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Entscheidung Verg W 9/09


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg Vergabesenat Entscheidungsdatum 09.02.2010
Aktenzeichen Verg W 9/09 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 107 Abs 3 Nr 1 GWB

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 2. Juli 2009 (Az.: VK 23/09) wird, soweit sie nicht durch Rücknahme des Nachprüfungsantrages erledigt ist, zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragstellerin zu 1/5 und die Beigeladene zu 4/5 zu tragen mit Ausnahme der Kosten des Antrages über die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung (§ 118 Abs. 1 GWB), die die Beigeladene in vollem Umfang trägt.

Die für die Amtshandlungen der Vergabekammer des Landes Brandenburg entstandenen Kosten haben die Antragstellerin in Höhe von 1/5 zu tragen, der Auftraggeber und die Beigeladene in Höhe von 4/5 als Gesamtschuldner. Die Verfahrensgebühr wird auf 4.800,- € festgesetzt.

Der Auftraggeber und die Beigeladene haben der Antragstellerin deren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung vor der Vergabekammer des Landes Brandenburg entstandene notwendige Auslagen im Umfang von jeweils 2/5 zu erstatten. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer war notwendig.

Die Antragstellerin hat die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung vor der Vergabekammer des Landes Brandenburg entstandenen notwendigen Auslagen des Auftraggebers und der Beigeladenen im Umfang von jeweils 1/5 zu erstatten.

Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch den Auftraggeber und die Beigeladene im Verfahren vor der Vergabekammer war notwendig.

Der Wert des Verfahrens über die sofortige Beschwerde wird auf 745.645,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Auftraggeber schrieb im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 13. November 2008 die Beseitigung und Behandlung von Siedlungsabfällen im Offenen Verfahren europaweit aus. Los 1 betraf die Sammlung und Beförderung von Hausmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen und sollte für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. März 2017 vergeben werden. Los 5 betraf die Sammlung, Beförderung, den Transport und die Verwertung von kommunalem Altpapier und sollte vom 1. Januar 2010 bis zum 31. März 2014 vergeben werden.

Am 18. November 2008 übersandte das Ingenieurbüro I… GmbH für den Auftraggeber an die Antragstellerin die Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes und die Verdingungsunterlagen.

In der Bekanntmachung der Ausschreibung, Abschnitt III. „Rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle und technische Informationen“ sind unter III.2. „Teilnahmebedingungen“ Angaben zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bieters (Ziffer III.2.2.) gefordert. Nach dem Text der Bekanntmachung und nach Ziffer 3.6. der Bewerbungs- und Vergabebedingungen sind hierzu Umsatzangaben, die Anzahl der Mitarbeiter des Bieters in den letzten drei Geschäftsjahren und eine Übersicht über aktuelle Referenzen bezogen auf Sammlung und Beförderung von Abfällen gegliedert nach Losen sowie eine Übersicht über aktuelle Referenzen bezogen auf den Betrieb von Abfallbehälter – und Identifikationssystemen für Los 1 vorzulegen. Im Einzelnen wird auf den Text der Bekanntmachung, S. 5, sowie S. 9 bis 12 der Bewerbungs- und Vergabebedingungen verwiesen. Teil II der Vergabeunterlagen enthält das Angebotsschreiben, in dem unter Ziffer 7. die geforderten Nachweise jeweils aufzuführen sind; auf den Text des Angebotsschreibens wird verwiesen. Die Ausschreibung wurde präzisiert und ergänzt durch insgesamt sieben Bieterinformationen.

Die Beigeladene bewarb sich unter anderem auf die Lose 1 und 5. Zu Los 1 konnte sie eigene Angaben zu „Umsätzen/Mitarbeitern“ in dem hierfür vorgesehenen Formblatt 1 des Angebotsschreibens und „Referenzen“ bezogen auf die Sammlung und Beförderung von Abfällen sowie Referenzen bezogen auf den Betrieb von Abfallbehälter- und Identifikationssystemen für Los 1 nicht vorlegen. Für Los 5 konnte sie keine eigenen Angaben in der Rubrik „Umsätze/Mitarbeiter“ für das Jahr 2005 und für das Jahr 2006 nur in geringem Umfang angeben. Aktuelle Referenzen konnte sie für Los 1 nicht vorlegen, für Los 5 gab sie lediglich eine eigene Referenz an. Sie bezog sich im Übrigen auf Umsätze und Mitarbeiter sowie Referenzen des Unternehmens F… GmbH. Die Beigeladene ist ein Tochterunternehmen der F… GmbH, die als alleinige Gesellschafterin ihre Gesellschaftsanteile hält. Die Beigeladene verwies auf eine Erklärung der F… GmbH des folgenden Wortlautes:

„Zur Beurteilung der Eignung ihrer Leistungsfähigkeit kann die M… GmbH (M…) als Tochtergesellschaft der F… GmbH auch auf deren Nachweise zurückgreifen. Die eventuell erforderliche Bereitstellung von wirtschaftlichen, technischen, fachlichen und finanziellen Kriterien wird für den Fall des Zuschlages mit einer entsprechenden Vereinbarung durch die F… GmbH geregelt.

Zur Erfüllung der in den Verdingungsunterlagen geforderten Angaben und Nachweise kann die M… auch auf die Angaben und Nachweise der F… GmbH verweisen. Im Folgenden auf die Nachweise der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit.“

Im Ergebnis der Bewertung der Angebote durch den Auftraggeber erreichte die Beigeladene jeweils den ersten Platz in Bezug auf die Lose 1 und 5, die Angebote der Antragstellerin erreichten zu Los 1 den zweiten und zu Los 5 den fünften Platz.

Mit Schreiben vom 7. Mai 2009 setzte der Auftraggeber die Antragstellerin darüber in Kenntnis, dass die Angebote der Beigeladenen zu den Losen 1 und 5 den Zuschlag erhalten sollen. Es handele sich jeweils um niedrigere Angebote als das der Antragstellerin.

Mit Schreiben vom 11. Mai 2009, an die Auftraggeberin per Telefax am selben Tag übersandt, rügte die Antragstellerin die vorgesehene Zuschlagerteilung. Die Beigeladene sei bisher nicht im Bereich der Hausmüllentsorgung tätig und könne folglich keine Referenzen zu den Losen 1 und 5 nachweisen. Sie betreibe auch kein Behälteridentifikationssystem und verfüge über keine Niederlassung in der Nähe des Entsorgungsgebietes, sie habe mithin einen zertifizierten Standort nicht mitteilen können. Aufgrund der erforderlichen Anfahrt ins Entsorgungsgebiet entstünden höhere Kosten. Die Antragstellerin rügte ferner die Ausgestaltung des Vertragsentwurfs und Mängel der Vergabebedingungen, die sie bereits mit  Schreiben vom 4. Dezember 2008, auf das verwiesen wird (Bl. 58 d.A. VK 23/09) beanstandet hatte.

Mit Schreiben vom 14. Mai 2009 wies der Auftraggeber die Rüge zurück.

Am 18. Mai 2009 hat die Antragstellerin bei der Vergabekammer des Landes Brandenburg  einen Nachprüfungsantrag gestellt, in dem sie erneut die fehlenden Referenzen und Eignungsnachweise der Beigeladenen sowie die fehlende Standortzertifizierung der Beigeladenen gerügt und ihre im Schreiben vom 4. Dezember 2008 geäußerte Rechtsauffassung wiederholt hat. Ergänzend hat sie in einer Stellungnahme vom 24. Juni 2009 ausgeführt, dass die vorgelegte Erklärung der F… GmbH unzureichend sei, weil sich daraus gerade nicht ergebe, dass die Beigeladene auf deren Ressourcen zugreifen könne, weil deren Überlassung vom Abschluss einer gesonderten Vereinbarung abhängig sei. Ferner ergäben sich wegen der Anfahrt von dem von ihr vorgeschlagenen Standort L… allein für den Einsatz eines Heckladers Anfahrtskosten von 190,- € täglich, die zwangsläufig zu einem unwirtschaftlichen Angebot und mithin zum Ausschluss nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A führen müssten. Es sei zu befürchten, dass die Leistungen tatsächlich von einem anderen Standort aus erbracht werden sollten.

Die Antragstellerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass sie in ihren Rechten verletzt wird;

2. den Auftraggeber zu verpflichten, die Wertung der Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen;

3. dem Auftraggeber die Kosten des Verfahrens einschließlich ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufgewandten Kosten aufzuerlegen;

4. ihr gegenüber die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten für notwendig zu erklären.

Der Auftraggeber hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Auftraggeber hat die Auffassung vertreten, dass die Referenzen der Beigeladenen ausreichend seien, sie seien von ihm ermessensfehlerfrei geprüft worden. Die Referenzen ergäben sich aus den Unterlagen der Firma F… GmbH, auf deren Kapazitäten die Beigeladene ausweislich der vorgelegten Erklärung zur Ausführung des Auftrages zurückgreifen könne. Eine Überprüfung der Auskömmlichkeit der Preise sei allenfalls bei einem offenbaren Missverhältnis des Preises zur Leistung geboten, das hier aber nicht gegeben gewesen sei; zudem habe ein Aufklärungsgespräch insbesondere in Bezug auf die Entlohnung der Mitarbeiter stattgefunden, in dessen Rahmen die in das Angebot aufgenommenen kalkulierten Preise geprüft worden seien. Er habe im Ergebnis der Prüfung die Einschätzung getroffen, dass die Beigeladene die Leistung über die Dauer der Vertragslaufzeit erbringen kann. Die auf den Inhalt der Ausschreibung bezogenen Rügen seien im Vergabeverfahren zu spät erhoben worden.

Die Beigeladene hat die Rechtsauffassung des Auftraggebers geteilt und hierzu ergänzende Ausführungen in ihren Schriftsätzen vom 17. und  24. Juni 2009 gemacht, auf die verwiesen wird.

Die Vergabekammer des Landes Brandenburg hat die Entscheidungsfrist mit Verfügung vom 18. Juni 2009 bis zum 8. Juli 2009 verlängert. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 2. Juli 2009 hat sie den Anträgen stattgegeben, gleichzeitig aber die Zurückweisung des weiter gehenden Antrages ausgesprochen und der Antragstellerin ein Drittel der Verfahrenskosten und notwendigen Aufwendungen des Auftraggebers und der Beigeladenen auferlegt. Der Beigeladenen hat sie ein Drittel der notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin und der Verfahrenskosten auferlegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Beigeladene in Teil II der Angebotsunterlagen zu Ziffer 7 lit (e) für Los 1 das Formblatt „Umsätze/Mitarbeiter“ ohne eigene Angaben eingereicht und Referenzen nicht vorgelegt habe. Für Los 5 enthielte das Formblatt „Umsätze/Mitarbeiter“ keine Angaben zu 2005 und nur in geringem Umfang zu 2006. Aktuelle Referenzen seien ebenfalls nur unzureichend vorgelegt worden. Soweit sie sich auf die Leistungsfähigkeit ihres Mutterunternehmens beziehe, habe sie nicht ausreichend dargelegt, welche Einrichtungen und Mittel der Muttergesellschaft der Beigeladenen zur Verfügung stehen sollten, ferner sei die vorgelegte Erklärung nicht hinreichend verbindlich und es fehlte die Bezugnahme auf die streitgegenständlichen Lose 1 und 5. Die Beigeladene sei daher in der zweite Wertungsstufe auszuschließen. Ohne Erfolg blieben indes die Rügen, die sich auf die Ausschreibung bezogen, so dass das Verfahren nicht in das Stadium vor Bekanntmachung und Versendung der Ausschreibungsunterlagen zurückzuversetzen sei. Im Einzelnen wird auf den Beschluss vom 2. Juli 2009 verwiesen.

Gegen den ihr am 3. Juli 2009 zugestellten Beschluss hat die Beigeladene am 17. Juli 2009 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie hält die Reaktion der Antragstellerin auf die Vorabinformation für verspätet. Im Hinblick auf Los 5 fehle der Antragstellerin die Antragsbefugnis, weil sie insofern aussichtslose Bieterin sei. Sie, die Beigeladene, habe die Angebotsunterlagen vollständig ausgefüllt. Soweit anstelle von Angaben waagerechte Striche eingefügt worden seien, sei Ursache hierfür gewesen, dass sie in diesen Bereichen keine Umsätze erzielt habe bzw. über keine Mitarbeiter verfüge. Weil die Angaben zu den Umsätzen und Mitarbeitern unter der Rubrik „wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit“ gefordert gewesen, für dieses Kriterium aber praktisch wertlos seien, dürfe aus dem Fehlen eigener Zahlen nicht der Schluss auf die fehlende wirtschaftliche oder finanzielle Leistungsfähigkeit gezogen werden. Zudem müssten die Umsätze und die Mitarbeiterzahl des Mutterunternehmens Berücksichtigung finden. Die Vergabekammer habe den Inhalt der Erklärung der F… GmbH verkannt. Darin sei die Bereitstellung von betrieblichen Mitteln durch die F… GmbH nur deshalb als „eventuell erforderlich“ bezeichnet und eine konkrete Verpflichtung zur Bereitstellung nicht aufgenommen worden, weil sie nach ihrem Konzept davon ausgehe, dass sie den Auftrag mit eigenen Mitteln ausführen könne. Zudem sei die Erklärung des Mutterunternehmens dahin auszulegen, dass ihr Verbindlichkeit zukommen solle, was sich auch aus dem darin aufgenommenen Zweck ergebe, dass „die Anforderungen aus dem Leistungsverzeichnis erfüllt“ werden sollten und aus dem Umstand, dass die F… GmbH ihr auch eine Mitarbeiterin zur Unterstützung im Vergabeverfahren zur Verfügung gestellt habe. Nur hinsichtlich des Umfangs der zu überlassenden Einrichtungen und Geräte sollte zu einem späteren Zeitpunkt eine Vereinbarung abgeschlossen werden. Zwischen ihr und dem Mutterunternehmen bestehe im Bereich der Führungs- und Leitungsebene teilweise Personenidentität. Der Geschäftsführer N… M… und der Betriebsstättenleiter B… W… seien für beide Unternehmen tätig. Damit sei auch die Verfügbarkeit ihrer Fähigkeiten belegt. Die vorgelegten eigenen Referenzen beträfen zwar die Einsammlung und den Transport von Leichtverpackungen; die Anforderungen an Personal und an den Einsatz von Technik seien aber mit den Anforderungen bei den ausgeschriebenen Leistungen vergleichbar.

Die Beigeladene beantragt,

1. den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 2. Juli 2009  (Az.: VK 23/09) aufzuheben und den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

2. den Auftraggeber zu verpflichten, ihr den Zuschlag zu erteilen;

3. hilfsweise, die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Sache erneut zu entscheiden.

Die Beigeladene hat einen mit Schriftsatz vom 17. Juli 2009 gestellten Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über die Beschwerde am 5. August 2009 zurückgenommen.

Die Antragstellerin hat am 11. Januar 2010 den Nachprüfungsantrag, soweit Los 5 betroffen ist, zurückgenommen.

Im Übrigen beantragt sie,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragstellerin hält die Beschwerde für unbegründet. Der Auftraggeber sei an die in der Ausschreibung gewählten Anforderungen wegen der erforderlichen Transparenz der Vergabebedingungen und aus Gründen der Gleichbehandlung gebunden. Die Anforderungen an den Nachweis einer Pflicht zur Überlassung technischer Mittel des Mutterunternehmens seien nicht erfüllt, weil sich weder eine bindende Verpflichtung des Mutterunternehmens noch der genaue Umfang der zu überlassenden Mittel aus der vorgelegten Erklärung der F… GmbH ergebe.

Wegen der Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die nach den §§ 116, 117 GWB zulässige sofortige Beschwerde der Beigeladenen hat, nachdem der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hinsichtlich des Loses 5 zurückgenommen worden ist, in der Sache keinen Erfolg.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, insbesondere ist die Rüge gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB ohne schuldhaftes Zögern nach Kenntnisnahme von dem Vergabeverstoß erhoben worden. Die Antragstellerin hat von dem beabsichtigten Zuschlag an die Beigeladene am Donnerstag, den 7. Mai 2009 Kenntnis erlangt; die Rüge hat sie am Montag, den 11. Mai 2009 per Telefax gegenüber der Auftraggeberin und mithin unverzüglich erhoben. Der Antragstellerin ist nach Kenntnisnahme von der beabsichtigten Vergabe die Prüfung zuzubilligen, ob und welche Rügen erhoben werden sollen, ferner ist der Zeitaufwand für die Ausarbeitung der Rüge zu berücksichtigen. Die Erhebung der Rüge am übernächsten Werktag, nämlich am Montag, den 11. Mai 2009 war danach nicht verspätet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob von einer Regelrügefrist von ein bis drei Tagen auszugehen ist (OLG München, VergabeR 2007, 546; OLG Koblenz ZfBR 2003, 822), oder ob eine Regelfrist von einer Woche eingeräumt werden muss (Immenga/Mestmäcker -Dreher, Wettbewerbsrecht: GWB, 4. Aufl. 2007, § 107 Rz. 53 mwN.), weil auch nach der zitierten strengeren Auffassung die Umstände des Einzelfalls maßgeblich zu berücksichtigen sind; hier entfielen zwei Tage des Zeitraums zwischen der Kenntnis der Antragstellerin von dem möglichen Vergabeverstoß und der Rüge auf ein Wochenende. Es war auch unter Berücksichtigung der Interessen der Auftraggeberin jedenfalls nicht geboten, die Rüge am Sonnabend oder Sonntag zu übersenden, weil dadurch die weitere Bearbeitung bei der Auftraggeberin nicht nennenswert beschleunigt worden wäre.

Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.

Das Angebot der Beigeladenen ist gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A zwingend auszuschließen, weil ihm die in Ziffer 3.6. der Vergabebedingungen geforderten Eignungsnachweise nicht vollständig beigefügt waren (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7. März 2006, Verg 98/05). Die Beigeladene kann zu Los 1 weder eigene Umsatz- oder Mitarbeiterzahlen mitteilen noch die hier geforderten Referenzen vorlegen. Sowohl die Angabe der Umsatz- und Mitarbeiterzahlen, als auch die Vorlage von Referenzen sind nach der Formulierung in Ziffer 3.6 der Vergabebedingungen („sind vorzulegen“) für die Abgabe des Angebotes verbindliche Voraussetzungen, die zu einer Selbstbindung der ausschreibenden Stelle und damit zum Ausschluss der Angebote führt, die diese Voraussetzung nicht erfüllen (vgl. Müller-Wrede- Noch , VOL/A Kommentar, 2. Aufl., § 25 Rz. 132). Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist die Mitteilung von Umsatzzahlen bezogen auf die besondere Leistungsart eine zum Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit geeigneter Nachweis (§ 7a Nr. 3 Abs. 1 lit d) VOL/A). Die Auftraggeberin kann auch weitgehend frei über die im konkreten Fall zweckmäßigen Nachweise entscheiden (Müller-Wrede- Greb, VOL/A Kommentar, 2. Aufl., § 7a Rz. 38), sie war nicht gehindert, Angaben über die Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter in den letzten drei Jahren zu fordern.

Wegen des Fehlens eigener Nachweise beruft sich die Beigeladene in ihrem Angebot in vollem Umfang auf Zahlen und Referenzen ihres Mutterunternehmens F… GmbH, nicht wie sie jetzt geltend macht, auf gleichwertige Referenzen aus anderen Leistungsbereichen. Die Berufung auf die Leistungen eines anderen Unternehmens im Rahmen des Nachweises der Leistung und Fachkunde ist zulässig; sie ist nach § 7 a Nr. 3 Abs. 6 S. 2 VOL/A aber davon abhängig, dass der Bieter den Nachweis darüber führt, dass ihm die erforderlichen Mittel des anderen Unternehmens bei der Erfüllung des Auftrages zur Verfügung stehen (vgl. auch OLG Düsseldorf, VII-Verg 18/06, IBR 2007, 89; VK Südbayern, VergabeR 2004, 731; Müller-Wrede, VOL/A Kommentar, 2. Aufl., § 7a Rz. 80; aaO., Kulartz/Marx/Portz/Prieß- Hausmann , Kommentar zur VOL/A, § 7a Rz. 129). Aus der Erklärung muss hervorgehen, dass ein Zugriffsrecht auf fremde Ressourcen tatsächlich besteht; die Erklärung muss sich nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 7a Nr. 3 Abs. 6 S. 2 VOL/A auch gerade auf die für die Erfüllung des Auftrages erforderlichen Mittel beziehen. Diesen Anforderungen genügt die Erklärung der F… GmbH vom 30. Januar 2009 nicht, weil dort zwar uneingeschränkt die Vorlage der Nachweise der Muttergesellschaft zugunsten der Tochtergesellschaft gebilligt wird, eine verbindliche Vereinbarung über die Überlassung bestimmter, zur Erfüllung des Auftrages erforderlicher Mittel jedoch nicht getroffen, sondern einer späteren Vereinbarung vorbehalten wird. Unerheblich ist, ob die Beigeladene bei Abgabe ihres Angebotes davon ausging, sie werde den Auftrag aus eigenen Mitteln erfüllen können; beruft sie sich nämlich auf die Leistungsfähigkeit und Fachkunde eines Dritten, um im Vergabeverfahren eigene Nachweise zu ersetzen, so muss auch die Verfügbarkeit der Mittel dieses Unternehmens gegeben sein, weil sonst der Vorlage der Nachweise kein Aussagewert in Bezug auf die Eignung des Bieters zukäme (vgl. Willenbruch/Bischoff- Stolze , Vergaberecht, § 25 VOL/A Rz. 32). Auch aus den mit der Beschwerde hervorgehobenen Formulierungen „zur Beurteilung der Eignung ihrer Leistungsfähigkeit“ und „zur Erfüllung der in den Verdingungsunterlagen geforderten Angaben und Nachweise“ in der Erklärung vom 30. Januar 2009 ergibt sich nichts anderes, weil diese Formulierungen nur auf die Befugnis zur Vorlage der Nachweise, nicht aber zur Nutzung der Ressourcen der F… GmbH bezogen sind. Die Personenidentität des Betriebsstättenleiters und des Geschäftsführers beider Unternehmen ist zur Erfüllung der in § 7a Nr. 3 Abs. 6 S. 2 VOL/A normierten Anforderungen nicht geeignet, weil sie nicht zwingend den Schluss auf die Verpflichtung eines der Unternehmen zur Überlassung technischer oder personeller Mittel an das andere Unternehmen zulässt.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus den §§ 78 GWB. Der Auftraggeber hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt. Die Kostenverteilung auf Beigeladene und Antragstellerin entspricht der Billigkeit; sie ist an dem § 92 ZPO zu Grunde liegenden Rechtsgedanken orientiert.

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer waren gemäß § 128 Abs. 3 S. 5 GWB, soweit die Antragstellerin den Nachprüfungsantrag zurückgenommen hat, ihr nach billigem Ermessen aufzuerlegen, weil sie sich in die Rolle des Unterlegenen begeben hat. Im übrigen waren die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer nach § 128 Abs. 3 S. 1 und 2 GWB dem unterlegenen Auftraggeber und der Beigeladenen zu gleichen Teilen aufzuerlegen, der Beigeladenen, weil sie im Verfahren vor der Vergabekammer i. S. d. § 128 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 2 GWB sich mit demselben Rechtsschutzziel und weitgehend gleicher Begründung wie der Auftraggeber am Verfahren beteiligt und das Verfahren insoweit gefördert hat (vgl. BGH, VergabeR 2007, 59; BayObLG, VergabeR 2002, 510), letztlich wie der Auftraggeber jedoch unterlegen ist. Die Beigeladene ist daher auch an der Erstattung der notwendigen Auslagen der Antragstellerin zu beteiligen; insoweit haften die Beigeladene und der Auftraggeber als Teilschuldner. Soweit der Nachprüfungsantrag zurückgenommen worden ist, trägt die Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Auftraggebers und der Beigeladenen (§ 128 Abs. 4 S. 3 und 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG Bbg).

Der gebührenrechtlichen Privilegierung des Auftraggebers ist bei der Kosteneinziehung, nicht aber bereits bei der Festsetzung der Verfahrensgebühr Rechnung zu tragen, die Verfahrensgebühr war daher auf 4.800 € festzusetzen.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 50 Abs. 2 GKG nach der Bruttoangebotssumme der Antragstellerin für die gesamte Laufzeit des Vertrages (Senat, Entscheidung vom 30. August 2004, VergabeR 2004, 777) zu bestimmen. Für Los 1 ist danach ein Betrag von 575.920,13 €, für Los 5 von 169.825,- € anzusetzen, der Wert des Verfahrens beträgt insgesamt 745.645,- €.