Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 01.12.2010 | |
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Aktenzeichen | L 9 KR 439/07 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 33 SGB 5 |
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. April 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten um die Versorgung der Klägerin mit Hilfsmitteln zur Sauerstoffversorgung.
Die 1954 geborene Klägerin leidet an MCS (Multiple Chemical Sensitivity). Diese Krankheit äußert sich – so die von der Klägerin eingereichte ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Pharmakologie und Toxikologie Professor Dr. L vom 2. April 2003 – in verschiedenen Allergien und Überempfindlichkeiten gegenüber einer Vielzahl besonders geruchsintensiver Chemikalien sowie physikalischer Reize. Bei Kontakt zu derartigen Noxen, der oftmals für die Klägerin weder vorhersehbar noch vermeidbar sei, treten starke belastende Beschwerden auf wie Atemprobleme, Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, allgemeine Hinfälligkeit, Schmerzzustände und variable psychische Störungen, die zum Teil mehrere Tage anhalten können und das Befinden erheblich einschränken. Die notwendige Karenz vor Expositionen gegenüber der Vielzahl von Noxen ist kaum einzuhalten, eine ursächliche Therapie derartiger Unverträglichkeitsreaktionen ist nicht bekannt.
Unter Bezugnahme auf die Diagnose MCS verordnete die Allgemeinmedizinerin Dr. S der Klägerin am 5. März 2003 folgende Hilfsmittel:
- 10-Liter-Flasche mit Druckminderer (frei einstellbar)
- 1 Edelstahl- oder Tygonschlauch
- 1 Keramikmaske
- 1 Glasluftbefeuchter
Mit am 7. März 2003 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben und unter Beifügung diversen Informationsmaterials beantragte die Klägerin die Versorgung mit diesen Hilfsmitteln. Der von der Beklagten um eine Stellungnahme gebetene Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Berlin-Brandenburg e.V. stellte darauf hin in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 17. März 2003 fest, beim MCS-Syndrom stelle die Verabreichung von Sauerstoff keine allgemein anerkannte Behandlungsoption dar. Die von der Klägerin gelieferte Erklärung sei unwissenschaftlich, da roter Blutfarbstoff (Hämoglobin) bei lungengesunden Nichtrauchern zu etwa 97 bis 98 % mit Sauerstoff gesättigt sei. Eine weitere Sauerstoffaufnahme erhöhe lediglich den Anteil an physikalisch gelöstem Sauerstoff im Blut. Dieser sei unter normobaren Bedingungen aber relativ bedeutungslos. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. März 2003 den Antrag der Klägerin ab, da „eine entsprechende Begründung der Kostenübernahme außerhalb medizinisch-wissenschaftlich anerkannter Indikationen […] sich anhand der eingereichten Unterlagen nicht erkennen“ ließen. Während des Widerspruchsverfahrens brachte die Klägerin vor, dass sie auf alles, was dufte, mit Atemnot reagiere. Sie habe mit privaten Mitteln schon einen sog. Cleanroom eingerichtet und die häusliche Umgebung, soweit als möglich, umgebaut. Dr. L habe in seiner o.g. Stellungnahme bescheinigt, dass eine wichtige Größe bei der Behandlung der MCS und vergleichbarer Krankheitsbilder die persönliche Erfahrung der Patienten bezüglich der zu meidenden Situation und Noxen sowie der Verhaltensweisen bei Auftreten der Beschwerden sei. Sie – die Klägerin – habe die persönliche Erfahrung gemacht, dass die Inhalation von Sauerstoff die Beschwerden an Intensität und Dauer deutlich mildere. Der Antrag auf Kostenübernahme für Materialien zur individuellen medizinischen Sauerstoffbehandlung werde daher von ihm unterstützt. Nachdem die Beklagte eine weitere Stellungnahme des MDK vom 12. Mai 2003 veranlasst hatte, wies sie den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2003 zurück, wegen dessen Inhalt auf Blatt a und b der Gerichtsakte verwiesen wird.
Die Klage, zu deren Begründung die Klägerin eine Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft Multiple-Chemical-Sensitivity e.V. vom 5. Januar 2004 eingereicht hatte, wies das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 12. April 2007 ab und führte zur Begründung u.a. aus: Aus den Regelungen des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V) ergebe sich, dass auch die Hilfsmittelversorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin folge. Zweckmäßig sei eine Hilfsmittelversorgung nur dann, wenn ausreichende Erkenntnisse darüber bestünden, dass der Einsatz des betreffenden Hilfsmittels zur Erreichung der in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Ziele geeignet sei. Entscheidend komme es hierbei auf einen breiten und allgemeinen Wirksamkeitsnachweis, nicht hingegen auf den individuellen Erfolg im Einzelfall an. Von der Zweckmäßigkeit der streitgegenständlichen Sauerstoffversorgung zur Behandlung der MCS der Klägerin habe sich die Kammer nicht überzeugen können. Untersuchungen bzw. Studien zum Nutzen dieser Therapie beim MCS-Syndrom existierten nicht und seien auch durch die von der Klägerin eingereichten medizinischen Stellungnahmen nicht belegt.
Gegen dieses ihr am 6. Juni 2007 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 6. Juli 2007. Zu deren Begründung trägt sie vor: Eine eindeutige, klar indizierte Behandlung gebe es bei der MCS nicht. Vielmehr spielten wegen der Vielfältigkeit der Symptome die individuellen Anlagen eine viel stärkere Rolle als bei anderen Erkrankungen. Die bei ihr nachgewiesene Wirkung einer Sauerstofftherapie könne nicht wegen fehlender allgemeiner Wirkungsnachweise beiseite geschoben werden. Aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG – (Urteil vom 16. September 2004, Az.: B 3 KR 20/04 R) ergebe sich, dass Wirksamkeitsnachweise wie für § 135 Abs. 1 SGB V für das In-Verkehr-Bringen von Hilfsmitteln nicht erforderlich seien. Im Rahmen der begehrten Versorgung mit dem Sauerstoffgerät gehe es wegen der derzeitigen Unbehandelbarkeit der MCS nicht um diagnostische oder therapeutische Zwecke. Vielmehr diene das Sauerstoffgerät primär dem Ausgleich einer Behinderung, indem es ihr – der Klägerin – die Befriedigung des allgemeinen Grundbedürfnisses, der Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraumes, insbesondere durch die Aufnahme von Informationen und die Kommunikation mit anderen zu Vermeidung von Vereinsamung, ermögliche. Akute Symptome der Erkrankung klängen unter Sauerstoffzufuhr bereits nach einer halben bis zwei Stunden ab, wogegen ohne Sauerstoffzufuhr die Beschwerden bis über 72 Stunden anhielten. Sie traue sich nicht mehr, unter Menschen zu gehen, da sie beim Einkaufen, im Kino oder Theater, in Restaurants (auch Freiluftlokalen) oder auch in ärztlichen Wartezimmern fast immer auf Personen treffe und dadurch mit irgendeinem Triggerstoff konfrontiert werde. Bei der MCS handele es sich, anders als in den AWMF-Leitlinien dargestellt, nicht um eine somatoforme Störung, wie auch der beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung angesiedelte Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin anerkannt habe. Sie – die Klägerin – verwahre sich ganz entschieden dagegen, als psychisch Erkrankte behandelt zu werden. Sie begehre auch keine unkontrollierte Versorgung im Rahmen einer Sauerstofftherapie in Form einer permanenten Nutzung von Sauerstoff, sondern benötige diesen nur im Expositionsfall zur schnelleren Überwindung des Anfalls. Sie begehre somit die Verordnung eines Hilfsmittels, welches ihr ermögliche, im Falle der Schadstoffexposition die Möglichkeit zu haben, mit unbelasteter Atemluft versorgt zu werden. Ob das Druckluftatemgerät mit reinem Sauerstoff oder mit unbelasteter schadstofffreier Atemluft gefüllt sei, mache für sie keinen Unterschied. Sie greife lediglich deshalb auf Sauerstoffgeräte zurück, weil sie keine anderweitige Möglichkeit habe, unbelastete Atemluft in Druckluftflaschen zu beziehen. Auf die Publikation des Dr. William J. Rea, eines der weltweit erfahrensten Experten auf dem Gebiet Chemikalien-Sensitivität, werde verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. April 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. März 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie dauerhaft mit den in der ärztlichen Verordnung vom 5. März 2003 genannten Hilfsmitteln zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beruft sich auf die während des Verfahrens erstellten Gutachten des MDK (zuletzt vom 9. April 2009).
Der Senat hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte K (Allgemeinmediziner) vom 2. Januar 2007 und DM K (Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten) vom 6. April 2008 eingeholt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.
Die Klage ist unbegründet. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit den am 5. März 2003 ärztlich verordneten Hilfsmitteln.
1. Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der ab 1. April 2007 geltenden Fassung haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Wie in allen anderen Bereichen der Leistungsgewährung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auch, müssen die Leistungen nach § 33 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 2 Abs. 4 und § 12 Abs. 1 SGB V).
2. Die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin nach § 33 Abs. 1 SGB V liegen nach keiner der darin genannten Fallkonstellationen vor.
a) Der Anspruch ist allerdings nicht bereits nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen. Die von der Klägerin begehrten Hilfsmittel sind keine allgemeinen Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens.
aa) Die Einordnung als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens hängt davon ab, ob ein Gegenstand bereits seiner Konzeption nach den Erfolg einer Krankenbehandlung sichern oder eine Behinderung ausgleichen soll oder – falls dies nicht so ist – den Bedürfnissen erkrankter oder behinderter Menschen jedenfalls besonders entgegenkommt und von gesunden, körperlich nicht beeinträchtigten Menschen praktisch nicht genutzt wird. Was regelmäßig auch von Gesunden benutzt wird, fällt nicht in die Leistungspflicht der Krankenkassen, wobei es auf einen bestimmten prozentual messbaren Verbreitungsgrad in der Bevölkerung oder einen Mindestpreis nicht ankommt. Nicht ausschlaggebend ist, ob der Gegenstand aus Vermarktungsgründen als "medizinisches Hilfsmittel" beworben wird (BSG, Urteil vom 29. April 2010, Az.: B 3 KR 5/09 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.).
bb) Gegen die Einordnung der streitgegenständlichen Hilfsmittel als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens spricht maßgeblich, dass alle verordneten Geräte in der Produktgruppe 14 im Hilfsmittelverzeichnis der GKV (§ 139 SGB V) als Inhalations- und Atemtherapiegeräte aufgeführt werden. Das Hilfsmittelverzeichnis ist zwar nicht geeignet, Ansprüche der Versicherten im Sinne einer Positivliste auszuschließen. Wenn aber ein Gegenstand im Hilfsmittelverzeichnis gelistet ist, spricht dies im Sinne einer Orientierungshilfe zugunsten des Versicherten dafür, den Gegenstand nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen (BSG a.a.O.). Dem Anspruch der Klägerin steht auch nicht entgegen, dass der Sauerstoffversorgung dienende Geräte(teile) auch außerhalb der Medizin, z.B. von Tauchern, verwendet werden. Denn sie dienen insoweit gerade nicht der Nutzung als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, da Grund für den Einsatz entweder die besonderen Umstände einer beruflichen Tätigkeit (vgl. BSG a.a.O.) oder einer Freizeitbeschäftigung, der nur ein vergleichsweise geringer Teil der Bevölkerung nachgeht, sind.
b) Die von der Klägerin begehrten Hilfsmittel zur Sauerstoffversorgung sind nicht erforderlich, um den Erfolg einer Krankenbehandlung (§ 33 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. SGB V) oder einer Heilbehandlung (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 26 Abs. 2 Nr. 6 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – SGB IX) zu sichern.
aa) Soweit die Klägerin vorbringt, die Versorgung mit Sauerstoff diene in ihrem Falle nicht der Krankenbehandlung, sondern ausschließlich dem Behinderungsausgleich, trifft dies nur teilweise zu. Denn sie hat auch geschildert, dass sie Sauerstoff einsetzt, um nach einem Kontakt mit für sie schädlichen Duftstoffen die danach auftretenden gesundheitlichen Beschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung i.S.d. GKV bezweckt nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V aber auch die (notwendige) Linderung von Krankheitsbeschwerden. Ein Eingehen auf diese Tatbestandsalternative erübrigt sich somit nicht schon deswegen, weil die Klägerin die begehrten Hilfsmittel hierfür gar nicht einsetzt.
bb) Generell ist der Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V gemäß den allgemeinen Bestimmungen der § 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1 SGB V auf solche Leistungen beschränkt, die die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bieten, und zwar jeweils nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse. Dazu muss es grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist. Diese Feststellung obliegt im Bereich ärztlicher Behandlungen grundsätzlich dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) im Verfahren nach § 135 Abs. 1 SGB V. Hiernach ist eine Therapie bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nur dann von der Leistungspflicht der GKV umfasst, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V bereits eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode und die notwendige Qualifikation der Ärzte sowie die dabei zu beachtenden apparativen Anforderungen abgegeben hat. Voraussetzung dafür ist nach der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung i.V.m. § 7ff des 2. Kapitels der Verfahrensordnung des GBA i.d.F. vom 18. Dezember 2008 der Beleg von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlungsmethoden anhand sog. randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien (BSG, Urteil vom 12. August 2009, Az.: B 3 KR 10/07 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.).
(1) Diese Anforderungen gelten auch für die Hilfsmittelsversorgung in der GKV (BSG a.a.O.). Soll ein Hilfsmittel im Rahmen der Krankenbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V) deren "Erfolg … sichern" (§ 33 Abs. 1 SGB V), ist seine Verwendung - anders als etwa bei Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich - nicht von dem zugrunde liegenden Behandlungskonzept und den dafür geltenden Anforderungen nach § 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V zu trennen. Insoweit erfasst die Sperrwirkung des in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V begründeten Leistungsverbots mit Erlaubnisvorbehalt jegliche Maßnahme im Rahmen einer bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewandten "Methode" und demgemäß auch den Einsatz der streitgegenständlichen Hilfsmittel (BSG a.a.O.). Dies gilt umso mehr, als nach dem Vorbringen der Klägerin und der sie unterstützenden Ärzte der Behandlung der MCS mit Sauerstoff kein bestimmtes medizinisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, sondern „nur“ die positiven Erfahrungen der Klägerin mit dieser Anwendung. Dass eine bestimmte Therapie im Falle einzelner Versicherter zur einer - ggf. auch objektiv nachweisbaren - Verbesserung ihres Gesundheitszustands geführt hat und daher von ihnen als erfolgreich eingestuft wird, genügt seit Einführung des SGB V jedoch gerade nicht mehr, um eine Leistungspflicht der Krankenkasse auszulösen (vgl. BSG, Urteil vom 27. März 2007, Az.: B 1 KR 17/06 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.).
(2) Anhaltspunkte dafür, dass eine Behandlungsmethode ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des GBA zur Versorgung in der GKV zuzulassen wäre, sind hier nicht feststellbar. Zwar ist in der Rechtsprechung des BSG anerkannt, dass die Sperrwirkung einer fehlenden positiven Empfehlung des GBA unter besonders gelagerten Voraussetzungen unbeachtlich sein kann. Das kann jedoch nur in Betracht gezogen werden bei einer im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25) notstandsähnlichen (Krankheits-)Situation mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit oder einer zumindest wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht; ferner bei einem sog Seltenheitsfall, der sich einer systematischen Erforschung entzieht, und schließlich für den Fall, dass der GBA dem in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzten Auftrag nicht gerecht geworden ist, selbst für eine Aktualisierung der Richtlinien Sorge zu tragen (BSG a.a.O.).
(3) Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor. Die MCS ist keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankungen. Auch für eine willkürlich oder ansonsten mit dem Aktualisierungsauftrag des GBA unvereinbar verzögerte Handhabung des Verfahrens nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V findet sich kein Anhaltspunkt. Offen bleiben kann, ob die MCS zu den besonders seltenen Erkrankungen zählt. Dies sind Leiden, an denen nicht mehr als fünf von 10.000 Personen erkranken; bei lebensbedrohlichen, zu schwerer Invalidität führenden bzw. schweren und chronischen Leiden kann dieser Schwellenwert auch überschritten werden (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004, Az.: B 1 KR 27/02 R, veröffentlicht in Juris, unter Hinweis auf Art. 3 Abs. 1 EWGV 141/2000 vom 16. Dezember 1999 über "Arzneimittel für seltene Leiden" – ABlEG 2000 L 18/1 –). Denn auch Behandlungsmethoden bei seltenen Erkrankungen sind nicht von jeglicher Qualitätsprüfung befreit. Vielmehr setzt auch insoweit der Leistungsanspruch eines Versicherten voraus, dass ein Mindestmaß an Behandlungsqualität eingehalten wird. Vor dem Hintergrund der Wissenschaftlichkeits-Klausel des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V ist es daher erforderlich, dass zuverlässige wissenschaftliche Daten und aussagekräftige Studien die Unbedenklichkeit und therapeutische Wirksamkeit der Behandlungsmethode zumindest für andere Krankheiten belegen. Denn auch in derartigen Situationen umfasst die Leistungspflicht der Krankenkasse keine ärztlichen Maßnahmen, die nur ungenügende Erfolgsaussichten bieten. Um eine Mindestqualität zu gewährleisten, müssen die im Zeitpunkt der Behandlung verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse die Annahme rechtfertigen, dass der voraussichtliche Nutzen der Maßnahme die möglichen Risiken überwiegen wird (BSG a.a.O.). Dass derartige wissenschaftliche Erkenntnisse für die Behandlung der MCS mit Sauerstoff vorliegen, ist jedoch nicht ersichtlich.
c) Nichts anderes gilt, soweit die von der Klägerin begehrten Hilfsmittel zum Ausgleich einer Behinderung (§ 33 Abs. 1 Satz 1, 3. Alt. SGB V) dienen sollen. Hierbei kann der Senat dahingestellt sein lassen, ob diese Hilfsmittel tatsächlich erforderlich sind, um das allgemeine Grundbedürfnis des täglichen Lebens „Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums“ zu befriedigen. Denn wegen der o.g. therapeutischen Wirkung der Sauerstoffversorgung bedarf es auch insofern einer Qualitätsprüfung.
Allerdings ist eine Qualitätsprüfung in der Form, dass der therapeutische Nutzen nachgewiesen sein muss, im Hilfsmittelbereich dann nicht erforderlich, wenn entweder ein neues Hilfsmittel nicht der Anwendung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode dienen, sondern im Rahmen einer eingeführten, anerkannten Behandlungsmethode zum Einsatz kommen soll, oder es sich um ein Hilfsmittel zum bloßen Behinderungsausgleich handelt. Im letzteren Fall ist der Nachweis eines therapeutischen Nutzens, der über die Funktionstauglichkeit zum Ausgleich der Behinderung hinausgeht, schon von der Zielrichtung des Hilfsmittels nicht geboten und in der Regel auch nicht möglich. Aber auch bei einem Hilfsmittel, welches – wie hier – therapeutischen Zwecken dient, müssen nicht in jedem Fall die Ergebnisse klinischer Prüfungen vorgelegt werden. Geht es nur um eine Alternative zu einem gelisteten herkömmlichen Hilfsmittel, reicht es aus, wenn die Produkte zumindest den gleichen therapeutischen Nutzen wie die herkömmlicherweise benutzten Produkte aufweisen (BSG, Urteil vom 28. September 2006, Az.: B 3 KR 28/05 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.). Sollen therapeutische wirksame Hilfsmittel jedoch im Rahmen einer nicht anerkannten Behandlungsmethode eingesetzt werden, müssen sie die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bieten, und zwar jeweils nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse. Dann muss es grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist. Hieran fehlt es – wie bereits festgestellt – im vorliegenden Fall.
d) Dass die streitgegenständliche Hilfsmittelversorgung auch zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung erforderlich sein könnte, ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.