 90, 127 = SozR 3-5795 § 10d Nr. 1), dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.