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Entscheidung S 28 AS 1175/11


Metadaten

Gericht SG Frankfurt (Oder) 28. Kammer Entscheidungsdatum 20.03.2012
Aktenzeichen S 28 AS 1175/11 ECLI
Dokumententyp Gerichtsbescheid Verfahrensgang -
Normen § 37 SGB 10, § 63 SGB 10, § 54 SGG, § 77 SGG

Leitsatz

Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwaltes im Vorverfahren ist danach zu beurteilen, ob der Widerspruchsführer im Zeitpunkt der Beauftragung seines Bevollmächtigten es für erforderlich halten durfte, im Vorverfahren durch einen Rechtsanwalt unterstützt zu werden. Diese Prüfung hat für jeden Einzelfall aus der subjektiven ex - ante - Sicht des Widerspruchsführers zu erfolgen.

Dies ist der Fall, wenn schwierige Sach- oder Rechtsfragen eine Rolle spielen und deshalb ein Bürger mit dem Bildungs- und Erfahrungsstand des Widerspruchsführers sich vernünftigerweise eines Rechtsanwalts bedient hätte. Im Weiteren sind die Schwere des Eingriffs in die (Grund-)rechte des Widerspruchsführers sowie dessen persönliche Umstände, wie z.B. dessen Gesundheitszustand, dessen Wohnsitz, dessen familiäre Situation, etc. in die Wertung mit einzubeziehen (Anschluss an Bundessozialgericht, Urteil vom 31. Mai 2006, Aktenzeichen B 6 KA 78/04 R Rn 19).

Daher ist im Regelfall bei Rechtstreitigkeiten im Bereich des SGB II die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes notwendig.

Tenor

1.) Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 8. April 2011 und des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2011 verpflichtet, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren mit dem Aktenzeichen BG für notwendig zu erklären und der Klägerin die notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten.

2.) Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

3.) Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Widerspruchsverfahren.

Die Klägerin steht seit Januar 2005 bei der Beklagten im Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Schreiben vom 11. Dezember 2009 teilte Sie durch ihren Verfahrensbevollmächtigten mit, dass Sie ein Guthaben aus einer Betriebskostenabrechnung vom 10. November 2009 in Höhe von 28,80 Euro habe. Bisher sei dieses Guthaben nicht an sie zur Auszahlung gelangt. Sie wünsche, dass dieser Betrag direkt an die Beklagte ausgekehrt werde und bat um Übersendung einer Kontoverbindung. Der Prozessbevollmächtigte fügte diesem Schreiben eine Vollmacht der Klägerin bei und teilte mit, dass er diese in dieser Angelegenheit vertrete. Darüber hinaus übersandte er die Betriebskostenabrechnung der Klägerin für das Jahr 2008 aus der sich ergab, dass das Betriebskostenguthaben auf schriftliche Anforderung überwiesen werde, falls keine Mietschulden bestünden.

Mit Schreiben vom 28. Januar 2010 forderte die Beklagte die Klägerin unter Verweis auf ihre Mitwirkungspflicht nach § 60 Abs.1 Nr.1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) auf, Unterlagen bzw. Nachweise über den Zufluss des Guthabens aus dem Betriebskostenguthaben 2008 einzureichen.

Mit Schreiben vom 5. Februar 2010 meldete sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und verwies erneut darauf, dass er die rechtlichen Interessen der Klägerin vertrete. Er verwies wiederum darauf, dass das Guthaben direkt an die Beklagte überwiesen werden solle. Darum habe er um eine Kontoverbindung gebeten. Gegenwärtig sei das Guthaben noch nicht zur Auszahlung gelangt.

Mit Bescheid vom 4. März 2010 hob die Beklagte unter Bezugnahme auf das Betriebskostenguthaben 2008 die Leistungsgewährung für die Klägerin für den Monat Februar 2010 in Höhe von 28,80 Euro auf und forderte bereits erbrachte Leistungen für Unterkunft und Heizung in dieser Höhe von der Klägerin zurück.

Hiergegen legte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 18. März 2010, Eingang bei der Beklagten am gleichen Tag, Widerspruch ein.

Mit Schriftsatz vom 13. April 2010 forderte die Beklagte den Prozessbevollmächtigten auf, einen Nachweis des Vermieters zu erbringen, dass das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung 2008 noch nicht an die Klägerin ausgezahlt worden sei, bzw. wann es tatsächlich zur Auszahlung kam.

Mit Schreiben vom 15. April 2010 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit, dass er den Vermieter der Klägerin angeschrieben habe. Wie der Beklagten bekannt sei, reagiere dieser auf Anschreiben nicht mehr, ebenso wenig wie die Hausverwaltung.

Mit Schreiben vom 6. Mai 2010 forderte die Beklagte den Klägerbevollmächtigten auf, einen anderen Nachweis dafür einzureichen, dass das Guthaben aus dem Jahr 2008 nicht ausgezahlt wurde, bzw. nicht mit Mietrückständen verrechnet wurde.

Mit Schreiben vom 27. Mai 2010 übersandte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin deren Kontoauszüge und verwies darauf, dass aus diesen keine Buchungen des ehemaligen Vermieters erkennbar seien. Die Klägerin versichere weiterhin, keine Mietrückstände zu haben. Sie habe im Übrigen auch dem ehemaligen Vermieter mitgeteilt, dass sie wünsche, dass das Guthaben direkt an die Beklagte überwiesen werde. Eine Kopie dieses Schreiben wurde beigefügt.

Mit Abhilfebescheid vom 1. Juni 2010 nahm die Beklagte daraufhin den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4. März 2010 zurück.

Daraufhin versuchte die Beklagte mehrfach selbständig vom Vermieter und der Hausverwaltung, sowie deren Nachfolgeunternehmen zu erfahren, wie mit dem Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung 2008 verfahren worden sei. Diese Bemühungen der Beklagten führten mangels konstruktiver Mitarbeit der angeschriebenen Personen und Unternehmen für diese zu keinem Erkenntnisgewinn.

Mit Schreiben vom 1. Dezember 2010 schrieb die Beklagte die Klägerin erneut an und erbat eine schriftliche Stellungnahme bis zum 17. Dezember 2010, ob das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung 2008 inzwischen erfolgt sei und um einen entsprechenden Nachweis durch Einreichung von Kontoauszügen.

Mit Schreiben vom 28. Januar 2011 erinnerte die Beklagte die Klägerin an ihre Mitwirkungspflicht und drohte einen teilweisen Leistungsentzug an, falls die Mitwirkung nicht bis zum 14. Februar 2011 nachgeholt werde. Beide Schreiben waren direkt an die Klägerin gerichtet.

Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 17. Februar 2011, Eingang bei der Beklagten am gleichen Tag, teilte dieser erneut mit, dass er die rechtlichen Interessen der Klägerin wahrnehme. Darüber hinaus teilte er mit, dass die Klägerin nach wie vor keine Gutschrift ihres ehemaligen Vermieters erhalten habe und eine Direktzahlung des Vermieters an die Beklagte wünsche.

Mit Versagungs- und Entziehungsbescheid vom 17. Februar 2011 wurden der Klägerin die ihr monatlich gewährten Leistungen in Höhe von 214,53 Euro monatlich beginnend ab dem 1. März 2011 entzogen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Klägerin Nachweise die für die Prüfung des Leistungsanspruchs der Klägerin notwendig seien, nicht beigebracht habe.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin durch ein von ihr selbst verfasstes Schreiben vom 20. Februar 2011 Widerspruch ein. Hierbei verwies sie darauf, dass die Beklagte bereits Post von ihrem Rechtsanwalt erhalten habe. Die Beklagte habe kein Recht, die Leistungen zu kürzen, da ihr bereits alle notwendigen Unterlagen vorliegen würden.

Mit Bescheid vom 9. März 2011 hob die Beklagte den Versagungs-/Entziehungsbescheid vom 17. Februar 2011 auf. Der Bescheid enthielt den Zusatz, dass die notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens auf Antrag erstattet würden.

Mit Schreiben vom 10. März 2011 meldete sich der Prozessbevollmächtigte erneut und zeigte an, dass er die Interessen der Klägerin in dem Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 17. Februar 2011 vertrete. Er habe bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die Klägerin noch keinen Zufluss des Betriebskostenguthabens erlangt habe. Auf Grund der Kürzung der Leistungen durch die Beklagte sei die Klägerin nunmehr mit dem Mietzins in Verzug geraten.

Mit Schreiben vom 28. März 2011 übersandte der Klägerbevollmächtigte seine Kostennote zur Begleichung. Hierbei wies er darauf hin, dass der Bescheid der Beklagten vom 9. März 2011 dieser erst nach dem 10. März 2011 zugegangen sei. Auf Grund dessen, dass der Beklagten mehrfach mitgeteilt worden sei, dass die Klägerin keinen Zufluss aus der Betriebskostenabrechnung 2008 erhalten habe, was die Beklagte ignoriert habe, sei sie auch berechtigt gewesen, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Kostennote belief sich auf insgesamt 309,40 Euro.

Mit Bescheid vom 8. April 2011 lehnte die Beklagte die Übernahme der vorgenannten Kosten ab. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes sei nicht notwendig gewesen. Die Übernahme der Vertretung der Klägerin im Widerspruchsverfahren sei zu einem Moment erfolgt, in dem dem Widerspruch der Klägerin bereits abgeholfen worden sei. Die Klägerin habe daher ihre Rechte eigenständig vertreten und durchsetzen können.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägerbevollmächtigten vom 13. April 2011 wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2011 mit der gleichen Begründung zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz ihres Klägerbevollmächtigten vom 18. Mai 2011, Eingang bei Gericht am gleichen Tag, hat die Klägerin gegen die vorgenannten Bescheide Klage eingereicht, mit dem sie ihre Begehr der Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens unter Berücksichtigung der Kosten der Zuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten weiterverfolgt. Zur Begründung führte er aus, dass die Klägerin auch durch ihn mehrfach darauf hingewiesen habe, dass das Guthaben direkt an die Beklagte zu zahlen sei und sie bisher keine Zahlungen erhalten habe. Da die Beklagte dieses unter anderem in dem im Widerspruchsverfahren streitgegenständlichen Bescheid durchgehend ignoriert habe, sei sie berechtigt gewesen, anwaltlich Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 8. April 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2011 zu verpflichten, die Kosten des Widerspruchverfahrens zu erstatten und die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist auf ihr bisheriges Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte (BG – Nummer …), die dem Gericht zur Entscheidung vorlag, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht durfte nach Anhörung der Beteiligten im Erörterungstermin vom 7. März 2012 gemäß § 105 Sozialgerichtgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sach- und Rechtslage geklärt ist und keinen besonderen Schwierigkeitsgrad aufweist. Auf die Gewährung eines Schriftsatznachlasses haben beide Beteiligte ausdrücklich verzichtet.

I.

Die Klage ist gemäß § 54 Abs.1 SGG als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (Versagungsgegenklage, vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 31. Mai 2006, Aktenzeichen B 6 KA 78/04 R Rn 11) zulässig und begründet. Die Klägerin hat dem Grunde nach gegen die Beklagte einen auf § 63 Abs.1, Abs.2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützten Anspruch auf Übernahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 17. Februar 2011 inklusive der notwendigen Kosten für die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten. Die Festsetzung der konkreten Höhe der zu erstattenden Aufwendungen sowohl für einen Bevollmächtigten als auch hinsichtlich der weiteren Aufwendungen hat in einem von der Kostengrundentscheidung abgeschichteten Verfahren zu erfolgen, was bisher noch nicht geschehen ist, so dass das Gericht hierüber in diesem Gerichtsverfahren nicht zu entscheiden hatte (vgl. Bundessozialgericht, a.a.O.).

1.

a.

Die Beklagte ist zur Übernahme der notwendigen Aufwendungen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Klägerin gemäß § 63 Abs.1 SGB X verpflichtet. Die Beklagte hat bereits im Bescheid vom 9. März 2011 entschieden, dass die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 17. Februar 2011 von der Beklagten erstattet werden. An diese bestandskräftige Kostengrundentscheidung ist sowohl die Beklagte als auch das Gericht § 77 SGG gebunden, so dass keine inhaltliche Prüfung mehr notwendig ist, ob die Kosten des Widerspruchsverfahrens überhaupt von der Beklagten zu übernehmen waren, insbesondere ob der Widerspruch der Klägerin erfolgreich war.

b.

Die Beklagte hat im Rahmen der Kostenerstattung auch die Kosten für die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwaltes im Vorverfahren zu erstatten, da die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Sinne des § 63 Abs.2 SGG notwendig war.

Die einzige tatbestandliche Voraussetzung für die streitgegenständliche Erstreckung der Kostengrundentscheidung auf die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts ist die Notwendigkeit von dessen Zuziehung im Vorverfahren. Der Begriff "Vorverfahren" in § 63 Abs. 2 SGB X bezeichnet den Verfahrensabschnitt, der mit Einlegung eines förmlichen Rechtsbehelfs im Sinne von § 62 Abs. 1 SGB X beginnt und entweder durch Abhilfe oder durch einen Widerspruchsbescheid abgeschlossen wird (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 31. Mai 2006, Aktenzeichen B 6 KA 78/04 R Rn 13, zu recherchieren unter www.juris.de).

Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwaltes im Vorverfahren ist danach zu beurteilen, ob der Widerspruchsführerer im Zeitpunkt der Beauftragung seines Bevollmächtigten es für erforderlich halten durfte, im Vorverfahren durch einen Rechtsanwalt unterstützt zu werden. Diese Prüfung hat für jeden Einzelfall aus der subjektiven ex – ante – Sicht des Widerspruchsführers zu erfolgen. Dies ist der Fall, wenn schwierige Sach- oder Rechtsfragen eine Rolle spielen und deshalb ein Bürger mit dem Bildungs- und Erfahrungsstand des Widerspruchsführers sich vernünftigerweise eines Rechtsanwalts bedient hätte (Bundessozialgericht, a.a.O. Rn 19, Mutschler in Kassler Kommentar zu § 63 SGB X Rn 17f.). Im Weiteren sind die Schwere des Eingriffs in die (Grund-)rechte des Widerspruchsführers sowie dessen persönliche Umstände, wie z.B. dessen Gesundheitszustand, dessen Wohnsitz, dessen familiäre Situation, etc. in die Wertung mit einzubeziehen (vgl. Mutschler, a.a.O. Rn 18). In dem hier betroffenen Bereich der Kürzung bzw. Entziehung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ist zu berücksichtigen, dass zumeist Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums im Sinne des Art. 1 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 20 Grundgesetz in Streit stehen. Werden diese rechtswidrig gekürzt, stellt dieses – abhängig freilich von der Intensität des jeweiligen Eingriffs – ein oftmals für den Widerspruchsführer besonders wichtiges Anliegen dar (vgl. hierzu in Bezug auf die Parallelproblematik bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe, Landessozialgericht Berlin – Brandenburg, Beschluss vom 30. März 2009, Aktenzeichen L 25 B 2135/08 B ER Rn 9, zu recherchieren unter www.juris.de). Im Bereich des SGB II ist ferner zu berücksichtigen, dass sowohl die Rechtsmaterie als auch die Leistungsbescheide in ihrem Regelungsinhalt für einen juristisch nicht einschlägig gebildeten Widerspruchsführer oftmals kaum zu verstehen ist. Im Regelfall wird man zumindest in diesem Rechtsgebiet die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für notwendig erachten müssen (weitergehend für das gesamte Sozialrecht in diesem Sinne auch Mutschler, a.a.O. Rn 17 und Roos in von Wulffen, zu § 63 SGB X Rn 26, jeweils mit weiteren Nennungen).

Vorliegend durfte die Klägerin es für notwendig halten, sich von einem Rechtsanwalt unterstützen zu lassen. Zwar hat sie durch die Einlegung des Widerspruchs im Endeffekt selbst erreicht, dass der Versagungs-/Entziehungsbescheid vom 17. Februar 2011 aufgehoben wurde. Dieses wusste sie jedoch im Moment der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten noch nicht, da ihr der Abhilfebescheid der Beklagten erst nach Beauftragung des Prozessbevollmächtigten zuging. Dass ihre Einwände bei der Beklagten durchdringen würden, war aus Sicht der Klägerin auch nicht ohne Zweifel ersichtlich. Aus dem Inhalt des Widerspruchschreibens der Klägerin ergibt sich, dass für die Klägerin den Grund ihrer Sanktionierung nicht verstand. In diesem Fall ist darüber hinaus zu beachten, dass die von der Beklagten verlangten Auskünfte über die Betriebskostenrückerstattung zwischen den Beteiligten bereits seit einem Jahr ein problematisches Thema waren, das sich für beide Beteiligten nicht befriedigend und vor allem nicht abschließend lösen ließ. Für die Notwendigkeit einen Bevollmächtigten hinzuziehen spricht vorliegend jedoch insbesondere, dass der Versagungs- und Entziehungsbescheid vom 17. Februar 2011 ein Kürzung der Leistungen der Unterkunft und Heizung von über 200,00 Euro und somit einschneidende Konsequenzen für die Klägerin mit sich brachte, da diese nicht in der Lage war, ihre Miete zu bezahlen und bei weiterem Bestand des vorgenannten Bescheides befürchten musste, auf kurz oder lang ihre Unterkunft zu verlieren oder zumindest erhebliche Probleme mit ihrem Vermieter zu bekommen. Bei einer solchen Situation ist es aus Sicht eines Bürgers in ihrer Situation ohne Weiteres nachvollziehbar, wenn die Klägerin professionellen Rechtsrat sucht.

Nur ergänzend führt das Gericht aus, dass die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten noch während des laufenden Widerspruchsverfahrens erfolgte. Dieses endete nach der Zugangsfiktion des § 37 Abs.2 SGB X gemäß § 37 Abs.1 SGB X erst mit Bekanntgabe des Abhilfebescheides vom 9. März 2011 am 12. März 2011. Die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten erfolgte am 10. März 2011. Im Übrigen muss der Prozessbevollmächtigte auch nicht kausal für den Erfolg des Widerspruchs der Klägerin in Erscheinung getreten sein. Eine Kausalität der Beauftragung für die Abhilfeentscheidung der Beklagten setzt des § 63 Abs.2 SGB X im Unterschied zu § 63 Abs.1 SGB X nicht voraus. Die einzige Tatbestandsvoraussetzung des § 63 Abs.2 SGB X ist, dass aus Sicht des Widerspruchsführers die Zuziehung eines Bevollmächtigten als notwendig erschien (vgl. hierzu die obigen Ausführungen). Die Verwaltung trägt daher das Kostenrisiko für die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten, wenn sie einen rechtswidrigen Verwaltungsakt erlässt und diesen nicht rechtzeitig aufhebt.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.

3.

Die Berufung war nicht zuzulassen.

Die Berufung bedarf gemäß § 144 Abs.1 S.1 Nr.1 SGG der Zulassung, da in der Sache um einmalige Rechtsanwaltsgebühren von maximal 309,40 Euro gestritten wird. Somit wird weder ein Beschwerdewert von 750,00 Euro für die Klägerin erreicht, noch stehen wiederkehrende Leistungen im Sinne des § 144 Abs.1 S.2 SGG im Streit.

Dem Rechtsstreit kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr.1 SGG zu. Die wesentlichen Vorgaben, wann die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren notwendig ist, sind in der zitierten Rechtsprechung und Literatur hinreichend geklärt. Von höhergerichtlicher Rechtsprechung weicht das Gericht nicht ab, so dass auch kein Fall des § 144 Abs.2 Nr.2 SGG vorliegt.