Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 26.08.2011 | |
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Aktenzeichen | 13 UF 144/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin - Familiengericht - vom 7. Juli 2011, Az.: 52 F 180/11, wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500,00 € festgesetzt.
I.
Durch den angefochtenen, dem Antragsteller am 13. Juli 2011 zugestellten Beschluss hat das Amtsgericht in dem vom Antragsteller betriebenen Verfahren auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für sein nicht ehelich geborenes Kind A… T… nach Scheitern einer gütlichen Einigung über den künftigen Aufenthalt des Kindes die Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens angeordnet. Ohne dass dem Protokoll eine entsprechende Erörterung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung und eine diesbezügliche Antragstellung der Beteiligten zu entnehmen ist, hat das Amtsgericht zugleich den Aufenthalt des minderjährigen Kindes gemäß § 156 FamFG dahingehend geregelt, dass das Kind vorläufig im Haushalt der Antragsgegnerin verbleibt. Gegen die Anordnung betreffend den vorläufigen Verbleib des Kindes im Haushalt der Antragsgegnerin wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde vom 22. Juli 2011, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und eine vorläufige Regelung dahingehend begehrt, dass der Aufenthalt des Kindes vorläufig in seinem Haushalt ist. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der beantragte sofortige Wechsel des Kindes in den Haushalt des Antragstellers nicht vollzogen werden könne, weil Erkenntnisse dazu fehlten, ob dies dem Wohl des Kindes entspreche. Dafür sei nicht allein der nachhaltig geäußerte Wunsch des Kindes maßgeblich. Ein sofortiger Wechsel des Kindes in den Haushalt des Antragstellers wäre, sofern sich die fehlende Autonomie des Willens des Kindes erwiese oder das Kind seinen Willen änderte, mit der Gefahr eines mehrfachen Schulwechsels verbunden, der angesichts der Schwäche insbesondere im Fach Mathematik sogar eine Gefährdung des Kindeswohls begründen könnte. Mit seiner dagegen gerichteten Beschwerde macht der Antragsteller geltend, der Verbleib des Kindes im Haushalt der Antragsgegnerin entspreche weder dem nachhaltig geäußerten und plausibel begründeten Willen des Kindes noch seinem Wohl. Sein Haushalt sei für das Kind sein Zuhause. Die Wohnverhältnisse bei der Antragsgegnerin, die seit ihrem Auszug aus dem gemeinsamen Haus mittlerweile sechsmal ihre Wohnsituation geändert habe, begründeten nicht die für das Kind wichtige Kontinuität. Die Wohnsituation der Antragsgegnerin im Zeitpunkt der Entscheidung - zu dritt in einer Einzimmerwohnung - stelle für das Kind eine erhebliche Belastung dar.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 57 S. 2 Nr. 1 FamFG statthaft und fristgerecht eingelegt.
Entgegen der dem Beschluss beigefügten Rechtsmittelbelehrung ist die Beschwerde nicht nach §§ 58 ff FamFG statthaft. Die angefochtene Entscheidung stellt nicht die für eine Beschwerde gemäß § 58 Abs. 1 FamFG vorausgesetzte Endentscheidung dar. Der angefochtene Beschluss beendet das vom Antragsteller eingeleitete Verfahren auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf ihn nicht. Er beinhaltet vielmehr sowohl nach dem ausdrücklichen Tenor wie auch der auf § 156 FamFG gestützten Begründung eine lediglich vorläufige Anordnung.
Als vorläufige Regelung zum Aufenthalt des Kindes ist sie grundsätzlich mit der Beschwerde gemäß § 57 S. 2 Nr. 1 FamFG anfechtbar, nachdem das Gericht des ersten Rechtszugs aufgrund mündlicher Erörterung über den Aufenthalt des Kindes als Teil der elterlichen Sorge, § 1631 Abs. 1 BGB, für ein Kind entschieden hat.
Der Antragsteller verfügt auch - jedenfalls nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung - über die gemäß § 59 FamFG erforderliche Beschwerdeberechtigung. Beschwerdeberechtigt ist nach § 59 Abs. 1 FamFG derjenige, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Das ist in der Person des Antragstellers grundsätzlich nur der Fall, wenn seinem Antrag nicht vollständig stattgegeben worden ist. Daran fehlt es hier. Der Antragsteller hatte in erster Instanz ausweislich des Protokolls und der Gründe des angefochtenen Beschlusses keinen Antrag auf einstweilige Regelung der elterlichen Sorge gestellt. Dementsprechend hat das Amtsgericht auch nicht seinen Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge im Wege der einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Seinen Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge im Hauptsacheverfahren hat das Amtsgericht noch nicht beschieden. Bei dieser Sachlage fehlt es an der für die antragstellende Partei vorausgesetzten formellen Beschwer zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens. Diese lässt sich auch nicht darauf stützen, dass der Antragsteller nunmehr mit seiner Beschwerdebegründung einen Antrag auf einstweilige Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge gestellt hat. Die Beschwer kann nicht durch Klageerweiterung oder Klageänderung geschaffen werden. Sie muss vielmehr im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung vorliegen, weil die Änderung oder Erweiterung ein zulässiges Rechtsmittel voraussetzt, also die Weiterverfolgung eines vorinstanzlich aberkannten Anspruchs oder Anspruchsteils (Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 28. Aufl., Vor § 511 Rn. 10 a). Gleichwohl ist als Ausprägung der verfassungsrechtlichen Grundsätze der allgemeinen Gleichberechtigung und des Vertrauensschutzes die Beschwerdeberechtigung des Antragstellers anzuerkennen. Für ein Rechtsmittel gegen eine nicht durch entsprechende Antragstellung veranlasste Entscheidung des Amtsgerichts im Verfahren nach dem FamFG kann nichts anderes gelten als für die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugelassene Berufung gegen die Abweisung eines nicht gestellten Antrages (BGH NJW 1991, 703, 704). Dass das Amtsgericht einen nicht gestellten Antrag des Antragstellers nicht zurückgewiesen, sondern inhaltlich das Gegenteil zuerkannt hat, steht dem nicht entgegen. Inhaltlich wird der Antragsteller durch Ausspruch des Gegenteils des von ihm nicht gestellten Antrags eben so beschwert wie durch die Zurückweisung seines nicht gestellten Antrags.
Der Sache nach hat das Amtsgericht die elterliche Sorge trotz des ausdrücklich und nachhaltig erklärten entgegen gesetzten Willens des Kindes vorliegend vorläufig vertretbar zu Gunsten der Antragsgegnerin geregelt. Das Vorbringen in der Beschwerdebegründung ist nicht geeignet, eine abweichende Entscheidung zu rechtfertigen oder gar Anlass dafür zu geben. Für die begehrte Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den Antragsteller reicht es nicht aus, dass die Lebenssituation des Kindes im Haushalt der Mutter nach deren Trennung vom Antragsteller nicht in allen Belangen, insbesondere zur häuslichen Wohnsituation, optimal gewesen sein mag. Maßgeblich für die Entscheidung im Rahmen des § 1671 Abs. 1 BGB analog ist das Wohl des Kindes. Bei fehlender Zustimmung des allein sorgeberechtigten Elternteils - wie im zur Entscheidung stehenden Fall - ist dem Antrag auf Übertragung der alleinigen Sorge auf einen Elternteil zu entsprechen, wenn dies dem Wohl des Kindes am Besten entspricht. In diesem Rahmen wird das Wohl nicht allein durch den Willen des Kindes, sondern durch weitere Kriterien, insbesondere die Erziehungseignung der Eltern, deren jeweilige Bindungstoleranz sowie den Kontinuitätsgrundsatz bestimmt. Dazu und zu weiteren das Wohl des Kindes berührenden Aspekten, zu denen das Amtsgericht die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet hat, lagen im Zeitpunkt der Entscheidung keine hinreichenden Erkenntnisse vor. Aufgrund der im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung bestehenden eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten zu der im Hauptsacheverfahren für die Entscheidung erheblichen Frage, ob die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am Besten entspricht, hat sich das Amtsgericht vertretbar für eine Beibehaltung des bisherigen Zustandes – Aufenthalt des Kindes bei der Antragsgegnerin – bis zur Entscheidung in der Hauptsache entschieden.
Für die im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens nur mögliche summarische Prüfung reicht es aus, wenn bezüglich der Voraussetzungen einer Übertragung von Teilen des Sorgerechts nach Ausschöpfung der im Verfahren zur Verfügung stehenden Aufklärungsmöglichkeiten die Vor- und Nachteile einer vorläufigen Regelung für die Eltern sowie die Kinder abgewogen werden und nach dem Ergebnis der Abwägung entschieden wird. In diesem Zusammenhang hat das Amtsgericht dem Gesichtspunkt der schulischen Kontinuität vertretbar erhebliches Gewicht beigemessen. Die Einschätzung des Kindes selbst, ein weiterer Schulwechsel würde ihm nichts ausmachen, ist nicht geeignet, ernsthafte Zweifel an der im angefochtenen Beschluss festgestellten Gefahr schulischer Schwierigkeiten bei einem Schulwechsel bzw. je nach Ausgang des Hauptsacheverfahrens sogar zwei Schulwechseln innerhalb eines Jahres zu begründen. Die positive Haltung des Kindes zu einem Wechsel zum Antragsteller und dem damit verbundenen Schulwechsel mag geeignet sein, einen Schulwechsel zu erleichtern. Sie würde indessen, bei Rückkehr des Kindes in den Haushalt der Mutter, den Wechsel in die gegenwärtige Schule erheblich erschweren. Dass es die seinerzeit das Kind erheblich belastenden Wohnverhältnisse bei der Antragsgegnerin unberücksichtigt gelassen hat, ist nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hatte seinerzeit bereits einen Vertrag über eine größere Wohnung abgeschlossen, in der für das Kind ein eigenes Zimmer vorgesehen ist, und diese mittlerweile auch bezogen.
Der Senat hat von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen, da diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurde und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind, § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.