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Stadtinspektorin; Kollegendiebstahl; Maßnahmebemessung; Milderungsgründe; erheblich verminderte Schuldfähigkeit (verneint); Anpassungsstörung (ICD-10 F43.2); Steuerungsfähigkeit; überwundene negative Lebensphase (bejaht); Entfernung aus dem Beamtenverhältnis; Maßnahmeverbot; Zurückstufung; Gehaltskürzung; Bedürfnis nach Pflichtenmahnung (verneint; hier u.a. Ersttäterin, erfolgreiche Therapie)


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 80. Senat Entscheidungsdatum 06.11.2014
Aktenzeichen OVG 80 D 5.11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 21 StGB, § 22 StGB, § 242 StGB, § 13 DiszG BE, § 14 Abs 1 Nr 2 DiszG BE

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. August 2011 geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v.H. des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die im Jahre 1977 in L... geborene Beklagte erwarb nach dem Besuch der Polytechnischen Oberschule bzw. seit 1990 der Gesamtschule G... die Fachoberschulreife. In den Jahren 1993 bis 1996 absolvierte die Klägerin beim Ministerium des Innern des Landes Brandenburg eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten, die sie mit der Note „gut“ abschloss. Nach Erwerb der Fachhochschulreife am Oberstufenzentrum Bürowirtschaft und Verwaltung in Berlin-S... sowie einer Tätigkeit als Zeitangestellte beim Staatlichen Munitionsbergungsdienst des Landes Brandenburg ernannte sie das Bezirksamt S... von Berlin mit Wirkung vom 16. August 1997 zur Stadtinspektor-Anwärterin. Die Laufbahnprüfung für den gehobenen nichttechnischen Dienst der allgemeinen Verwaltung bestand die Beklagte am 11. Oktober 2000 mit der Abschlussnote „gut“. Am 10. November 2000 wurde ihr durch die Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin der akademische Grad einer Diplom-Verwaltungswirtin (FH) verliehen. Die Beklagte wurde am 11. Oktober 2000 vom Bezirksamt S... von Berlin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Stadtinspektorin zur Anstellung und am 1. November 2002 zur Stadtinspektorin ernannt. Mit Wirkung vom 25. Januar 2004 wurde ihr die Eigenschaft einer Beamtin auf Lebenszeit verliehen. Ab Oktober 2000 war die Beklagte – unterbrochen von zwei Elternzeiten – bis zu dem ihr gegenüber am 23. Juni 2009 zunächst mündlich ausgesprochenen und mit Bescheid vom 26. Juni 2009 bestätigten Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als Sachbearbeiterin in einem Fachbereich bzw. einer regionalen Arbeitsgruppe der Abteilung Sozialwesen, später der Abteilung Gesundheit und Soziales, mit sozialhilferechtlichem Schwerpunkt (zuletzt soziale Wohnhilfe) tätig. Im Zeitraum vom 1. März bis zum 31. März 2008 war die Beklagte im Rahmen der ihr zuletzt gewährten Elternzeit mit einem Umfang von 30 Wochenstunden teilzeitbeschäftigt; ab dem 1. September 2008 arbeitete sie wieder in Vollzeit. Die dienstlichen Leistungen der Beklagten wurden im Oktober 2001 und Oktober 2002 jeweils mit „gut“ sowie im November 2005 mit „C“ („Der Beamte/die Beamtin zeigt Leistungen, die den Anforderungen entsprechen“) bewertet.

Die Beklagte ist seit 2003 verheiratet. Sie hat mit ihrem Ehemann einen neunjährigen Sohn und eine siebenjährige Tochter. Ihr Sohn ist infolge einer zu frühen Geburt und sich daraus ergebender Komplikationen gehbehindert. Die Beklagte erhält um 50 v.H. gekürzte Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe A 9. Sie ist disziplinarrechtlich nicht vorbelastet.

In den Räumen des Fachbereichs, in dem auch die Beklagte beschäftigt war, kam es seit März 2009 mehrfach zu Diebstählen von Geldscheinen aus Geldbörsen, bei denen Kolleginnen der Beklagten geschädigt wurden; in weiteren Fällen wurden Diebstähle vermutet. Nachdem Anfang Juni 2009 von einer in der Arbeitsgruppe der Beklagten tätigen Auszubildenden entsprechende Straftaten bei der Polizei angezeigt worden waren, erstattete eine weitere Kollegin der Beklagten, die Geschädigte R..., zwei Anzeigen wegen mehrerer Diebstähle von Geldscheinen aus einer in der Schublade ihres Schreibtisches abgelegten Handtasche. Durch das Landeskriminalamt wurde daraufhin zunächst eine Vi-deoaufzeichnungsanlage im Büro der Kollegin R... installiert, mit der die Beklagte am 17. Juni 2009 gefilmt wurde, als sie sich am Arbeitsplatz der Kollegin aufhielt und sich dort zu schaffen machte. Um die Beklagte eindeutig als Täterin zu ermitteln, imprägnierten Beamte des Landeskriminalamtes am 18. Juni 2009 die Geldbörse der Geschädigten R... mit einer nur unter ultraviolettem Licht sichtbaren Substanz. Dieser Stoff wurde (nur) an den Händen der Beklagten festgestellt, nachdem die Geschädigte R... noch an dem besagten Tage Anzeige erstattet hatte und alle Mitarbeiter zur Untersuchung ihrer Hände durch die Polizei versammelt worden waren. Die Straftat wurde von der Beklagten eingeräumt; das entwendete Geld gab sie heraus. In der am 18. Juni 2009 polizeilich durchgeführten Beschuldigtenvernehmung gestand die Beklagte acht weitere Diebstahlstaten zum Nachteil der Geschädigten R... ein.

Durch rechtskräftiges Urteil vom 31. März 2010 [Az. (...] wurde die Beklagte nach vorheriger Einholung eines forensisch-psychiatrischen Gutachtens der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. T... durch das Amtsgericht Tiergarten wegen Diebstahls in sechs Fällen und wegen versuchten Diebstahls zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 40,00 Euro verurteilt. In den schriftlichen Urteilsgründen (abgekürzte Fassung nach § 267 Abs. 4 StPO), in denen die Beklagte als Angeklagte bezeichnet wird, wurden folgende Feststellungen getroffen:

„… II. Die Angeklagte leidet seit Jahren unter Bulimie, spätestens seit erneuter Vollzeittätigkeit im September 2008 nach der Geburt ihres zweiten Kindes zudem unter einer Anpassungsstörung (ICD 10: F 43.2) und einer mittelgradigen depressiven Störung (ICD 10: F 32.1).

Bei Begehung der nachfolgend beschriebenen Taten am Arbeitsplatz zum Nachteil ihrer Kollegin R..., mit der sie seit März 2008 zusammen arbeitet, handelte sie jeweils krankheitsbedingt im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit:

1. am 05. Juni 2009 entwendete sie aus der Tasche ihrer Kollegin 50,-- €,
2. am 09. Juni 2009 entwendete sie aus der Tasche der Kollegin wiederum 50,--€,
3. am 11. Juni 2009 entwendete sie 50,--€,
4. am 15. Juni 2009 entwendete sie von der Kollegin 10,--€,
5. am 16. Juni 2009 entwendete sie 20,-- und
6. am 17. Juni 2009 ebenfalls 20,--€.
7. Am 18. Juni 2009 entwendete sie aus der Tasche ihrer Kollegin einen 10,--€ und einen 20,--€ -Schein, die vom Landeskriminalamt als „Diebesfalle“ mit Fangstoff präpariert worden waren. Da die Angeklagte von der Falle nichts wusste, ging sie davon aus, dass kein Einverständnis mit der Wegnahme vorlag.

Am 23. Juni 2006 suchte die Angeklagte die Geschädigte zu Hause auf, übergab ihr zur Schadenswiedergutmachung 250,--€ und entschuldigte sie (richtig: sich) bei der Kollegin, was diese akzeptierte. Sie befindet sich seit Juli 2009 in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung, um die im Hintergrund der Taten stehenden Probleme aufzuarbeiten.

III. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat sich die geständige Angeklagte, die den Sachverhalt eingeräumt und bedauert hat, des vollendeten Diebstahls in sechs Fällen (Taten zu oben II.1) -6)) und des versuchten Diebstahls (Tat zu oben II.7)) schuldig gemacht … Die Schuldfähigkeit der Angeklagten bei Begehung der Taten war nicht aufgehoben, § 20 StGB.“

Bereits zuvor, mit Verfügung vom 13. Juli 2009, hatte der für den Fachbereich zuständige Bezirksstadtrat gegen die Beklagte wegen des Verdachts, mehrere Diebstähle und damit ein Dienstvergehen begangen zu haben, ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das wegen des laufenden Strafverfahrens ausgesetzt wurde. Am 31. August 2009 wurde sie vorläufig des Dienstes enthoben. Mit Verfügung des Bezirksamtes T... von Berlin vom 5. Mai 2010 wurde das Disziplinarverfahren fortgesetzt. Nach einem entsprechenden Beschluss des Bezirksamtes T... von Berlin vom 14. Dezember 2010 und vorheriger Beteiligung des Personalrates und der Frauenvertreterin hat der Leiter des Rechtsamtes im Namen des Bezirksamtes T... von Berlin beim Verwaltungsgericht Berlin am 10. Januar 2011 Disziplinarklage gegen die Beklagte mit dem Ziel der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erhoben. Der Kläger legt der Beklagten als Dienstvergehen zur Last, aus der Tasche ihrer Kollegin R... im Dienstgebäude Rathaus T... am 5. Juni 2009 50,00 EUR, am 9. Juni 2009 50,00 EUR, am 11. Juni 2009 50,00 EUR, am 15. Juni 2009 10,00 EUR, am 16. Juni 2009 20,00 EUR und am 17. Juni 2009 20,00 EUR entwendet sowie am 18. Juni 2009 versucht zu haben, 30,00 EUR zu entwenden.

Mit Urteil vom 23. August 2011 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis entfernt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die auf Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis gerichtete Klage sei begründet. Der Entscheidung seien die bindenden tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts zugrunde zu legen. Durch die Diebstahlstaten habe die Beklagte ein Dienstvergehen begangen; sie habe sich achtungs- und vertrauensschädigend verhalten. Als Disziplinarmaßnahme komme nur eine Entfernung in Betracht. Das Dienstvergehen wiege schwer, weil die Beklagte eine Kollegin bestohlen habe, die Bagatellgrenze von 50,00 EUR überschritten sei, es sich um sieben gleichartige Taten innerhalb weniger Wochen handele und der Beklagten die Vorkommnisse um den Diebstahl zum Nachteil der Auszubildenden bekannt gewesen seien, sie sich aber gleichwohl nicht von den Taten habe abhalten lassen. Milderungsgründe zu Gunsten der Beklagten lägen nicht vor. Die Beklagte sei im Zeitpunkt der jeweiligen Tatbegehung nicht erheblich vermindert schuldfähig gewesen. Die Kammer folge den Feststellungen der Gutachterin Dr. T... nicht. So ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit im Zusammenhang mit dem Dienstvergehen. An einem nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen der von der Gutachterin erkannten Anpassungsstörung und dem festgestellten deliktischen Verhalten fehle es. Zudem sei die Beklagte überlegt und kontrolliert vorgegangen. Sie habe eine nicht unerhebliche kriminelle Energie entwickelt und nicht etwa spontan versagt. Mehrfache Gelegenheiten, die Taten zu überdenken und sie zu beenden, habe sie verstreichen lassen. Wie die Gutachterin in ihrem schriftlichen Gutachten nachvollziehbar dargelegt habe, sei die Einsichtsfähigkeit der Beklagten zu keiner Zeit beeinträchtigt gewesen. Statt der von der Gutachterin nicht nachvollziehbar erklärten, sondern eher vermuteten „Ventilfunktion“ der Diebstähle als Ausdruck der festgestellten Anpassungsstörung spreche daher mehr dafür, dass Hintergrund der Taten schlicht ein finanzielles Motiv gewesen sei. Aber auch wenn es einen Zusammenhang zwischen der Anpassungsstörung der Beklagten und den Diebstahlstaten im Sinne einer „Ventilfunktion“ gegeben haben sollte, sei auszuschließen, dass die Steuerungsfähigkeit der Beklagten hinsichtlich der Diebstahlstaten in erheblichem Maße eingeschränkt gewesen sei. So sei zu berücksichtigen, dass die Grenzüberschreitung schon wegen des Vorliegens von Straftaten offenkundig gewesen sei. Bei Straftaten könne deshalb die Schwelle der Erheblichkeit nur in Ausnahmefällen erreicht werden. Dafür bestünden hier keine greifbaren Anhaltspunkte. Schließlich lägen auch keine anderen Gründe vor, die das Dienstvergehen in einem milderen Licht erscheinen ließen.

Gegen dieses ihr am 5. Oktober 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13. Oktober 2011 Berufung eingelegt, die sie wie folgt begründet: Die Disziplinarklage sei unbegründet. Eine Entfernung sei unverhältnismäßig, weil sie im Zeitpunkt der Tatbegehung vermindert schuldfähig gewesen sei, sich der angerichtete Schaden im unteren bzw. mittleren Bereich der denkbaren Fälle halte, sie disziplinarrechtlich unbelastet sei und einer Wiederholung des deliktischen Verhaltens therapeutisch vorgebeugt werde. Es sei auch erheblich, dass die Kolleginnen und Kollegen ihr Vertrauen entgegenbrächten. Daher sei gerade nicht zu befürchten, dass das Arbeitsklima vergiftet und der Arbeitsfrieden in schwerwiegender Weise verletzt würden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. August 2011 zu ändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise, für den Fall der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis der Beklagten einen über 6 Monate hinaus verlängerten Unterhaltsbeitrag zu gewähren,

hilfsweise, für den Fall der Verurteilung die Vernehmung nachfolgend genannter Zeugen – alle zu laden über den Kläger – zum Beweis der Tatsache, dass aufgrund der der Beklagten zur Last gelegten Diebstähle im Bereich des Klägers weder das Betriebsklima vergiftet noch der Arbeitsfrieden in schwerwiegender Weise gestört wurde:

M... K...,

T… W...,

D… M...,

D… R...,

U… H...,

R… R...,

M… W...,

S… E...,

C… A....

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und tritt der Berufung entgegen.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung den Sachverständigen Dr. L... zur Erläuterung seines durch den Senat eingeholten psychiatrischen Gutachtens vom 4. Januar 2014 gehört sowie die Sachverständige Dr. T... zu ihrem durch das Amtsgericht T... eingeholten forensisch-psychiatrischen Gutachten vom 5. März 2010 befragt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die Strafakte 3... der Amtsanwaltschaft Berlin sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Personalakten, Disziplinarvorgänge) Bezug genommen, die vorgelegen haben und deren Inhalt - soweit wesentlich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet, weil sich die zulässige Disziplinarklage als unbegründet erweist. Die Beklagte hat zwar durch die ihr vorgeworfenen Diebstahlstaten ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen, das aber bei Abwägung aller be- und entlastenden Umstände des Falles keine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, sondern vielmehr ihre Zurückstufung gebietet. Die Verhängung einer solchen Maßnahme gegen die sich im Eingangsamt ihrer Laufbahn befindende Beklagte ist jedoch ebenso ausgeschlossen wie eine stattdessen gebotene Kürzung der Dienstbezüge, der das Maßnahmeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 DiszG entgegensteht.

1. Der der Beklagten vorgeworfene Sachverhalt ist erwiesen. Der Senat legt zu dem Vorwurf des Diebstahls in sechs Fällen und des versuchten Diebstahls in einem Fall die im Tatbestand aufgeführten tatsächlichen Feststellungen in dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 31. März 2010 zugrunde. Danach entwendete die Beklagte ihrer Kollegin R... aus deren in der Schublade ihres Schreibtisches deponierten Handtasche in sechs Fällen Geldscheine, die einen Gesamtbetrag von 200,00 EUR ergaben. Darüber hinaus versuchte sie, der Geschädigten Geldscheine über einen Betrag von 30,00 EUR zu entwenden, die vom Landeskriminalamt mit einem Fangstoff präpariert worden sind; dabei ging sie davon aus, dass ihre Kollegin mit der Wegnahme nicht einverstanden war. Diese Feststellungen sind für den Senat gemäß § 41 DiszG i. V. m. § 65 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG bindend; eine Lösung hiervon nach Maßgabe des § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG zieht der Senat nicht in Betracht, zumal die Beamtin den amtsgerichtlichen Feststellungen nicht entgegentritt.

2. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat die Beklagte ein innerdienstliches Dienstvergehen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) begangen, indem sie mit der Begehung der Diebstähle den Straftatbestand des § 242 Abs. 1 StGB verwirklicht bzw. – in einem Fall – versucht hat (vgl. § 242 Abs. 2, § 22 StGB), einen Diebstahl zu begehen. Mit diesem strafrechtlich relevanten Fehlverhalten hat die Beklagte gegen ihre allgemeine Dienstpflicht aus § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen, mit ihrem Verhalten der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die ihr Beruf erfordert. Die Beklagte handelte schuldhaft, und zwar – nach den bindenden entsprechenden strafgerichtlichen Feststellungen – vorsätzlich. Das Strafgericht ist von der Schuldfähigkeit der Beklagten ausgegangen. Auch daran ist der Senat gebunden. Zu einer erneuten Prüfung dieser Feststellungen besteht kein Anlass.

3. Unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls stellt sich die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung nach § 9 DiszG als die dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Pflichtverletzung der Beklagten angemessene und ausreichende Maßnahme dar.

a) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall angemessen ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (§ 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 DiszG). Als maßgebendes Bemessungskriterium ist die Schwere des Dienstvergehens richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 DiszG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen ist. Dabei können die von der Rechtsprechung für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen von Bedeutung sein. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 – 2 A 11.10 –, juris Rn. 73 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. August 2013 – OVG 81 D 5.10 –, EA S. 19).

Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens. Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 DiszG erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach der Tatbegehung. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht. Das weitere Bemessungskriterium „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4 DiszG erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion. Aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 DiszG folgt die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums zu gewährleisten (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 – 2 C 83.08 –, juris Rn. 10 ff., sowie Beschluss vom 28. Juni 2010 – 2 B 84.09 –, juris Rn. 13 ff. jeweils m.w.N.).

Die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis setzt voraus, dass der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 2 Satz 1 DiszG). Ein endgültiger Verlust des Vertrauens ist anzunehmen, wenn aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen. Unter diesen Voraussetzungen muss das Beamtenverhältnis im Interesse der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und der Integrität des Berufsbeamtentums beendet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2012, a.a.O., Rn. 74).

b) Nach diesem Maßstab hat die auch strafrechtlich geahndete Entwendung der Geldscheine, die sich aus disziplinarrechtlicher Sicht als (vollendeter bzw. versuchter) Kollegendiebstahl darstellt, derart erhebliches Gewicht, dass die Maßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis jedenfalls in Betracht kommt.

aa) Dem Kollegendiebstahl als im Grundsatz mit der Veruntreuung amtlich anvertrauter Gelder vergleichbar kommt bereits an sich disziplinarrechtlich ein besonders erhebliches Gewicht zu, das nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig den endgültigen Verlust des Vertrauens des Dienstherrn nach sich zieht. Denn nicht nur der Dienstherr ist auf die absolute Ehrlichkeit seiner Bediensteten angewiesen. Er muss angesichts der Unmöglichkeit einer lückenlosen Kontrolle aller Bediensteten darauf vertrauen können, dass ein Beamter das oft notwendige Zusammensein mit seinen Kollegen während der Dienstzeit nicht zu strafbaren Handlungen zu deren Nachteil ausnutzt. Auch müssen sich die in einer Dienststelle zusammenarbeitenden Bediensteten hinsichtlich der Sicherheit ihres Eigentums auf die Ehrlichkeit ihrer Kollegen, die sie sich nicht aussuchen können, verlassen können. Ein Beamter, der in der hier dargestellten Weise das in ihn gesetzte Vertrauen enttäuscht und die Pflicht zu kollegialem Verhalten grob verletzt, beweist eine beamtenunwürdige Haltung, vergiftet das Betriebsklima und stört den Arbeitsfrieden in so schwerer Weise, dass er sowohl für seine Verwaltung als auch für die Kollegen untragbar wird. Ist die unter den hier beschriebenen Blickwinkeln für das Funktionieren des öffentlichen Dienstes unabdingbare Vertrauensgrundlage mithin zerstört, muss der Beamte grundsätzlich mit der Auflösung des Beamtenverhältnisses rechnen (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 – 2 C 63.11 –, juris Rn. 15 und 19; Beschluss vom 2. März 2012 – 2 B 8.11 –, juris Rn. 9; Urteil vom 21. Juli 1993 – 1 D 9.92 –, juris Rn. 14; Senatsurteil vom 2. August 2012 – OVG 80 D 1.12 –, S. 20 EA).

Die Voraussetzungen dieser Regeleinstufung sind hier erfüllt. Die Beklagte hat einer Kollegin gehörende Geldscheine entwendet. Der Umstand, dass der Kollegendiebstahl in einem Fall (wegen der Konstruktion der Täterfalle) nicht vollendet wurde, mindert das Gewicht des Fehlverhaltens nicht. Im Gegensatz zum Strafrecht unterscheidet das Disziplinarrecht nicht zwischen Versuch und Vollendung der Tat. Für die im Disziplinarrecht gebotene Persönlichkeitsbeurteilung kommt es allein auf den gezeigten Handlungswillen an (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. März 2012 – 2 B 96.11 –, juris Rn. 5). Nach Lage der Dinge musste die Beklagte, die von der Täterfalle keine Kenntnis hatte, davon ausgehen, dass die Kollegin mit der Wegnahme der Geldscheine nicht einverstanden war. Ihr Verhalten war daher nicht weniger vertrauensschädigend als in den sechs Fällen des vollendeten Diebstahls.

Stellt der Kollegendiebstahl mithin schon einen gravierenden Pflichtenverstoß dar, der aufgrund seiner Schwere die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als angezeigt erscheinen lässt, entfällt diese Indizwirkung hier nicht deshalb, weil der Wert der gestohlenen Geldscheine die Schwelle der Geringfügigkeit unterschreitet, die gegenwärtig bei 50 EUR liegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. März 2014 – 2 B 100.13 –, juris Rn. 6 m.w.N.). Denn diese Schwelle ist mit 230,00 EUR deutlich überschritten. Damit steht zugleich fest, dass sich die Beklagte auch nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts berufen kann, dass bei einem einmaligen Zugriff mit einem begrenzten Schaden, der angenommen wird, wenn die Höhe des Geldbetrags oder der Wert des Gegenstandes insgesamt 200,00 EUR nicht erreicht, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abgesehen werden kann, wenn keine belastenden Umstände von erheblichem Gewicht hinzutreten (BVerwG, Beschlüsse vom 26. März 2014, a.a.O., Rn. 7; und 6. Juni 2013 – 2 B 50.12 –, juris Rn. 8 m.w.N.). Ungeachtet dessen käme eine Heranziehung dieser Grundsätze auch deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagten nicht nur ein einmaliger Zugriff auf die Geldscheine der Geschädigten vorzuwerfen ist.

bb) Das bereits festzustellende erhebliche Gewicht des vorliegenden Dienstvergehens wird durch den Umstand unterstrichen, dass die Beklagte sieben gleichartige Taten begangen hat. Damit steht ein mehrmaliges, inhaltlich gleich gelagertes Fehlverhalten in Rede. Zu ihren Lasten ist ferner zu berücksichtigen, dass sie sich bei ihren Handlungen ausweislich ihrer Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, die ihren Bekundungen im Strafverfahren sowie ihren Angaben gegenüber ihrer Psychotherapeutin K... und der Gutachterin Dr. T... entsprechen, jedenfalls teilweise von Neidgefühlen gegenüber der von ihr bestohlenen Kollegin, mithin von ichbezogenen Erwägungen hat leiten lassen.

Hingegen erachtet es der Senat nicht als belastend für die Beklagte, dass sie mit ihrem Dienstvergehen eine sich alltäglich bietende Situation ausgenutzt hat, in der die geschädigte Kollegin ihre Handtasche in einem Schubfach ihres Schreibtisches aufbewahrt hat, um den Arbeitsraum zu verlassen und rauchen zu gehen. Denn dieser Umstand einschließlich der Tatsache, dass die Beklagte die beschriebenen Hindernisse überwinden musste, um an die begehrten Geldscheine zu gelangen, reicht nicht über die Merkmale hinaus, die dem Kollegendiebstahl sein typisches Gepräge verleihen. Nicht zu Lasten der Beklagten würdigt der Senat ferner, dass sie im Zusammenhang mit einem unaufgeklärten Diebstahl zu Lasten der Auszubildenden S... Anfang Juni 2009 aus eigener Anschauung mitbekam, welche negativen Auswirkungen auf den Betriebsfrieden ein solcher Kollegendiebstahl auslösen kann, und sie sich hiervon gleichwohl nicht abschrecken ließ, sondern nur wenige Tage später mit ihren eigenen Diebstahlstaten zu Lasten der Kollegin R... begann. Hierzu hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung plausibel vorgetragen, dass die Diebstahlsvorwürfe der Auszubildenden die Arbeitsgruppe zwar aufgewirbelt hätten. Diese Kollegin habe aber auch schon zuvor Unfrieden gestiftet. Die Vorgänge hätten sie vielleicht auf die Idee gebracht, auf das Geld der Geschädigten R... zuzugreifen. Eine bewusste Entscheidung habe sie in diesem Zusammenhang aber nicht getroffen. Diese Einlassungen sind der Beklagten aus Sicht des Senats nicht zu widerlegen. Schließlich vermag der Senat nicht zu erkennen, dass das disziplinarwürdige Verhalten der Beklagten von finanziellen Motiven bestimmt gewesen ist, so dass sich auch daraus kein die Beamtin belastender Gesichtspunkt ergibt. Dafür bestehen keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen. Von der Beklagten sind finanzielle Beweggründe für ihr Handeln stets bestritten worden. Gegenteiliges liegt auch nach ihren Bekundungen in der mündlichen Verhandlung fern, mit denen sie ihre finanzielle Situation im Tatzeitraum zwar als angespannt, aber nicht als unbeherrschbar beschrieben hat.

c) Die auf die Verhängung der Höchstmaßnahme weisende Indizwirkung des festgestellten Kollegendiebstahls entfällt jedoch deshalb, weil der Beklagten ihre Lebensumstände während der Tatzeit mildernd zugute zu halten sind.

aa) Von der Höchstmaßnahme muss zugunsten einer weniger strengen Disziplinarmaßnahme abgesehen werden, wenn ein anerkannter Milderungsgrund vorliegt. Diese Milderungsgründe erfassen typisierend Beweggründe und Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen tragen sie existenziellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen oder psychischen Ausnahmesituationen - auch etwa einer verminderten Schuldfähigkeit - Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung. Selbst wenn keiner der vorrangig zu prüfenden anerkannten Milderungsgründe vorliegt, können entlastende Umstände gegeben sein, deren Gewicht in ihrer Gesamtheit dem Gewicht der anerkannten Milderungsgründe vergleichbar ist. Entlastungsmomente können sich aus allen denkbaren Umständen ergeben, die sich entweder von den anerkannten Milderungsgründen grundsätzlich unterscheiden oder ihnen zwar vergleichbar sind, aber ihr Gewicht nicht erreichen. Solche Umstände können das Absehen von der disziplinarischen Höchstmaßnahme rechtfertigen, wenn sie in ihrer Gesamtheit das Gewicht eines anerkannten Milderungsgrundes aufweisen. Die anerkannten Milderungsgründe bieten Vergleichsmaßstäbe für die Bewertung, welches Gewicht entlastenden Gesichtspunkten in der Summe zukommen muss, um eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses in Betracht ziehen zu können. Entlastungsgründe sind nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ bereits dann einzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen (vgl. zu Vorstehendem BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2012 – 2 C 38.10 –, juris Rn. 13 ff. m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. August 2013, a.a.O., EA S. 26 f.). Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der Beklagten zwar kein anerkannter Milderungsgrund zugebilligt werden, wohl aber entlastende Umstände, deren Gewicht in ihrer Gesamtheit dem Gewicht der anerkannten Milderungsgründe vergleichbar sind.

bb) Der Senat ist zunächst nicht davon überzeugt, dass bei der Beklagten eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) vorgelegen hat.

(1) Das Urteil des Amtsgerichts vom 31. März 2010 schließt eine derartige Würdigung nicht von vornherein aus. Denn dieser Entscheidung kommt gerade keine Bindungswirkung nach § 41 DiszG i.V.m. § 57 Abs. 1 BDG zu, als dort angenommen wird, die Beklagte habe die ihr vorgeworfenen Straftaten im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen. Der Bindung unterliegen die „tatsächlichen Feststellungen". Hierzu gehören nicht nur die äußeren Aspekte eines Tathergangs, sondern auch Elemente des inneren Tatbestandes wie etwa die Zueignungsabsicht oder die Bereicherungsabsicht. Feststellungen zur Schuldfähigkeit binden das Gericht indessen nur, soweit sie sich auf die Frage beziehen, ob der Betreffende schuldfähig oder schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB ist. Wenn wie hier die Frage der Schuldunfähigkeit mit bindender Wirkung verneint worden ist, bleibt es Sache des erkennenden Gerichts, für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme festzustellen, ob bei Vorliegen der Eingangsvoraussetzung des § 20 StGB ein Fall verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB gegeben ist und welchen Grad die Minderung gegebenenfalls erreicht. Auf Feststellungen, die für diese Frage Bedeutung haben, erstreckt sich die Bindung des Disziplinargerichts nicht. Das Disziplinargericht muss vielmehr selbst die hierzu erforderlichen Tatsachen feststellen und die erforderliche Rechtsentscheidung treffen, ob die Minderung der Schuldfähigkeit eine erhebliche ist (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 – 2 C 59.07 –, juris Rn. 29; s. ferner OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. März 2014 – OVG 81 D 3.11 –, juris Rn. 56).

(2) Im Ergebnis der Beweisaufnahme und im Hinblick auf die vorliegenden Sachverständigengutachten bestehen keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte, dass die Schuldfähigkeit der Beklagten im Tatzeitraum erheblich vermindert gewesen ist.

(aa) Erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinne von § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Für die Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass der Betroffene den Tatanreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte. Für die Annahme einer erheblichen Minderung der Schuldfähigkeit sind schwerwiegende Gesichtspunkte heranzuziehen, wie etwa Psychopathien, Neurosen, Triebstörungen, leichtere Formen des Schwachsinns, altersbedingte Persönlichkeitsveränderungen, Affektzustände sowie Folgeerscheinungen einer Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten. Die an die Feststellung einer Störung im Sinne von § 20 StGB anknüpfende Frage, ob die sich daraus ergebende Verminderung der Schuldfähigkeit „erheblich“ war, ist eine Rechtsfrage, die die Gerichte ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Hierfür bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise. Die Erheblichkeitsschwelle liegt umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt. Dementsprechend hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 25. März 2010, a.a.O. Rn. 29 f. und vom 29. Mai 2008, a.a.O. juris Rn. 30 m.w.N. aus der Rechtsprechung des BGH; Beschluss vom 27. Oktober 2008 - 2 B 48.08 -, juris Rn. 7; Senatsurteil vom 29. März 2012 - OVG 80 D 9.10 -, UA S. 19 f.).

(bb) Hiervon ausgehend lässt sich nicht feststellen, dass die Beklagte die ihr vorgeworfenen Straftaten in einem Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen hat.

(α) Der Senat hat zwar die Überzeugung gewonnen, dass bei der Beklagten im Tatzeitraum eine Anpassungsstörung vorgelegen und sich diese Störung auf die Steuerungsfähigkeit der Beklagten im Tatzeitraum einschränkend ausgewirkt hat. Er folgt hierbei der Einschätzung der Sachverständigen Dr. T..., wie sie sich zunächst in den Ergebnissen des von ihr im Strafverfahren gefertigten und vom Verwaltungsgericht herangezogenen Gutachtens vom 5. März 2010 widerspiegelt und dann noch überzeugender in den Erläuterungen der Gutachterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat verdeutlicht worden ist.

Sie hat sich dabei an der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebenen Internationalen Klassifikation psychischer Störungen, ICD-10 Kapitel V (F) orientiert und die dort unter der Kodierung ICD-10 F 43.2 beschriebenen Kriterien zugrunde gelegt. Danach handelt es sich bei einer Anpassungsstörung um Zustände von subjektiver Bedrängnis und emotionaler Beeinträchtigung, die im Allgemeinen soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten. Die Belastung kann das soziale Netz des Betroffenen beschädigt haben (wie bei einem Trauerfall oder Trennungserlebnissen) oder das weitere Umfeld sozialer Unterstützung oder soziale Werte (wie bei Emigration oder nach Flucht) (vgl. WHO, Klassifikation psychischer Störungen, ICD-10 Kapitel V (F), 9. Aufl. 2014, S. 209, 6. Aufl. 2008, S. 184). Nach neueren Erkenntnissen kann die Belastung auch in einem größeren Entwicklungsschritt oder einer Krise bestehen (wie Schulbesuch, Elternschaft, Misserfolg, Erreichen eines ersehnten Zieles und Ruhestand) (vgl. dazu die Angaben unter www.icd-code.de/icd/F43.2.html). Die individuelle Disposition oder Vulnerabilität spielt bei dem möglichen Auftreten und bei der Form der Anpassungsstörung eine bedeutsame Rolle; es ist aber dennoch davon auszugehen, dass das Krankheitsbild ohne die Belastung nicht entstanden wäre. Die Anzeichen sind unterschiedlich und umfassen depressive Stimmung, Angst oder Sorge (oder eine Mischung von diesen). Außerdem kann ein Gefühl bestehen, mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen, diese nicht vorausplanen oder fortsetzen zu können (WHO, a.a.O., 9. Aufl. 2014, S. 209, 6. Aufl. 2008, S. 185 f.).

Vor diesem Hintergrund hat die Sachverständige Dr. T... nachvollziehbar anhand der von ihr explorierten biographischen Anamnese dargestellt, dass sich die Beklagte seit der Geburt ihres Sohnes, der aufgrund postnatal erlittener schwerer Hirnblutungen gehbehindert ist, immer stärker werdenden Belastungen im familiären und beruflichen Bereich ausgesetzt sah, die von ihr bis zur Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung im September 2008 noch bewältigt werden konnten, dann jedoch von der Beamtin nicht mehr zu kontrollieren waren und sie in einen Zustand der massiven Überforderung führten, der im Tatzeitraum anhielt. Dieser auf eine Anpassungsstörung hinauslaufende Anpassungsprozess ist – wie die Gutachterin für den Senat gleichermaßen plausibel erläutert hat – durch ihre besondere Persönlichkeitsstruktur begünstigt worden, die von einerseits zwanghaften und andererseits unsicheren Anteilen geprägt war. Diese Disposition der Beamtin, bestimmt von Momenten des Perfektionismus, der Überkontrolliertheit, der Irritierbarkeit und der Vulnerabilität sowie flankiert von einem seit dem sechzehnten Lebensjahr bestehenden Bulimieleiden, war dann auch die maßgebliche Bedingung, die dazu beitrug, „das Fass“ im Zeitpunkt des Beginns der dienstlichen Tätigkeit in Vollzeit – wie es die Sachverständige Dr. T... in der mündlichen Verhandlung ausdrückte – „zum Überlaufen“ zu bringen. Soweit der gerichtliche Sachverständige Dr. L... diesen Erwägungen entgegen getreten ist, vermag ihm der Senat nicht zuzustimmen, weil seine Überlegungen in dem Gutachten vom 4. Januar 2014 wie auch in seinen Erläuterungen dazu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im entscheidenden Maße von der Prämisse bestimmt sind, dass die Anpassungsstörung von einem singulären Belastungsereignis verursacht worden sein muss, und er sich damit den Blick auf die seit der Geburt des Sohnes eingetretene Lebensveränderung der Beamtin als Anknüpfungspunkt für die dann zu beobachtende krankhafte Störung in Gestalt einer Anpassungsstörung verstellt hat.

Aus Sicht des Senats besteht auch ein Zusammenhang zwischen der so entstandenen Anpassungsstörung und den begangenen Diebstahlstaten. Durch die Sachverständige Dr. T... ist hierzu überzeugend erklärt worden, dass die Diebstahlstaten für die Beklagte die Funktion eines „Ventils“ erfüllten, um die mit den beschriebenen Überforderungen verbundenen Spannungen abzubauen bzw. leidensmindernd zu wirken. Zuvor war es noch das Mittel des bulimischen Erbrechens gewesen, das dieser Aufgabe gewidmet war, seit Aufnahme der Vollzeittätigkeit aber im wachsenden Maße nicht mehr ausreichte, um als „Ventil“ noch hinreichend adäquat zu wirken. Diese Überlegung beurteilt der Senat nicht zuletzt deshalb als überzeugend, weil sich die Diebstahlstaten gerade vor dem Hintergrund des bei der Beklagten bestehenden und eng mit ihrem Perfektionismus zusammenhängenden rigiden und strengen Wertesystems als wesens- und persönlichkeitsfremd darstellen. Von der Sachverständigen ist dazu nachvollziehbar angemerkt worden, dass die Diebstahlshandlungen in extremer Weise dem eigenen Lebensbild der Beamtin widersprechen, die sich im Rahmen der gutachterlichen Exploration mit Blick auf ihre Prägung durch ein sie in der Kindheit stark kontrollierendes und reglementierendes Elternhaus als überangepasst und gesetzestreu dargestellt hat.

(β) Der Senat ist hingegen nicht davon überzeugt, dass die Steuerungsfähigkeit der Beklagten während der Begehung der disziplinarrechtlich bedeutsamen Dieb-stahlshandlungen erheblich vermindert gewesen ist. Mit dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. L... geht der Senat davon aus, dass sich die Beklagte im Tatzeitraum in keinem Zustand befand, der vergleichbar mit einer psychotischen Verfassung dazu geführt hätte, in signifikantem Maße ihre Fähigkeit einzuschränken, sich norm- und erwartungsgemäß zu verhalten, zumal sich ihr die mit den Dieb-stahlstaten verbundene Grenzüberschreitung ohne Weiteres erschließen musste. Die Beklagte war auch im Tatzeitraum in der Lage, ihren familiären und dienstlichen Aufgaben zu entsprechen. Sie nahm an Fortbildungsveranstaltungen teil und wurde von ihrem Vorgesetzten im Juni 2009 nach Aufdeckung der Diebstähle als „exzellente Mitarbeiterin von außergewöhnlich hohem Engagement, ungewöhnlich schneller Auffassungsgabe und kontinuierlich nahezu perfekter Arbeitsleistung“ beschrieben. Greifbare und hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Schwelle der Erheblichkeit im Sinne des § 21 StGB überschritten worden ist, bestehen mithin nicht. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus den gutachterlichen Äußerungen der Sachverständigen Dr. T..., die der Annahme Dr. L..., ein mit einem psychotischen Zustand vergleichbarer Zustand habe bei der Beklagten nicht vorgelegen, nicht entgegengetreten ist und überdies die hier hervorgehobenen, gegen eine erheblich geminderte Schuldfähigkeit anzuführenden Momente nicht zu erklären wusste, sondern sich nur mit der ohne nähere Begründung vorgetragenen Erwägung zu rechtfertigen suchte, dass diese Umstände nicht gegen ihre Einschätzung sprächen.

cc) Die Beklagte beruft sich allerdings zu Recht darauf, dass die ihr vorgeworfenen Taten Folge einer so genannten negativen Lebensphase sind und ihr Dienstvergehen deshalb in einem milderen Licht erscheinen lassen. Die damit verbundenen Entlastungsmomente erreichen in ihrer Gesamtheit das Gewicht eines anerkannten Milderungsgrundes.

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann eine sogenannte negative Lebensphase während des Tatzeitraums je nach den Umständen des Einzelfalles bei der Maßnahmebemessung mildernd berücksichtigt werden. Dies gilt allerdings nur für außergewöhnliche Verhältnisse, die den Beamten zeitweilig aus der Bahn geworfen haben. Hinzukommen muss, dass er die negative Lebensphase in der Folgezeit überwunden hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2014 – 2 B 60.14 –, juris Rn. 32; Urteil vom 28. Februar 2013 – 2 C 3.12 –, juris Rn. 40, Beschlüsse vom 23. Januar 2013 – 2 B 63.12 –, juris Rn. 14 und vom 23. Februar 2012 – 2 B 143.11 –, juris Rn. 17, Urteil vom 27. Januar 2011 – 2 A 5.09 –, juris Rn. 39, Beschluss vom 14. Juni 2005 – 2 B 108.04 –, juris Rn. 16, jeweils m.w.N.). Die Berücksichtigung einer schwierigen, inzwischen überwundenen Lebensphase liegt vor allem dann nahe, wenn sich der Pflichtenverstoß als Folge der Lebensumstände darstellt, hat aber auch in anderen Fällen nicht generell außer Betracht zu bleiben (vgl. Urteil vom 28. Februar 2013, a.a.O. Rn. 41). Dass der Beamte diese Lebensphase in der Folgezeit überwunden hat, ist anzunehmen, wenn sich seine Lebensverhältnisse wieder soweit stabilisiert haben, dass nicht mehr davon die Rede sein kann, er sei weiterhin aus der Bahn geworfen. Eine derartige Stabilisierung indiziert, dass weitere Pflichtenverstöße gleicher Art nicht zu besorgen sind (stRspr; BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2014, a.a.O. m.w.N.).

(2) Gemessen hieran befand sich die Beklagte während des Tatzeitraums in einer durch außerordentlich schwierige Lebensumstände bestimmten negativen Lebensphase. So war sie als Mutter zweier kleiner Kinder im Tatzeitraum nicht nur familiär belastet, weil sie das gesamte Familienleben so gut wie allein organisieren musste; ihr Ehemann war seinerzeit beruflich sehr stark eingebunden und konnte insbesondere an den Abenden seiner Ehefrau nicht oder nur sehr selten helfend zur Seite stehen. Überdies trug sie – wie schon seit der Geburt – die alleinige Verantwortung für die Pflege und Betreuung ihres körperbehinderten Sohnes, den sie zu den Therapien begleitete und auch sonst die notwendige Hilfestellung leistete, derer er dringend bedurfte; in der mündlichen Verhandlung hat sie in diesem Zusammenhang angemerkt, dass ihr Ehemann und sie lange mit der Gefahr einer Schwerstbehinderung, auch einer geistigen Behinderung ihres Sohnes gelebt hätten und sie in fortwährender Sorge darüber gewesen wären, ob ihr Kind werde selbständig leben können, was aus Sicht des Senats auf eine zunehmende Zermürbung der Beklagten weist, die ihr Leben auch im Tatzeitraum beeinflusste. Hinzu trat die nach Aufnahme der Vollzeittätigkeit für die Beklagte immer spürbarer werdende berufliche Belastung, die zu einer Überforderung auch in diesem Bereich führte. Aufgrund ihrer psychischen Disposition – die Beklagte litt zur Überzeugung des Senats im Tatzeitraum an einer Anpassungsstörung sowie an einem Bulimieleiden – und ihrer dafür mitverantwortlichen Persönlichkeitsstruktur mit den bereits beschriebenen Momenten des Perfektionismus, der Überkontrolliertheit, aber auch der Irritierbarkeit und Vulnerabilität war sie nicht in der Lage, auf die von ihr vor dem und im Tatzeitraum als zunehmend auswegloser empfundene Situation angemessen zu reagieren und der Überforderung entgegenzuwirken. Es wurde immer schwieriger für die Beklagte, alle Bereiche ihres Lebens unter Kontrolle zu halten und wie bisher „perfekt“ zu „funktionieren“; sie war – wie sie es selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrückte – an einem Punkt angekommen, „an dem ich es nicht mehr mit mir selbst ausmachen konnte“ und nicht mehr im Stande war, die „Notbremse“ zu ziehen. Im Hinblick auf diese zugleich auf sie im Tatzeitraum einwirkenden Belastungen, die sich in ihrer Dimension als nicht alltäglich oder gar normal darstellen, offenbaren sich ihre Verfehlungen lediglich als Entgleisungen, die trotz ihrer Schwere als weniger vorwerfbar erscheinen, zumal es sich – wie bereits in anderem Zusammenhang bemerkt – um persönlichkeits- und wesensfremde Taten handelt. Die Diebstahlstaten lassen sich auch in einen Zusammenhang mit der beschriebenen Lebensphase der Beklagten stellen, weil diese Verfehlungen für sie – nach den insoweit überzeugenden Darlegungen der Sachverständigen Dr. T... – als „Ventil“ dienen sollten, um die mit der Überforderung einhergegangenen Spannungen abzubauen und so entlastend zu wirken.

(3) Die Beamtin hat die negative Lebensphase in der Folgezeit überwunden. Nach einer weiteren Verschlechterung ihres psychischen Zustandes als Reaktion auf das Straf- und Disziplinarverfahren hat sie sich nach ihren glaubhaften Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erfolgreich therapieren lassen und neben der Anpassungsstörung insbesondere ihre Bulimieproblematik überwunden. Im Gefolge dessen hat sie ihr Leben umorganisiert, Aufgaben verteilt und gelernt, Grenzen zu setzen. Der Senat hat insgesamt auch nach dem Eindruck, den die Beklagte in der mündlichen Verhandlung hinterlassen hat, die Überzeugung gewinnen können, dass sie ihr Leben allem Anschein nach in den Griff bekommen hat. Die Beamtin ist den begangenen Pflichtverletzungen im Nachhinein auch nicht gleichgültig begegnet. Ihre in der mündlichen Verhandlung deutlich gewordene Haltung lässt erkennen, dass sie sich mit den Straftaten auseinandergesetzt und unter ihrer Begehung auch gelitten hat. Zu der konstruktiven Auseinandersetzung gehört zudem die zeitnahe Wiedergutmachung des Schadens gegenüber der Geschädigten. Auch auf diese Umstände kann eine günstige Prognose gestützt werden.

4. Ist eine Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis nach alledem ausgeschlossen, besteht auch kein Raum für eine mildere Disziplinarmaßnahme.

a) Der Ausspruch einer Zurückstufung ist ausgeschlossen, weil sich die Beklagte noch im Eingangsamt ihrer Laufbahn befindet.

b) Eine stattdessen gebotene Kürzung der Dienstbezüge scheitert am Maßnahmeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 DiszG. Danach darf, wenn gegen einen Beamten im Strafverfahren unanfechtbar eine Strafe verhängt worden ist, wegen desselben Sachverhalts eine Kürzung der Dienstbezüge nur ausgesprochen werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten.

aa) Die erforderliche Sachverhaltsidentität liegt vor. Die Beklagte ist strafgerichtlich wegen desselben Sachverhalts verurteilt worden, der Gegenstand der disziplinarischen Ahndung ist.

bb) Die Kürzung der Dienstbezüge ist neben der ausgesprochenen Strafe nicht zusätzlich erforderlich, um die Beamtin zur Pflichterfüllung anzuhalten.

(1) Zunächst ist diese Voraussetzung auch in Fällen wie hier, in denen der Beamte aus laufbahnrechtlichen Gründen von der an sich gebotenen Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung nach § 9 DiszG verschont wird und allein deshalb eine Kürzung der Dienstbezüge in Betracht kommt, zu prüfen. Aus den Erwägungen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 (– 2 C 13.10 –, juris Rn. 34) ergibt sich nichts Gegenteiliges, da diese Entscheidung auf der nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 BDG zu beurteilenden Rechtslage beruht, die von derjenigen des Berliner Landesdisziplinarrechts abweicht; anders als § 14 Abs. 1 Nr. 2 BDG bezieht § 14 Abs. 1 Nr. 2 DiszG die Zurückstufung in den Anwendungsbereich des Maßnahmeverbots ein und bestimmt auch für sie eine nähere Prüfung des Bedürfnisses nach zusätzlicher Pflichtenmahnung (zu dem Zusammenhang zwischen der erwähnten höchstrichterlichen Rechtsprechung und dem Gehalt des § 14 Abs. 1 Nr. 2 BDG s. auch Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Loseblatt-Kommentar, Stand: April 2014, § 14 Rn. 15a). Die Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf die hier bestehende Rechtslage würde die Grenzen einer zulässigen Auslegung, die auch am Wortlaut zu orientieren ist, überschreiten und zu einer (unzulässigen) Analogie zu Lasten des betroffenen Beamten führen, für den das relative Maßnahmeverbot gerade streitet (eine derartige unzulässige Analogie bereits für die erörterte Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht annehmend Urban/Wittkowski, BDG, Kommentar, 2011, § 14 Rn. 23).

(2) Einer Pflichtenmahnung der Beklagten bedarf es nicht.

(a) Um die Frage beantworten zu können, ob der betroffene Beamte an seine Pflichten gemahnt werden muss, ist unter Ausschluss generalpräventiver Erwägungen eine prognostische Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten aus aktueller Sicht vorzunehmen (vgl. Weiß, in: GKÖD II, M § 14 Rn. 71, 78). Eine zusätzliche Maßnahme ist nur nach individueller Prüfung des Einzelfalls beim Vorliegen konkreter Umstände für eine Wiederholungsgefahr zulässig, wenn also konkrete Befürchtungen ersichtlich sind, der Beamte werde sich trotz der ihm wegen desselben Sachverhalts bereits auferlegten Kriminalstrafe erneut einer Dienstpflichtverletzung schuldig machen. Bei dieser konkret-individuellen Prüfung, ob zusätzlich eine Disziplinarmaßnahme verhängt werden muss, ist die Frage der Angemessenheit der Strafe unerheblich (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2005 – 1 D 13.04 –, juris Rn. 22).

(b) Ausgehend von diesem Maßstab bestehen zur Überzeugung des Senats – aus gegenwärtiger Sicht (vgl. Weiß, in: a.a.O. Rn. 64) – keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beklagte durch die im sachgleichen Strafverfahren gegen sie verhängte Sanktion nicht davon werde abhalten lassen, wieder in gleicher oder ähnlicher Weise dieselben oder andere dienstliche Pflichten zu verletzen (vgl. Weiß, in: a.a.O., Rn. 69 und 73), nicht im hinreichenden Maße festzustellen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte erstmals strafbar gemacht hat und damit keine Wiederholungstäterin ist. Überdies hat sie – wie bereits an anderer Stelle erläutert – die negative Lebensphase, auf die ihre Diebstahlstaten zurückzuführen sind, erfolgreich überwunden, so dass auch keine Anhaltspunkte bestehen, die zu der Annahme berechtigen, von ihr werde eine Wiederholungsgefahr ausgehen. Sie hat sich ferner einer Therapie unterzogen und ihr Dienstvergehen aufgearbeitet. Dass diese Bemühungen der Beamtin nicht fruchtlos geblieben sind, davon konnte der Senat in der mündlichen Verhandlung einen authentischen und glaubhaft wirkenden Eindruck gewinnen. Der Senat hat aus den genannten Gründen keinen Zweifel daran, dass ihr das Verfahren selbst die Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens hinreichend verdeutlicht hat und so eine nicht unerhebliche Pflichtenmahnung bewirkt worden ist, zumal seit dem Dienstvergehen fünf Jahre verstrichen sind, ohne dass es zu einer erneuten Straftat gekommen ist: Ein solcher Zeitraum des Wohlverhaltens verliert nicht schon deswegen seine Aussagekraft, weil die Beamtin unter dem Druck des immer noch anhängigen Disziplinarverfahrens stand; mit zunehmender Dauer gewinnt das Wohlverhalten eigenständige Bedeutung.

Nach alledem ist eine Entscheidung über die Hilfsanträge der Beklagten entbehrlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 DiszG, § 77 Abs. 1 BDG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 3 DiszG in Verbindung mit § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 41 DiszG, § 69 BDG in Verbindung mit § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.