Gericht | SG Cottbus 19. Kammer | Entscheidungsdatum | 10.05.2011 | |
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Aktenzeichen | S 19 AL 121/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 125 SGB 3 |
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 30.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2009 verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld für die Zeit vom 28.02.2009 bis 12.05.2009 zu gewähren.
2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Die Beteiligten streiten um Arbeitslosengeld für die Zeit vom 28.02.2009 bis 12.05.2009.
Die 1953 geborene Klägerin ist seit 01.01.2002 als Referentin beim VdeK e. V., S, zunächst im Umfang von 38,5 Stunden, mit Wirkung ab 01.04.2008 aufgrund Altersteilzeitvereinbarung im Umfang von 19,25 Stunden pro Woche beschäftigt. Seit 27.07.2007 ist die Klägerin mit bestimmten Unterbrechungen wegen verschiedener Beschwerden im Rahmen einer somatoformen Schmerzstörung arbeitsunfähig. Der Krankengeldbezug endete mit Ablauf des 27.02.2009 („ausgesteuert“). Das Arbeitverhältnis ist ungekündigt („ruht"). Einen bei der Deutschen Rentenversicherung Bund am 25.09.2008 gestellten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wurde mit Bescheid vom 05.01.2009 abgelehnt und der dagegen eingelegte Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2010 als unbegründet zurückgewiesen; insofern ist beim Sozialgericht Cottbus unter dem Aktenzeichen S 28 R 680/10 ein weiteres Verfahren anhängig. Vom 21.01.2009 bis 24.04.2009 war die Klägerin bis ca. 16 Uhr täglich teilstationär im Krankenhaus Spremberg aufgenommen.
Auf die persönliche Arbeitslosmeldung und den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld vom 05.01.2009 mit Wirkung ab 28.02.2009 hin, in dem die Klägerin angab, bei ärztlicher Begutachtung bereit zu sein, sich im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung zu stellen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.03.2009 die Gewährung von Arbeitslosengeld ab. Die Beklagte vertrat die Auffassung, eine Begutachtung durch den Agenturarzt könne derzeit nicht erfolgen, da sich die Klägerin zur teilstationären Behandlung in einer Tagesklinik befinde, somit stehe sie der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung und habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Dagegen ging die Klägerin am 16.04.2009 in Widerspruch. Sie berief sich auf § 125 SGB III und das offene – nicht rechtskräftig entschiedene – Rentenverfahren. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2009 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Sie ist der Auffassung, § 125 SGB III sei nicht einschlägig, da bereits eine Entscheidung des Rententrägers erfolgt sei (Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sei nicht bewilligt worden). Dass die Klägerin gegen diese Ablehnung Widerspruch eingelegt habe, sei unbeachtlich. Arbeitslosigkeit der Klägerin sei nach den §§ 118, 119 SGB III zu beurteilen. Da die Klägerin sich jedoch in tagesklinischer Behandlung befinde, sei sie gehindert eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden pro Woche umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarktes aufzunehmen und auszuüben.
Mit ihrer am 04.06.2009 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter.
Auf die erneute persönliche Arbeitslosmeldung vom 13.05.2009 hin hat die Beklagte der Klägerin mit Wirkung ab 13.05.2009 Arbeitslosengeld gewährt. Nach der inzwischen vorliegenden gutachterlichen Äußerung des ärztlichen Dienstes der Beklagten verfüge die Klägerin über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2009 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 28.02.2009 bis 12.05.2009 Arbeitslosengeld zu gewähren,
hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid vom 30.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2009 hinsichtlich der Ablehnung der Arbeitslosengeldgewährung für die Zeit vom 28.02.2009 bis 12.05.2009 rechtswidrig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf den Widerspruchsbescheid und beruft sich ergänzend auf die Rechtsprechung des 7. BSG-Senats (29.04.1998, B 7 AL 18/97 ER).
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand und dem Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.
I. Die Klage ist zulässig und bereits im Sinne des Hauptantrages begründet. Der Bescheid vom 30.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2009 erweist sich als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, da ihr ein Anspruch auf Gewährung Arbeitslosengeld für die Zeit vom 28.02.2009 bis 12.05.2009 zusteht. Hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen nimmt die Kammer gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid. Vorliegend ist die Kammer insbesondere der Überzeugung, dass entgegen der Auffassung der Beklagten zum einen § 125 Abs. 1 SGB III anzuwenden ist und zum anderen die Klägerin auch subjektiv verfügbar war. Da außerdem der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld am 28.02.2009 bzw. 12.05.2009 noch nicht erschöpft war, war der Klage bereits im Sinne des Hauptantrages unabhängig von einer evtl. Aufhebung bzw. Rücknahme der Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vor dem 10.12.2010 stattzugeben und über den Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden.
Dass § 125 Abs. 1 SGB III vorliegend entgegen der Auffassung der Beklagten einschlägig ist, folgt daraus, dass infolge widerspruchs- bzw. klageweiser Anfechtung (Az.: S 28 R 680/10) die Rentenablehnung (Bescheid vom 05.01.2009 bzw. Bescheid vom 05.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2010) nicht rechtskräftig ist und dem Sinn und Zweck der Nahtlosigkeitsregelung gemäß erst nach rechtskräftiger Ablehnung von verminderter Erwerbsfähigkeit die Vergünstigung des § 125 SGB III endet (statt aller: Winkler, in: Gagel § 125 SGB III Rdnr. 27). Soweit die Beklagte sich auf eine Bindung an die noch nicht rechtskräftige Rentenablehnung unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des 7. BSG-Senats (29.04.1998, B 7 AL 18/97 R) beruft, konnte dem die Kammer nicht folgen. Zum einen betrifft die angeführte Entscheidung des 7. BSG-Senats den umgekehrten Fall einer positiven Feststellung von Erwerbsunfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger und zum anderen war diese Feststellung vom Arbeitslosen auch nicht angefochten worden, weshalb unterschiedliche Beurteilungen der Leistungsfähigkeit durch die Bundesanstalt für Arbeit bzw. Bundesagentur und dem Rentenversicherungsträger nicht zu Lasten des Arbeitslosen gehen konnten; dies ist vorliegend – wie der Tatbestand belegt – sehr wohl der Fall und soll durch § 125 Abs. 1 SGB III gerade vermieden werden. Soweit der 7. BSG-Senat in der angeführten Entscheidung obiter für eine Bindung der Beklagten an eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über das Nichtvorliegen von verminderter Erwerbsfähigkeit plädierte und nichts anderes gelten lassen würde, sollte ein ablehnender Rehabilitationsbescheid angefochten werden, widerspricht dies dem Sinn und Zweck des § 125 Abs. 1 SGB III, dies jedenfalls dann, wenn eine Bindung der Beklagten an einen ablehnenden, aber angefochtenen Rentenbescheid über das Nichtvorliegen von verminderter Erwerbsfähigkeit vorliegen soll. Der 11. BSG-Senat (09.09.1999, B 11 AL 13/99 R) ist dem zu Recht nicht gefolgt, ebenso wenig der 7 a. Senat des BSG (10.05.2007, B 7 a AL 30/06, ebenso Winkler, a.a.O.).
Da sich die Klägerin im Übrigen im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung stellte, war der Klage stattzugeben.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.