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Berufskrankheit, BK 2108, medizinische Voraussetzungen, Konsensempfehlungen, Main-Dortmunder-Dosismodell, Erzieherin


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 13.04.2011
Aktenzeichen L 3 U 238/07 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 2 SGB 7, § 7 SGB 7, § 9 SGB 7, Nr 2108 BKV

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 11. Juli 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind weder für das erst- noch zweitinstanzliche Verfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt als Sonderrechtsnachfolger der 1944 geborenen und 2010 verstorbenen J K P (Versicherte) die Anerkennung einer bei ihr vorliegenden Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten- Verordnung (BK 2108) – bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können –.

Am 24. Januar 2001 ging die Anzeige über eine Berufskrankheit des Staatlichen Schulamtes C vom 22. Januar 2001 bei der Beklagten ein, wonach die Versicherte seit 1960 als Erzieherin und ab 1991 als pädagogische Lehrkraft beschäftigt war. Als berufliche Einwirkungen, auf welche die Beschwerden zurückzuführen seien, wurden schweres Heben und Tragen behinderter Kinder und Jugendlicher angegeben. Unter Verwendung eines von der Beklagten zur Verfügung gestellten Fragebogens gab die Versicherte an, dass sich die Rückenbeschwerden erstmals 1984 durch Schmerzen an der Halswirbelsäule (HWS), Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindelgefühl und Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) bemerkbar gemacht hätten. Die Beschwerden seien an HWS und LWS häufig aufgetreten. Die Erkrankung sei auf das berufliche Heben, Tragen und das Bewegen mehrfach schwerstbehinderter Menschen und Kinder zurückzuführen. Sie legte ein Beschäftigungsverzeichnis vor, wonach sie von Juli 1960 bis Juni 1970 in der Reichsbahnwochenkrippe als Säuglingspflegerin, Krippenerzieherin und Gruppenleiterin, von Juli 1970 bis Oktober 1970 in einer Kinderkrippe als Krippenerzieherin und Gruppenleiterin, von November 1970 bis Februar 1984 in einer Kinderkrippe als Krippenerzieherin und Gruppenleiterin, von März 1984 bis August 1991 in einer rehabilitationspädagogischen Wocheneinrichtung für Kinder und Jugendliche als Erzieherin in Fördereinrichtungen und ab dem 22. August 1991 in einer Förderschule für geistig Behinderte als pädagogische Lehrkraft (ab Oktober 1999 in Altersteilzeit) arbeitete. Sie reichte ferner Tabellen mit Angaben über Tätigkeiten mit Heben oder Tragen schwerer Lasten und über Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, ferner von ihr ausgefüllte Erhebungsbögen für Hebe- und Trageleistungen im Gesundheitsdienst ein.

Die Beklagte holte eine unter dem 19. März 2001 eingegangene Auskunft des Staatlichen Schulamtes der Stadt C betreffend die Tätigkeit der Versicherten ein. Sie nahm ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse der Versicherten mit Eintragungen seit 1991 zu den Akten, wonach sie im Herbst 1995 wegen akuter Lumboischialgie und lumbalen pseudoradikulären Schmerzsyndroms, im Frühjahr 1996 wegen Zervikobrachialsyndroms, im Januar 2001 wegen Rückenschmerzen und ab Februar 2001 wegen Zervikobrachialsyndroms in ärztlicher Behandlung war. Die Beklagte zog die ab 1991 bei der Ärztehaus C GmbH sowie von der orthopädischen Gemeinschaftspraxis Dres. S und anderen erstellten Röntgenaufnahmen bei. Ausweislich des unter dem 14. November 2000 erstellten Entlassungsberichts der Reha-Klinik M durchlief die Versicherte vom 28. September 2000 bis zum 26. Oktober 2000 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme; die Diagnosen lauteten pseudoradikuläres Lumbalsyndrom rechts, Zustand nach Bandscheibenvorfall 1994, Zervikobrachialsyndrom beidseits bei Osteochondrose HWS und rezidivierenden zervikalen Schwindel, Polyarthrosen der Fingergelenke, Rhizarthrose beidseits.

Die Beklagte nahm Kopien der Sozialversicherungsausweise und der Untersuchungsakte sowie weiterer Krankenunterlagen der Stadt C ab Januar 1979 zu den Verwaltungsakten. Laut dem beigezogenen Krankheitsbericht des Facharztes für Orthopädie K vom 09. Juli 2001 befand sich die Versicherte seit November 1995 bei ihm wegen Wirbelsäulenbeschwerden in ärztlicher Behandlung. Als Beschwerden seien Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule mit Ausstrahlung in die unteren Extremitäten, Beschwerden bei ventraler Vorhalte und bei Hebe- und Tragebelastungen vorgetragen worden. Der Röntgenbefund vom 18. April 2001 habe eine Osteochondrose C4 bis C7 mit Zwischenwirbelraum (ZWR)-Verschmälerung um 1/3 bis 2/3 der Norm, eine ZWR-Verschmälerung C5/C6, hier mit ventralen und dorsalen Osteophyten, ergeben. Brustwirbelsäule (BWS) und LWS seien im Lot, es bestehe eine Osteochondrose der mittleren BWS mit ventralen und lateralen Osteophyten sowie Bandscheibendegeneration L4/5 um 1/3 der Norm und L5/S1 um 1/2 der Norm. Dem Krankheitsbericht waren MRT-Berichte bezüglich der LWS vom 16. Oktober 1998 und bezüglich der Halsgefäße vom 25. Juni 2001 beigefügt, ferner ein Röntgenuntersuchungsbericht vom 22. Januar 1996. Die Beklagte holte ferner einen unter dem 22. Juli 2001 von der Internistin S erstellten Krankheitsbericht ein.

In der Folgezeit wurde der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten wiederholt mit der Ermittlung der Gesamtbelastungsdosis der Versicherten beauftragt. Mit Stellungnahme vom 13. August 2001 gab er die Gesamtbelastungsdosis mit 63.293 Kilo-Newton-Stunden (kNh) an; er führte aus, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108, nicht aber diejenigen der BK 2109 erfüllt seien.

Die Beklagte leitete weitere medizinische Ermittlungen ein. Die Versicherte entschied sich für eine Begutachtung durch den Arzt für Orthopädie Dr. I vom Reha-Zentrum S. Dieser erstellte unter dem 18. Dezember 2001 ein fachorthopädisches Gutachten, welchem eine (Röntgen-)Untersuchung vom selben Tag zugrunde lag. Er diagnostizierte ein leichtes Zervikobrachialsyndrom rechts bei mäßigen osteochondrotischen und leichten spondylotischen Veränderungen im Bereich der unteren HWS bei C5/C6, vermehrte Kyphose der BWS bei leichter Skoliose mit mäßigen osteochondrotischen und leichten ventralen spondylotischen Veränderungen im Bereich der mittleren BWS, speziell im Bereich des Kyphosescheitels, leichtes sensibles Radikulärsyndrom dem Segment L5/S1 entsprechend bei mäßigen osteochondrotischen Veränderungen im gesamten LWS-Bereich und leichten ventralen spondylotischen Veränderungen zwischen L2 und L4, im MRT von Oktober 1998 gesicherte Bandscheibenprotrusionen im unteren LWS-Bereich ohne Kompression des Myelons oder der abgehenden Nervenwurzeln und Verdacht auf initiale Osteoporose. Unabhängig von den Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule bestünden bei der Versicherten eine Arthrose im Bereich des rechten Schultergelenks, eine sekundäre rheumatische Erkrankung mit Befall der Hände sowie eine Retropatellararthrose. Da osteochondrotische und zarte spondylotische Veränderungen nicht nur im Bereich der LWS, sondern ebenfalls im Bereich der unteren HWS und im Bereich der mittleren BWS vorlägen, sei davon auszugehen, dass anlagebedingte Faktoren bei den jetzt nachweisbaren relativ geringfügigen Veränderungen im Bereich der LWS eine wesentliche Rolle gespielt hätten. Durch die noch ausgeübte berufliche Tätigkeit, die mit Heben und Tragen verbunden sei, würden die genannten Beschwerden, die vorwiegend auf osteochondrotische Veränderungen im gesamten Wirbelsäulenbereich zurückzuführen seien, verstärkt. Die Voraussetzungen der BK 2108 seien nicht gegeben.

Die Beklagte lehnte nach Einholung einer gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 14. März 2002 mit Bescheid vom 01. Juli 2002 die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung als BK 2108 beziehungsweise BK 2109 ab. Zwar lägen die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK 2108 vor. Jedoch lägen nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere nach dem Gutachten Dr. I bei der Versicherten im Bereich der HWS, BWS und LWS osteochondrotische Veränderungen gleichen Ausmaßes vor. Eine signifikant vermehrte Ausbildung der Veränderungen an der durch die berufliche Tätigkeit belasteten LWS habe nicht festgestellt werden können. Die Versicherte erhob am 09. Juli 2002 Widerspruch. Sie verwies unter anderem auf den Bericht über eine am 08. Mai 2002 durchgeführte Kernspintomographie der LWS. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2002 zurück.

Die Versicherte hat ihr Begehren mit der am 10. Januar 2003 zum Sozialgericht Cottbus (SG) erhobenen Klage hinsichtlich der Anerkennung der BK 2108 weiterverfolgt. Sie hat unter Vorlage des Rentenbescheides vom 03. April 2002 auf die ihr rückwirkend ab Juli 2001 gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung verwiesen, ferner auf ihre durchgehende Arbeitsunfähigkeit ab 18. Februar 2002 und ihre vorangegangene Teilzeitarbeit ab Oktober 1999 bei einem wöchentlichen Arbeitsumfang von 13 Unterrichtsstunden mit letztmaliger Berufsausübung am 31. Januar 2002.

Das SG hat den unter dem 02. Juli 2003 erstellten Befundbericht der Fachärztin für Innere Medizin Dr. A sowie den unter dem 14. Juli 2003 erstellten Befundbericht des Facharztes für Orthopädie K eingeholt, ferner den unter dem 12. Juli 2003 erstellten Befundbericht der Internistin S, welchem ein Bericht des C Klinikums C vom 22. Juli 2001 mit der Hauptdiagnose rheumatoide Arthritis -Basistherapieeinstellung beigefügt war. Das SG hat aus dem gerichtlichen Verfahren S 17 SB 108/02 eine Abschrift des dort erstellten schriftlichen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. S vom 24. September 2003 sowie Röntgen- und MRT-Aufnahmen beigezogen. Prof. Dr. S diagnostizierte dort eine degenerative Erkrankung im Bereich der HWS und LWS mit einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung. Weiterhin bestehe eine rheumatoide Arthritis mit Beteiligung der kleinen Gelenke, es sei eine Schwanenhalsdeformität an der Hand eingetreten, ebenso eine Vorfußfehlform. Ferner leide die Versicherte an Bluthochdruck.

Das SG hat aufgrund Beweisanordnung vom 15. September 2003 das unter dem 11. Dezember 2003 vom Facharzt für Orthopädie und Sozialmedizin Dr. W erstellte fachorthopädische Gutachten eingeholt, welches er auf Grund einer körperlichen Untersuchung der Versicherten einschließlich einer ergänzenden Röntgendiagnostik am 03. Dezember 2003 erstattet hat. Der Sachverständige hat als Gesundheitseinschränkungen, welche nachweislich mit Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Tätigkeit im Sinne der wesentlichen Verschlimmerung ursächlich zurückzuführen seien, einen Bandscheibenschaden L5/S1 mit Nachweis einer Funktionseinschränkung im Sinne der mittelschweren Bewegungseinschränkung und der sensiblen Nervenwurzelstörung festgestellt. Die Aufgabe der zur Verschlimmerung geführt habenden Tätigkeit, welche überwiegend in extremer Rumpfbeugehaltung stattgefunden habe, und entsprechende röntgenologische Veränderungen seien nachgewiesen. Unter der Annahme, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt seien, sei die Tätigkeit sowohl der Säuglingsschwester als aber auch die langjährige Tätigkeit als Erzieherin für schwerbehinderte Jugendliche geeignet, den Bandscheibenschaden im Bereich der LWS hervorzurufen. Es habe bestätigt werden können, dass bei der Versicherten tatsächlich die zulässigen Höchstgrenzen für die Belastung erheblich überschritten worden seien. Somit seien alle Tätigkeiten ab 1960 geeignet gewesen, den Bandscheibenschaden der LWS hervorzurufen. Dies gelte jedoch nicht für die HWS. Die schwersten Bandscheibenschäden lägen im Bereich der LWS, und zwar im letzten und vorletzten Bandscheibensegment. Die darüber liegenden Bandscheibenräume wiesen einen eher dem Alter entsprechenden Zustand auf.

Die Beklagte ist dem Sachverständigengutachten mit einer gutachterlichen Beurteilung nach Aktenlage vom 30. Juli 2004 der Ärzte für Orthopädie Dr. T und Dr. S entgegengetreten, wonach es an dem Nachweis belastungsinduzierter Reaktionen fehle, welche eine berufliche Ursache hätten belegen können, weshalb Zweifel an einer bandscheibenbedingten Erkrankung bestünden. Das SG hat in der Folgzeit zwei fachorthopädische Stellungnahmen Dr. W vom 06. November 2005 und 13. April 2007 eingeholt, mit welchen er im Ergebnis bei seiner bisherigen Einschätzung verlieben ist.

Die Beklagte hat eine unter dem 06. April 2006 erstellte Stellungnahme ihres TAD eingeführt, wonach auf Grund einer neuen Berechnung die Lebensbelastungsdosis 6.957 kNh betrage und damit weit unter dem Lebensdosisrechtwert von 17.000 kNh liege. Nachdem die Versicherte der Berechnung der Gesamtbelastungsdosis mit einer Stellungnahme vom 29. Mai 2006 entgegengetreten war, hat der TAD eine weitere Neuberechnung vom 21. August 2006 vorgenommen und ist zu einer Gesamtbelastungsdosis von rund 21.400 kNh sowie der Einschätzung gelangt, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen doch erfüllt seien.

Das SG hat mit Urteil vom 11. Juli 2007 den Bescheid der Beklagten vom 01. Juli 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2002 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Versicherten ab dem 01. Februar 2002 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. zu gewähren. Das SG ist hierbei der medizinischen Beurteilung des Sachverständigen Dr. W gefolgt.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 04. September 2007 zugestellte Urteil am 21. September 2007 Berufung eingelegt. Sie verweist darauf, dass für das Segment L5/S1 von einem Schadensbild ausgegangen worden sei, welches nach den übrigen abweichenden Röntgenbefunden nicht festzustellen gewesen sei. Ausmaß und Intensität des Schadens im dortigen Segment stünden gerade im Vergleich zu den darüber liegenden Segmenten als Tatsachengrundlagen für die Ableitung von Schlussfolgerungen nicht fest. Des Weiteren rügt sie, dass die auch bei der Versicherten im HWS-Bereich vorliegenden erheblichen bandscheibenbedingten Veränderungen bei der Feststellung einer rechtlich wesentlichen Kausalität unzureichend in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils gewürdigt worden seien. Das zu fordernde klinische Beschwerdebild mit Funktionseinschränkungen könne dem Gutachten Dr. I und dem orthopädisch-rheumatologischen Sachverständigengutachten Prof. Dr. Ss aus dem Verfahren S 17 SB 108/02 nicht entnommen werden. Schließlich bestünden erhebliche Zweifel, ob ein berufskrankheitenbedingter Unterlassungszwang zur Aufgabe aller gefährdenden Tätigkeiten auf Grund eines chronisch rezidivierenden Beschwerdebildes vor Stellung des Rentenantrages der Versicherten bestanden habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 11. Juli 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Er tritt der Berufung mit dem für die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte nach einer Untersuchung vom 14. August 2001 von der Fachärztin für Orthopädie und Rheumatologie P erstellten Gutachten (Diagnosen: PCP, chronisches Lumbalsyndrom mit muskulären Dysbalancen ohne Wurzelreizsymptomatik, chronisches degeneratives Zervikalsyndrom mit reaktiven Myopathien, Epicondylitis humeri ulnaris rechts und Chondropathia patellae beidseits), mit dem Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 16. November 2006 über die Weitergewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab März 2007, Kopien aus der Behandlungsakte des Facharztes für Orthopädie K für die Zeit ab 1998 sowie einem Bescheid des Landesamtes für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg vom 19. November 2004 entgegen, wonach der Grad der Behinderung (GdB) 50 beträgt und die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens „G“ erfüllt sind (bei folgenden Beeinträchtigungen: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen der Wirbelsäule - Verschlimmerung -, entzündlich-rheumatische Gelenkerkrankung - Verschlimmerung -, psychosomatische Störungen - neu hinzugetreten -, Bluthochdruck). Ferner legt der Kläger eine ärztliche Bescheinigung der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie S vom 07. Juli 2008 mit den Diagnosen lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit Radikulopathie, einen Bericht über eine am 25. Oktober 2008 durchgeführte MRT der LWS (unter anderem mit der Beurteilung „L5/S1: keine Protrusion, kein Prolaps“) sowie den Bericht über eine am 15. Juni 2009 durchgeführte Computertomographie der HWS vor.

Der Senat hat sich von der Krankenkasse der Versicherten ein Arbeitsunfähigkeitszeitenverzeichnis vorlegen lassen, sowie von der Beklagten eine Belastungszusammenstellung des TAD vom 29. Januar 2009, wonach der Belastungsdosiswert nach einer erneuten Berechnung 30.682 kNh beträgt und der - nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nunmehr 8.500 kNh betragende – Richtwert für Frauen um ein Mehrfaches überschritten ist. Ferner hat der Senat Auszüge aus den Rentenakten, Schwerbeschädigtenakten sowie den Untersuchungs-/ Krankenakten der Stadt C zu den Gerichtsakten genommen.

Der Senat hat auf Grund Beweisanordnung vom 22. Juli 2009 ein schriftliches Sachverständigengutachten durch den Facharzt für Orthopädie Dr. W eingeholt, welches er unter dem 30. September 2009 nach einer Untersuchung der Versicherten am 29. September 2009 erstellt hat. Der gerichtliche Sachverständige hat unter anderem ausgeführt, dass als Gesundheitsstörungen bei der Versicherten auf orthopädischem Gebiet chronische Dorsolumbalgien mit pseudoradikulären Abstrahlungen, Bandscheibendegeneration der unteren LWS, Wirbelsäulenfehlstatik, chronisch degeneratives HWS-Syndrom mit Neigung zu Blockierungen, rheumatische Polyarthritis mit sekundärer Polyarthrose der Fingergelenke beidseitig, Gonarthrose links mehr als rechts und Verdacht auf beginnende sensible Polyneuropathie am linken Fuß vorlägen. Im Bereich der Etage L4/5 habe 1998 eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorgelegen. Darüber hinaus seien auch knöcherne Abnutzungen (Facettengelenksarthrosen) sowie eine Wirbelsäulenfehlstatik im Bereich der BWS und LWS vorhanden gewesen. Eine Schädigung der Bandscheibe sei 1998 aufgedeckt worden. Wann dieser Verschleißprozess am Bandscheibengewebe initiiert worden sei, könne nicht rückermittelt werden, weil keine vorherigen Tomographien vorlägen. Das von der Versicherten beschriebene Beschwerdebild sei insbesondere innerhalb der ersten 20 Jahre unspezifisch gewesen und könne ebenso die Folge von muskel- und bandhaften Reizerscheinungen oder knöchernen Abnutzungen gewesen sein. Auch wenn die Analyse des TAD ergeben habe, dass eine ausreichende Exposition vorgelegen habe, sei die Bandscheibenveränderung der Etage L4/5 nicht mit genügender Wahrscheinlichkeit auf den beruflichen Einfluss zurückzuführen. Außerhalb der geschädigten Segmente L4/5 oder L5/S1 seien keine belastungsreaktiven Spondylosen im Sinne altersüberschreitender knöcherner Ausziehungen der Wirbelkörperdeckplatten im Bereich der mittleren LWS zu finden. Insgesamt habe sich im für die medizinische Beurteilung entscheidenden Jahr 1998 keine berufsspezifische Überlastung der unteren LWS abgezeichnet. Es liege zwar eine altersüberschreitende Schädigung der Etage L4/5 vor, welche die LWS-Probleme erkläre. Parallel zur LWS-Problematik habe sich frühzeitig eine behandlungsbedürftige HWS-Erkrankung eingestellt. Die untere HWS weise radiologisch in etwa vergleichbare Abnutzungserscheinungen des Segmentes HWK 6/7 auf. Gemessen an den Konsensempfehlungen entfalle die Konstellation A von vornherein. Auch die Konstellation B1 könne auf Grund des Fehlens der Begleitspondylose ausgeschlossen werden. Die Konstellation B2 sei mangels - in zeitnah angefertigten Tomographieaufnahmen aufgedeckten - Black-disc-Phänomenen an mindestens zwei angrenzenden Etagen ebenfalls nicht gegeben.

Nachdem die Versicherte unter dem 26. Oktober 2009 mit einer weiteren Stellungnahme nebst Anlagen (unter anderem Behandlungsübersichten über die ab 1995 durchgeführte Physiotherapie und über den Zeitraum von Februar 2001 bis März 2003, einem Bericht des Facharztes für Neurochirurgie N vom 30. September 2002) dem Gutachten Dr. W entgegengetreten ist, hat der Senat die unter dem 23. Dezember 2009 erstellte ergänzende Stellungnahme Dr. Ws eingeholt, mit welcher er bei seiner bisherigen Einschätzung geblieben ist.

Nachdem die Versicherte unter dem 01. Februar 2010 mit einer weiteren persönlichen Stellungnahme der Einschätzung Dr. Ws entgegengetreten ist, hat der Senat auf Antrag der Versicherten auf Grund Beweisanordnung vom 04. März 2010 das unter dem 07. April 2010 nach einer persönlichen Untersuchung der Versicherten am 31. März 2010 erstellte schriftliche Sachverständigengutachten des PD Dr. M von der Park-Klinik W eingeholt. Der Sachverständige ist zu folgenden Diagnosen gelangt: Chronisches Zervikalsyndrom bei bandscheibenbedingter Erkrankung der HWS mit Spondylochondrose C5/6 und geringgradig C3 bis C7 sowie ebenfalls geringgradiger Arthrose der kleinen Wirbelgelenke in diesen Segmenten, chronisch sensibles radikuläres lumbales Schmerzsyndrom bei Spondylochondrose L4 bis S1 und Spondylarthrose L4/5 sowie regredientem Bandscheibenmassenvorfall L4/5, Osteoporose mit Sinterungsfraktur des elften Brustwirbelkörpers, rheumatoide Arthritis mit Arthrose der Daumen- und Fingergelenke (Rhizarthrose, Bouchard- und Heberden-Arthrose), multiple Arzneimittelallergien. Es liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor, wobei insbesondere die Bandscheiben L4/5 und L5/S1 betroffen seien. Zudem bestehe eine Spondylarthrose insbesondere in der Etage L4/5. Die medizinischen Befunde und die Ergebnisse der klinischen und bildgebenden Untersuchungen der Versicherten sprächen gegen eine berufsbedingte Entstehung der Bandscheibenerkrankung der Lendenwirbelsäule. Zunächst sei das Ausmaß der abnutzungsbedingten Veränderungen an der LWS typisch für die Altersgruppe, in welcher sich die Versicherte befinde. So seien abnutzungsbedingte Veränderungen der unteren Bandscheiben der LWS sowie dort auftretende Bandscheibenvorfälle Erkrankungen, welche über 90 % der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens beträfen. Ein besonders starkes Ausmaß dieser Erkrankung liege bei der Versicherten nicht vor. Vielmehr handele es sich um ein absolut durchschnittliches Ausmaß der abnutzungsbedingten Veränderungen. Ebenso von degenerativen abnutzungsbedingten Veränderungen betroffen wie die untere LWS sei die mittlere und untere HWS. Dies sowie das parallele Auftreten einer rheumatischen Erkrankung und einer zusätzlichen Osteoporose sprächen gegen eine berufsbedingte Entstehung oder Verschlimmerung der Bandscheibenerkrankung der LWS der Versicherten. Es liege mithin keine BK 2108 vor.

Die Versicherte ist mit einem Bericht des C Klinikums C vom 02. Juni 2010 dem Gutachten entgegengetreten, ferner mit einem MRT-Bericht der BWS vom 16. Juni 2010 und mit einem Bericht über die Erstellung von Funktionsaufnahmen der LWS vom 22. Juni 2010, schließlich mit einer persönlichen Stellungnahme vom 29. Mai 2010.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, auf die zu einem Beiheft zusammengefassten Kopien aus den Untersuchungsakten der Versicherten der Stadtverwaltung C sowie die Gerichtsakten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, eine Verletztenrente zu gewähren. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht.

Zunächst ist das angefochtene Urteil insoweit rechtsfehlerhaft, als die Beklagte zur Gewährung einer Verletztenrente verurteilt worden ist, ohne dass hierfür das nach §§ 78 ff. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erforderliche Vorverfahren durchgeführt worden war. Gegenstand des Verwaltungsverfahrens war lediglich die Feststellung einer Berufskrankheit, nicht auch die Gewährung konkreter Entschädigungsleistungen wie einer Verletztenrente nach §§ 56 ff. des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB VII).

Das angefochtene Urteil ist auch insoweit fehlerhaft, als es vom Bestehen einer Berufskrankheit (als Vorfrage einer Verletztenrente) ausgeht. Die Voraussetzungen einer im Klage- und Berufungsverfahren allein gegenständlichen Feststellung der BK 2108 liegen nicht vor. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass bei der Versicherten die BK 2108 bestand.

Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 SGB VII auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII erleidet (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen. Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen- BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die gegebenenfalls bei einzelnen Listen- BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale „versicherte Tätigkeit“, „Verrichtung“, „Einwirkungen“ und „Krankheit“ müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 20/04 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 17 f.). Von der BK 2108 werden „bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können“, erfasst. Nach dem Tatbestand der BK Nr. 2108 muss also der Versicherte aufgrund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwer gehoben und getragen beziehungsweise in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK 2108 nicht vor (vgl. BSG Urteile vom 18. November 2008 - B 2 U 14/07 R –, zitiert nach juris Rn. 23 ff.) und ist nicht anzuerkennen.

Es kann dahinstehen, ob vorliegend die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind, ob also die Versicherte in einem ausreichenden Ausmaß während ihrer versicherten Tätigkeit die LWS belastenden Tätigkeiten ausgesetzt war, wie sie die BK 2108 voraussetzt. Für die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzung spricht indes die Berechnung des TAD der Beklagten vom 29. Januar 2009.

Der Feststellungsanspruch scheitert jedenfalls an den medizinischen Voraussetzungen. Nach den überzeugenden Feststellungen des im Berufungsverfahren gehörten Orthopäden Dr. W-R in seinem Gutachten vom 30. September 2009 und seinen ergänzenden Stellungnahmen sowie nach denjenigen des auf Antrag der Versicherten gehörten PD Dr. M, deren Beurteilung im Wesentlichen mit derjenigen des im Vorverfahren herangezogenen Sachverständigen Dr. I übereinstimmt, sind die medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung der BK 2108 nicht erfüllt.

In der medizinischen Wissenschaft ist anerkannt, dass Bandscheibenschäden und Bandscheibenvorfälle insbesondere der unteren LWS in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Da diese Bandscheibenerkrankungen ebenso in Berufsgruppen vorkommen, die während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastung ausgesetzt waren, wie in solchen, welche auch schwere körperliche Arbeiten leisteten, kann allein die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne des so genannten Mainz Dortmunder Dosismodells (MDD) die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammenhanges nicht begründen (vgl. Merkblatt zur BK 2108, Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, BArbBl. 10/2006, S. 30 ff., abgedruckt bei Mehrtens/ Brandenburg, BKV – Kommentar, Stand 2/10, M 2108 vor Rn. 1). Im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Beurteilung des Ursachenzusammenhanges bei der BK 2108 war die medizinische Wissenschaft gezwungen, weitere Kriterien zu erarbeiten, die zumindest in ihrer Gesamtschau für oder gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Diese sind in den medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS niedergelegt, welche als Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung auf Anregung der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe anzusehen sind (vgl. Trauma und Berufskrankheit Heft 3/2005, Springer Medizin Verlag, S. 211 ff.). Da insbesondere weder der Sachverständige Dr. W-R noch der Sachverständigen Dr. M einen neueren, von den Konsensempfehlungen abweichenden Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu den bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS aufgezeigt haben, ist davon auszugehen, dass diese nach wie vor den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung von LWS-Erkrankungen durch körperliche berufliche Belastungen darstellen (vgl. auch BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 2 U 16/08 R -, zitiert nach juris Rn. 14 f.). Zur Gewährleistung einer im Geltungsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung gleichen und gerechten Behandlung aller Versicherten begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die befassten Gutachter und die Sozialgerichtsbarkeit diese Konsensempfehlungen anwenden.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen der BK 2108 nicht gegeben. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen des gesamten Gerichtsverfahrens. Zwar können die bei der Versicherten festgestellten Veränderungen der Wirbelsäule eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS im Sinne der BK 2108 darstellen. Unabdingbare, aber allein nicht hinreichende Voraussetzung für den Nachweis einer bandscheibenbedingten Erkrankung ist nach den Konsensempfehlungen unter Punkt 1.3 der bildgebende Nachweis eines Bandscheibenschadens, das heißt einer Höhenminderung der Bandscheibe (Chondrose) beziehungsweise eines Bandscheibenvorfalls, wobei der bildgebend darstellbare Bandscheibenschaden seiner Ausprägung nach altersuntypisch (Punkt 1.2 sowie 1.4 der Konsensempfehlungen) sein muss. Hinzutreten muss eine damit korrelierende klinische Symptomatik. Erforderlich ist ein Krankheitsbild, welches über einen längeren Zeitraum andauert, also chronisch oder zumindest chronisch wiederkehrend ist, und welches zu Funktionseinschränkungen führt, welche eine Fortsetzung der genannten Tätigkeit unmöglich machen. Erforderlich sind daher ein bestimmtes radiologisches Bild sowie ein damit korrelierendes klinisches Bild (vgl. das aktuelle Merkblatt zur BK 2108 sowie die Konsensempfehlungen Punkt 1.3). Als mögliche sekundäre Folge des Bandscheibenschadens können bildgebend darstellbare Veränderungen wie die Spondylose, die Sklerose der Wirbelkörperabschlussplatten, die Retrospondylose, die Spondylarthrose, die degenerative Spondylolisthesis und eine knöcherne Enge des Spinalkanals auftreten. Teilweise können derartige Veränderungen auch unabhängig von einem Bandscheibenschaden auftreten, wie zum Beispiel bei der primären Spondylarthrose, der Spondylarthrose aufgrund eines Hohlkreuzes oder dem anlagebedingt engen Spinalkanal (vgl. die Konsensempfehlungen Punkt 1.3). Heranzuziehen sind die der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zeitlich nächstliegenden Röntgenbilder (vgl. auch Punkt 1.2 der Konsensempfehlungen).

Zwar lassen sich hier nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. W-R in seinem Gutachten zumindest ab den Röntgenbildern von 1998, als die berufliche Exposition bereits fast vier Jahrzehnte lang andauerte und die Versicherte bereits behandlungsbedürftig geworden war, neben der im Segment L 4/5 festgestellten Bandscheibendegeneration Abflachungen im Segment L5/S1 im Vergleich zum darüber liegenden Segment L 4/5 finden; als altersüberschreitend schätzt der Sachverständige sie indes nicht ein. Eine Spondylose vermag der Sachverständige nicht zu erkennen. Dr. W-R hat außerhalb der geschädigten Segmente L4/5 oder L5/S1 keine belastungsreaktive Spondylose im Sinne altersüberschreitender knöcherner Ausziehungen der Wirbelkörperdeckplatten im Bereich der mittleren LWS feststellen können, ebensowenig auffällige wellige Verformungen der Wirbelkörperdeckplatten. Deshalb schließt er nachvollziehbar darauf, dass sich im für die medizinische Beurteilung entscheidenden Jahr 1998 keine berufsspezifische Überlastung der unteren LWS abzeichnete, auch wenn seiner Einschätzung nach eine altersüberschreitende Schädigung der Etage L4/5 vorliegt, welche die LWS-Probleme erklärt. Dr. Mselbst geht in seinem Gutachten betreffend die Etage L4/5 noch nicht einmal von einem altersvoranschreitenden, sondern nur von einem alterstypischen Verschleiß für Frauen im Alter der Versicherten aus und verneint bereits von daher das Vorliegen einer relevanten bandscheibenbedingten Erkrankung i. S. d. Konsensempfehlungen.

Selbst wenn man jedoch davon ausginge, dass hier eine so genannte primäre Bandscheibenschädigung und auch ein damit korrelierendes Erkrankungsbild in Form eines lokalen Wirbelsäulensyndroms vorlagen, ist eine berufliche Verursachung nicht wahrscheinlich. Denn das Ausbreitungsmuster der bandscheibenbedingten Schäden spricht – wie die Sachverständigen Dr. W-R und Dr. M zutreffend aufgezeigt haben – gegen eine berufliche Verursachung, indem sie auf den in etwa gleich ausgeprägten Befall von HWS und BWS verweisen (vgl. Konsensempfehlungen Punkt 1.4). So weist etwa Dr. W-R – im Wesentlichen im Einklang mit der Beurteilung von PD Dr. M und Dr. I - darauf hin, dass parallel zur LWS- Problematik sich frühzeitig eine behandlungsbedürftige HWS- Erkrankung einstellte und die untere HWS radiologisch in etwa vergleichbare Abnutzungserscheinungen des Segmentes HWK 6/7 aufweist. Diese Beurteilung stimmt insbesondere auch mit der von Dr. I in seiner vorgerichtlichen Begutachtung gewonnenen Einschätzung überein, welcher bereits – im Einklang mit den Befunden Dr. W-Rs und Dr. Ms – ausführt, dass, da osteochondrotische und zarte spondylotische Veränderungen nicht nur im Bereich der LWS, sondern ebenfalls im Bereich der unteren HWS und im Bereich der mittleren BWS vorlägen, davon auszugehen ist, dass anlagebedingte Faktoren bei den jetzt nachweisbaren relativ geringfügigen Veränderungen im Bereich der LWS eine wesentliche Rolle spielten. So erklären sich im Übrigen auch die wiederholten und zuletzt durchgängigen Krankschreibungen der Versicherten wegen Zervikobrachialsyndroms. Soweit Dr. W von einer beruflichen Verursachung ausgeht, vermag der Senat dieser Einschätzung nach den schlüssigen und jeweils auf einer eingehenden Befunderhebung beruhenden Beurteilung der gerichtlichen Sachverständigen des Berufungsverfahrens nicht zu folgen. Denn Dr. W lässt bei seiner Beurteilung den nötigen Bezug auf die Konsensempfehlungen und damit eine hinreichende Orientierung am Stand der medizinischen Wissenschaft vermissen, indem er trotz fehlender Feststellung altersvoranschreitenden Verschleißes in den benachbarten Bandscheibenräumen eine berufliche Verursachung bejaht.

Ausgehend von seinen Befunden führt Dr. W-R konsequent und nachvollziehbar aus, dass gemessen an den Konsensempfehlungen die Konstellation A von vorneherein ausfällt und auch die Konstellation B1 mangels Begleitspondylose auszuschließen ist. Er schließt auch die Konstellation B2 unter Hinweis darauf aus, dass zeitnah angefertigte Tomographieaufnahmen bei monosegmentalem Befall keine so genannte Black-disc- Phänomene an mindestens zwei angrenzenden Etagen aufdeckten. Zwar kann die Konstellation B2 im Übrigen auch erfüllt sein, wenn eine besonders intensive Belastung gegeben ist, wobei nach den Konsensempfehlungen das Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als zehn Jahren ein Anhaltspunkt ist und die Versicherte nach der letzten Berechnung des TAD vom 29. Januar 2009 in der Zeit von September 1991 bis September 1999 als Lehrkraft an der Förderschule für geistig behinderte Kinder und Jugendliche immerhin rund 10.339 kNh erreichte. Ob dies im Hinblick auf den Umstand, dass der Konsens auf der Grundlage des MDD-Richtwertes für Frauen von 17.000 kNh zustande gekommen ist, ausreichend ist, kann letztlich dahin stehen. Schließlich kann die Konstellation B2 auch dann erfüllt sein, wenn ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen (Druckkräfte bei Frauen ab 4,5 kN) gegeben ist, welche bei der Versicherten anzunehmen sind. Nach der Berechnung des TAD vom 29. Januar 2009 ergaben sich sowohl bei ihrer Tätigkeit als Erzieherin von März 1984 bis August 1991 als auch als Lehrkraft an der Förderschule von September 1991 bis September 1999 Belastungsspitzen bei Druckkräften von 5,3 kN, die mehr als die Hälfte des Tagesdosiswertes für Frauen (3,5 kNh) ausmachten. Jedoch hat Dr. W-R – in Übereinstimmung mit Dr. I und Dr. M – unter Hinweis auf die vorangeschrittene Degeneration an anderen Wirbelsäulenabschnitten konkurrierende Ursachen aufgezeigt, welche auch bei Vorliegen einer B2-Konstellation der Annahme einer beruflichen Verursachung letztlich entgegenstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Revisionsgrund nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG vorliegt.