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Geschiedenenwitwenrente; Unterhaltsverzicht; Sittenwidrigkeit


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 26.03.2010
Aktenzeichen L 3 R 975/07 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 243 SGB 6, § 72 EheG 1946

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 22. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin aus der Versicherung ihres geschiedenen Ehemannes eine Geschiedenenwitwenrente zusteht.

Die 1935 geborene Klägerin hatte mit dem Versicherten D WR 1965 die Ehe geschlossen. Ausweislich des Urteils des Landgerichts Berlin ([LG Berlin], 32 R 196/66) wurde die Ehe am 1968 rechtskräftig aus dem Alleinverschulden des Versicherten geschieden. Die Eheleute lebten bereits vor der Scheidung seit dem 13. April 1966 voneinander getrennt. Am 15. Mai 1966 kehrte die Klägerin, die amerikanische Staatsbürgerin ist, in die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) zurück, wo 1966 ihr Sohn M A als eheliches Kind des Versicherten geboren wurde.

Ausweislich des Beschlusses des Kammergerichts Berlin (KG) vom 08. Januar 1968 (8 W 1504/67) war der Versicherte durch Beschluss des LG Berlin vom 17. Oktober 1966 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden, an die Klägerin für die Zeit vom 01. Mai bis zum 31. August 1966 eine monatliche Unterhaltsrente von 150,00 DM und ab dem 01. September 1966 eine Unterhaltsrente von 400,00 DM zu zahlen. Die hiergegen mit dem Antrag, den Beschluss insoweit aufzuheben, als der Klägerin ab dem 01. September 1966 eine Unterhaltsrente von mehr als 150,00 DM zu zahlen sei, gerichtete Beschwerde des Versicherten hatte das KG mit Beschluss vom 01. Dezember 1966 zurückgewiesen. In seinem Beschluss vom 08. Januar 1968 bestätigte das KG die vom LG Berlin im Beschluss vom 05. Juli 1967 ausgesprochene Zurückweisung des Antrags des Versicherten auf rückwirkende Aufhebung des Beschlusses des LG Berlin vom 17. Oktober 1966 und führte des Weiteren aus, der Klägerin stehe Unterhalt wegen Getrenntlebens auch für die Zukunft zu, und zwar unabhängig von der Frage, ob eventuell kalifornisches Recht anzuwenden sei. Da dieses sich nicht wesentlich von dem deutschen Unterhaltsrecht unterscheide, sei der Maßstab für den Unterhaltsanspruch aus § 1361 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu entnehmen. Hiernach würden 400,00 DM der Billigkeit entsprechen, ein Betrag, der seinerzeit noch nicht einmal ein Drittel des berechneten Gehaltes des Versicherten darstelle. Der Versicherte sei in der Lage, diesen Betrag ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts an die Klägerin zu zahlen. Diese habe anhand einer Bescheinigung des deutschen Generalkonsulats von Los Angeles vom 12. Januar 1967 glaubhaft gemacht, dass sie für sich und das gemeinschaftliche Kind lediglich 145 US-$ monatlich als Fürsorgeunterstützung erhalte und im Übrigen weder über Einkommen noch über Vermögen verfüge. Das Existenzminimum für deutsche Staatsangehörige liege nach Auskunft des deutschen Generalkonsulates von Los Angeles bei 210 US-$ monatlich. Auch unter Einschluss der Fürsorgeunterstützung erhalte die Klägerin nur einen Betrag, der mit etwa 245 US-$ (zuzüglich von 100,00 DM = etwa 25 US-$ für das Kind) nur geringfügig über dem Existenzminimum liege. Die Klägerin könne auch nicht darauf verwiesen werden, selbst eine Berufstätigkeit aufzunehmen, denn sie habe für das am 12. Dezember 1966 geborene Kind zu sorgen.

Im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens (Scheidungsurteil des LG Berlin, 32 R 196/66) schlossen die Parteien am 18. März 1968 für den Fall der Rechtskraft des Scheidungsurteils unter beidseitigem Rechtsmittelverzicht folgenden Vergleich:

1.

Herr R zahlt Unterhalt an die Klägerin nach Maßgabe des Beschlusses des LG Berlin vom 17. Oktober 1966 bis einschließlich 31. Dezember 1967. Ab 1. Januar 1968 verzichtet Frau R für sich auf jeglichen Unterhalt für die Zukunft einschließlich des Notbedarfs, sowie einer unverschuldeten Erwerbsunfähigkeit.

Herr R nimmt diesen Verzicht an.

2.

Ab 1. Januar 1968 zahlt Herr R an das eheliche Kind der Parteien M A monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 150,00 DM, monatlich im Voraus, fällig spätestens am 3. Werktag eines jeden Monats.

Die Parteien sind darüber einig, dass diese Regelung bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres des Kindes M A gilt. Alsdann soll unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse beider Elternteile eine neue Unterhaltesregelung getroffen werden.

3.

4.

Herr R übernimmt alleinschuldnerisch die Rückzahlung des Ehestandsdarlehens in der noch valutierenden Höhe. Er verpflichtet sich insoweit, im Innenverhältnis Frau R von jeglicher Verpflichtung freizustellen und dem kontoführenden Institut davon Anzeige zu machen.

5.

Herr R zahlt zur Abgeltung aller Ansprüche aus eventuellem Zugewinn, gleichzeitig aus dem Gesichtspunkt der Kostenbeteiligung an dem Umzug der Klägerin, an diese einen einmaligen Betrag von 1.500,- DM in fortlaufenden gleich bleibenden monatlichen Raten von 100,- DM, beginnend, sobald der sich zu der Vereinbarung zu Ziffer 1) ergebende Unterhaltsrückstand abgedeckt ist. Der ziffernmäßig noch genau zu ermittelnde Rückstand wird in Monatsraten von 100,- DM, beginnend ab 1. April 1968 abgetragen.

6.

Die Parteien sind sich darüber einig, dass es hinsichtlich des Hausrats bei dem jetzigen Rechtsstand bleibt.

7.

8.

Mit Abschluss dieses Vergleichs erklären die Beteiligten übereinstimmend, dass sie keinerlei Ansprüche mehr aneinander, gleich aus welchem Rechtsgrund, insbesondere auch aus dem Gesichtspunkt eines möglichen Zugewinns, haben.

Die Klägerin hat nicht wieder geheiratet. Der Versicherte heiratete am 13. Juni 1968 die Beigeladene. Das gemeinsame Kind des Versicherten und der Beigeladenen (A) wurde 1968 geboren.

1971 verstarb der Versicherte. Das von der Beklagten ermittelte Nettogesamteinkommen zur Zeit seines Todes belief sich auf mindestens ca. 1.100,00 DM. Der Versicherte war als Versicherungskaufmann erwerbstätig und wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze seit April 1964 versicherungsfrei.

Die Beklagte bewilligte der Beigeladenen Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des Verstorbenen. Außerdem wurde Halbwaisenrente für die Söhne M A und A gezahlt.

Mit bei der Beklagten am 02. Juni 2000 eingegangenem Schreiben beantragte die Klägerin die Gewährung von Hinterbliebenenrente und gab an, die einzige Zahlung für sie und das Kind sei die für ihren Sohn M A bis zu seinem 18. Lebensjahr gezahlte Halbwaisenrente gewesen. Zum Zeitpunkt der Auflösung der Ehe habe sie kein Einkommen gehabt. Unterhaltszahlungen von dem Versicherten habe sie nie erhalten. Ein Unterhaltsprozess nach Auflösung der Ehe sei auch nicht geführt worden. Zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten habe sie aus ihrer Beschäftigung als Buchhalterin 350,00 DM verdient und sei in der Lage gewesen, sich selbst zu unterhalten.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 16. November 2000 die Gewährung einer Geschiedenenwitwenrente aus der Versicherung des Herrn D R ab, da § 243 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) u. a. voraussetze, dass die Klägerin im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten Unterhalt von diesem erhalten oder zuletzt vor dessen Tod einen Anspruch hierauf gehabt habe. Die Klägerin habe im Rentenantrag selbst angegeben, zuletzt vor dem Tode des Versicherten keinen Unterhalt von ihm erhalten zu haben. Auch ein Unterhaltsanspruch führe nicht automatisch zum Rentenanspruch, vielmehr bestehe dieser nur dann, wenn die Unterhaltsverpflichtung des Verstorbenen eine wirtschaftliche Bedeutung für den Antragsteller gehabt habe. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei dies dann der Fall, wenn der Unterhaltsanspruch mindestens 25 % des zeitlichen und notwendigen Mindestbedarfs zum Lebensunterhalt erreiche. Da die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt zur Zeit des Todes des Versicherten im Ausland gehabt habe, seien für die Bestimmung des Mindestbedarfes die Verhältnisse in dem jeweiligen Land zugrunde zu legen. Ein Witwenrentenanspruch könne somit nur dann entstehen, wenn der Versicherte zuletzt vor seinem Tode eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Klägerin i. H. v. mindestens 120,00 DM im Monat gehabt habe. Für die Ermittlung des Unterhaltsanspruches nach §§ 58, 59 Ehegesetz (EheG) seien zunächst das Nettogesamteinkommen der Klägerin (monatlich 350,00 DM) und das des Verstorbenen (monatlich ca. 1.100,00 DM) = insgesamt 1.450,00 DM nach dem „Zwickauer Schlüssel“ in dem Verhältnis 4 : 2 : 2 : 1 : 1 = 10 Teile (4 Teile für den Versicherten, 2 Teile für die geschiedene Ehefrau, 2 Teile für die Ehefrau, ein Teil für das Kind M Rf, ein Teil für das Kind A R) aufzuteilen. Aus der Quote der Klägerin von 2/10 = 1/5 (290,00 DM) ergebe sich nach Abzug ihres Nettogesamteinkommens von 350,00 DM von dieser Summe kein Betrag zu ihren Gunsten. Somit habe kein Unterhaltsanspruch nach den Vorschriften des EheG bestanden und ein Rentenanspruch nach § 243 Abs. 2 SGB VI bestehe daher auch nicht. Ein Anspruch gem. § 243 Abs. 3 SGB VI bestehe ebenfalls nicht, weil eine Witwenrente (an die Beigeladene) zu zahlen sei.

Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin unter Vorlage von „Bankkontrollabschnitten“ für das Jahr 1970 (12) und für das Jahr 1971 (3) geltend, dass sie 250,00 DM (= 68, 68 US-$) monatlich von dem Versicherten bis zu seinem Tode erhalten habe. Eine Tätigkeit habe sie erst danach aufgenommen und bis dahin kein Einkommen gehabt. Aus dem beigefügten Armenrechtszeugnis des deutschen Generalkonsulates von Los Angeles vom 03. August 1979 für die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs des Sohnes M A ergebe sich, dass ihr Einkommen (= 964 US-$) knapp über dem Existenzminimum (= 853 US-$ für eine Einzelperson mit Kind) liege.

Auf die Anfrage der Beklagten, weshalb sie zunächst erklärt habe, zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten eigene Einkünfte erzielt zu haben, gab die Klägerin wiederum an, bis zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten kein eigenes Einkommen für sich und ihren Sohn gehabt zu haben. Bei den Zahlungen von Juni bis Dezember 1971 habe es sich um lebensnotwendige Nachzahlungen gehandelt. Ihrem Schreiben fügte die Klägerin Kopien für „Ausgaben“ (Krankenkassenversicherungsbeiträge) und das Armutszeugnis bei.

Die Beklagte forderte vom US-amerikanischen Versicherungsträger einen Versicherungsverlauf vom 14. Juni 2001 für die Klägerin an, der ab dem 3. Quartal des Jahres 1967 bis Ende des Jahres 1980 und dann ab Januar 1982 bis Ende des Jahres 1990 fortlaufend Beiträge für Lohn (Wages) aufwies.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente bestehe nicht, weil die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass sie im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten Unterhalt von diesem erhalten oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tode einen Anspruch hierauf gehabt habe. Bei der Ehescheidung sei eine Regelung zur Zahlung von Unterhalt nicht getroffen worden. Nach eigenen Angaben habe sich die Klägerin auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht darum bemüht, mit dem geschiedenen Ehegatten eine Unterhaltsvereinbarung zu treffen bzw. eine evtl. bestehende Unterhaltsverpflichtung gerichtlich regeln zu lassen. Die im Verwaltungsverfahren abgegebene Erklärung, zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten in der Lage gewesen zu sein, sich selbst zu unterhalten, habe die Klägerin zwar im Widerspruchsverfahren widerrufen. Ihre Behauptung, zur Zeit des Todes keine Beschäftigung ausgeübt bzw. eine solche erst danach aufgenommen zu haben, sei jedoch nicht glaubhaft. Der angeforderte US-amerikanische Versicherungsverlauf lasse vielmehr erkennen, dass die Klägerin seit ihrer Rückkehr in die USA eine fortlaufende Beschäftigung in den USA ausgeübt und hieraus Einkünfte erzielt habe. Eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten sei daher nicht anzunehmen.

Mit ihrer hiergegen bei dem Sozialgericht Berlin (SG Berlin) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren auf Gewährung von Geschiedenenwitwenrente weiter verfolgt und vorgetragen, dass der rechtskräftige Beschluss des KG vom 08. Januar 1968 die Pflicht des Versicherten zur Zahlung einer monatlichen Unterhaltsrente von 400,00 DM ab dem 01. Dezember 1966 bestätige. Diese Entscheidung habe bis zum Tode des Versicherten im März 1971 Bestandskraft gehabt, denn sie sei zu keinem Zeitpunkt abgeändert bzw. eine entsprechende Abänderungsklage von dem Versicherten angestrengt worden. Bereits im November 1966 sei gegen den Versicherten vollstreckt worden, insoweit verweise sie auf die Mitteilung des Rechtsanwalts H vom 17. November 1966. Zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten sei das gemeinsame Kind 4 ½ Jahre alt gewesen, so dass sowohl nach amerikanischen als auch nach deutschen Gesetzen der Kindesmutter neben dem Kindesunterhalt auch Betreuungsunterhalt zugestanden hätte.

Die Klägerin hat zur Untermauerung ihres Vortrags diverse Unterlagen vorgelegt, u. a. Eingaben an die Justizverwaltung, eine in ihrem Auftrag gegen den Versicherten durch Rechtsanwalt H erstattete Strafanzeige wegen Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 b Strafgesetzbuch), aus der sich fruchtlose Vollstreckungsversuche der Klägerin, die für sich einen Unterhaltsbetrag von 450,00 DM und für das Kind einen Unterhalt von 250,00 DM gefordert hatte, in das Vermögen des Versicherten ergeben.

Die Beklagte hat erwidert, dass auch nach dem Beschluss des KG vom 08. Januar 1968 eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten für die Zeit nach Scheidung der Ehe im März 1968 nicht vorliege. Eine während der Ehe bestehende Unterhaltsverpflichtung müsse nicht automatisch auch nach der Ehescheidung noch bestanden habe. Aus den vorgelegten Überweisungsbelegen der Kalenderjahre 1970 und 1971 gehe der Unterhaltscharakter der Zahlungen nicht eindeutig hervor. Die Zahlung erfolge regelmäßig auf einem Basiswert von monatlich 250,00 DM. Dieser Zahlbetrag würde auch der vom KG angeordneten Unterhaltszahlung von monatlich 400,00 DM nicht entsprechen. Auch bleibe unklar, zu wessen Gunsten die Zahlungen tatsächlich bestimmt gewesen seien. Sofern darin Unterhaltsansprüche für das im Dezember 1966 in den USA geborene Kind M A enthalten gewesen seien, sei fraglich, in welcher Höhe der Gesamtleistung tatsächlich Unterhaltsansprüche der Klägerin abgedeckt worden seien. Zudem sei zweifelhaft, ob diese „Unterhaltsleistung“ des Verstorbenen regelmäßig 25/100 des zeitlich und örtlich notwendigen Mindestbedarfes zum Lebensunterhalt erreicht hätte.

Mit Beschluss vom 16. Dezember 2003 hat das SG die zweite Ehefrau des Versicherten, K R, zum Verfahren beigeladen.

Die Beigeladene hat vorgetragen, dass nach der Ehescheidung bzw. auch während des Scheidungsverfahrens an die Klägerin kein Unterhalt gezahlt worden sei. Es sei gegenseitig auf Ansprüche verzichtet und auch kein Unterhalt festgesetzt oder jemals gefordert worden. Die Klägerin habe in den USA nachweislich eine Arbeitsstelle und daher keinen Unterhaltsanspruch gehabt. Eine Vollstreckung gegen den Versicherten habe es nie gegeben. Bei den Überweisungen könne es sich nur um Unterhaltszahlungen für das am 12. Dezember 1966 geborene Kind handeln. Die Zahlungen hätten erst Anfang des Jahres 1967 begonnen und könnten nur bis März 1971 gezahlt worden sein. Das Bankkonto des Versicherten sei nach dessen Tod geschlossen worden und habe keine Guthaben mehr ausgewiesen. Auch sei keine Erbmasse vorhanden gewesen.

Mit Beschluss vom 04. Juli 2005 hat das SG Berlin den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten an das örtlich zuständige SG Potsdam verwiesen.

Das SG Potsdam hat die Klage mit Urteil vom 22. Februar 2007 abgewiesen und ausgeführt, der Anspruch auf große Witwenrente scheitere daran, dass die Klägerin im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten keinen Unterhalt von diesem erhalten und im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tode auch keinen Anspruch hierauf gehabt habe (§ 243 Abs. 2 Ziff. 3 SGB VI). Bei den mit den vorgelegten Bankkontrollabschnitten nachgewiesenen Zahlungen von monatlich 250,00 DM = 68,40 US-$ (kursschwankend) handele es sich um die Unterhaltszahlungen für das 1966 geborene Kind. Hierfür spreche, dass der Versicherte von Rechtsanwalt H mit Schriftsatz vom 02. Januar 1967 aufgefordert worden sei, für das Kind ab dem 01. Januar 1967 Unterhalt i. H. v. 200,00 DM monatlich zu zahlen. Soweit der Basiswert um 50,00 DM höher ausfalle, als die Unterhaltsforderung, könne auch insoweit nicht von einer Unterhaltsleistung für die Klägerin ausgegangen werden, denn dieser Betrag erreiche nicht den für die Annahme von Unterhaltsleistungen geforderten Mindestbetrag von 25/100 des zeitlich und örtlich notwendigen Mindestbedarfes zum Lebensunterhalt.

Auch wenn die Klägerin aufgrund des Scheidungsurteils vom 18. März 1968 mit dem alleinigen Schuldspruch dem Versicherten gegenüber einen (fiktiven) Unterhaltsanspruch gehabt habe, dürfe das aus dem US-amerikanischen Versicherungsverlauf ersichtliche Einkommen der Klägerin aus Erwerbstätigkeit nicht unberücksichtigt bleiben. Im Allgemeinen sei davon auszugehen, dass eine Erwerbstätigkeit, der die geschiedene Frau zur Zeit des Todes des Mannes nachgegangen sei, von ihr auch „zumutbar“ verrichtet worden sei. Die Klägerin müsse sich billigerweise auf die Erwerbseinkünfte verweisen lassen, weil nicht davon auszugehen sei, dass die von ihr verrichtete Tätigkeit lediglich wegen der Notlage aufgrund ausbleibender Unterhaltszahlungen erzwungen sei und deshalb eine Anrechnung unbillig wäre (BSG, Beschluss vom 09. Dezember 1997, 8 BKN 9/97, veröffentlicht in juris).

Ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente könne auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Klägerin im Zeitraum der Trennung ein Unterhaltsanspruch i. H. v. 400,00 DM monatlich zuerkannt worden sei. Diese Verpflichtung habe nach der Scheidung, insbesondere zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten, nicht mehr bestanden, denn Grundlage der einstweiligen Anordnung seien die Einkommensverhältnisse des Versicherten in den Jahren 1966 und 1967 gewesen. Der Versicherte habe nach der Scheidung vom 18.März 1968 ein zweites Mal geheiratet und es sei ein weiteres Kind aus dieser Ehe hervorgegangen. Damit hätten sich aber die Einkommensverhältnisse des Versicherten gegenüber dem Zeitpunkt des Beschlusses des LG Berlin vom 17. Oktober 1966 und zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung des KG vom 08. Januar 1968 grundlegend geändert. Mit der Gründung der neuen Familie habe der Versicherte Verpflichtungen gegenüber weiteren unterhaltsberechtigten Personen gehabt, so dass er darüber hinaus nicht mehr unterhaltsfähig gewesen sei. Im Übrigen gälten Regelungen im vorläufigen Verfahren, wie sie hier getroffen worden seien, lediglich bis zur Entscheidung in der Hauptsache (hier Scheidung).

Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf große Witwenrente gem. § 243 Abs. 3 SGB VI, denn es bestehe bereits ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente für die Beigeladene als Witwe des Versicherten aus dessen Anwartschaften und werde auch gezahlt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ergänzend vorträgt, sie habe bis März 1971 in äußerst beengten finanziellen Verhältnissen, und zwar bei ihrer Mutter in einem Zimmer mit ihrem Kind, gelebt. Ihr Sohn sei zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten erst vier Jahre alt gewesen und sie habe ihn nicht tagsüber in einem Kindergarten unterbringen können. Ihre Mutter sei selbst vollzeitig berufstätig gewesen und habe daher die Betreuung des Enkels nicht übernehmen können. Erst in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre sei sie einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit nachgegangen und habe ein monatliches Einkommen von brutto 964 US-$ erzielt, wobei damals das Existenzminimum für eine Einzelperson 853 US-$ betragen habe.

Sie habe zudem mit dem Beschluss des LG vom 17. Oktober 1966 einen rechtskräftigen Unterhaltstitel, denn gem. § 641 e ZPO trete die einstweilige Anordnung über die Festsetzung des Unterhalts nur dann außer Kraft, wenn ein anderer Schuldtitel, der nicht nur vorläufig vollstreckbar sei, über den Unterhalt erlangt werde. Sie verweise zur Untermauerung ihrer Rechtsansicht, dass der vom KG bestätigte Beschluss des LG Berlin zur Unterhaltszahlung auch nach Verkündung bzw. Rechtskraft des Scheidungsurteils weiterhin Bestand gehabt habe, auf die Entscheidungen des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt vom 15. Juli 1987 (Familienrechtszeitung [FamRZ] 1987, 1279) und des OLG Karlsruhe (FamRZ 1988, 855). Diese Grundsätze gälten auch für eine einstweilige Anordnung über den Unterhalt, weil insoweit auch der nacheheliche Unterhalt damit geregelt werde; diese trete nicht mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils außer Kraft, so dass weiterhin aus ihr vollstreckt werden dürfe (vgl. Bundesgerichtshof [BGH], Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 1981, 978 und 1983, 1330). Sie habe auch aus dem einstweiligen Anordnungsbeschluss gegen den Versicherten vollstreckt. Sie habe mithin einen Unterhaltsanspruch gehabt, und zwar in der Form des Betreuungsunterhalts. Im Zeitpunkt des Todes des Kindesvaters sei das Kind vier Jahre alt gewesen und habe weiterhin der besonderen Pflege und der Betreuung durch seine Mutter bedurft. Jede Tätigkeit, die die Mutter gegen Entgelt ausgeübt habe, sei überobligationsmäßig und nicht auf den ihr zugesprochenen Unterhalt anrechenbar.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26. März 2010 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin noch ergänzend vorgetragen, er halte den vor dem LG Berlin am 18. März 1968 im Scheidungsverfahren geschlossenen Vergleich für sittenwidrig.

Die Klägerin hat zum Nachweis, dass der Versicherte den Unterhaltsanspruch anerkannt habe, die Kopie eines Briefes an sie vom 01. November 1968 vorgelegt. Hierin wird ausgeführt: „Deiner Bitte, Dich bzw. Markus zu unterstützen, will ich gern nachkommen. … Ich überweise Dir das Geld dann zusammen mit der nächsten Zahlung auf Dein Bankkonto.“

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 22. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2001 zu verurteilen, ihr eine Geschiedenenwitwenrente ab dem 01. Juni 2000 aus der Versicherung des Herrn Dieter R zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist weiterhin der Auffassung, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sie im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten Unterhalt von diesem erhalten oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tode einen Anspruch hierauf gehabt habe.

Die Beigeladene beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26. März 2010 hat die Beigeladene ergänzend erklärt, sie habe anlässlich der Eheschließung und Geburt des Sohnes ihr Studium aufgeben müssen. Ihr Mann habe nicht gewollt, dass sie arbeite. Gleich nach dem Tode ihres Mannes habe sie sich eine Arbeitsstelle gesucht.

Auf Befragen, welches Einkommen ihr Ehemann 1970 gehabt habe, hat die Beigeladene erklärt, dass sie den Betrag nach 40 Jahren nicht mehr sagen könne. Es sei ein gutes Einkommen gewesen. Unterlagen aus dieser Zeit besitze sie nicht mehr.

Der Senat hat vom Archiv des Familiengerichts beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg aus der mikroverfilmten (Rest-)Verfahrensakte des LG Berlin (32 R 196/66) das Sitzungsprotokoll und das Scheidungsurteil vom 18. März 1968 in Kopie beigezogen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten, die ebenfalls Gegen-stand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2001 ist rechtmäßig, da der Klägerin eine Geschiedenenwitwenrente aus der Versicherung des Herrn Dieter R nicht zusteht.

Nach § 243 Abs. 1 SGB VI besteht auch für geschiedene Ehegatten ein Anspruch auf kleine Witwenrente ohne Beschränkung auf 24 Kalendermonate, wenn deren Ehe vor dem 01. Juli 1977 geschieden ist, sie nicht wieder geheiratet haben und sie im letzten Jahr vor dem Tod des geschiedenen Ehegatten Unterhalt von diesem erhalten hatten oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tode einen Anspruch hierauf gehabt hätten, sofern der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und nach dem 30. April 1942 verstorben ist. Nach § 243 Abs. 2 SGB VI besteht auch für geschiedene Ehegatten Anspruch auf große Witwenrente unter der weiteren Voraussetzung, dass sie entweder ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten erziehen (§ 46 Abs. 2 SGB VI) oder das 45. Lebensjahr vollendet haben oder erwerbsgemindert sind oder vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig (§ 240 Abs. 2) sind oder am 31. Dezember 2000 bereits berufsunfähig oder erwerbsunfähig gewesen sind und dies ununterbrochen sind.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vollumfänglich vor. Zwar ist die Ehe der Klägerin vor dem 01. Juli 1977, nämlich am 18. März 1968, rechtskräftig vor dem LG Berlin geschieden worden, die Klägerin hat auch nicht wieder geheiratet, sie hat ein eigenes Kind erzogen, das 45. Lebensjahr vollendet und der Versicherte hat die allgemeine Wartezeit erfüllt und ist nach dem 30. April 1942 verstorben. Der Anspruch auf große (wie auch auf kleine) Witwenrente scheitert jedoch daran, dass die Klägerin im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten weder Unterhalt von diesem erhalten hat noch im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tode einen Anspruch hierauf gehabt hätte (§ 243 Abs. 2 Ziff. 3 und Abs. 1 Ziff. 3 SGB VI).

Zwar hatte der Versicherte, wie von der Klägerin durch die vorgelegten „Bankkontrollabschnitte“ für das Jahr 1970 (12) und für das Jahr 1971 (3) belegt, monatlich 250,00 DM (= 68, 68 US-$) an diese überwiesen. Diese Zahlungen sind zur Überzeugung des Senats jedoch nicht als Unterhaltszahlungen an die Klägerin anzusehen. Vielmehr handelte es sich – wie von der Klägerin im Verwaltungsverfahren auch zunächst angegeben – zum einen um den Kindesunterhalt für den Sohn M A in Höhe von 150,- DM monatlich und zum anderen um die monatliche Rate zur Tilgung der im Scheidungsfolgenvergleich vom 18. März 1968 unter Ziffer 5 eingegangenen Verpflichtungen des Versicherten. Soweit die Klägerin nämlich später vorgetragen hat, es fehle an einem Titel für den Kindesunterhalt, hat sich dieser Vortrag als unzutreffend erwiesen. Vielmehr wurde anlässlich der Ehescheidung vor dem LG Berlin (32 R 196/66) am 18. März 1968 der im Tatbestand dargestellte Vergleich geschlossen. Eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs, der weder angefochten noch widerrufen worden ist, wurde der Klägerin bereits am 25. April 1968 erteilt. Hiernach verpflichtete sich der Versicherte, ab dem 01. Januar 1968 an das Kind M A bis zur Vollendung von dessen sechstem Lebensjahr monatliche Unterhaltsbeträge in Höhe von 150,00 DM zu leisten, wogegen die Klägerin ab dem 01. Januar 1968 für sich auf jeglichen Unterhalt für die Zukunft verzichtete. Des Weiteren ergibt sich aus Ziffer 5 des Vergleichs, dass der Versicherte ab dem 01. April 1968 fortlaufend 100,- DM monatlich zunächst zur Tilgung des (Trennungs-) Unterhaltsrückstandes an die Klägerin zahlte. Nach Tilgung dieser nicht unerheblichen Schuld sollten die Monatsraten in Höhe von 100,- DM zur Zahlung der in Ziffer 5 zwecks Abgeltung aller Ansprüche aus eventuellem Zugewinn sowie als Kostenbeteiligung an dem Umzug der Klägerin vereinbarten Ausgleichssumme in Höhe von 1.500,- DM fortgeführt werden (= weitere 15 Monatsraten). Vergegenwärtigt man sich den Umstand, dass nach dem Vortrag der Klägerin sowohl im Scheidungsverfahren als auch im hiesigen Rechtsstreit wie auch nach dem Vortrag der Beigeladenen der Versicherte keinerlei Trennungsunterhalt an die Klägerin gezahlt hatte und Vollstreckungsversuche fruchtlos blieben (vgl. u. a. die detaillierten Ausführungen in der vorgelegten Strafanzeige der Klägerin vom 12. Januar 1967 wegen Verletzung der Unterhaltspflicht durch den Versicherten), so ergibt sich für die Zeit bis Ende 1967 ein Unterhaltsrückstand von mindestens 6.000,- DM (= 60 Monatsraten). Denn der Versicherte war in dem Beschluss des LG Berlin vom 17. Oktober 1966 im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Trennungsunterhalt nach § 1361 BGB in Höhe von 150,- DM monatlich für die Zeit vom 01. Mai bis zum 31. August 1966 und in Höhe von 400,00 DM monatlich ab dem 01. September 1966 verpflichtet worden (vgl. Beschluss des KG Berlin vom 08. Januar 1968 [8 W 1504/67]). Demzufolge waren zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten, d. h. drei Jahre nach Beginn der monatlichen Zahlungen in Höhe von 100,- DM am 01. April 1968, die aus der Ziffer 5 des Scheidungsfolgenvergleichs resultierenden Verbindlichkeiten noch nicht getilgt. Die monatlichen Zahlungen in Höhe von 100,- DM zur Tilgung von (Unterhalts-) Schulden dienten nicht der Bestreitung der Lebensführung der Klägerin und somit nicht der Deckung ihres laufenden Lebensbedarfs (vgl. zu Zahlungen zur Tilgung früherer Unterhaltsschulden oder zur Bestreitung der Aufwendungen für den Aufbau einer Alterssicherung der geschiedenen Ehefrau: BSGE 30, 1, 2 f. = SozR Nr. 51 zu § 1265 RVO; BSGE 46, 11, 12 = SozR 2200 § 1265 Nr. 29; BSG, Urteil vom 03. Oktober 1979, 1 RA 53/78, SozR 2200 § 1265 Nr. 45).

Die Klägerin hatte zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten bzw. im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod auch keinen Anspruch auf Unterhalt, denn sie hat – wie noch im Einzelnen darzustellen sein wird – wirksam auf nachehelichen Unterhalt verzichtet.

Ob überhaupt ein Unterhaltsanspruch besteht, haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit in eigener Zuständigkeit zu beurteilen; eine Bindung an unterhaltsrechtliche Entscheidungen der Zivilgerichte besteht nicht (BSG, Urteil vom 29. April 1997, SozR 3-2200 § 1265 Nr. 16). Im Streitfall beurteilt sich diese Frage nach § 58 Abs. 1 EheG. Nach dieser Vorschrift hat der allein oder überwiegend schuldig geschiedene Ehemann der geschiedenen Ehefrau einen nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit die Einkünfte aus dem Vermögen der Frau und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen.

Die Klägerin kann sich zur Begründung eines Unterhaltsanspruches nicht mit Erfolg auf den Beschluss des LG Berlin vom 17. Oktober 1966, mit dem der Versicherte zur Zahlung von Trennungsunterhalt verpflichtet worden war, berufen. Zum einen war dieser im Wege der einstweiligen Anordnung ergangene Beschluss – anders als in den von ihr zitierten Entscheidungen des OLG Frankfurt und des OLG Karlsruhe - nach dem damals geltenden Zivilprozessrecht nur bis zur Scheidung gültig (vgl. §§ 627, 627 b Zivilprozessordnung [ZPO] in der 1968 noch maßgeblichen Fassung) und entfaltete demnach keine Dauerwirkung. Dem Beschluss des LG Berlin vom 17. Oktober 1966 lag zudem ein anderer Sachverhalt zugrunde, nämlich dass die zu diesem Zeitpunkt schwangere Klägerin nicht erwerbstätig war und unsicher war, ob sie eine Erwerbstätigkeit alsbald wieder aufnehmen würde. Die Klägerin nahm jedoch, wie sich aus dem US-amerikanischen Versicherungsverlauf ergibt, bereits im dritten Quartal des Jahres 1967 eine Erwerbstätigkeit in den USA auf. In den folgenden Jahren und auch zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten erzielte die Klägerin Einkünfte in einer Höhe, die es ihr erlaubten, sich (und ihren Sohn) selbst zu unterhalten. So weist der Versicherungsverlauf des US-amerikanischen Rentenversicherungsträgers u. a. folgende Einkommen aus: 1967 3.225,96 US-$ ,1968 4.374,97 US-$, 1969 7.037,73 US-$, 1970 7.433,65 US-$ und 1971: 7.935,65 US-$. Das Monatseinkommen der Klägerin belief sich somit (auf- bzw. abgerundet) im Jahr 1968 bereits auf 366,- US-$, im Jahr 1969 auf 586,- US-$, im Jahr 1970 auf 619,- US-$ und im Jahr 1971 auf 661,- US-$. Diese Einkommen überstiegen etwaige Unterhaltsverpflichtungen des Versicherten selbst bei einer anzunehmenden Fortschreibung aufgrund der seit der Scheidung eingetretenen Veränderungen der allgemeinen Lohn- und Preisverhältnisse (BSG, Urteil vom 30. Juni 1998, B 4 RA 61/96 R, in juris) erheblich, so dass dieser nicht mehr zum Unterhalt verpflichtet gewesen wäre.

Vor allem aber scheitert ein Unterhaltsanspruch daran, dass die Klägerin in dem vor dem LG Berlin am 18. März 1968 geschlossenen Vergleich (Az.: 32 R 196/66) für die Zeit ab Januar 1968 einen Verzicht für sich auf jeglichen Unterhalt für die Zukunft einschließlich des Notbedarfs sowie einer unverschuldeten Erwerbsunfähigkeit erklärt hat.

Dieser Verzicht ist auch wirksam zustande gekommen. Bereits nach dem vor Juli 1977 geltenden Scheidungsrecht hatten die Ehegatten die Möglichkeit, im Fall einer Ehescheidung durch Vereinbarungen den nachehelichen Unterhalt und sonstige versorgungs- und güterrechtliche Angelegenheiten verbindlich zu regeln, was auch die Möglichkeit eines Verzichts auf nachehelichen Unterhalt beinhaltete (§ 72 EheG). Der Inhalt des Scheidungsfolgenvergleiches lässt zunächst erkennen, dass eine endgültige Trennung der Eheleute auch in finanzieller Hinsicht beabsichtigt war. So übernahm der Versicherte alleinschuldnerisch die Rückzahlung des Ehestandsdarlehens und verpflichtete sich insoweit, im Innenverhältnis die Klägerin freizustellen. Außerdem sollte der Versicherte zur Abgeltung aller Ansprüche aus eventuellem Zugewinn, gleichzeitig aus dem Gesichtspunkt der Kostenbeteiligung an dem Umzug der Klägerin, an diese einen einmaligen Betrag von 1.500,- DM zahlen. Ebenfalls enthält der Vergleich eine Regelung über die Verteilung des Hausrats.

Der Verzicht ist auch insbesondere nicht, wie die Klägerin meint, sittenwidrig. Begrenzt wird die volle Vertragsfreiheit durch den Schutzzweck der gesetzlichen Regelung, hier des § 72 EheG, und die Schranken des allgemeinen Rechts, wie sie § 138 BGB enthält. In diesem Zusammenhang ist vor allem entscheidend, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Vorschriften treten (§ 138 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim Vertragsschluss, insbesondere also auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und auf die Kinder abstellt. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2004, FamRZ 2004, 601, welches nach zwei Entscheidungen des BVerfG [FamRZ 2001, 343 und 985] ergangen ist).

Gemessen an diesen Grundsätzen liegen keine für eine Sittenwidrigkeit des Unterhaltsverzichtes sprechenden Umstände vor. Es war zum Zeitpunkt des Vergleichs nicht zu erwarten, dass die Klägerin wegen des Unterhaltsverzichts zwangsläufig der Sozialhilfe anheimfallen musste, was den guten Sitten zuwiderlaufen könnte (BGH, FamRZ 1983, 137). Vielmehr war die Klägerin im Zeitpunkt der Vereinbarung im März 1968 – wie bereits dargestellt - wieder berufstätig und bezog ausweislich des amerikanischen Versicherungsverlaufs bereits im Jahr 1968 Einkünfte von ca. 4.375,- US-$. Die ihre (Sozialhilfe-)Bedürftigkeit bestätigende Bescheinigung des deutschen Generalkonsulats von Los Angeles vom 12. Januar 1967 stammt aus der Zeit vor Aufnahme ihrer Erwerbstätigkeit.

Dem kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass von ihr wegen der Pflege und Erziehung des gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht habe erwartet werden können. Zwar ist nach § 58 EheG die geschiedene Frau trotz Einkünften aus eigener Erwerbstätigkeit unterhaltsbedürftig, wenn der auf Unterhalt in Anspruch genommene frühere Ehemann sie billigerweise auf diese Einkünfte nicht verweisen könnte (BSG, Urteil vom 22. März 1968, SozR Nr. 42 zu § 1265 RVO; Urteil vom 25. September 1969, SozR Nr. 52 zu § 1265 RVO; Urteil vom 30. September 1996, 8 RKn 17/95, alle in juris). Die Verweisung auf eigene Einkünfte scheidet jedoch nicht schon deswegen aus, weil der früheren Ehefrau eine Berufstätigkeit wegen zu betreuender Kinder grundsätzlich nicht zuzumuten sei. Ob eine geschiedene Frau trotz eigenen Erwerbseinkommens im Verhältnis zum Versicherten unterhaltsbedürftig ist, weil der Versicherte sie billigerweise nicht auf die betreffenden Erträgnisse verweisen darf, ist nach den gesamten Umständen des jeweiligen Falles zu beurteilen. Die Unbilligkeit der Einkommensanrechnung kann also nicht allein daraus abgeleitet werden, dass die geschiedene Frau berechtigt wäre, sich allein der Sorge und Erziehung ihrer Kinder zu widmen, ohne dabei noch einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Vielmehr ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass eine Erwerbstätigkeit, der die geschiedene Frau zur Zeit des Todes des Mannes nachgegangen ist, von ihr auch „zumutbar“ verrichtet worden ist (vgl. Urteile des BSG vom 22. März 1968 und 25. September 1969, a. a. O.). Dieser Rechtsprechung liegt die Annahme zugrunde, dass jegliche Erwerbsobliegenheit der sorgeberechtigten unterhaltsbedürftigen Frau entfällt, soweit sie sich selbst der Sorge und Erziehung ihrer Kinder widmet. Wird jedoch in Fällen wie hier eine - überobligatorische - Erwerbstätigkeit tatsächlich wahrgenommen, so stellt sich nach dieser Rechtsprechung des BSG nur noch die Frage, ob und inwieweit eine Verweisung auf das Erwerbseinkommen der Billigkeit entspricht. Die Rechtsprechung hat z. B. Sittenwidrigkeit nach § 72 EheG dann angenommen, wenn die durch einen Unterhaltsverzicht erzwungene Erwerbstätigkeit der Mutter eindeutig zu Lasten der Kinderbetreuung geht (vgl. BGH, FamRZ 1983, 137). In dem dort entschiedenen Fall war jedoch die Ehefrau des Beklagten zum Zeitpunkt der Unterhaltsverzichtsvereinbarung nicht erwerbstätig und bezog seit ihrer Trennung Sozialhilfe. Eine Erwerbstätigkeit wäre ihr auch nicht zuzumuten gewesen, weil sie ein behindertes Kind zu versorgen hatte und daher - voraussehbar auf Jahre hinaus - nicht in der Lage gewesen wäre, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Eine derartige Konstellation liegt im Fall der Klägerin ersichtlich nicht vor. Sie war vielmehr während ihres äußerst kurzen, nur zehn Monate dauernden Zusammenlebens mit dem Versicherten jedenfalls zeitweise berufstätig und nahm auch kurze Zeit nach ihrer Rückkehr in die USA bereits im zweiten Halbjahr 1967 trotz des sehr geringen Alters des Kindes wieder eine Erwerbstätigkeit auf. Dies lässt nicht den Schluss zu, dass die tatsächlich ausgeübte Erwerbstätigkeit der Klägerin, die ausweislich des US-amerikanischen Versicherungsverlaufes nahezu durchgehend berufstätig war (mit kurzen Unterbrechungen im Jahr 1965, Anfang 1966 sowie nach der Geburt des Kindes im ersten Halbjahr 1967), unzumutbar gewesen wäre. Die Klägerin hat diesbezüglich keine konkreten Umstände vorgetragen, aus denen sich die Unzumutbarkeit ergeben könnte, sondern hat vielmehr jegliche Berufstätigkeit bis zum Tod des Versicherten bestritten. Der Sohn wurde während ihrer Arbeitszeit offensichtlich anderweitig versorgt. Es ist anhand der vorliegenden Unterlagen auch nicht erkennbar, dass der damalige Rechtsanwalt der Klägerin im Ehescheidungsverfahren hinsichtlich einer Unzumutbarkeit überobligatorischer Arbeit vorgetragen hätte; vielmehr hatte er - im Auftrag der Klägerin handelnd - dem oben dargestellten Vergleich einschließlich des Unterhaltsverzichts zugestimmt. Diese Umstände sprechen dagegen, dass allein die wirtschaftliche Notsituation die Klägerin zur Aufnahme einer Beschäftigung gezwungen hat.

Nicht zuletzt ist bei der Prüfung, ob der Unterhaltsverzicht möglicherweise gegen die guten Sitten verstoßen könnte, auch die veränderte Sachlage in den Verhältnissen des Versicherten zu berücksichtigen. War der Versicherte zum Zeitpunkt des Beschlusses des LG Berlin vom 17. Oktober 1966 zum Trennungsunterhalt noch allein gegenüber der Klägerin und dem zu erwartenden Kind zum Unterhalt verpflichtet, so hatte sich die Situation zum Zeitpunkt der Scheidung maßgeblich geändert. Der Versicherte war zu diesem Zeitpunkt eine neue Verbindung eingegangen, aus der ebenfalls ein Kind erwartet wurde. Der künftige Unterhaltsanspruch des zu erwartenden Kindes war im Scheidungsfolgenvergleich ebenso zu berücksichtigen wie der Unterhaltsanspruch der zukünftigen, zweiten Ehefrau. Die Beigeladene hatte nämlich, wie sie im Termin zur mündlichen Verhandlung angegeben hat, ein Studium begonnen, welches sie nach der Eheschließung und Geburt des Sohnes aufgab und sich dann auf Wunsch des Versicherten bis zu dessen Tod ganz der Betreuung des Kindes und der Versorgung des gemeinsamen Haushaltes widmete. Es gab daher weitere zu erwartende Unterhaltsverpflichtungen, die bei der Prüfung einer möglichen Sittenwidrigkeit des Unterhaltsverzichtes durch die Klägerin zu berücksichtigen sind.

Anderes folgt letztlich auch nicht aus dem im Termin zur mündlichen Verhandlung von ihrem Prozessbevollmächtigten zitierten Urteil des Bundesverfassungsgerichts ([BVerfG], 1 BvR 12/92, in juris). Diese Entscheidung betraf die gerichtliche Kontrolle des Inhalts ehevertraglicher Abreden, die vor der Eheschließung mit einer Schwangeren getroffen wurden und die die Betreuungs- und Unterhaltssituation des gemeinsamen Kindes nach einer evtl. Scheidung berührten. Hiermit ist ein im Rahmen der Ehescheidung vereinbarter Unterhaltsverzicht, bei dessen Abschluss die Scheidungsfolgenvereinbarung und das Scheitern der Ehe zusammenfallen, nicht vergleichbar.

Unter Beachtung dieser Grundsätze bestehen beim Senat keine ernsthaften Zweifel daran, dass der Unterhaltsverzicht wirksam ist mit der Folge, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten bzw. im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod keinen Unterhaltsanspruch hatte.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.