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Entscheidung 6 W 66/20


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 6. Zivilsenat Entscheidungsdatum 16.07.2020
Aktenzeichen 6 W 66/20 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2020:0716.6W66.20.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 26.05.2020 - 2 O 95/20 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis zu 25.000 €.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege einstweiliger Verfügung, der Antragsgegnerin aufzugeben, das ihr zugeordnete Verkäuferkonto auf deren virtuellen Marktplatz zu aktivieren und es zu unterlassen, das Konto mit der Begründung, 4 % oder mehr der aktuellen Bestellungen seien nach dem voraussichtlichen Versanddatum versendet worden, zu deaktivieren und/oder zu sperren. Sie ist der Ansicht, ihr stehe ein Verfügungsanspruch auf vertraglicher Grundlage sowie nach § 19 Abs. 1, 2 GWB, §§ 8 Abs. 1 i.V.m. §§ 3a 4 Nr. 4 UWG, §§ 823 i.V.m. § 1004 BGB, § 826 sowie nach der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten zu.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 26.05.2020 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es fehle an einem Verfügungsgrund. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG sei durch das dringlichkeitschädliche Vorgehen der Antragstellerin nach der Sperrung ihres Händlerkontos am 05.03.2020 widerlegt, weil sie erst mit Eingang vom 22.05.2020 den Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung beim Landgericht angebracht habe.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, der das Landgericht mit Beschluss vom 06.07.2020 nicht abgeholfen hat.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete sofortige Beschwerde der Antragstellerin (§§ 567, 569 ZPO) hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, denn es fehlt jedenfalls an einem Verfügungsgrund. Ob der Antragstellerin ein Verfügungsanspruch zukommt, bedarf deshalb keiner Entscheidung.

1. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass der hier auch geltend gemachte Unterlassungsanspruch jedenfalls nicht auf lauterkeitsrechtliche Vorschriften gestützt werden könnte, weil die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht hat, dass die Parteien Wettbewerber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG sind. Die Antragsgegnerin verkauft, anders als die Antragstellerin, keine Waren für Tier- und Stallbedarf. Wie sich aus den von der Antragstellerin vorgelegten Antwortschreiben der Antragsgegnerin ergibt, erbringt diese lediglich Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem A…, über den Drittanbieter Produkte verkaufen können. Verkäuferin für Produkte, bezeichnet mit „Verkauf und Versand durch A…“, ist hingegen die A… EU … .

2. Ein Verfügungsgrund liegt nicht vor. Eine einstweilige Verfügung setzt voraus, dass die objektiv begründete Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des status quo die Rechtsverwirklichung des Antragstellers in einem möglichen Hauptsacheverfahren vereitelt oder erschwert werden könnte, sie ist nur dann zu erlassen, wenn sie zur Abwendung einer Gefährdung des Gläubigerinteresses zur vorläufigen Sicherung im Eilverfahren dringlich geboten und notwendig ist. Als besondere Form des Rechtschutzinteresses und damit als Prozessvoraussetzung ist das Vorliegen eines Verfügungsgrundes von Amts wegen zu prüfen, wobei es dem Antragsteller obliegt, das Vorliegen des Verfügungsgrundes mit den Beweismitteln des § 294 ZPO hinreichend glaubhaft zu machen.

Das Landgericht hat das Vorliegen eines Verfügungsgrundes im Ergebnis zu Recht verneint, Es fehlt an der Eilbedürftigkeit der beantragten einstweiligen Verfügung, weil die Antragstellerin die Annahme der Dringlichkeit durch ihr vorprozessuales Verhalten selbst widerlegt hat. Es entspricht einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass ein Verfügungsgrund dann nicht besteht, wenn ein Antragsteller trotz ursprünglich bestehenden Sicherungsbedürfnisses zu lange zugewartet hat, bevor er die einstweilige Verfügung beantragt, weil der Antragsteller durch seine Untätigkeit manifestiert, dass er die Angelegenheit nicht für eilbedürftig hält (KG, Urteil vom 09.02.2001 - 5 U 9667/00; OLG Hamburg, Beschluss vom 20. 03.2008 - 7 W 19/08 Rn 8; jew. zit. nach juris; Zöller-G. Vollkommer, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 940 Rn 4). In einem solchen Fall entfällt auch die für wettbewerbliche Verstöße (und nur für diese) bestehende Dringlichkeitsvermutung nach § 12 Abs. 2 UWG, die mangels Wettbewerbsverhältnis der Parteien vorliegend ohnehin nicht zur Anwendung kommt.

Ob die von einem Teil der Rechtsprechung im Wettbewerbsrecht für die Annahme einer solchen Selbstwiderlegung zugrunde gelegte Monatsfrist zwischen Kenntnis vom Verstoß und Antragstellung (Hans. OLG, Beschluss vom 12.02.2007 - 5 U 189/06; Beschluss vom 07.02.2007 - 5 U 140/06) auch bei Einstweiligen Verfügungen nach §§ 935, 940 ZPO zu Grunde zu legen ist (OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.11.2018 - 3 W 2064/18; KG, Beschluss vom 02.11.2015 - 10 W 35/15), oder ob in diesen Fällen aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände noch Fristen von 6 bis 8 Wochen dringlichkeitsunschädlich sein können (OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.08.2010 - 4 U 106/10; Beschluss vom 25.02.2009 - 4 U 204/08; Hans. OLG Urteil vom 21.03.2019 - 3 U 105/18), bedarf keiner Entscheidung. Denn die Antragstellerin hat nach Kenntnis der Sperrung ihres Händlerkontos am 05.03.2020 mehr als zwei Monate bis zum Anbringen der Antrages auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung bei Gericht am 22.05.2020 verstreichen lassen. Dass sie zwischenzeitlich versucht hat, schriftlich oder auch telefonisch Auskunft von der Antragsgegnerin zu erhalten, auf welchem Wege sie die Sperrung rückgängig machen kann, steht nicht entgegen. Zwar kann die Frist, aufgrund derer von einer dringlichkeitsschädigenden Selbstwiderlegung auszugehen ist, durch Verhandlungen der Parteien verlängert werden, wenn die begründete Hoffnung besteht, dass dadurch der drohenden oder behaupteten Rechtsverletzung abgeholfen wird und wenn die Verhandlungen in der gebotenen Eile geführt werden (OLG Schleswig, Beschluss vom 07.10.2014 - 5 W 37/14; OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.11.2018 - 3 W 2064/18). Vorliegend waren die Kontaktaufnahmen der Antragstellerin aber durchweg erfolglos und führten, soweit die Antragsgegnerin überhaupt geantwortet hat, stets zu der fast wörtlich wiederholten Auskunft, das vorgelegte Maßnahmenpaket sei unzureichend. Es bestand damit kein Anlass für die Antragstellerin, ihren außergerichtlichen Bemühungen Erfolgsaussicht beizumessen. Dass die Antragsgegnerin die Entsperrung des Händlerkontos von der Vorlage eines Maßnahmenplanes abhängig machte, war der Antragstellerin zudem bereits seit der Androhung der Sperrung am 02.03.2020 (und nicht erst seit dem 28.04.2020) bekannt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.