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Unterlassungs- und Nutzungsuntersagungsverfügung; Steganlage; Nutzung; Errichtung; bundesgesetzlich geschütztes Biotop; Erlenbruch; Schwimmblattgesellschaften; Röhrichtgürtel; Generalklausel des BNatSchG; unvordenkliche Verjährung (keine); Störerauswahl; Handlungsstörer; Zustandsstörer; Unmöglichkeit (keine); Interessenabwägung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat Entscheidungsdatum 07.05.2012
Aktenzeichen OVG 11 S 60.11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 3 Abs 2 BNatSchG, § 30 Abs 2 S 1 Nr 1 BNatSchG, § 32 NatSchG BB, § 54 Abs 1 S 2 NatSchG BB, Ziff 1.2 BiotopV BB

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 31. August 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller kaufte mit notariellem Kaufvertrag vom 27. Dezember 2010 das am See gelegene Grundstück An der K... Schleuse B….

Mit Verfügung vom 24. März 2011 gab der Antragsgegner dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Angabe der genauen Grundstücksbezeichnungen u.a. auf, 1. c) jegliche Maßnahmen zur Beseitigung und Beeinträchtigung des auf seinem und dem Seegrundstück vorgelagerten Biotopverbunds (Erlenbruch, Röhricht und Schwimmblattgesellschaften) zu unterlassen und 1. d) die vorhandene und aufkommende Vegetation der freien Sukzession zu überlassen. Unter Ziffer 2. untersagte er dem Antragsteller die Nutzung der vorhandenen Steganlage durch ihn oder die Gestattung der Nutzung durch Dritte. Zur Begründung der unter 1. getroffenen Anordnungen führte er u.a. aus, durch die Neu-/Wiedererrichtung der Steganlage und deren anschließende Nutzung sowie der damit verbundenen Beschädigung und Beseitigung der Gewässervegetation und des Erlenbruchs lägen bereits schädliche Auswirkungen auf ein gesetzlich geschütztes Biotop vor bzw. seien zu erwarten. Es komme zu einer weiteren erheblichen Beeinträchtigung des vorkommenden Röhrichtbestandes und der Schwimmblattgesellschaften, die sich aufgrund der Bauweise und der beabsichtigten intensiven Nutzung der Anlage und umliegenden Uferbereiche unabsehbar lange auf das Biotop auswirke. Ein Antrag auf Zulassung einer Ausnahme liege nicht vor und sei auch nicht genehmigungsfähig. Der Antragsteller werde als Handlungsstörer herangezogen, da er im Gespräch eingeräumt habe, die Arbeiten an dem Steg durchgeführt zu haben. Der Nachfrage zu den Schädigungen des Erlenbruchs sei er ausgewichen, jedoch zeigten die Fällungen, dass diese eine deutliche Sichtachse vom Grundstück auf den See bildeten, somit zu seinem privaten Vorteil erfolgt seien. Er werde auch als Zustandsstörer herangezogen, da er Eigentümer des landseitigen Grundstücks sei, die Arbeiten an der Steganlage durchgeführt habe und somit entsprechend der Art der Nutzung eine Gefahr von diesen ausgehe. Zur Begründung der unter 2. getroffenen Anordnung führte der Antragsgegner u.a. aus, die eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aufgrund der formellen Illegalität der Steganlage habe der Antragsteller als Eigentümer, Bauherr und Nutzer zu vertreten. Durch die Nutzung der Anlage bestehe die Gefahr, dass es zu weiteren Beeinträchtigungen des Röhrichtgürtels komme. Dagegen erhob der Antragsteller Widerspruch, beantragte die Aussetzung der Vollziehung und wandte u.a. ein, er sei weder Handlungs- noch Zustandsstörer. Der Steg sei nicht durch ihn errichtet worden. Er sei auch noch nicht Eigentümer des von ihm gekauften Grundstücks. Mit Schreiben vom 20. April 2011 lehnte der Antragsgegner es ab, die Vollziehung der Verfügung auszusetzen. Bei einer Vorortkontrolle am 19. April 2011 sei festgestellt worden, dass der Steg weiterhin als Liegeplatz für ein Motorboot benutzt werde, die Beeinträchtigung des gesetzlich geschützten Uferbereiches also akut gegeben sei.

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 31. August 2011 u.a. den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 24. März 2011 wiederherzustellen, zurückgewiesen, soweit er sich gegen Ziffer 1. c) und d) und 2. der Verfügung richtet.

Der Antragsteller hat gegen den am 5. September 2011 zugestellten Beschluss am 14. September 2011 insoweit Beschwerde erhoben und diese am 5. Oktober 2011 begründet.

II.

Die zulässige Beschwerde rechtfertigt auf der Grundlage des gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO allein zu prüfenden Beschwerdevorbringens keine Änderung des Beschlusses, soweit dieser angefochten ist.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der verfahrensgegenständlichen Unterlassungs- und Nutzungsuntersagungsverfügung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt.

Gegenstand der Begründetheitsprüfung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist eine umfassende Abwägung der besonderen öffentlichen und gegebenenfalls privaten Interessen an der sofortigen Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsakts gegen die privaten Interessen des von diesem Verwaltungsakt Belasteten, vorerst von seinem Vollzug verschont zu bleiben. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache maßgebend zu berücksichtigen, allerdings nur, soweit sie sich aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung mit hinreichender Verlässlichkeit beurteilen lassen (vgl. Beschluss des Senats vom 13. Oktober 2011 – OVG 11 S 67.10 -, juris Rz. 13).

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass sich die Verfügungen des Antragsgegners vom 24. März 2011 unter Nr. 1. c) und d) sowie 2. bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweisen.

Dies gilt zunächst hinsichtlich der an den Antragsteller gerichteten Aufforderung unter Nr. 2, die vorhandene Steganlage nicht mehr zu benutzen und die Nutzung durch Dritte nicht zu gestatten. Dazu führt das Verwaltungsgericht aus, Anhaltspunkte für einen Bestandsschutz der formell illegalen Steganlage seien weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit der Antragsteller dagegen vorträgt, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass aufgrund der bis auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurückreichenden Nutzung für Ausflugsfahrten mit Dampfbooten und der nachfolgenden Nutzung als Anlegestelle für ein Kinderferienlager in Bezug auf den Steg das Rechtsinstitut der „unvordenklichen Verjährung“ greife, ist schon nicht ersichtlich, dass die dafür geltende Voraussetzung der ununterbrochenen Fortdauer des nach außen erkennbaren, seit sehr langer Zeit (in der Regel seit mindestens 40 Jahren) bestehenden Zustands (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 5. August 2003 – 22 B 00.2918 -, juris Rz. 20) vorliegt. Denn der ursprüngliche Steg wurde nach dem Vortrag des Antragstellers ca. 1984 bis 1986 aus sicherheitstechnischen Gründen erneuert und durch eine verzinkte Stahlkonstruktion ersetzt. Auch wurde er anlässlich von Seniorenfeiern lediglich „bis 1992“ für Bootsfahrten mit kleinen Ruderbooten genutzt (so Frau S... ) bzw. waren dort nach Darstellung des Herrn G... nur „bis in die neunziger Jahre“ Boote festgemacht. Eine danach fortgeführte Nutzung in gleicher Weise hat der Antragsteller nicht vorgetragen.

Weiter führt das Verwaltungsgericht, ohne insoweit von der Beschwerde angegriffen zu werden, selbstständig tragend aus, die Steganlage sei auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig, weil sie auch gegen Vorschriften des gesetzlichen Biotopschutzes verstoße. Bei dem auf den Fotos erkennbaren Schilfgürtel und den Schwimmblattgesellschaften handele es sich um gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG, § 32 BbgNatschG i.V.m. Ziffer 1.2 der BiotopschutzVO gesetzlich geschützte Biotope. Maßnahmen, die zu einer Zerstörung oder sonstigen erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung eines Biotops führten, seien gemäß § 32 BbgNatSchG unzulässig. Es spreche nach derzeitigem Erkenntnisstand alles dafür, dass diese Voraussetzungen durch die Errichtung der Steganlage erfüllt seien. Denn üblicherweise werde durch einen in Nutzung befindlichen Steg, insbesondere dann, wenn er – wie hier – auch als Bootssteg genutzt werde, verhindert, dass sich der Schilfgürtel in diesem Bereich komplett schließen könne.

Angesichts dieser Begründung kommt es auf die zur NSG-VO vorgebrachten Argumente des Antragstellers (etwa die Frage eines Widerspruchs zwischen dem Inhalt dieser Verordnung und den schifffahrtsrechtlichen Bestimmungen zu Befahrbarkeit des Gewässers und Fragen der Auslegung der NSG-VO) nicht mehr an.

Soweit der Antragsteller meint, das Verwaltungsgericht habe auch im Hinblick auf die Anordnung zu 2. übersehen, dass der Antragsgegner keine Störerauswahl vorgenommen habe und insoweit geltend macht, dass diese wegen des fehlenden Grundeigentums des Antragstellers an dem gekauften Grundstück hätte vorgenommen werden müssen, rechtfertigt auch dieses Vorbringen keine Änderung des Beschlusses. Er führt in diesem Zusammenhang aus, dem Erlass der Verfügung habe insgesamt die Vorstellung des Antragsgegners zugrundegelegen, dass der Antragsteller erstens der Eigentümer des Grundstücks sei und zweitens Baumfällungen usw. durch ihn vorgenommen worden seien. Daher sei aus dessen Sicht keine Störerauswahl vorzunehmen gewesen. Trotz des entsprechenden Vortrags des Antragstellers im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes habe der Antragsgegner weiterhin auf seinen „Feststellungen“ beharrt.

Ein Ermessensausfall wegen unterlassener Störerauswahl liegt aber nicht vor. Die der Vorschrift des § 54 Abs. 1 Satz 2 BbgNatSchG entsprechende Generalklausel des § 3 Abs. 2 BNatSchG ermächtigt die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden, nach pflichtgemäßem Ermessen die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Einhaltung der Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften sicherzustellen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Zur Gefahrenabwehr von Beeinträchtigungen bundesgesetzlich geschützter Biotope (§ 30 Abs. 2 BNatSchG) – um die es vorliegend geht - ist diese Generalklausel mangels anderer spezieller Anordnungsbefugnisse anwendbar (vgl. Egner in Egner/Fuchs, Naturschutz- und Wasserrecht 2009, § 3 Rz. 3 und 4). Adressat der Maßnahmen nach dieser Norm ist derjenige, der den Verstoß unmittelbar oder zurechenbar verursacht, entweder als Handlungsstörer durch aktives Tun bzw. pflichtwidriges Unterlassen oder als Inhaber der tatsächlichen Gewalt über eine Sache - Zustandsstörer - (vgl. Hendrischke in Frenz / Müggenborg, BNatSchG, Kommentar, 2011, § 3 Rz. 34). Der Antragsteller ist beides. Eine Auswahl musste insoweit nicht getroffen werden. Er ist Handlungsstörer, weil er den Steg benutzt hat: Dort hat er das in seinem Eigentum stehende Kajütboot festgemacht oder ihm zurechenbar festmachen lassen und dort hat er selbst den Steg betreten, um auf sein Boot zu gelangen. Diese ihm (unmittelbar) zurechenbare Nutzung trägt dazu bei, dass sich Schilfgürtel und Schwimmblattgesellschaften nicht schließen. Er ist auch Zustandsstörer: Indem er den Steg als Anlegeplatz für sein Boot für sich in Besitz genommen hat, ist er Inhaber der tatsächlichen Gewalt über den Steg geworden. Im Übrigen hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 24. Juni 2011 ausdrücklich dahinstehen lassen, ob der Antragsteller (schon) Eigentümer des von ihm gekauften Grundstücks ist oder nicht und machte zugleich deutlich, dass er ihn dennoch als Zustandsstörer, nämlich als Inhaber der tatsächlichen Gewalt in Verantwortung nehmen möchte. Eine Störerauswahl zwischen ihm und dem (seinerzeitigen) Grundstückseigentümer war schon deshalb nicht zu treffen, weil es vorliegend lediglich um die Untersagung der Nutzung durch ihn ging bzw. seine Gestattung der Nutzung des Steges durch Dritte.

Die Anordnung geht ihm gegenüber auch nicht deshalb ins Leere, weil er keinen Sportbootführerschein hat. Es bleibt ihm unbenommen, sein Boot durch Dritte entfernen zu lassen, falls es überhaupt noch (oder wieder) dort liegt. Die Befolgung der Anordnung ist ihm auch im Übrigen möglich, solange der Steg steht. Nach Beseitigung des Steges hat sich die Anordnung zu 2. (nur diese) erledigt; diese Selbstverständlichkeit brauchte nicht in den Tenor aufgenommen zu werden.

Die obigen Ausführungen sind im Übrigen auf die Anordnungen des Antragsgegners zu 1. c) und d) übertragbar. Auch insoweit geht es um die Abwehr von Gefahren für das bundesgesetzlich geschützte Biotop. Unabhängig von der mit der Beschwerde erneut aufgeworfenen Frage, wer die Erlen gefällt und den Steg (wieder-)errichtet hat, beeinträchtigt der Antragsteller den gesetzlich geschützten Biotopverbund – wie dargelegt - als Handlungs- und Zustandsstörer, indem er den Steg benutzt und in Besitz genommen hat und dies im Übrigen auch weiter tun will.

Schließlich ist gegen die mit der Beschwerde kritisierte Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts nichts zu erinnern, wonach das öffentliche Interesse der sofortigen Vollziehung das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiege. Der Antragsteller meint, das Verwaltungsgericht berücksichtige die lange Nutzungsdauer des Steges, das sich abzeichnende Ende der Vegetationsperiode und dass „das Gesetz“ unter Umständen Beeinträchtigungen durchaus zulasse, nicht hinreichend und verkenne, dass die Behörde gerade gezwungen werden solle, den Wegfall des gesetzlich angeordneten Suspensiveffekts nur in Situationen der besonderen Eilbedürftigkeit zuzulassen. Dieses Beschwerdevorbringen setzt sich schon nicht hinreichend mit der Begründung des Verwaltungsgerichts auseinander, wonach der Gesetzgeber dem Schutz ökologisch wertvoller Biotope, zu denen die Uferzonen gehören, hohen Stellenwert eingeräumt habe, was dafür spreche, rechtswidrigen Eingriffen möglichst sofort wirksam zu begegnen, und wonach der Antragsgegner überdies zutreffend auf die Gefahr der zu weiteren Schädigungen führenden Nachahmungen durch Dritte hingewiesen habe. Es sei zu Lasten des Antragstellers ferner zu berücksichtigen, dass allein die Nutzungsuntersagung keine Vorwegnahme der Hauptsache mit sich bringe. Auch schwankt der Stellenwert des Schutzes ökologisch wertvoller Biotope nicht je nach jahreszeitlichem Stand der Vegetationsperiode.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).