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Entscheidung 10 UF 235/14


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 16.04.2015
Aktenzeichen 10 UF 235/14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 26. November 2014 in seinem Ausspruch über den Versorgungsausgleich (Ziffer II der Beschlussformel) teilweise (Anrecht der Ehefrau bei der weiteren Beteiligten zu 2.) abgeändert.

Ein Wertausgleich des Anrechts der Ehefrau bei der … Lebensversicherung AG zur Versicherungsnummer … findet nicht statt.

Im Übrigen (Anrechte bei der weiteren Beteiligten zu 1.) bleibt es bei der Entscheidung des Amtsgerichts zum Versorgungsausgleich, die allerdings, soweit es die Anrechte des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung B… - Entgeltpunkte und Entgeltpunkte (Ost) betrifft, dahin berichtigt wird, dass die Anrechte auf das Konto der Antragsgegnerin zur Versicherungsnummer … übertragen werden.

Es bleibt bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden den beteiligten Ehegatten je zur Hälfte auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird auf 1.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Auf den am 10.10.2013 zugestellten Antrag hin hat das Amtsgericht die am 1.9.2000 geschlossene Ehe der beteiligten Ehegatten durch den angefochtenen Beschluss geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich wendet sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde. Sie begehrt den Ausschluss des Versorgungsausgleichs bezüglich des von ihr bei der weiteren Beteiligten zu 2. erworbenen Anrechts und weist dazu darauf hin, dass das Amtsgericht nach Erlass des angefochtenen Beschlusses durch Beschluss vom 1.12.2014, erlassen am 2.12.2014, (2.1 F 419/14) das Zustandekommen eines zwischen den Eheleuten geschlossenen Vergleichs zum nachehelichen Unterhalt festgestellt habe, worin die Eheleute auch den Verzicht des Ausgleichs des Anrechts der Ehefrau bei der weiteren Beteiligten zu 2. vereinbart hätten. Der Antragsteller ist der Beschwerde nicht entgegengetreten.

II.

Die gemäß §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde, über die der Senat nach Gewährung rechtlichen Gehörs ohne mündliche Verhandlung entscheidet, führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Ein Versorgungsausgleich findet hinsichtlich des Anrechts der Antragsgegnerin bei der weiteren Beteiligten zu 2. nicht statt, da die beteiligten Eheleute dies in formgültiger Weise wirksam ausgeschlossen haben.

1.

Durch den schriftlichen Vergleich, dessen Zustandekommen das Amtsgericht durch Beschluss vom 1.12.2014 festgestellt hat, haben die Ehegatten u. a. auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs, soweit es das Anrecht der Antragsgegnerin bei der weiteren Beteiligten zu 2. betrifft, verzichtet. An die den Versorgungsausgleich betreffende Vereinbarung innerhalb des Vergleichs ist der Senat gemäß § 6 Abs. 2 VersAusglG gebunden. Denn Wirksamkeits- und Durchsetzungshindernisse bestehen insoweit nicht. Daher ist im Tenor des Beschlusses gemäß § 224 Abs. 3 FamFG festzustellen, dass ein Wertausgleich hinsichtlich dieses in der Ehezeit erworbenen Anrechts nicht stattfindet.

a)

Die Vereinbarung erfüllt die gesetzlich bestimmten formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen.

Gemäß § 7 Abs. 1 VersAusglG bedarf eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich, die vor Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung geschlossen wird, der notariellen Beurkundung. Die Vorschrift des § 127 a BGB gilt entsprechend, § 7 Abs. 2 VersAusglG. Demnach wird die notarielle Beurkundung bei der Vereinbarung durch die Aufnahme der Erklärungen in ein nach den Vorschriften der ZPO errichtetes Protokoll ersetzt. An die Stelle eines dergestalt gerichtlich protokollierten Vergleichs kann nach Auffassung des Senats auch ein schriftlicher Vergleich im Sinne von § 278 Abs. 6 ZPO treten.

aa)

Gemäß § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO kann im Zivilprozess ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest, § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO.

Einen solchen schriftlichen Vergleichsvorschlag haben die Ehegatten vorliegend dem Amtsgericht unterbreitet. Das Zustandekommen des Vergleichs hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 1.12.2014 festgestellt.

bb)

Die Vorschrift des § 278 Abs. 6 ZPO findet im Verfahren nach dem FamFG entsprechende Anwendung. Soweit Familienstreitsachen betroffen sind, folgt dies aus § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG (vgl. Musielak/Borth, FamFG, 4. Aufl., § 113 Rn. 2 sowie § 36 Rn. 2; Haußleiter/ Gomille, FamFG, § 36 Rn. 1; Verfahrenshandbuch Familiensachen – FamVerf-/Schael, 2. Aufl., § 1 Rn. 295; Bumiller/Harders, FamFG, 10. Aufl., § 113 Rn. 14; unklar Bergschneider, FamRZ 2013, 260, 263). Hinsichtlich der übrigen Verfahren nach dem FamFG, mithin auch in Bezug auf das Versorgungsausgleichsverfahren, bestimmt § 36 Abs. 3 FamFG, dass ein nach § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG zulässiger Vergleich - also soweit die Beteiligte über den Gegenstand des Verfahrens verfügen können -, auch schriftlich entsprechend § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen werden kann. Diese Vorschrift findet auf das Versorgungsausgleichsverfahren grundsätzlich Anwendung. Denn die Beteiligten können über den Gegenstand des Verfahrens verfügen, wie § 6 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG deutlich macht (vgl. FamVerf-/Schael, § 6 Rn. 50; Musielak/Borth, a.a.O., § 36 Rn. 5; Zöller/Feskorn, ZPO, 30. Aufl., § 36 FamFG, Rn. 3; Bumiller/Harders, a.a.O., § 36 Rn. 3).

cc)

Der Anwendung von § 36 Abs. 3 FamFG in Verbindung mit § 278 Abs. 6 ZPO steht im Versorgungsausgleichsverfahren nicht entgegen, dass die notarielle Beurkundung nicht, wie in § 127 a BGB geregelt, durch einen gerichtlich protokollierten Vergleich ersetzt wird, sondern durch den Feststellungsbeschluss nach § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO. Diese Rechtsfrage ist in Rechtsprechung und Literatur allerdings streitig. Der Senat schließt sich jedoch der Auffassung des 5. Familiensenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts an, wonach auch im Verfahren über den Versorgungsausgleich eine Vereinbarung im gerichtlichen Verfahren ohne Termin vor dem Gericht schriftlich geschlossen werden kann. Auf die ausführliche Begründung im Beschluss des 5. Familiensenats (Beschluss vom 22.8.2013 - 3 UF 115/12, NJOZ 2014, 1442 = FamRZ 2014, 1202) wird Bezug genommen.

dd)

Somit kann auch ein Vergleich, dessen Zustandekommen das Gericht gemäß § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO festgestellt hat, zu einem formwirksamen Ausschluss des Versorgungsausgleichs führen. Dies gilt nicht nur dann, wenn sich der Vergleich als Vereinbarung im Sinne von § 6 Abs. 1 VersAusglG darauf beschränkt, den Ausschluss des Versorgungsausgleichs zu regeln. Vielmehr liegt es ebenso, wenn die Beteiligten einen Gesamtvergleich über ihre Vermögensauseinandersetzung schließen, der u.a. einen (teilweisen) Ausschluss des Versorgungsausgleichs vorsieht (OLG Brandenburg, 5. Familiensenat, a.a.O.). Nicht anders verhält es sich, wenn die Vereinbarung über den Versorgungsausgleich in einen Vergleich über den nachehelichen Unterhalt aufgenommen worden ist.

b)

Die Vereinbarung erfüllt ferner die materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen.

Gemäß § 8 Abs. 1 VersAusglG muss die Vereinbarung über den Versorgungsausgleich einer Inhalts- und Ausübungskontrolle standhalten. Gemäß § 8 Abs. 2 VersAusglG können durch die Vereinbarung Anrechte nur übertragen oder begründet werden, wenn die maßgeblichen Regelungen dies zulassen und die betroffenen Versorgungsträger zustimmen. Diese Vorschriften stehen dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht entgegen.

aa)

Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 VersAusglG stellt vorliegend schon deshalb kein Wirksamkeitshindernis dar, weil mit ihr nur verhindert werden soll, dass ein Vertrag zu Lasten der Versorgungsträger geschlossen wird (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne, Familienrecht, 6. Aufl., § 8 VersAusglG Rn. 17). Durch den vollständigen Ausschluss eines Anrechts vom Versorgungsausgleich aber werden die Rechte der Versorgungsträger nicht berührt (vgl. auch BGH, NJW-RR 2013, 385 Rn. 12; Hahne/Munzig/Gutjahr, BeckOK FamFG, Edition 14, § 59 Rn. 29).

bb)

Die Vereinbarung, deren wirksames Zustandekommen am 2.12.2014 festgestellt worden ist, hält einer Inhalts- und Ausübungskontrolle im Sinne von § 8 Abs. 1 VersAusglG stand.

Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle ist zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - und zwar losgelöst von der zukünftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten, § 138 Abs. 1 BGB. Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse bei Abschluss der Vereinbarung abstellt (BGH, FamRZ 2008, 2011 Rn. 10). Bei der Annahme, dass eine offenkundig einseitige Lastenverteilung vorliegt, ist Zurückhaltung geboten, weil die privatautonome Gestaltung der Ehegatten grundsätzlich zu respektieren ist (Kemper, Versorgungsausgleich in der Praxis, 2011, Kap. VII Rn. 127).

Hier ist der vereinbarte Teilausschluss des Versorgungsausgleichs schon deshalb bedenkenfrei, weil allein das Anrecht der Antragsgegnerin, die über keine weiteren in der Ehezeit erworbenen Anrechte verfügt, insbesondere nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, vom Wertausgleich ausgenommen worden ist. Der Antragsteller, zu dessen Lasten die Vereinbarung somit geht, ist durch seine nicht unbeträchtlichen Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung ausreichend abgesichert.

2.

Die von der weiteren Beteiligten zu 1. angeregte Berichtigung erfolgt auf der Grundlage von § 42 FamFG.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Abs. 4 Satz 3 FamFG, die Wertfestsetzung auf § 50 FamGKG.

4.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, § 70 Abs. 2 FamFG. Denn die Frage, ob eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich durch schriftlichen Vergleich wirksam geschlossen werden kann, ist - wie ausgeführt - streitig.