Gericht | ArbG Cottbus 7. Kammer | Entscheidungsdatum | 01.12.2010 | |
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Aktenzeichen | 7 Ca 1113/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 15 Abs 2 AGG, § 81 Abs 2 AGG, § 82 S 2 SGB 9 |
1. Die Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers, mit dem schwerbehinderten Stellenbewerber ein Vorstellungsgespräch zu führen, dient der Chancengleichheit im Bewerbungsverfahren, indem dem strukturell angelegten Chancennachteil von Gesetzes wegen ein entsprechender Chancenvorteil entgegensetzt wird.
2. Die Nichteinladung eines schwerbehinderten Stellenbewerbers benachteiligt diesen auf Grund seiner Schwerbehinderung, weil ihm der ihn kraft Gesetzes gegebene Chancenvorteil, im persönlichen Vorstellungsgespräch von seinen Vorzügen zu überzeugen, verwehrt bleibt. Hieraus folgt der Entschädigungsanspruch aus § 15 II AGG.
3. Die Verpflichtung zur Führung eines Vorstellungsgespräches ist jeweils bewerberbezogen. Von dieser wird der öffentiche Arbeitgeber auch dann nicht frei, wenn er nach Vorauswahl einzelne schwerbehinderte Bewerber zum Vorstellungsgespräch einlädt, andere aber nicht.
1. Das beklagte Land Brandenburg wird verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung in der Höhe eines Betrages von 2.783 € nebst Zinsen in der Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 12.08.2010 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land Brandenburg.
3. Der Streitwert wird in der Höhe eines Betrages von 2.783 € festgesetzt.
Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch infolge der Nichtberücksichtigung des Klägers im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens.
Der am Datum geborene, Familienstand und Kind/ern noch zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist zu 30 % schwerbehindert und einem zu mehr als 50 % Schwerbehinderten gleichgestellt. Er bezieht eine Teilrente wegen voller Erwerbsminderung.
Nach der Schulausbildung absolvierte der Kläger eine Berufsausbildung zum Xxx, arbeitete in diesem, seinem erlernten Beruf, im Rahmen dessen er sich zum Xxx und Xxx weiterbildete.
Infolge eingetretener Erwerbsminderung/Berufsunfähigkeit erwarb der Kläger in den Kalenderjahren 2004 bis 2006 über das Zentrum für berufliche Bildung und Wiedereingliederung – Berufsförderungswerk Xxx die berufliche Qualifikation zum Industriekaufmann und legte am 26. Januar 2006 hierüber vor der IHK Xxx die Abschlussprüfung ab.
Im Rahmen dieser beruflichen Neuorientierung erwarb der Kläger unter anderem auch durch Beurteilungen und Zertifikate belegte Kenntnisse in Materialwirtschaft, Bürowirtschaft, Informationsverarbeitung, Marketing-Mix, Rechtsschutz, Wirtschaftsenglisch und Grundlagen der EDV/Tabellenkalkulation und Internetnutzung.
Das beklagte Land Brandenburg schrieb am 11.11.2009 durch und für die Beklagte eine bis zum 30.10.2010 befristet zu besetzende Teilzeitstelle mit einem Arbeitszeitvolumen der Hälfte einer Vollzeitstelle zur Besetzung aus.
Das Aufgabengebiet sollte die Organisation und Führung des Sekretariatsbetriebes mit PC-gestützter Textverarbeitung, Beratung von Studierenden bezüglich Terminen von Lehrveranstaltungen, Prüfungen etc., das Bestell- und Rechnungswesen sowie die Verwaltung des Lehrstuhlhandapparates umfassen.
Als Anforderungsprofil war in der Stellenausschreibung vorgegeben, dass eine abgeschlossene Ausbildung als Kauffrau/Kaufmann für Bürokommunikation oder ein vergleichbarer Abschluss vorausgesetzt werde, gute PC-Kenntnisse, gute Kommunikationsfähigkeit, auch in englischer Sprache, selbständiges Arbeiten und Teamfähigkeit erforderlich seien.
Die Bewerbungsfrist endete am 24. November 2009.
Der Kläger bewarb sich auf diese Stellenausschreibung hin mit Anschreiben vom 16. November 2009 und fügte seiner Bewerbung die seinerseits für erforderlich gehaltenen Bewerbungsunterlagen bei.
Hinsichtlich des Inhalts und Umfangs der klägerseitigen Bewerbung vom 16. November 2009 wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Fotokopien des Bewerbungsanschreibens einschließlich der diesen beigegebenen Bewerbungsunterlagen (Blatt 8, Blatt 10 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Am 24. November 2009 endete die Bewerbungsfrist.
Wie viele Bewerbungen bis zu diesem Zeitpunkt bei der Beklagten eingingen und wie viele dieser Bewerbungen von Schwerbehinderten bzw. solchen diesen gleichgestellten Bewerbern stammten, ist zwischen den Parteien streitig.
Das beklagte Land Brandenburg traf durch die Beklagte in A.xxx aufgrund der Stellenbesetzungsanforderungen nach Maßgabe der eingegangenen Bewerbungen eine Vorauswahl, im Rahmen derer sich das beklagte Land Brandenburg auch an dem Merkmal des Vorhandenseins und einer etwaigen Dauer einschlägiger Berufserfahrung orientierte.
Es lud im Ergebnis der Vorauswahl nach eigenem Bekunden insgesamt 10 Bewerber ein, von denen ein Bewerber seine Bewerbung zwischenzeitlich zurückzog, so dass von verbleibenden 9 Bewerbungen, hiervon 3 schwerbehinderter Bewerber, diese zum Vorstellungsgespräch geladen wurden.
Nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde der Kläger.
Zu der auf den 17. Dezember 2009 festgesetzten Bewerber-Vorstellungsrunde lud das beklagte Land Brandenburg durch die Beklagte auch die Mitglieder des örtlichen Personalrats, die Gleichstellungsbeauftragte und die Schwerbehindertenvertretung, die jeweils an den Vorstellungsgesprächen teilnahmen.
Im Ergebnis der Vorstellungsrunde platzierte das beklagte Land Brandenburg durch die Beklagte in die in Betracht kommenden Bewerber entsprechend der insoweit diesen zugesprochenen Eignung und Befähigung, von welchen der Zweitplatzierte ein schwerbehinderter Bewerber war.
In der Folgezeit bot das beklagte Land Brandenburg durch die Beklagte den Bewerbern entsprechend derer Platzierung im Bewerbungsverfahren die zur Besetzung vorgesehene Stelle an. Die drei erstplatzierten Bewerber lehnten nacheinander die Annahme eines entsprechend ihnen angebotenen Arbeitsvertrages ab, so dass die Stelle bis einschließlich des 12. April 2010 nicht hat besetzt werden können.
Mit Schreiben vom 24.06.2010 teilte das beklagte Land Brandenburg durch die Beklagte nunmehr auch dem Kläger mit, dass es beabsichtige, auf seine Bewerbung nicht mehr zurückzugreifen. Auf den Inhalt des Ablehnungsschreibens der Beklagten vom 24. Juni 2010 (Blatt 9 der Gerichtsakte) wird ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger ließ daraufhin mit Schreiben vom 30. Juni 2010 unter Fristsetzung bis einschließlich des 15. Juli 2010 und mit nachgehendem Schreiben vom 28. Juli 2010 dem beklagten Land Brandenburg gegenüber Entschädigungsansprüche geltend machen, weil er als einem schwerbehinderten Bewerber Gleichgestellter durch Nichtberücksichtigung im Bewerbungsverfahren benachteiligt worden sei.
Das beklagte Land Brandenburg wies durch die Beklagte die Entschädigungsansprüche mit eigenem Schreiben vom 15. Juli 2010 zurück.
Mit seiner am 30. August 2010 beim Arbeitsgericht Cottbus eingegangenen Klageschrift vom 25. August 2010, die dem beklagten Land Brandenburg am 03. September 2010 zugestellt wurde, verfolgt der Kläger seine vermeintlichen Entschädigungsansprüche dem beklagten Land Brandenburg gegenüber fort.
Im Rahmen dessen beansprucht der Kläger eine Entschädigung in der Höhe von drei Monatsbruttoarbeitsentgelten derjenigen Stelle, für welche er nicht berücksichtigt worden ist und leitet seinen Anspruch aus § 15 II AGG in Verbindung mit § 82 SGB IX her. Er verweist darauf, dass das beklagte Land Brandenburg ihn im Bewerbungsverfahren wegen seiner Behinderung diskriminiert habe, indem es ihn nicht zu einem Vorstellungsgespräch einlud, in welchem er die Vertreter des beklagten Landes von seinen Vorzügen persönlich hätte überzeugen können.
Denn nach seinen Qualifikationen sei er nicht offensichtlich ungeeignet für die zu besetzende Stelle gewesen, hierauf weist der Kläger hin.
Den beklagtenseitigen Argumenten einer nicht ernsthaften Bewerbung, der seinerseits schon anhand des Merkmals einschlägiger Berufserfahrung nicht überwundenen Vorauswahl und der Einbeziehung der Schwerbehindertenvertretung tritt der Kläger entgegen. Die ausgeschriebene Stelle sei für ihn gerade deshalb interessant gewesen und daher in Betracht gekommen, weil das nur zu 50 % einer Vollzeitstelle bemessene Arbeitszeitvolumen seinem individuellen Leistungsvermögen in besonderer Weise gerecht geworden wäre. Auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sei die Stellenausschreibung für ihn durchaus passend gewesen, weil er durch den Bezug seiner Teilrente seinen Lebensunterhalt gesichert gesehen habe und die Befristung ihm den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt hätte ermöglichen können.
Der vom beklagten Land Brandenburg zu seinen Lasten getroffenen Vorauswahl anhand des Merkmals einschlägiger Berufserfahrung hält der Kläger entgegen, dass es sich mit diesem um eine unzulässige Erweiterung des Anforderungsprofils handele, so dass das beklagte Land Brandenburg hierauf im Verfahren um die Besetzung der Stelle nicht habe abstellen dürfen.
Der Kläger bestreitet schließlich die vom beklagten Land Brandenburg angegebene Bewerberzahl von 40 Gesamtbewerbungen, von welchen 5 von Schwerbehinderten bzw. schwerbehinderten gleichgestellten Bewerbern stammten, mit Nichtwissen. Insbesondere bestreitet der Kläger, dass das beklagte Land Brandenburg bei Ausschreibung der Stelle und im Rahmen des Besetzungsverfahrens entsprechend der Verpflichtungen des Schwerbehindertenrechts gehandelt habe.
Im Übrigen könne sich die personalverantwortliche Stelle des beklagten Landes nicht mit der Schwerbehindertenvertretung darauf einigen, dass das Verfahren entgegen der gesetzlichen Bestimmungen geführt werden könne, indem im Vorhinein bereits einzelne Bewerber aus dem Bewerbungsverfahren herausgenommen würden.
Die Höhe des Anspruchs leitet der Kläger aus der Entgeltgruppe 5 des TV-L mit einer Monatsvergütung von mindestens 1.855,40 € und damit entsprechend einer Halbtagsstelle von 927,70 € ab.
Bei einer zu beanspruchenden Entschädigung von drei Monatsgehältern addiere sich der diesbezüglich geltend gemachte Anspruch auf einen Gesamtbetrag von 2.783 €, so führt der Kläger aus.
Mit seiner Klageschrift vom 25. August 2010 hat der Kläger die Beklagte, vertreten durch den B.xxx, als beklagte Partei in Anspruch genommen. Im Rahmen der Güteverhandlung ist zu der zutreffenden Bezeichnung der beklagten Partei erörtert und vom seinerzeit anwesenden Beklagtenvertreter darauf hingewiesen worden, dass als zutreffende Bezeichnung der beklagten Partei “Land Brandenburg, vertreten durch die Ministerin für C.xxx, dieses wiederum vertreten durch den B.xxx der Beklagten, zu formulieren sei.
Hierauf hat der Kläger die Berichtigung des Passivrubrums beantragt.
Der Kläger beantragt,
an ihn einen Betrag in der Höhe von 2.783 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab Beginn des 12. August 2010 zu zahlen.
Das beklagte Land Brandenburg beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land Brandenburg schildert das Stellenbesetzungsverfahren des Inhalts, dass die Zahl der Gesamtbewerbungen bei 40 gelegen habe, von welchen 5 Bewerbungen schwerbehinderter bzw. solchen gleichgestellter Bewerber waren. Hieraus habe sich die Notwendigkeit einer Vorauswahl ergeben, die insbesondere unter Berücksichtigung einschlägiger Berufserfahrung ergeben habe, dass 10 Bewerber, von welchen 3 schwerbehinderte Bewerber waren, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden sollten. An den Vorstellungsgesprächen hätten alle maßgeblichen Personen, insbesondere die Schwerbehindertenvertretung, mitgewirkt, woraufhin eine Auswahlentscheidung getroffen worden ist.
Das beklagte Land Brandenburg tritt dem Entschädigungsanspruch unter Hinweis darauf entgegen, dass es sich in Anbetracht des Wohnsitzes des Klägers und der nur eingeschränkt zu generierenden Arbeitsvergütung um keine subjektiv ernsthafte Bewerbung gehandelt haben könne.
Der Kläger sei mangels einschlägiger Berufserfahrung auch nicht zum Vorstellungsgespräch einzuladen gewesen. Soweit in seinem Lebenslauf Hinweise auf eine berufliche Tätigkeit enthalten seien, fehlten hierzu geeignete Zeugnisse.
Im Übrigen könne nicht von einer diskriminierenden Benachteiligung des Klägers gesprochen werden, wenn, wie hier, bei einer Vielzahl von Bewerbungen schwerbehinderter Bewerber eine gemeinsame Entscheidung des beklagten Landes und der Schwerbehindertenvertretung vorliege, in deren Folge einzuschätzen gewesen ist, dass der Kläger als schwerbehinderter Bewerber den Mangel einschlägiger Berufserfahrung nicht persönlich würde ausgleichen können und im Ergebnis der Vorauswahl schwerbehinderte Bewerber im Übrigen zum Vorstellungsgespräch auch eingeladen worden sind.
Die Klage sei schließlich auch deshalb abzuweisen, weil die Klage nur gegen die Beklagte gerichtet gewesen sei, nicht aber gegen das Land Brandenburg erhoben worden ist, und eine Rubrumsberichtigung entgegen des klägerseitigen Antrages nicht möglich sei.
Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vom 01. Dezember 2010 ihre gegenseitigen Rechtsstandpunkte ergänzt und vertieft.
Hinsichtlich der diesbezüglich abgegebenen Erklärungen sowie hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01. Dezember 2010 als auch auf die zur Gerichtsakte gereichten, gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst den jeweils beigefügten Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist begründet.
A)
Antragsgemäß war das nach Rubrumsberichtigung zutreffend beklagte Land Brandenburg zu verurteilen, an den Kläger als Entschädigung einen Betrag in der Höhe von 2.783 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 12. August 2010 zu zahlen.
I. Die Klage ist zulässig.
Der Kläger verfolgt mit seiner am 30. August 2010 beim Arbeitsgericht Cottbus erhobenen Zahlungsklage einen Entschädigungsanspruch, hinsichtlich dessen er in der Klageschrift vom 25. August 2010 einen konkreten Antrag angekündigt und diesen mit einer konkreten Begründung untersetzt hat.
Auf den klägerseitigen in der mündlichen Verhandlung vom 24. September 2010 gestellten Rubrumsberichtigungsantrag hin, war die Bezeichnung der beklagten Partei in zutreffender Weise dahingehend zu ändern, dass beklagt ist das Land Brandenburg. vertreten durch die Ministerin für C.xxx, diese wiederum vertreten durch E.xxx der Beklagten, Herrn D.xxx.
Hierauf hat bereits der im Güteverhandlungstermin am 24. September 2010 erschienene Beklagtenvertreter, seinerseits Justitiar der Beklagten hingewiesen gehabt.
Die späterhin beklagtenseitig erhobene Zulässigkeitsrüge der fehlenden bzw. fehlerhaften Passivlegitimation stellt sich insofern bereits als widersprüchliches Parteiverhalten dar, ist aber auch insofern nicht entscheidungserheblich, als dass das Rubrum der beklagten Partei antragsgemäß hat berichtigt werden können.
Denn die in der Klageschrift vom 25. August 2010 noch als beklagte Partei bezeichnete Beklagte ist Teil der Landesverwaltung des Landes Brandenburg und daher selbst nicht prozessfähig, so dass die Klage als gegen das beklagte Land Brandenburg erhoben gilt.
II. Die Klage ist auch begründet.
Das beklagte Land Brandenburg war zur Zahlung einer Entschädigung in der Höhe eines Betrages von 2.783 € zu verurteilen. Denn der Kläger ist wegen seiner Schwerbehinderung im Bewerbungsverfahren um die Einstellung auf einen Arbeitsplatz als Sekretär an der Beklagten in A.xxx benachteiligt worden.
1. Der Kläger hat gegen das beklagte Land Brandenburg Anspruch auf Entschädigung in der Höhe eines Betrages von 2.783 € aus den §§ 15 II, 7 I 1 AGG in Verbindung mit den §§ 81 II, 82 Satz 2 SGB IX.
Denn das beklagte Land Brandenburg hat den Kläger im Verfahren um die Besetzung der Stelle eines Sekretärs an der Beklagten in A.xxx wegen seiner Behinderung benachteiligt.
a) Die Benachteiligung des Klägers liegt in objektiver Hinsicht darin, dass das beklagte Land Brandenburg durch die im Stellenbesetzungsverfahren handelnde Beklagte infolge einer Vorauswahl den Kläger aus dem weiteren Bewerbungsverfahren ausgeschlossen hat.
Denn damit ist der Kläger im Vergleich zu denjenigen Bewerbern, welche im Bewerbungsverfahren verblieben sind, schlechter gestellt, indem ihm nämlich die Möglichkeit nicht mehr eröffnet wurde, im Rahmen eines Vorstellungsgespräches von seinen Vorzügen zu überzeugen.
b) Diese objektive Benachteiligung hat der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung erfahren.
Denn seine Schwerbehinderung ist kausal für den Ausschluss aus den Bewerbungsverfahren infolge der Vorauswahl, sie ist Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der eingetretene Erfolg im Sinne der Benachteiligung entfiele (conditio sine qua non).
aa) Denn dem Kläger ist mit seinem Ausschluss aus dem weiteren Bewerbungsverfahren infolge der durch die Beklagte in A.xxx durchgeführten Vorauswahl der Ausgleich seines strukturell bedingten Chancendefizits dadurch versagt geblieben, dass das beklagten Land Brandenburg, hier handelnd durch die Beklagte in A.xxx, ihn, den Kläger, nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat, obwohl der Kläger hierauf einen Anspruch gehabt hätte.
bb) Gemäß § 82 Satz 2 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, wenn diese sich um einen Arbeitsplatz bei einem öffentlichen Arbeitgeber beworben haben oder von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden sind.
Mit dieser gesetzlichen Vorschrift trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass der behinderte Mensch aus Anlass seiner Behinderung und damit an sich bereits chancenbenachteiligt ist. Der öffentliche Arbeiteber wird folglich durch § 82 Satz 2 SGB IX zum Chancenausgleich verpflichtet, indem diesem strukturell angelegten Chancendefizit mit der Verpflichtung zur Einladung zum Vorstellungsgespräch ein das Chancendefizit ausgleichender Chancenvorteil gegenübergestellt wird.
Denn gerade das Anforderungsmerkmal der einschlägigen Berufserfahrung bzw. der Berufserfahrung generell macht schon deutlich, dass der schwerbehinderte Mensch, der ohnehin seltener in einem Auswahlverfahren berücksichtigt wird, um so geringere Möglichkeiten hat, in gleicher Weise, das heißt mit den gleichen Erfolgsaussichten, wie diese der nicht behinderte Mensch hat, um die Einstellung zu konkurrieren.
Demgemäß hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 12. September 2006 – 9 AZR 807/05 – NZA 2007, 507 – 512 wie folgt für Recht erkannt:
„Insoweit ist der schwerbehinderte Bewerber im Bewerbungsverfahren besser gestellt als der nicht schwerbehinderte Konkurrent. Selbst wenn der Arbeitgeber sich aufgrund der anhand der Bewerbungsunterlagen getroffenen Vorauswahl von vornherein die Meinung gebildet hat, ein oder mehrere andere Bewerber seien so gut geeignet, dass der schwerbehinderte Bewerber nicht mehr in die nähere Auswahl einbezogen werden sollte, muss er den schwerbehinderten Bewerber nach der gesetzlichen Intention einladen und ihm ein Vorstellungsgespräch gewähren (Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, § 82 Rz. 5); denn dieser soll im Rahmen des Vorstellungsgespräches die Chance haben, den Arbeitgeber von seiner Eignung zu überzeugen. Wird ihm diese Möglichkeit genommen, liegt darin eine weniger günstige Behandlung, als sie das Gesetz zur Herstellung gleicher Bewerbungschancen gegenüber anderen Bewerbern für erforderlich hält. Der zugleich damit verbundene Ausschluss aus dem weiteren Bewerbungsverfahren stellt sich als eine Benachteiligung dar, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung steht.“
cc) Gemäß § 82 Satz 3 SGB IX ist eine Einladung aber dann entbehrlich, wenn die fachliche Eignung dem Bewerber offensichtlich fehlt.
Solches wird aber vom beklagten Land Brandenburg selbst seinerseits nicht geltend gemacht, ist nach Vorlage der Bewerbungsunterlagen seitens des Klägers im vorliegenden Verfahren auch nicht erkennbar.
2. Der Höhe nach folgt der Anspruch aus § 15 II 2 AGG. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
a) Hierzu ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die ausgeschriebene und zu besetzende Sekretariatsstelle bei der Beklagten in A.xxx in die Entgeltgruppe 5 TV-L mit mindestens 1.855,40 € brutto einzugruppieren gewesen ist, so dass die hieraus geschuldete Arbeitsvergütung bei einem hälftigen Arbeitszeitvolumen 927,70 € betragen hätte. Der dreifache Betrag dessen entspricht der Klageforderung.
b) Zwar sieht § 15 II 2 AGG insofern einen Entschädigungsrahmen von bis zu drei Monatsgehältern vor.
Im Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 01. Dezember 2010 steht aber zur Überzeugung der erkennenden Kammer fest, dass die dem Kläger zuzuerkennende angemessene Entschädigung den Entschädigungsrahmen des § 15 II 2 AGG ausschöpft.
Denn das prozessuale Parteiverhalten des beklagten Landes Brandenburg, durch welches dem Kläger als benachteiligtem Bewerber zudem unlauteres Handeln unterstellt worden ist, ließ eine Praxisänderung in zukünftigen Bewerbungsverfahren nicht erkennen, nach welchem die Beklagte in A.xxx als Herrin des Einstellungsverfahrens auch zukünftig beabsichtige, durch Vorauswahl anhand nicht ausgeschriebener Anforderungsprofile einzelne, auch schwerbehinderte Bewerber aus dem Bewerbungsverfahren entgegen der gesetzlichen Intention des § 82 Satz 2 SGB IX auszuschließen.
3. Der Kläger hat seinen Entschädigungsanspruch innerhalb der zweimonatigen Frist des § 15 IV AGG dem beklagten Land Brandenburg gegenüber geltend gemacht und seine Entschädigungsklage entsprechend § 61 b I ArbGG fristgemäß erhoben.
4. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288, 247 BGB.
Ab Beginn des 16. Juli 2010 befindet sich das beklagte Land Brandenburg mit der Entschädigungszahlung in Verzug, so dass entsprechend der klägerseitigen Antragstellung der Zinsanspruch ab Beginn des 12. August 2010 dem Kläger zuzuerkennen war.
5. Die seitens des beklagten Landes Brandenburg dem Entschädigungsanspruch gegenüber erhobenen Einwendungen erweisen sich demgegenüber als rechtlich nicht erheblich und vermögen den klägerseitigen Entschädigungsanspruch nicht zu Fall zu bringen.
a) Soweit das beklagte Land Brandenburg dem klägerseitigen Entschädigungsanspruch mit der Argumentation entgegentritt, dass die Bewerbung des Klägers um die bei der Beklagten in A.xxx ausgeschriebene Sekretariatstelle eine subjektiv nicht ernstliche und damit nur auf den Entschädigungsanspruch bereits reflektierende Bewerbung gewesen sei, vermochte die erkennende Kammer sich diesen Erwägungen nicht anzuschließen.
Zwar ist der Kläger in F.xxx wohnhaft und die ausgeschriebene Sekretariatsstelle nur in Teilzeit zur Hälfte einer Vollzeitbeschäftigung und nur befristet ausgeschrieben gewesen.
Ungeachtet dessen muss es doch aber dem Kläger als Stellenbewerber überlassen bleiben, Vorteile und Nachteile der ausgeschriebenen Stelle, um welche er sich bewirbt, abzuwägen und zu entscheiden, ob und inwiefern die ausgeschriebene Stelle seinen individuellen Möglichkeiten gerecht wird. Gerade in heutiger Zeit, in der den arbeitsuchenden Menschen Flexibilität und Einsatzbereitschaft abverlangt wird, mutet es befremdlich an, einer Bewerbung eines nicht ortsansässigen Arbeitnehmers von vornherein die Ernsthaftigkeit dieser abzusprechen.
b) Auch der Einwand des beklagten Landes Brandenburg, vermittels welchen das beklagte Land Brandenburg darauf hinweist, dass der Kläger nach einer Vorauswahl deshalb nicht mehr in die Vorstellungsrunde hat eingeladen werden zu brauchen, weil es ihm an einschlägiger Berufserfahrung ermangele bzw. die hierauf in seinem Lebenslauf hindeutende Tätigkeit nicht durch ein Zeugnis nachgewiesen worden ist, kann dem klägerseitigen Entschädigungsanspruch nicht mit Erfolg entgegengestellt werden.
Insoweit verkennt das beklagte Land Brandenburg mit seiner Argumentation, dass gerade dessentwegen der öffentliche Arbeitgeber verpflichtet ist, mit dem schwerbehinderten Bewerber ein Vorstellungsgespräch zu führen, um ihm Gelegenheit zu geben, im persönlichen Gespräch von seinen Vorzügen zu überzeugen.
Es ist schon nicht mehr nachvollziehbar, wenn das beklagte Land Brandenburg einen schwerbehinderten Bewerber auf der Grundlage nicht vorhandener einschlägiger Berufserfahrung, aus dem Bewerbungsverfahren ausschließt, und damit seinerseits seiner eigenen Verpflichtung zur Führung eines Vorstellungsgespräches deshalb nicht gerecht wird, weil der Kläger als schwerbehinderter Bewerber bereits ohnehin im Bewerbungsverfahren schlechter gestellt ist und im Ergebnis dessen eben seltener Berufserfahrung sammeln kann.
Auch gerade im Hinblick auf ein etwa fehlendes Zeugnis in den Bewerbungsunterlagen ist das Vorstellungsgespräch insofern dienlich, als dass hieraus bestehende Unklarheiten aufgeklärt werden können und der Kläger Gelegenheit erhält, eine solche noch fehlende Anlage oder Unterlage nachzureichen.
c) Der beklagtenseitige Hinweis, dass auf das Ausschreibungsverfahren hin seitens der Herrin des Stellenbesetzungsverfahrens, der Beklagten in A.xxx, tatsächlich 3 schwerbehinderte Bewerber zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden seien, geht ebenfalls an der Sache vorbei und kann dem Entschädigungsanspruch des Klägers gegenüber nicht mit Erfolg vertreten werden.
Insoweit verkennt das beklagte Land Brandenburg, dass es sich nicht dadurch von der gesetzlich vorgegebenen Verpflichtung zur Führung von Vorstellungsgesprächen entlasten kann, indem es einzelne Bewerber gleichwohl zum Vorstellungsgespräch einlädt. Es ist gerade die im individuellen Bewerbungsverfahren eines jeden schwerbehinderten Bewerbers angelegte strukturelle Benachteiligung, die den Gesetzgeber veranlasst hat, das auf den individuellen Bewerber zu beziehende Vorstellungsgespräch dem öffentlichen Arbeitgeber als Verpflichtung aufzuerlegen. Denn gerade der vorliegende Sachverhalt macht hinreichend deutlich, dass das beklagte Land Brandenburg durch die Beklagte auf der Grundlage nicht vorhandener Berufserfahrung des Klägers eine Vorauswahl getroffen hat, infolge derer der Kläger nicht mehr zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde und es ihm daher verwehrt geblieben ist, das beklagte Land Brandenburg in Gestalt der Beklagten von seinen Vorzügen zu überzeugen. Ob hierbei anderen schwerbehinderten Bewerbern diese Möglichkeit eröffnet worden ist, bleibt in Bezug der Person des Klägers vollkommen unbedeutend.
d) Schließlich vermochte die erkennende Kammer der beklagtenseitigen Argumentation auch insoweit nicht zu folgen, wie das beklagte Land Brandenburg darauf hinwies, dass der Kläger nach einer in Zusammenarbeit mit der Schwerbehindertenvertretung vorgenommenen Vorauswahl durch die Beklagte aus dem weiteren Bewerbungsverfahren ausgeschieden ist.
Insoweit ist schon nicht recht ersichtlich, ob und in welcher Weise die Schwerbehindertenvertretung im Vorfeld und damit noch vor der Vorstellungsrunde am 17. Dezember 2009 mit den Bewerbungen der schwerbehinderten Stellenbewerber überhaupt befasst gewesen ist.
Ungeachtet dessen erwiese sich eine wie vom beklagten Land Brandenburg im vorliegenden Verfahren vertretene Praxis, nach welcher in Zusammenarbeit und einvernehmlich mit der Schwerbehindertenvertretung einzelne Bewerber aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschlossen würden, insofern als offensichtlich rechtswidrig, weil § 82 SGB IX ein solches Verfahren in keiner Weise vorsieht.
Auch insoweit ist wiederum auf das in der Schwerbehinderung liegende strukturelle Chancendefizit abzustellen und die diesbezügliche Intention des Gesetzgebers zu berücksichtigen, diesem gegenüber nicht behinderten Mitbewerbern bestehenden Chancendefizit ein Chancenvorteil entgegenzusetzen. Gerade deshalb besteht die Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers, den einzelnen und individuellen schwerbehinderten Bewerber um die Stelle zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, damit dieser die Möglichkeit erhält, den öffentlichen Arbeitgeber von seinen Vorzügen zu überzeugen.
Ein Verfahren, in welchem aber die Schwerbehindertenvertretung zusammen mit dem öffentlichen Arbeitgeber im Rahmen einer Vorauswahl einzelne schwerbehinderte Stellenbewerber aus dem Stellenbesetzungsverfahren ausschlösse, würde wiederum nicht der gesetzlichen Intention gerecht.
B)
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO. Das beklagte Land Brandenburg hat als unterlegene Prozesspartei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Streitwert war gemäß § 61 I ArbGG in Verbindung mit §§ 39, 40 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO entsprechend des Interesses der Parteien am Ausgang des Rechtsstreits festzusetzen.