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Entscheidung 3 UF 91/12


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 5. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 20.03.2013
Aktenzeichen 3 UF 91/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 7 VersAusglG, § 8 VersAusglG

Leitsatz

Haben die Eheleute vor dem Beschwerdegericht eine gemäß § 7 Abs. 1 VersAusglG formwirksame Vereinbarung über den Versorgungsausgleich geschlossen, so fallen bei der materiellen Prüfung gemäß § 8 Abs. 1 VersAusglG Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle zusammen.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgericht Fürstenwalde vom 17. September 2012 abgeändert.

Die Anrechte der beteiligten Ehegatten bei der Deutschen Rentenversicherung … zu den Versicherungsnummern … und … sowie das Anrecht des Antragstellers bei dem Landesverwaltungsamt B…, zur Personalnummer … werden nicht ausgeglichen.

Es bleibt bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden den beteiligten Ehegatten je zur Hälfte auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird auf 2.625 € festgesetzt.

Gründe

I.

Auf die am 6. bzw. 7.5.2004 zugestellten Scheidungsanträge hin hat das Amtsgericht die am 9.7.1997 geschlossene Ehe der beteiligten Eheleute durch Urteil vom 5.10.2004 geschieden und zugleich den Versorgungsausgleich nach § 2 VAÜG abgetrennt. Durch Verfügung vom 9.5.2012 hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich im Hinblick auf § 50 Abs. 1 Nr. 2 VersAusglG wieder aufgenommen. Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die Anrechte der Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung im Wege der internen Teilung und das Anrecht des Antragstellers auf eine Beamtenversorgung im Wege der externen Teilung ausgeglichen. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde. Sie begehrt den Ausschluss des Versorgungsausgleichs.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18.3.2013 haben die Ehegatten den Ausschluss des Versorgungsausgleichs vereinbart.

II.

Auf das vom Verbund abgetrennte und ausgesetzte Verfahren ist nach Wiederaufnahme das seit dem 1.9.2009 geltende Recht anzuwenden, Art. 111 Abs. 4 FGG-RG, § 48 Abs. 2 VersAusglG. Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Mit Rücksicht auf die von den Ehegatten vor dem Senat am 18.3.2013 getroffene Vereinbarung ist der Versorgungsausgleich hinsichtlich sämtlicher in der Ehezeit erworbenen Anrechte auszuschließen.

1.

Durch die Vereinbarung vom 18.3.2013 haben die Ehegatten den Versorgungsausgleich insgesamt ausgeschlossen. An diese Vereinbarung ist der Senat gemäß § 6 Abs. 2 VersAusglG gebunden. Denn Wirksamkeits- und Durchsetzungshindernisse bestehen insoweit nicht. Daher ist im Tenor des Beschlusses gemäß § 224 Abs. 3 FamFG festzustellen, dass ein Wertausgleich hinsichtlich der von den Ehegatten in der Ehezeit erworbenen Anrechte nicht stattfindet.

a)

Die Vereinbarung erfüllt die gesetzlich bestimmten formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen.

Gemäß § 7 Abs. 1 VersAusglG bedarf eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich, die vor Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung geschlossen wird, der notariellen Beurkundung. Die Vorschrift des § 127 a BGB gilt entsprechend, § 7 Abs. 2 VersAusglG. Demnach wird die notarielle Beurkundung bei der Vereinbarung durch die Aufnahme der Erklärungen in ein nach den Vorschriften der ZPO errichtetes Protokoll ersetzt. Dies ist vorliegend geschehen, indem die Eheleute im Verfahren, das mit Rücksicht auf Art. 111 Abs. 4 Satz 2 FGG-RG nicht dem Anwaltszwang unterliegt (vgl. BGH, NJW 2011, 1141 Rn. 15 ff.), eine Vereinbarung geschlossen haben, die vom Senat protokolliert worden ist. In zeitlicher Hinsicht war die Vereinbarung auch nach rechtskräftig vorab durchgeführter Scheidung und vor Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Amtsgerichts zum Versorgungsausgleich möglich (vgl. hierzu Johannsen/Henrich/Hahne, Familienrecht, 5. Aufl., § 6 VersAusglG Rn. 2).

b)

Die Vereinbarung erfüllt ferner die materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen.

Gemäß § 8 Abs. 1 VersAusglG muss die Vereinbarung über den Versorgungsausgleich einer Inhalts- und Ausübungskontrolle standhalten. Gemäß § 8 Abs. 2 VersAusglG können durch die Vereinbarung Anrechte nur übertragen oder begründet werden, wenn die maßgeblichen Regelungen dies zulassen und die betroffenen Versorgungsträger zustimmen. Diese Vorschriften stehen dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht entgegen.

aa)

Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 VersAusglG stellt vorliegend schon deshalb kein Wirksamkeitshindernis dar, weil mit ihr nur verhindert werden soll, dass ein Vertrag zulasten der Versorgungsträger geschlossen wird (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne, a.a.O., § 8 VersAusglG Rn. 12). Durch einen vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs aber werden die Rechte der Versorgungsträger nicht berührt.

bb)

Die Vereinbarung vom 18.3.2013 hält einer Inhalts- und Ausübungskontrolle im Sinne von § 8 Abs. 1 VersAusglG stand.

Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle ist zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr – und zwar losgelöst von der zukünftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse – wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten, § 138 Abs. 1 BGB. Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse bei Abschluss der Vereinbarung abstellt (BGH, FamRZ 2008, 2011 Rn. 10). Bei der Annahme, dass eine offenkundig einseitige Lastenverteilung vorliegt, ist Zurückhaltung geboten, weil die privatautonome Gestaltung der Ehegatten grundsätzlich zu respektieren ist (Kemper, Versorgungsausgleich in der Praxis, 2011, Kap. VII Rn. 127).

Auch wenn der Versorgungsausgleich zum Kernbereich der Scheidungsfolgen zählt, wird sein Ausschluss – für sich genommen – unter dem Gesichtspunkt des § 138 Abs. 1 BGB zumeist schon deshalb keinen Bedenken begegnen, weil im Zeitpunkt des Vertragsschlusses regelmäßig noch nicht absehbar ist, ob, wann und unter welchen wirtschaftlichen Gegebenheiten der Versorgungsfall eintritt (BGH, FamRZ 2013, 195 Rn. 20 f.). Insoweit reicht auch eine etwaige Unausgewogenheit des Vertragsinhalts für die Annahme der Sittenwidrigkeit nicht aus (BGH, FamRZ 2013, 195 Rn. 24). Sittenwidrig ist die Vereinbarung erst dann, wenn sie erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt (BGH, FamRZ 2013, 195 Rn. 22).

Soweit ein Vertrag der Wirksamkeitskontrolle standhält, hat sodann grundsätzlich eine Ausübungskontrolle nach § 242 BGB zu erfolgen. Dafür sind nicht nur die Verhältnisse im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung bzw. des Vertrages maßgebend. Entscheidend ist vielmehr, ob sich nunmehr – im Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft – aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten unzumutbar ist (BGH, FamRZ 2008, 2011 Rn. 11).

Vorliegend fallen Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle zusammen, da die Vereinbarung gerade erst geschlossen worden ist. Die Vereinbarung hält der danach allein erforderlichen Wirksamkeitskontrolle stand.

Allerdings ergibt sich aus den von den Versorgungsträgern in ihren Auskünften mitgeteilten korrespondierenden Kapitalwerten, dass der Antragsteller insgesamt die deutlich höheren Anrechte erworben hat. Somit führt der Ausschluss des Versorgungsausgleichs zu einem Nachteil eher auf Seiten der Antragsgegnerin.

Der Senat hat den beteiligten Ehegatten aufgegeben, ihre aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse darzulegen und ihre Erwerbsbiographie in Form eines tabellarischen Lebenslaufs darzustellen. Dem sind die Ehegatten nachgekommen. Aufgrund ihrer Darlegungen ergibt sich, dass nennenswertes Vermögen, das der Altersvorsorge dienen könnte, derzeit nicht vorhanden ist. Hinsichtlich der Einkünfte ist festzustellen, dass die Antragsgegnerin derzeit nicht vollschichtig erwerbstätig ist und deshalb noch aufstockende Leistungen nach dem SGB II erhält. Dies ist offensichtlich darauf zurückzuführen, dass die Antragsgegnerin ein erst vier Jahre altes Kind allein erzieht. Nach ihren Angaben im Senatstermin kann davon ausgegangen werden, dass sie zukünftig ihre Erwerbstätigkeit mit zunehmendem Alter des Kindes ausweiten wird. Auch aufgrund ihres Alters von erst 39 Jahren kann angenommen werden, dass die Antragsgegnerin noch genügend Zeit hat, ihre Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung weiter auszubauen.

Vor diesem Hintergrund kann vorliegend auch nicht angenommen werden, der Ausschluss des Versorgungsausgleichs sei etwa deshalb sittenwidrig, weil er in Kenntnis des Umstands vereinbart worden ist, der andere Teil werde nicht in der Lage sein, eine eigene Altersversorgung aufzubauen, und demgemäß Gefahr besteht, dass er später zum Sozialfall wird (vgl. dazu BGH, NJW 1997, 126, 127; Bachmann u.a., Versorgungsausgleich in der gesetzlichen Rentenversicherung, hrsg. von der Deutsche Rentenversicherung Bund, 10. Aufl., § 8 VersAusglG Anm. 2.1). Wird der Versorgungsausgleich – wie hier – bereits Jahrzehnte vor Erreichen der Regelaltersgrenze durchgeführt, so fehlt es regelmäßig an entsprechenden Hinweisen auf eine Vereinbarung zulasten der Sozialsysteme (Götsche, in: Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleich, § 8 VersAusglG Rn. 33).

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG, die Wertfestsetzung auf § 50 FamGKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.