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Vorläufiger Rechtsschutz; Beschwerde; Beschwerdevorbringen; Kita-Gebühren; Gemeindesatzung; Höhe der Gebühren; Elternbeiträge; Elterneinkommen; Kostenschuldner; Höchstbetrag; Gebührenbescheid; Sozialverträglichkeit; Personensorgeberechtigung; verfügbares Einkommen; wirtschaftliche Leistungsfähigkeit; getrennte Haushalte der Elternteile


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 15.04.2014
Aktenzeichen OVG 6 S 18.14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 80 Abs 5 S 1 VwGO, § 80 Abs 4 S 3 VwGO, § 146 Abs 4 S 6 VwGO, § 90 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 8, § 90 Abs 2 SGB 8, § 17 Abs 1 KitaG BB 2, § 17 Abs 2 KitaG BB 2, § 17 Abs 3 KitaG BB 2, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Leitsatz

Die nach § 17 Abs. 2 KitaG gebotene sozialverträgliche Gestaltung der Elternbeiträge für die Tagesbetreuung ihrer Kinder verlangt, bei der Berechnung der Gebührenhöhe nur das tatsächlich verfügbare Haushaltseinkommen zugrundezulegen.

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 27. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten der Beschwerde.

Gründe

Mit dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wendet sich die Antragstellerin gegen die ihr mit Bescheid des Antragsgegners vom 26. August 2013 auferlegte Verpflichtung zur Zahlung von Elternbeiträgen im Zeitraum 1. September bis 31. Dezember 2013 für die Betreuung ihres im Jahr 2009 geborenen Sohnes in der von dem Antragsgegner betriebenen Kita „B...“ auf der Grundlage nicht nur ihres Einkommens, sondern zudem des Einkommens des von ihr und dem gemeinsamen Sohn getrennt lebenden, nicht personensorgeberechtigten Kindsvaters. Da der Kindsvater die Höhe seines Einkommens nicht mitgeteilt hat, hat der Antragsgegner die Gebühr entsprechend den insoweit einschlägigen Bestimmungen der gemeindlichen Gebührensatzung auf den Höchstbetrag von monatlich 241,53 Euro festgesetzt. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Gebührenbescheid vom 28. Juni 2013 (muss heißen: 26. August 2013) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2013 angeordnet, soweit der dort enthaltene Beitrag einen Betrag von 87,15 Euro monatlich für die Betreuung des Sohnes der Antragstellerin übersteigt.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat im Hinblick auf § 80 Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 4 Satz 3 VwGO zu Recht angenommen, dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Gebührenbescheides hinter dem Interesse der Antragstellerin, von der Vollziehung dieses Bescheides vorläufig verschont zu bleiben, zurückstehen muss, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 26. August 2013 bestehen, soweit für die Festsetzung des Elternbeitrages ein über das isolierte Einkommen der Antragstellerin hinausgehendes Einkommen zu Grunde gelegt wurde. Dass insoweit allein maßgebliche Beschwerdevorbringen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigt keine andere Einschätzung.

Rechtlicher Ausgangspunkt für die Erhebung der Elternbeiträge ist § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII. Nach dieser Vorschrift können für die Inanspruchnahme von Angeboten u.a. der Kindertagespflege Kostenbeiträge festgesetzt werden. Die Ausgestaltung der Erhebung dieser Kostenbeiträge überlässt die Regelung des Bundesgesetzgebers weitgehend dem Landesrecht. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 des Brandenburgischen Kindertagesstättengesetzes - KitaG - haben die Personensorgeberechtigten Beiträge zu den Betriebskosten der Einrichtungen (Elternbeiträge) zu entrichten. Nach § 17 Abs. 2 KitaG sind die Elternbeiträge sozialverträglich zu gestalten und nach dem Elterneinkommen, der Zahl ihrer unterhaltsberechtigten Kinder sowie dem vereinbarten Betreuungsumfang zu staffeln. Nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KitaG können Gemeinden oder Gemeindeverbände als Träger der Einrichtungen die Elternbeiträge durch Satzung festlegen und als Gebühren erheben. Von dieser Befugnis hat die Gemeinde des Antragsgegners mit der Gebührensatzung für die Kindertagesstätten Gebrauch gemacht. Nach § 2 Abs. 1 dieser Satzung ist Grundlage für die Berechnung der Gebühr das Jahreseinkommen zuzüglich der sonstigen Bezüge der Eltern des Kindes (Elterneinkommen) in den letzten zwölf Monaten vor Abschluss des Betreuungsvertrages. Der Antragsgegner legt diese Vorschrift in dem Sinne aus, dass stets auf das Einkommen beider Elternteile abzustellen ist und zwar unabhängig davon, ob diese mit dem Kind in einer Haushaltsgemeinschaft leben und ob sie personensorgeberechtigt sind. Diese Praxis lässt sich mit den Vorgaben des Landesrechts nicht vereinbaren. Die Gemeindesatzung ist daher so auszulegen und anzuwenden, dass sie damit in Einklang steht.

Die nach § 17 Abs. 2 KitaG gebotene sozialverträgliche Gestaltung der Elternbeiträge für die Tagesbetreuung ihrer Kinder verlangt, bei der Berechnung der Gebührenhöhe nur das tatsächlich verfügbare Haushaltseinkommen zugrundezulegen. Denn „sozialverträglich“ in diesem Sinne ist eine am Einkommen orientierte Staffelung der Kita-Gebühren nur dann, wenn sie sich an der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientiert und nicht wie der Antragsgegner in seiner bisherigen Praxis eine gleichsam fiktive wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu-grundelegt. Das wird besonders in Fällen deutlich, in denen etwa ein Elternteil unbekannt ist oder im Ausland lebt. Konsequenterweise müsste der Antragsgegner auch in diesen Fällen für diesen Elternteil jeweils dessen Einkommen bzw. regelmäßig auch den Höchstsatz der Benutzungsgebühr zugrundelegen und hierfür den Elternteil, bei dem das Kind lebt, als Kostenschuldner in Anspruch nehmen. In der Praxis führte die Auslegung und Anwendung des § 2 Abs. 1 der Gebührensatzung dazu, dass diejenigen Elternteile, die in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besonders eingeschränkt sind, weil sie nur über ein einziges Einkommen verfügen, das zum Unterhalt der Familie beiträgt, mit besonders hohen Gebühren belastet würden, weil jeweils noch das tatsächlich nicht zur Verfügung stehende Einkommen eines anderen Elternteils für die Berechnung der Gebührenhöhe herangezogen wird. Es liegt auf der Hand, dass dies weder mit einer sozialverträglichen Gebührengestaltung noch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Artikel 20 Abs. 3 GG) vereinbar wäre.

Daher ist es nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht die Regelung in § 2 Abs. 1 der Gebührensatzung einschränkend dahingehend interpretiert, dass jedenfalls bei getrennt lebenden, nicht ehelichen Eltern nur das Einkommen des Personensorgeberechtigten als Grundlage für die Berechnung des Elterneinkommens zugrundegelegt werden dürfe, weil nur dies das tatsächlich verfügbare Einkommen sei und sich das Einkommen des getrennt lebenden, nicht ehelichen Elternteils, der nicht personensorgeberechtigt sei, nicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des sorgeberechtigten Elternteils auswirke.

Der Hinweis des Antragsgegners auf den Fall des nicht mit der Mutter verheirateten, aber mit ihr und dem Kind zusammen lebenden, nicht personensorgeberechtigten Vaters, rechtfertigt keine andere Einschätzung. In dieser Konstellation mag es zur Vermeidung einer Besserstellung gegenüber verheirateten Paaren, bei denen beide Eltern die Personensorge haben, im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 1 GG gerechtfertigt sein, beide Elterneinkommen für die Berechnung der Gebührenhöhe heranzuziehen. Insoweit ist allerdings Anknüpfungspunkt für die Höhe der Gebühren, dass alle Beteiligten wie eine Familie zusammenleben und dementsprechend das Familieneinkommen auch allen Mitgliedern der Haushaltsgemeinschaft zugutekommt. Hier legitimiert die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als Anknüpfungspunkt für die am Einkommen orientierte Höhe des Elternbeitrags die Höhe der Gebühr. Einer abschließenden Entscheidung bedarf diese Frage im vorliegenden Zusammenhang aber nicht. Der vom Antragsgegner angeführte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. März 1998 - 1 BvR 178/97 - (BVerfGE 97, 332 ff.), wonach Kindergartengebühren grundsätzlich nach dem Familieneinkommen gestaffelt werden können, steht diesem Befund schon deshalb nicht entgegen, weil er den Fall eines mit beiden Eltern in einem Haushalt lebenden Kindes betraf.

Vor diesem Hintergrund geht es an der Sache vorbei, wenn der Antragsgegner ausführt, es gehe nicht an, der Gemeinde die Verantwortung für die Entscheidung der Eltern aufzuerlegen, getrennte Wohnsitze zu nehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).