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Berufsakademie; öffentliche Einrichtung; Trägerschaft; private gGmbH; Gleichwertigkeit; nichtstaatliche Hochschulen; Aufsichtsbefugnisse; Hochschulrecht; Förderfähigkeit; Ergänzungsschulen; planwidrige Regelungslücke; Verfahrensfehler; gesetzlicher Richter; Willkür; (Eil-) Entscheidung durch Vorsitzenden


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 08.04.2011
Aktenzeichen OVG 6 S 14.11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 80 Abs 8 VwGO, § 108 Abs 2 VwGO, § 123 Abs 2 S 3 VwGO, § 146 Abs 4 S 1 VwGO, § 146 Abs 4 S 6 VwGO, Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 2 Abs 1 S 3 BAföG

Leitsatz

1. Für die Frage, ob eine Ausbildungsstätte eine öffentliche Einrichtung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 BAföG ist, ist ausschlaggebend, wer deren Träger ist (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1987 - 5 C 19/84 -, NVwZ 1988, S. 834 m.w.N.).

2. Eine Berufsakademie in privatrechtlich organisierter Trägerschaft ist keine öffentliche Einrichtung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 BAföG. Das gilt unabhängig davon, welchen Umfang die landesrechtlich vorgesehenen staatlichen Aufsichtsbefugnisse haben.

3. Eine unter Verstoß gegen § 123 Abs. 2 Satz 3, § 80 Abs. 8 VwGO ergangene Eilentscheidung kann nur dann mit der Besetzungsrüge angegriffen werden, wenn hierin zugleich ein Verstoß gegen das Prinzip des gesetzlichen Richters nach Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 31. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten der Beschwerde.

Gründe

Die Antragstellerin ist Trägerin der „H…Berufsakademie“ in P…. Mit dem vorliegenden Antrag begehrt sie, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig zu verpflichten, die Förderfähigkeit der von ihr angebotenen Ausbildungen an der Akademie nach § 2 Abs. 1 und 2 BAföG anzuerkennen, um so zu erreichen, dass die von ihr Ausgebildeten bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Leistungen nach dem BAföG erhalten können. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag durch Entscheidung des Vorsitzenden gemäß § 123 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit § 80 Abs. 8 VwGO mit der Begründung abgelehnt, die Antragstellerin habe keinen Anordnungsanspruch. Sie sei zwar Akademie im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BAföG, jedoch keine öffentliche Einrichtung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 BAföG. Hiervon seien nur Einrichtungen erfasst, deren Träger „öffentlich“ sei. Der Besuch der H… Akademie könne nicht gemäß § 2 Abs. 2 BAföG dem Besuch einer Ausbildungsstätte nach § 2 Abs. 1 BAföG gleichgestellt werden. Sie sei schon keine Ergänzungsschule oder nichtstaatliche Hochschule. Eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 2 BAföG scheitere am Vorliegen einer Gesetzeslücke. Eine Einbeziehung der H… Akademie in den Kreis der förderfähigen Einrichtungen komme nur nach einer auf Grundlage des § 2 Abs. 3 BAföG erlassenen Rechtsverordnung in Betracht, an der es bislang fehle. Schließlich könne auch aus der Anerkennung als nichtstaatliche Berufsakademie keine förderungsrechtliche Anerkennung hergeleitet werden.

Die gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts erhobene Beschwerde ist zulässig aber nicht begründet. Das im Beschwerdeverfahren gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den alleinigen Streitgegenstand bildende Vorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine andere Entscheidung.

1. Die Ausbildungsgänge der H… Akademie sind nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 3 BAföG förderfähig. Nach dieser Vorschrift wird Ausbildungsförderung geleistet, wenn die Ausbildung an einer öffentlichen Einrichtung - mit Ausnahme nichtstaatlicher Hochschulen - oder einer genehmigten Ersatzschule durchgeführt wird. Bei der H… Akademie handelt es sich nicht um eine öffentliche Einrichtung im Sinne dieser Vorschrift. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der erkennende Senat folgt, ist hierunter nach dem Wortlaut und der Systematik der Norm eine nach öffentlich-rechtlichen Grundsätzen organisierte Ausbildungsstätte zu verstehen und mit diesem Begriff eine Abgrenzung zur privaten Ausbildungsstätte bezweckt. Ausschlaggebend ist insoweit, wer der Träger der Einrichtung ist, was sich wiederum nach dem einschlägigen Landesrecht richtet (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1987 - 5 C 19/84 -, NVwZ 1988, S. 834 m.w.N.). Danach handelt es sich bei der H… Akademie nicht um eine öffentliche Einrichtung in diesem Sinne. Ihr Träger ist nicht das Land Brandenburg selbst oder eine andere juristische Person des öffentlichen (Landes-) Rechts, sondern die Antragstellerin, eine privatrechtlich organisierte genossenschaftliche GmbH. Der Ansicht der Antragstellerin, für diese Auffassung sei weder dem Wortlaut noch der Systematik etwas zu entnehmen, folgt der Senat nicht.

Ihr Einwand, es hätte der Parenthese „- mit Ausnahme nichtstaatlicher Hochschulen -“ bei der hier präferierten Auslegung nicht bedurft, geht fehl. Nichtstaatliche Hochschulen sind die Hochschuleinrichtungen, deren Träger nicht das jeweilige Bundesland ist, in dem sie gelegen sind (BVerwG, Beschluss vom 5. Dezember 1990 - 5 B 40.80 -, FamRZ 1981, S. 822). Der Zusatz stellt daher lediglich klar, dass unter den Hochschulen nur die staatlichen Hochschulen im vorgenannten Sinne ohne eine weitere Prüfung in den Förderungsbereich einbezogen sein sollen (Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4. Auflage 2005, § 2, Rn. 37), hat aber keinerlei Einfluss auf die Auslegung des Merkmals „öffentliche Einrichtung“.

Die von der Antragstellerin weiter in den Vordergrund gerückte Frage, in welchem Umfang die Einrichtung der Antragstellerin der Landesaufsicht nach dem landesrechtlichen Hochschulrecht unterliegt, ist nicht entscheidungserheblich. Die Ausgestaltung der aufsichtsrechtlichen Befugnisse ist ohne Bedeutung für die hier allein maßgebliche Frage der Trägerschaft der Einrichtung. Zwar soll nach der einschlägigen Kommentarliteratur Ziel der Bestimmung in § 2 Abs. 1 Satz 3 BAföG sein, nur diejenigen Ausbildungsstätten ohne weitere Prüfung in den Förderungsbereich einzubeziehen, die der jeweiligen landesrechtlichen Aufsicht ohne Einschränkung unterstehen (Ramsauer/Stallbaum/Sternal, a.a.O., § 2, Rn. 34; Fischer in Rothe/Blanke, BAföG, § 2, Rn. 13). Das rechtfertigt aber nicht den Umkehrschluss, dass private Ausbildungsstätten, die nach Landesrecht in ähnlichem Umfang wie staatliche der landesrechtlichen Aufsicht unterliegen, öffentliche Einrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 BAföG sind. Beide Fragen sind vielmehr voneinander zu trennen. Ob das Vorbringen der Antragstellerin zum Umfang der Aufsichtsbefugnisse des Landes einer gerichtlichen Prüfung standhielte, kann vor diesem Hintergrund offen bleiben. Ohne Belang ist es vorliegend weiter, ob die Ausbildungsgänge der H… Akademie „entsprechend den landesrechtlichen Vorgaben öffentlich-rechtlich strukturiert“ sind und die H… Akademie Ausbildungsgänge mit einem staatlichen Abschluss („Bachelor“) anbietet. Das umfangreiche Vorbringen der Antragstellerin hierzu bedarf daher keiner näheren Würdigung.

Die von der Antragstellerin wegen Missachtung ihres Vorbringens behauptete Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Artikel 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO liegt schon deshalb nicht vor, weil es nach dem insoweit maßgeblichen Standpunkt des Verwaltungsgerichts auf dieses Vorbringen nicht entscheidungserheblich ankam.

2. Eine Förderfähigkeit nach § 2 Abs. 2 BAföG scheidet ebenfalls aus. Nach dieser Vorschrift wird für den Besuch von Ergänzungsschulen und nichtstaatlichen Hochschulen Ausbildungsförderung (nur) geleistet, wenn die zuständige Landesbehörde anerkennt, dass der Besuch der Ausbildungsstätte dem Besuch einer in Absatz 1 bezeichneten Ausbildungsstätte gleichwertig ist. Die Antragstellerin ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - weder eine anerkannte Ersatzschule noch eine nichtstaatliche Hochschule im Sinne der Norm. Das räumt die Antragstellerin auch selbst ein.

Ihrer Ansicht, insoweit liege eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes vor, kann nicht gefolgt werden. Soweit sie ausführt, der Bundesgesetzgeber habe übersehen, dass das Brandenburgische Hochschulgesetz nichtstaatliche Berufsakademien Hochschulen gleichstelle, überzeugt dies nicht. Sie hebt insoweit auf die landesrechtlich anerkannte Gleichwertigkeit der von der H… Akademie vermittelten Ausbildungsabschlüsse mit Fachhochschulabschlüssen ab. Damit wäre - die Richtigkeit dieses Vortrags unterstellt - nur eine der Voraussetzungen für die Anerkennung der Förderfähigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 BAföG erfüllt. Das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke durch den Bundesgesetzgeber ist hierdurch jedoch noch nicht plausibel dargelegt. Dieser Annahme steht der schon vom Verwaltungsgericht angeführte Gesichtspunkt entgegen, dass eine Anerkennung der von der H… Akademie angebotenen Ausbildungsgänge als förderfähig nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 BAföG in Betracht kommt.

Danach kann das zuständige Bundesministerium durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bunderates bestimmen, dass Ausbildungsförderung geleistet wird für den Besuch von Ausbildungsstätten, die nicht in den Absätzen 1 und 2 bezeichnet sind. Diese Vorschrift eröffnet gerade die Möglichkeit, neu entwickelte Schulgattungen, die neue Formen der allgemeinen oder beruflichen Bildung darstellen und ihrer besonderen Struktur nach den als förderungsfähig bezeichneten Ausbildungsstätten gleichwertig sind, einzubeziehen (BVerwG, Urteil vom 25. November 1982 - 5 C 26.80 -, FamRZ 1983, S. 1065, 1066). Das macht deutlich, dass der Bundesgesetzgeber den Fall der Anerkennung der Gleichwertigkeit der von dieser Ausbildungsstätte vermittelten Bildungsabschlüsse durchaus gesehen, aber zur Anerkennung der Förderfähigkeit für sich genommen nicht für ausreichend erachtet hat.

Soweit die Antragstellerin erstmals mit Schriftsatz vom 25. Februar 2011 vorträgt, die H… Akademie sei einer Hochschule im Sinne des § 2 Abs. 2 BAföG vergleichbar, liegt dies neben der Sache. Sie verkennt, dass es für die Auslegung des § 2 Abs. 2 BAföG auf die Vergleichbarkeit von Berufsakademien und (Fach-) Hochschulen im Sinne eines Vergleichs der materiellen Zugangsvoraussetzungen nicht ankommt. Entscheidend ist allein, dass die Antragstellerin keine (nichtstaatliche) Hochschule betreibt.

3. Soweit die Antragstellerin sinngemäß eine verfahrensfehlerhafte Entscheidung geltend macht, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden. Die Antragstellerin meint, die Voraussetzungen für eine (Eil-) Entscheidung durch den Vorsitzenden nach § 123 Abs. 2 Satz 3, § 80 Abs. 8 VwGO hätten nicht vorgelegen. Es hätte einer Beratung und Entscheidung durch die Kammer bedurft. Unterstellt man den behaupteten Verstoß gegen § 80 Abs. 8 VwGO läge hierin - ähnlich wie in den Fällen der Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs (vgl. dazu: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. August 2009 - OVG 5 N 2.08 -, Rn. 3 bei juris) - nur dann ein beachtlicher Verfahrensfehler, wenn die zurückweisende Entscheidung zugleich gegen das Prinzip des gesetzlichen Richters nach Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt. Das setzt die willkürliche oder manipulative Auslegung oder Anwendung einfachen Rechts voraus (OVG Münster, Beschluss vom 12. November 2010 - 6 A 950/09 -, Rn. 25 bei juris). Daran fehlt es.

Nach § 80 Abs. 8 VwGO, der gemäß § 123 Abs. 2 Satz 3 VwGO in Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO entsprechend gilt, kann in dringenden Fällen der Vorsitzende entscheiden. Hier kann auf sich beruhen, ob ein dringender Fall in diesem Sinne vorgelegen hat, denn jedenfalls ist die Anwendung der Vorschriften schon deshalb weder als willkürlich noch als manipulativ zu qualifizieren, weil die Antragstellerin in der Antragsschrift vom 25. Januar 2011 selbst eine Entscheidung durch den Vorsitzenden nach § 123 Abs. 2 Satz 3, § 80 Abs. 8 VwGO angeregt hatte (Seite 2).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).