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Akteneinsicht; abschließende Regelung des AIG; Gesetzesvorrang; (kein) ungeschriebener Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch; berechtigtes Interesses an Akteneinsicht; Gemeindevertreter


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 12. Senat Entscheidungsdatum 22.03.2018
Aktenzeichen OVG 12 B 5.17 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2018:0322.OVG12B5.17.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen Art 21 Verf BB, § 1 AktenE/InfZG BB, § 4 Abs 1 Nr 5 Alt 5 AktenE/InfZG BB, § 29 KomVerf BB

Leitsatz

Neben dem Anspruch auf Akteneinsicht nach dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz besteht im Anwendungsbereich des Gesetzes kein ungeschriebener Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 30. November 2016 teilweise geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist Mitglied der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Potsdam. Er streitet mit dem Beklagten um Akteneinsicht in Unterlagen im Zusammenhang mit dessen Entscheidung als Kommunalaufsichtsbehörde gemäß § 55 Abs. 1 Satz 10 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg.

Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 4. Juni 2015 gegenüber der Landeshauptstadt Potsdam fest, dass der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 28. Januar 2015 zur „Änderung der Spielplatzsatzung der Landeshauptstadt Potsdam“ rechtswidrig sei. Der Kläger beantragte am 29. Juni 2015 die Übersendung der in dem Bescheid zitierten Feststellung der Obersten Bauaufsicht sowie Akteneinsicht in den den Bescheid betreffenden Gesamtvorgang. Der Beklagte lehnte dies mit Verfügung vom 7. Juli 2015 ab, da der Ausschlussgrund des § 4 Abs. 1 Nr. 5 Altn. 5 des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes (AIG) gegeben sei. Es bestehe auch kein Anspruch auf Akteneinsicht nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz, da der Kläger als einzelner Stadtverordneter kein Verfahrensbeteiligter im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes sei.

Auf die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Potsdam den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 7. Juli 2015 verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Akteneinsicht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts ergänzend zu bescheiden. Es hat dazu ausgeführt, dass Personen, die an einem Verfahren nicht beteiligt seien, nach pflichtgemäßem Ermessen Akteneinsicht gewährt werden könne, sofern sie ein berechtigtes Interesse substantiiert geltend machten. Zumindest in Fällen, deren Regelung der Gesetzgeber bei der Schaffung des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes ersichtlich nicht bezweckt habe, könne von einer Sperrwirkung der zwingenden Ablehnungsgründe dieses Gesetzes nicht ausgegangen werden. Eine Sperrwirkung bestehe daher nicht im Fall des Klägers, der als Stadtverordneter das Recht und die Pflicht habe, eigenverantwortlich an den Aufgaben mitzuwirken, die die Gemeindevertretung zu erfüllen habe. Da der Kläger an Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung mitwirke, habe er ein besonderes Interesse daran, sämtliche maßgeblichen Gesichtspunkte für die rechtliche Beurteilung des in Rede stehenden Beschlusses zu kennen. Der Beklagte habe über den danach bestehenden Anspruch des Klägers auf pflichtgemäße Ermessensausübung entweder gar nicht oder ermessensfehlerhaft entschieden.

Dagegen wendet sich der Beklagte mit der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, dass es neben dem Anspruch auf Akteneinsicht nach § 1 AIG kein Akteneinsichtsrecht nach pflichtgemäßem Ermessen gebe. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, bei dem Akteneinsichtsgesuch des Klägers handele es sich um einen Fall, dessen Regelung der Gesetzgeber bei der Schaffung des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes nicht bezweckt habe, treffe nicht zu. Der in Art. 21 der Verfassung des Landes Bandenburg geregelte Anspruch auf Akteneinsicht und Information sei nicht auf Fälle der politischen Mitgestaltung beschränkt; er sei nicht an besondere Voraussetzungen geknüpft und umfasse jede Interessenlage.

Ferner sei zu berücksichtigen, dass es einen anlasslosen Antrag auf Akteneinsicht nicht gebe. Es würden insoweit immer private, rechtliche, politische oder ökonomische Interessen verfolgt. Dem Gesetzgeber sei daher bewusst gewesen, dass die Regelungen des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes überwiegend Antragsteller beträfen, die einen Informationsanspruch nach pflichtgemäßem Ermessen hätten, wenn es keine gesetzliche Regelung des Informationsanspruchs geben würde. Dies habe auch Niederschlag im Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz gefunden, da in § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 1 AIG die Berücksichtigung eines im Einzelfall überwiegenden Interesses angeordnet worden sei.

Auch die amtliche Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung spreche gegen den vom Verwaltungsgericht angenommenen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Danach seien die in § 4 Abs. 1 AIG genannten Interessen so schwerwiegend, dass „die Gewährung von Akteneinsicht nach diesem Gesetz unter keinem Gesichtspunkt in Betracht kommt“. Die gesetzgeberische Wertung in § 4 Abs. 1 Nr. 5 Altn. 5 AIG würde unterlaufen, sofern im Einzelfall bei Vorliegen eines berechtigten Interesses durch den Gesetzgeber als Ausschlussgrund normierte Tatbestände einer Akteneinsicht zugänglich wären. Die Ausschlusstatbestände des § 4 Abs. 1 AIG seien abschließend.

Schließlich sei nicht ersichtlich, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse für eine Einsichtnahme in die Unterlagen des Beanstandungsverfahrens habe. Nicht er, sondern der Oberbürgermeister und die Stadtverordnetenversammlung seien Beteiligte dieses Verfahrens gewesen. Ein berechtigtes Interesse könne allenfalls von der Stadtverordnetenversammlung geltend gemacht werden. Die Informationen, auf die der Kläger als Stadtverordneter grundsätzlich angewiesen sei, seien solche aus der Stadtverwaltung der Landeshauptstadt Potsdam.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 30. November 2016 teilweise zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit-akte verwiesen, die vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Beklagten ist begründet. Die Ablehnung der Gewährung von Akteneinsicht durch seinen Bescheid vom 7. Juli 2015 ist in vollem Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Das Verwaltungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger einen Anspruch darauf hat, dass der Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen darüber entscheidet, ob und gegebenenfalls inwieweit bzw. unter welchen Modalitäten ihm Einsicht in die in Rede stehenden Akten gewährt wird. Auf ein vom Verwaltungsgericht insoweit angenommenes ungeschriebenes Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Akteneinsichts- und Informationsgesuch kann der Kläger sich nicht mit Erfolg berufen.

1. Es besteht im Anwendungsbereich des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes kein ungeschriebener Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch.

Vor Inkrafttreten der Informationsfreiheitsgesetze war in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein ungeschriebener, aus allgemeinen rechtsstaatlichen Gründen bzw. Treu und Glauben folgender Anspruch darauf besteht, dass die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen über einen Antrag auf Akteneinsicht entscheidet, wenn ein berechtigtes Interesse bzw. ein eigenes gewichtiges und auf andere Weise nicht zu befriedigendes Interesse eines Antragstellers an der Akteneinsicht existiert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. Oktober 1987 - 8 B 108.87 - Buchholz 316 § 29 VwVfG Nr. 8, juris Rn. 4; Urteile vom 18. Oktober 1984 - 7 C 10.81 - NJW 1985, 1234, juris Rn.17, vom 5. Juni 1984 - 5 C 73.82 - BVerwGE 69, 278, juris Rn. 9 f. und vom 23. August 1968 - IV C 235.65 - BVerwGE 30, 154, juris Rn. 27; VGH München, Urteil vom 17. Februar 1998 - 23 B 95.1954 - NVwZ 1999, 889, juris Rn. 32; OVG Münster, Urteil vom 22. Juli 1988 - 20 A 1063.87 - NJW 1989, 544, juris Rn. 4 ff.; OVG Berlin, Urteil vom 16. Dezember 1986 - 8 B 3.85 -, NVwZ 1987, 817; siehe ferner Winterhager, Der Anwendungsbereich des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes des Landes Brandenburg, S. 282 f., Fn. 1275). An diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in jüngerer Zeit angeknüpft, soweit kein dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes entsprechendes Landesgesetz besteht (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2015 - KVR 55.14 - NJW 2015, 3648, juris Rn. 15, 27).

Für das Land Brandenburg hat der Landesgesetzgeber mit dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz ein entsprechendes Landesgesetz geschaffen, das die Zugänglichkeit von staatlichen Vorgängen und das Ausmaß der Öffnung dieser Informationsquellen festgelegt und in diesem Umfang den Schutzbereich der Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) eröffnet (vgl. u.a. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 - 1 BvR 2623/95 u.a. - BVerfGE 103, 44, juris Rn. 56 ff.; Beschluss vom 20. Juni 2017 - 1 BvR 1978/13 - NVwZ 2017, 1618, juris Rn. 20). Die Annahme, darüber hinaus bestehe aufgrund allgemeiner rechtsstaatlicher Gründe oder auf Grund von Treu und Glauben bei Geltendmachung eines berechtigten Interesses ein Anspruch darauf, dass die Behörde über ein Akteneinsichtsgesuch nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, ist mit dem rechtsstaatlichen Gesetzesvorrang und der damit verbundenen vorbehaltsgleichen Wirkung (vgl. Karpen, NJW 1988, 2512, 2517) nicht zu vereinbaren (vgl. VGH München, Beschluss vom 27. Februar 2017 - 4 N 16.461 - DVBl 2017, 459, juris Rn. 39; LSG Bad.-Württ., Beschluss vom 12. November 2010 - L 5 KR 1815.10 B - ZVI 2011, 180, juris Rn. 44; VG Potsdam, Urteil vom 13. November 2001 - 3 K 3376.00 - LKV 2003, 149, juris Rn. 28; Schoch, IFG, 2. Aufl., Einl. Rn. 38; Schrader, BayVBl. 2012, 289, 291; Brodmerkel, BayVBl. 2016, 621, 624 f.; offengelassen von VGH Mannheim, Beschluss vom 23. Oktober 2013 - 11 S 1720.13 - ESVGH 64, 82, juris Rn. 12; OLG Frankfurt, Beschluss vom 15. September 2014 - WpÜG 3.11 – ZIP 2014, 2443, juris Rn. 26 f.; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl., § 29 Rn. 10 Fn. 24; a. A. u.a. Winterhager, a.a.O., S. 285; Der Landesbeauftragte für Datenschutz, Tätigkeitsbericht 1999, S. 144 unter Bezugnahme auf VG Potsdam, Beschluss vom 16. November 1998 - 2 L 873.98 - LKV 1999, 155, juris).

Der Gesetzgeber hat mit dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz den allgemeinen Akten- und Informationszugang erschöpfend geregelt, so dass das Gesetz insoweit Sperrwirkung entfaltet. Nach § 1 AIG gehen den Ansprüchen aus dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz nur bereichsspezifische Regelungen aus anderen Rechtsvorschriften vor (vgl. LT-Drucks. 2/4417, Begründung S. 2). Da der ungeschriebene Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch bereits lange vor dem Inkrafttreten des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes in der Rechtsprechung anerkannt war (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 1. Oktober 1987, a.a.O., Rn. 4; Urteile vom 5. Juni 1984, a.a.O., Rn. 9 f. und vom 23. August 1968, a.a.O., Rn. 27), ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nicht nur den Vorrang der bereichsspezifischen Regelungen angeordnet hätte, sondern dem Gesetz auch zu entnehmen wäre, dass bis dahin geltende gesetzlich nicht verankerte Auskunftsansprüche bestehen bleiben sollen, sofern dies gewollt gewesen wäre.

Auch die Vorgaben in Art. 21 Abs. 4 der Verfassung des Landes Brandenburg sprechen gegen eine Weitergeltung eines ungeschriebenen Anspruchs. Das dort formulierte Recht auf Akteneinsicht besteht nach Maßgabe des Gesetzes. Entsprechend diesem Maßgabevorbehalt ist dieses Recht durch das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz ausgestaltet worden (LT-Drucks. 2/4417, Begründung S. 1). Bereits der Umstand, dass die Verfassung Letzteres dem Gesetzgeber überlassen hat, ist kaum mit der Annahme zu vereinbaren, nach Inkrafttreten des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes sei noch Raum für einen ungeschriebenen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch. Ferner sind bei der gesetzlichen Ausgestaltung die jeweils als überwiegend zu beachtenden öffentlichen und privaten Interessen dargestellt (LT-Drucks. 2/4417, S. 1) und in §§ 4 und 5 AIG bewertet worden, die auch nach Art. 21 Abs. 4 BbgVerf das Recht auf Akteneinsicht einschränken. Es widerspräche dem Umstand, dass der Gesetzgeber die maßgeblichen Interessen dem ihm erteilten Verfassungsauftrag gemäß abgewogen hat, der Verwaltung das Recht einer eigenständigen, im Rahmen eines ungeschriebenen Akteneinsichtsrechts notwendigen Bewertung dieser Interessen (vgl. OVG Berlin, a.a.O., S 819) einzuräumen. Insbesondere die anderenfalls gegebene Möglichkeit, dass dies zu einer vom Gesetz abweichenden Interessenwürdigung führen könnte, etwa Akteneinsicht im Fall des Eingreifens eines gesetzlichen Ausschlussgrundes gewährt werden soll, verdeutlicht, dass das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz und der Gesetzesvorrang die Weitergeltung eines ungeschriebenen Anspruchs auf eine ermessensfehlerfreie Bescheidung eines Akteneinsichtsgesuchs sperren (vgl. LT-Drucks. 2/4417, Begründung S. 4).

Auch das Gesetz zur Änderung des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes und zur Aufhebung des Personalausweisgesetzes vom 15. Oktober 2013 (GVBl. I Nr. 30) spricht dagegen, dass ein solcher Anspruch noch besteht. Es ist bereits im Vorfeld der Gesetzesänderung nicht angenommen worden, dass es ein entsprechendes ungeschriebenes Recht noch gibt (vgl. dazu LT -Drucks. 5/5787, Begründung A. II.). Zudem ist mit der Änderung des Gesetzes der Ausschlussgrund des § 4 Abs. 1 Nr. 5 Altn. 5 AIG ausgeweitet worden (vgl. dazu LT-Drucks. 5/6428, Begründung S. 8 f. sowie LT-Drucks 5/7947 S. 6), nachdem bzw. obwohl bereits die Vorgängerregelung Gegenstand der Kritik war (vgl. Winterhager, a.a.O., S. 160, LDA Brandenburg, Tätigkeitsbericht 2000, S. 154; Tätigkeitsbericht 2012/2013, S. 27 und S. 150; ferner LT-Drucks. 5/7947, Anlage 3 S. 2 und 7). Danach sollte der Ausschluss der Akteneinsicht im Fall der Ausübung einer Aufsicht durch eine übergeordnete Stelle nicht notwendig sein. Mit der gesetzlichen Bestätigung und Ausweitung des Ausschlussgrundes ist die Annahme nicht vereinbar, die Behörde dürfe unabhängig vom Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Akteneinsicht nach pflichtgemäßem Ermessen gewähren.

Die Weitergeltung eines ungeschriebenen Akteneinsichtsrechts lässt sich nicht überzeugend darauf stützen, dass dieses anderen Zwecken als das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz diene (so Winterhager, a.a.O., S. 284 f.). Die dahingehende Argumentation stützt sich darauf, dass das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz das Recht des einzelnen auf politische Mitgestaltung aus Art. 21 Abs. 1 BbgVerf fördern solle, während der ungeschriebene Anspruch auf Akteneinsicht aus allgemeinen rechtsstaatlichen Gründen dem Individualrechtsschutz bzw. der Geltendmachung von Interessen des Antragstellers diene (vgl. Winterhager, a.a.O., S. 284). Diese Überlegung geht daran vorbei, dass eine Zweckrichtung im Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz nicht verankert, sondern der Anspruch gemäß § 1 AIG gerade nicht an Voraussetzungen geknüpft ist. Aus diesem Grund vermag auch die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht zu überzeugen, dass von einer Sperrwirkung des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes zumindest nicht für die Fälle ausgegangen werden könne, deren Regelung der Gesetzgeber bei der Schaffung des Gesetzes ersichtlich nicht bezweckt habe. Letzteres überzeugt auch deshalb nicht, weil im Entwurf der Verfassungsvorschrift des Art. 21 Abs. 4 BbgVerf und des § 1 AIG zunächst das Erfordernis eines „berechtigten Interesses“ aufgeführt worden war (vgl. Winterhager, a.a.O., S. 61-65, Iwers, in: Lieber u.a., Verfassung des Landes Brandenburg, Art. 21, Anm. 5.1; Breidenbach/Palenda, Das Neue Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz des Landes Brandenburg, LKV 1998, 252, 253), mithin eine Voraussetzung, von der auch der ungeschriebene Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch abhängen soll. Auch wenn dieses Merkmal (höchstwahrscheinlich) gestrichen worden ist, weil der Begriff des berechtigten Interesses als zu unbestimmt angesehen wurde (Winterhager, a.a.O., S. 64 m.w.N.), belegt dies, dass mit dem Erlass des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes gerade auch die Fälle erfasst werden sollten, die zuvor mit Hilfe des ungeschriebenen Rechts gelöst wurden.

Soweit das Verwaltungsgericht davon ausgeht, dass eine Sperrwirkung des Gesetzes jedenfalls nicht für Auskunftsansprüche eines Stadtverordneten im Zusammenhang mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung gemäß § 55 Abs. 1 Sätze 10 ff. BbgKVerf gelte, weil der Gemeindevertreter sich nicht in der für das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz typischen Jedermanns-Position befinde, trägt dies unabhängig von den vorstehenden Ausführungen nicht. Der Kläger macht nicht von seiner Person unabhängige Rechte aus seiner organschaftlichen Stellung geltend. Dem einzelnen Mandatsträger erwachsen aus der Mitgliedschaft in der Gemeindevertretung zwar Rechte, auf deren Wahrnehmung er zur Erfüllung seiner Funktion angewiesen ist (vgl. OVG Münster, Urteil vom 12. Juni 2003 - 8 A 4282.02 - NVwZ 2003, 1526, juris Rn. 30). Der Gesetzgeber hat in § 29 BbgKVerf jedoch die Kontrollrechte der Gemeindevertreter geregelt und ihren Aufgaben u.a. durch ein Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht gegenüber dem Hauptverwaltungsbeamten bzw. Bürgermeister Rechnung getragen. Er hat sich dabei nicht für ein allgemeines Informationszugangsrecht entschieden (vgl. Schumacher, Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Stand: Juli 2017, § 29, Anm. 4.1). Im Unterschied zu den Abgeordneten des Landtages (Art. 56 Abs. 3 Satz 2 BbgVerf) haben die Gemeindevertreter keinen Auskunftsanspruch gegenüber den Behörden. Damit sind die aus dem Mandat folgenden Auskunftsrechte der einzelnen Gemeindevertreter eindeutig umrissen. Mit den angesprochenen Regelungen wäre die Annahme nicht vereinbar, sie befänden sich im Vergleich zum Bürger, der kein Mandatsträger ist, bei einem Auskunftsersuchen an eine Behörde in einer besonderen privilegierten Rechtsposition und nicht in der typischen Jedermanns-Rolle des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes.

2. Im Übrigen ist auch nicht davon auszugehen, dass der Kläger einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hätte, wollte man vom Fortbestand eines ungeschriebenen Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch ausgehen.

Der Kläger hat kein berechtigtes Interesse an der begehrten Akteneinsicht dargelegt. Der Bescheid des Beklagten vom 4. Juni 2015 ist bestandskräftig geworden. Welche Konsequenzen der Kläger für seine Tätigkeit als Stadtverordneter aus der Kenntnis der maßgeblichen Gesichtspunkte der rechtlichen Beurteilung des in Rede stehende Beschlusses ziehen will, hat er nicht ansatzweise dargelegt. Unabhängig davon spricht nichts für das Bestehen eines berechtigten Interesses, da nach seiner Auskunft in der mündlichen Verhandlung mittlerweile eine neue, vom Beklagten nicht beanstandete Kinderspielplatzsatzung der Stadt Potsdam beschlossen worden ist. Die vom Kläger angeführte fehlende Rechtskraft dieser Satzung vermag ein berechtigtes Interesse nicht zu begründen, da nicht er oder die Stadtverordnetenversammlung Partei eines Rechtsstreits über die Gültigkeit der Satzung wäre.

3. Der Kläger kann sich schließlich nicht mit Erfolg auf Art. 10 EMRK stützen. Unabhängig davon, ob diese Regelung Ermessen eröffnet, steht das daraus folgende konventionsunmittelbare Recht auf Zugang zu amtlichen Informationen sogenannten „social watchdogs“ wie etwa der Presse, Nichtregierungsorganisationen oder Wissenschaftlern zu (vgl. EGMR, Urteil vom 8. November 2016 - 18030/11 - AfP 2017, 301, juris Rn. 164 ff.), zu denen der Kläger nicht zählt. Ferner zielt es auf Informationen, die zur Vorbereitung von Akten der Meinungsäußerung und -verbreitung benötigt werden, die im Einzelfall Gegenstand öffentlichen Interesses sein können (EGMR, a.a.O. Rn. 156 ff., 158, 160, 166; dazu Engelbrecht, Informationsfreiheit zwischen Europäischer Menschenrechtskonvention und Grundgesetz, ZD 2018, 108, 113; Wirtz/Brink, Die verfassungsrechtliche Verankerung der Informationszugangsfreiheit, NVwZ 2015, 1166, 1172). Auch das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist nicht dargelegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.