Gericht | SG Neuruppin 26. Kammer | Entscheidungsdatum | 22.08.2011 | |
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Aktenzeichen | S 26 AS 1090/11 ER | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 03. Juni 2011 sowie vom 28. Juli 2011 werden abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Beteiligten streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens um die Gewährung von Leistungen nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II), wobei im Wesentlichen umstritten ist, ob der Antragsgegner verpflichtet ist, für die Monate Juli 2011 bis Dezember 2011 die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge abzuführen und in diesem Zeitraum (höhere) Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende zu gewähren; ferner begehren die Antragsteller Einsicht in die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners.
Die bei dem Sozialgericht Neuruppin am 03. Juni 2011 sowie am 28. Juli 2011 eingegangenen Anträge, mit dem die Antragsteller (sinngemäß) beantragen,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge für den Zeitraum von Juli 2011 bis Dezember 2011 abzuführen und ihnen für diesen Zeitraum vorläufig (höhere) Leistungen nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zu gewähren,
haben keinen Erfolg.
Der gemäß § 86 b Abs. 2 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf den Erlass einer Regelungsanordnung gerichtete Antrag ist teilweise unzulässig (dazu unter 1.); im Übrigen ist der Antrag zwar zulässig, jedoch unbegründet (dazu unter 2.).
1. a) Soweit die Antragsteller begehren, den Antragsgegner für den Zeitraum von Juli 2011 bis Dezember 2011 vorläufig zu verpflichten, die Beiträge zur Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung abzuführen, ist das Begehren bereits unzulässig, weil ihnen hierfür ein Rechtsschutzbedürfnis nicht zur Seite steht. Insoweit hat der Antragsgegner unwidersprochen vorgebracht, dass für die Antragstellerin aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 31. Mai 2011 neben der Gewährung der laufenden Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende die Beiträge zur Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 Nr. 2a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) i. V. m. §§ 243, 246 i. V. m. §§ 251 Abs. 4 , 252 Abs. 1 S. 2 SGB V sowie nach Maßgabe des § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a des Elften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Pflegeversicherung – (SGB XI) i. V. m. § 55 Abs. 1 SGB XI i. V. m. § 59 Abs. 1 S. 1 SGB XI i. V. m. § 252 Abs. 1 S. 2 SGB V abgeführt werden und dass der Antragsteller wegen der Regelungen des § 10 Abs. 1 SGB V als familienversichertes Mitglied versicherungsbeitragsfrei Krankenversicherungs- und gemäß § 25 Abs. 1 SGB XI versicherungsbeitragsfrei Pflegeversicherungsschutz genießt. Für eine gerichtliche Verpflichtung des Antragsgegners hierzu im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens besteht daher von vornherein offensichtlich kein Raum. Insoweit ist der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes unzulässig.
b) Gleiches gilt, soweit die Antragsteller mit ihrem Schriftsatz vom 28. Juli 2011 antragserweiternd begehrt haben, ihnen (zumindest) die sich aus dem Bewilligungsbescheid vom 31. Mai 2011 ergebenden Leistungen für den Monat August 2011 in Höhe eines Betrages von 627,85 € zu gewähren. Insoweit hat der Antragsgegner zwischenzeitlich mitgeteilt, dass aus ungeklärter Ursache für den Monat August 2011 ein Betrag in Höhe von 429,00 € versehentlich nicht ausgezahlt worden und dies unter dem 04. August 2011 umgehend nachgeholt worden ist. Insoweit steht den Antragstellern für dieses Begehren ebenfalls kein Rechtsschutzbedürfnis (mehr) zur Seite.
2. a) Soweit die Antragsteller begehren, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig zu verpflichten, für den oben umrissenen Zeitraum Beiträge zur Gesetzlichen Rentenversicherung abzuführen, ist der Antrag zwar zulässig, jedoch unbegründet. Nach der genannten Vorschrift des § 86b Abs. 2 S. 2 SGG ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Anordnungsanspruch, d. h. die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist, sowie der Anordnungsgrund, d. h. die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung, sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Diese Voraussetzungen sind indes nicht erfüllt. Es kann offen bleiben, ob die Antragsteller überhaupt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht haben, was die Kammer zumindest für zweifelhaft hält, weil nicht ersichtlich ist, inwiefern durch die Nichtabführung von Rentenversicherungsbeiträgen überhaupt eine schier unerträgliche existenzielle Notlage einzutreten droht oder fortwirkt, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu rechtfertigen vermag. Jedenfalls haben die Antragsteller aber das Vorliegen eines Anordnungsanspruches nicht glaubhaft machen können. Gemäß § 3 Nr. 3a SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung galten Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II beziehen als in der Gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig, so dass dementsprechend durch den jeweiligen Träger der Leistungen nach dem SGB II auch die Rentenversicherungsbeiträge abzuführen waren. Mit Wirkung zum 01. Januar 2011 ist diese Regelung indes aufgrund von Artikel 19 Nr. 2b) des Haushaltsbegleitgesetzes vom 09. Dezember 2010 (BGBl. I, S. 1885, 1897) aufgehoben worden, so dass Bezieher von Leistungen nach dem SGB II nicht mehr rentenversicherungspflichtig sind und folglich auch keinen Anspruch auf Abführung von Rentenversicherungsbeiträgen mehr geltend machen können; hierauf hat der Antragsgegner auch bereits völlig zu Recht hingewiesen. Daher haben die Antragsteller auch insoweit das Vorliegen eines Anordnungsanspruches nicht glaubhaft machen können.
b) Soweit der Antrag der Antragsteller ferner darauf gerichtet ist, den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen vorläufig für den Zeitraum von Juli 2011 bis Dezember 2011 höhere Leistungen nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) zu gewähren, mangelt es auch insoweit am Vorliegen eines Anordnungsanspruches. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass den Antragstellern über den mit Bewilligungsbescheid vom 31. Mai 2011 gewährten Zahlbetrag in Höhe von 627,85 € hinaus weitere Leistungen – insbesondere solche für die Kosten der Unterkunft und Heizung nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II – zustehen könnten. Vielmehr spricht Manches dafür, dass den Antragstellern sogar ohnehin ein geringerer Zahlbetrag zu bewilligen wäre. Das Landessozialgericht Berlin – Brandenburg hat insoweit in seinem Beschluss vom 29. Juni 2011 – L 10 AS 823/11 B ER – über die Beschwerde gegen den im hier vorangegangenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Beschluss der Kammer vom 21. April 2011 – S 26 AS 187/11 ER – ausgeführt, dass für Zeiträume ab dem 29. Juni 2011 jedenfalls ein Anspruch auf Übernahme der für die Finanzierungsdarlehen des selbst genutzten Eigenheimes aufzuwendenden Schuldzinsen nicht bestehen kann. Denn die nach der nunmehr erfolgten Kündigung der Finanzierungsdarlehen durch die kreditgebende D-Bank vom 16. Juni 2011 entstehenden Verzugszinsen würden nicht mehr zum Zwecke der Schaffung bzw. Erhaltung einer Unterkunft aufgewandt, was indes Voraussetzung für einen aus § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II folgenden Anspruch höherer Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung wäre. Diesen Erwägungen schließt sich die Kammer ausdrücklich an; einen Anordnungsanspruch haben die Antragsteller damit auch insoweit nicht glaubhaft machen können.
3. Hinsichtlich der auch in diesem Verfahren begehrten Akteneinsicht wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Ausführungen im Beschluss der Kammer vom heutigen Tage zum Aktenzeichen S 26 AS 1046/11 ER Bezug genommen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG; sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache, in der die Antragsteller vollumfänglich unterlagen. Auch im Hinblick auf die verspätete Auszahlung eines Teilbetrages der mit Bescheid vom 31. Mai 2011 gewährten Leistungen ist es nicht gerechtfertigt, den Antragsgegner mit einem Teil der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu belasten, da es den Antragstellern insoweit zuzumuten gewesen wäre, sich vor der Einleitung gerichtlicher Schritte vorab mit dem Antragsgegner in Verbindung zu setzen, um den Verbleib des offenen Betrages für den Leistungsmonat August 2011 zu erfragen, nachdem die Leistungen für den Monat Juli 2011 offenbar in der bewilligten Höhe zur Auszahlung gekommen waren und für eine Veränderung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage keine Anhaltspunkte bestanden; jedenfalls haben die Antragsteller hierzu nichts vorgetragen, es ist auch im Übrigen hierfür nichts ersichtlich. Insoweit bestand für Durchsetzung des mit der Antragserweiterung verfolgten Begehrens zunächst ein einfacherer und effektiverer Weg, so dass den Antragstellern hierfür von Anfang an kein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite stand.
5. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.