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Asyl, Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung


Metadaten

Gericht VG Potsdam 7. Kammer Entscheidungsdatum 14.11.2017
Aktenzeichen VG 7 K 2319/16.A ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2017:1114.7K2319.16.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 3e AsylVfG 1992, § 4 Abs 1 S 2 Nr 3 AsylVfG 1992

Tenor

Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung internationalen Schutzes sowie die Feststellung, dass er asylberechtigt ist und hilfsweise die Feststellung, dass Abschiebungsverbote in seiner Person hinsichtlich seines Herkunftslandes vorliegen.

Nach eigenen Angaben wurde der Kläger in der Provinz Distrikt K... östlich von Kabul geboren. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, tadschikischer Volkszugehörigkeit und muslimischen Glaubens; er ist ledig und arbeitete in seiner Heimat als Bäcker und Dachdecker.

Seinen Angaben im Verwaltungsverfahren zufolge hat er in K... bis zu seiner Ausreise gelebt. Am 14. Januar 2015 sei er in den Iran gereist, wo er acht bis neun Monate verbracht habe. Danach sei er in die Türkei weitergereist und nach weiteren 20 Tagen nach Griechenland gekommen. Über Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich sei er nach Deutschland gelangt und vom 22. auf den 23. November 2015 illegal eingereist.

Am 11. März 2016 stellte der Kläger einen Asylantrag bei der Außenstelle der Beklagten in Eisenhüttenstadt. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) in Eisenhüttenstadt am 14. Juni 2016 gab er im Wesentlichen an, er habe Afghanistan verlassen, weil er in Todesgefahr geschwebt habe. Er hätte etwa vier Monate lang einen Kontakt mit einem Mädchen gehabt. Seine Freundin habe ihn angerufen und ihn vor ihrem Vater und ihrem Bruder gewarnt, da sie herausbekommen hätten, dass sie eine Affäre hätten. Sie würden ihn und auch sie töten. Die Verbindung mit dem Mädchen sei nicht offiziell gewesen und in islamischen Staaten gebe es Traditionen. Er sei daraufhin in den Iran geflohen, wo ein Cousin in einer kleinen Möbelwerkstatt gearbeitet habe. Er sei dort untergekommen und habe mitgearbeitet.

Von seiner Freundin habe er keine Nachricht mehr erhalten. Sie lebe jetzt in K.... Der Warnanruf seiner Freundin habe ihn zwei Tage vor seiner Ausreise erreicht. Zuvor habe er jeden Dienstag mit dem Mädchen sexuellen Kontakt gehabt, wenn das Haus leer gewesen sei und sie zu ihm kommen konnte. Er wisse nicht, ob sie noch lebe. Im Iran sei er nicht weiter bedroht oder verfolgt worden. Er habe sich an staatliche Stellen oder die Polizei nicht gewandt, da ihm in einem solchen Fall die Steinigung gedroht hätte. Wegen seiner Tazkira hätte man ihn auch in anderen Provinzen finden können; die Polizei und die Bevölkerung wisse dann, wo man lebe. Er sei weder politisch aktiv gewesen, noch habe er Probleme mit den Justizbehörden oder der Polizei gehabt.

Im Iran habe er schwarzgearbeitet. Zwei bis drei Mal seien iranische Beamte gekommen, die gegen Schwarzarbeit vorgegangen seien. Er sei aus einem Fenster auf das Dach geflohen. Einmal sei er in die Firma zurückgekommen, nachdem sie seinen Cousin festgenommen hätten; der Cousin sei nach Afghanistan zurückgeschickt worden. Daher habe er Angst bekommen und sei in Richtung Europa weitergereist. Seine Tazkira habe er auf der Reise verloren.

Mit Bescheid vom 23. Juni 2016, dem Kläger am 28. Juni 2016 zugestellt, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt werde sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - nicht vorliegen. Ferner forderte es den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; im Falle einer Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Sofern er nicht binnen der gesetzten Frist ausreise, werde er nach Afghanistan abgeschoben.

Zur Begründung führte es aus, der Kläger sei kein Flüchtling im Sinne des § 3 Asylgesetzes - AsylG. Ihm habe keine Verfolgung wegen seiner Religionszugehörigkeit oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmen sozialen Gruppe gedroht. Eine relevante Verfolgungshandlung habe sich nach dem Vortrag des Klägers nur in Form einer telefonischen Warnung der Freundin ereignet. Eine schutzwürdige Verfolgungshandlung habe somit nicht stattgefunden. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen ebenfalls nicht vor, da der Kläger weder von der Verhängung der Todesstrafe noch von Folter oder einer sonstigen unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung in seiner Heimat bedroht werde. Abschiebungshindernisse lägen auch nicht vor, da weder eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK -, noch andere Abschiebungshindernisse festzustellen seien. Die derzeitige humanitäre Lage in Afghanistan begründe nicht die Annahme, dass bei der Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK drohe. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller als volljähriger, gesunder Mann, der mangels familiärer Bindungen keine Unterhaltslasten zu tragen habe, trotz fehlendem Vermögen und abgeschlossener Berufsausbildung im Falle einer Rückkehr in der Lage wäre, mit Gelegenheitsarbeiten, etwa in Kabul, aber auch in seiner Heimatprovinz, ein kleines Einkommen zu erzielen. Dies werde ausreichen, um sich ein Existenzminimum zu finanzieren und wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren.

Der Kläger hat am 5. Juli 2016 Klage erhoben.

Zur Begründung führt er schriftsätzlich aus, er habe als Tadschike in K... gelebt. K... sei überwiegend paschtunisch geprägt und gelte als von Aufständischen und regierungsfeindlichen Kräften dominiert. Er habe angegeben, wegen Morddrohungen durch den Vater und den Bruder seiner Freundin aus K... geflüchtet zu sein, allerdings habe er die politisch-kulturelle Dimension seines Verfolgungsschicksals nur unzureichend darstellen können. Vater und Bruder seiner Freundin seien konservativ-religiös geprägte Paschtunen, die gegenüber einem Tadschiken, der eine außereheliche Beziehung zu ihrer Tochter/Schwester eingegangen sei, höchst feindselig eingestellt seien. Das traditionelle Ehrverständnis in einer paschtunischen Stammesgesellschaft verlange es, eine solche Ehrverletzung zu tilgen. Hieraus ergebe sich für den Kläger die konkrete Gefahr, einem Ehrenmord zum Opfer zu fallen. Dies sei von dem Bundesamt nur unzureichend berücksichtigt worden, obwohl der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass ihm wegen seiner außerehelichen Beziehung zu einer Paschtunin die Steinigung gedroht hätte. Bei einer Rückkehr werde er in Lebensgefahr schweben. Die Beklagte habe die kulturellen Spannungen zwischen Paschtunen und Tadschiken vernachlässigt sowie die Komplexität des innerstaatlichen Konflikts nicht beachtet.

Dieser Bedrohung habe er sich auch nicht mit staatlicher, insbesondere polizeilicher Hilfe erwehren können, zumal die Sicherheitskräfte Afghanistans zunehmend nur mit der Gewährleistung ihrer eigenen Sicherheit beschäftigt seien. Ferner hätte dem Kläger subsidiärer Schutz nach § 4 AsylG zuerkannt werden müssen, denn er habe stichhaltige Gründe für die Annahme darlegen können, dass ihm in Afghanistan ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 AsylG drohe.

Weiter trägt er mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2017 vor, er sei Opfer von bewaffneten Milizen geworden. Bewaffnete Kräfte seien gewillt, ihre Vorstellung mit Gewalt und Menschenrechtsverletzungen durchzusetzen. Die Opfer der Angriffe müssten sich entweder unterordnen oder sich den Kräften anschließen. Seine Verfolger hätten als Mitglieder der Hezb-Islami in der Provinz K... ihr Unwesen getrieben und bezogen auf den Kläger als Talibansympathisanten agiert. Als Vorverfolgter komme dem Kläger daher die Beweiserleichterung des Art. 14 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie - QRL - zugute. Die begründete Furcht vor Verfolgung lasse sich nicht mit stichhaltigen Gründen widerlegen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 23. Juni 2016 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, zu verpflichten festzustellen, dass dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 erster Halbsatz AsylG zuzuerkennen ist;

hilfsweise dem Kläger subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG zuzuerkennen;

hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid vom 23. Juni 2016.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Klage insoweit zurückgenommen, als er auch seine Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG beantragt hatte. Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind die Erkenntnisse gewesen, wie sie als Anlage zur Ladung aufgeführt worden sind sowie weitere, unten gesondert benannte Quellen zur Gefährdungslage sowie zur Ahndung vorehelichen Kontakts in Afghanistan.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, nachdem in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO).

Im Übrigen ist die Klage zulässig, jedoch nicht begründet. Nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz des Asylgesetzes - AsylG -) hat die Kläger weder einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung internationalen Schutzes (1.), noch den hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Feststellung eines subsidiären Schutzstatus (2.), noch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots (3.). Der Bescheid des Bundesamtes vom 23. Juni 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG).

a) Gemäß § 3 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Die Furcht vor Verfolgung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) ist begründet, wenn dem Ausländer die oben genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich drohen. Der in dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2 Buchst. d Richtlinie 2011/95/EU enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG übernommen worden ist, orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Er stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab (EGMR, Große Kammer, U. v. 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - HUDOC, Rz. 129); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U. v. 18. April 1996 - 9 C 77.95 - juris, Rz. 6; Vorlageb. v. 7. Februar 2008 - 10 C 33.07 - juris, Rn. 37; U. v. 27. April 2010 - 10 C 5.09 - juris, Rn. 29).

Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - juris, Rn. 32).

Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss, ist nicht ausreichend. Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen.

Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U. v. 16. April 1985 - 9 C 109/84 - juris, Rn. 16).

Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (Qualifikationsrichtlinie - QRL) ist hierbei die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von einer solchen Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Antragsteller, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.

Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen engen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus. Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es - unter Angabe genauer Einzelheiten - einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH Mannheim, U. v. 27. August 2013 - A 12 S 2023/11 - juris, Rn. 35; VGH Kassel, U. v. 4. September 2014 - 8 A 2434/11.A - juris, Rn. 15).

Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

So hat er zunächst im Vorfeld der mündlichen Verhandlung zwei unterschiedliche, erkennbar nicht aufeinander bezogene Verfolgungsgeschichten vorgetragen, die keinerlei Zusammenhang aufwiesen. So will er nach seinem ursprünglichen Vortrag infolge eines entdeckten außerehelichen Verhältnisses zu einer paschtunischen Frau und der ihm drohenden Rache seitens des Vaters und Bruders dieser Frau außer Landes nach Iran geflohen sein. Nach dem Schriftsatz vom 20. Oktober 2017 hätten ihn Milizen der Hebz-lslami als Talibananhänger bedroht und zur Ausreise bestimmt.

Diese unterschiedlichen Vorträge wurden in der mündlichen Verhandlung ohne weitere Begründung zusammengeführt, ohne dass hierfür ein einleuchtender Grund angegeben worden wäre: Der Kläger erzählte, ihm habe eine Bäckerei auf dem Basar gehört, bei der er an der Kasse gesessen habe. Dort habe er das Mädchen kennengelernt. Immer wenn er sich mit ihr treffen wollte, habe er seinen Eltern gesagt, dass er etwas zu erledigen habe. So habe er über vier Monate eine enge Beziehung zu dem Mädchen gehabt, die dann auch sexuell geworden sei. Das Mädchen habe allmählich angefangen, über die Eltern zu sprechen. Es habe ihm erzählt, dass seine Eltern die Beziehung mitbekommen hätten. Eines Tages, als er sich wieder mit dem Mädchen habe treffen wollen, sei es von ihrem Bruder verfolgt worden. Anschließend habe es angerufen, geweint und am Telefon gesagt, dass er das Land verlassen müsse. Er habe dann mit seinem Vater gesprochen. Dieser habe gesagt, das seien sehr gefährliche Leute. Seine Mutter habe ihm gesagt, sein Verhalten sei beschämend und er habe Schande über die Familie gebracht. Er habe ihr gesagt, dass er die Frau heiraten wolle. Er habe jedoch das Land verlassen müssen und sei gezwungen gewesen, in den Iran zu gehen.

Aus dem Iran habe er dann Kontakt mit seinem Vater gehabt, dieser habe ihm gesagt, er müsse sich in Acht nehmen, die Leute stammten nämlich von der Organisation Hezb-Islami. Auf Nachfrage des Gerichts erklärte er hierzu, das sowohl der Vater als auch der Bruder der jungen Frau Mitglieder der Hezb-Islami gewesen seien. Sein eigener Vater habe ihm das sagen können, weil dieser selbst für acht Jahre Mitglied dieser Partei gewesen sei. Er, der Vater, sei damals aber ausgetreten, als die Partei im Bürgerkrieg die Stadt Kabul in Schutt und Asche gelegt habe. Bei der HEZB-Islami handle es sich um eine große Partei, die auch verschiedene Machtposition in Afghanistan innehabe.

Der Vater habe ihm danach gesagt, dass diese Leute uniformiert zu ihnen nach Hause gekommen seien. Der Kläger erklärt weiter, dass sein Vater mehrfach aufgesucht worden sei, seit er, der Kläger, in Deutschland lebe. Dabei sei der Vater mehrmals bedroht und auch geschlagen worden. Mittlerweile seien auch seine Eltern in den Iran geflohen. Auf Frage des Gerichts, warum er das Mädchen nicht geheiratet habe, erklärte er, er habe hierzu keine Gelegenheit gehabt. Auf die Frage, wer das verhindert habe, erklärt er, dass der Bruder des Mädchens ja bereits im Vorfeld von der Beziehung erfahren habe. Deshalb habe es keine Gelegenheit mehr gegeben, obwohl er seine Eltern gebeten habe, um die Hand des Mädchens anhalten zu dürfen.

Im Ergebnis stellt sich diese Gesamtgeschichte als erheblich gesteigert und in wesentlichen Teilen als unglaubhaft dar. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso der Kläger nicht sofort bei seiner ersten Befragung vor dem Bundesamt, die wesentlichen Einzelheiten über die Bedrohung und Schläge seines Vaters nach seiner eigenen Flucht in den Iran mitgeteilt hat. Diese Umstände hätten sehr viel eindrücklicher die ihm drohende Verfolgung begründet, als es die schlichte Angabe tat, wonach ihm die junge Frau am Telefon gesagt habe, dass ihm seitens ihres Vaters und Bruder der Tod drohe. Auch tauchte erstmals in der mündlichen Verhandlung überhaupt die Gruppierung der Hezb-Islami als potentieller innerstaatlicher Akteur auf, der die angeblich drohende Verfolgung aus der Sphäre einer bloßen Privatfehde in den politischen Bereich heraushob. Auch in diesem Zusammenhang wäre es naheliegend gewesen, diesen Motivhintergrund sofort von Anfang an zu thematisieren, zumal der Kläger bei seiner Befragung vor dem Bundesamt ausdrücklich ermahnt worden war, alles vollständig zu erzählen und er ausdrücklich angab, ausreichend Gelegenheit gehabt zu haben, die Gründe für seinen Asylantrag zu schildern und auch alle Hindernisse darzulegen, die einer Rückkehr in sein Heimatland entgegenstehen. Desgleichen gilt auch für die Umstände, wie er sich mit der jungen Frau während der Bazarzeiten getroffen haben will. Diese sind vom Kläger zuletzt ziemlich plastisch geschildert worden, so dass es geboten gewesen wäre, sie schon zuvor eben in dieser Genauigkeit darzulegen. Andererseits sind neben den erheblichen Steigerungen, die der Verfolgungsgeschichte ein gänzlich anderes Gepräge gegeben haben, gewisse Ungereimtheiten in dieser letzten Version erkennbar gewesen, die durchgreifend gegen den Wahrheitsgehalt der Geschichte sprechen.

Nach den vorliegenden und eingeführten Auskünften führt nämlich ein vorehelicher Geschlechtsverkehr nicht automatisch und unbedingt zu einer Steinigung der Delinquenten. So erscheint es fernliegend, dass diese Todesstrafe durch Behörden verhängt und vollstreckt wird (Dr. D..., Auskunft an das VG Oldenburg vom 10.1.2013, S. 3). Wenn überhaupt, dann droht eine Art privater Gewalt bzw. Selbstjustiz aufgrund islamischer Moralvorstellungen. Es heißt hierzu in der Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 7. Juni 2017 zu Afghanistan: Blutrache und Blutfehde), dass Ehre und Vergeltung bei Ehrverletzungen (badal) eine zentrale Rolle im paschtunischen Ehrenkodex (Paschtunwali) spielen. Doch spricht einiges dafür, dass die vom Kläger geschilderte Beziehung eines einvernehmlichen außerehelichen Geschlechtsverkehrs von unverheirateten jungen Leuten, anders als ein ehebrecherischer oder erzwungener Verkehr, auch in der afghanischen Gesellschaft als minder schwerer Fall zu werten sein dürfte (vgl. Auskunft von Dr. D... an das VG Oldenburg vom 10. Januar 2013 S. 2). Zwar heißt es in der o.g. Schnellrecherche der SFH, dass Blutrache überall in Afghanistan innerhalb und zwischen allen Volksgruppen praktiziert werde (a. a. O. S. 2). Daraus lässt sich aber keineswegs ableiten, dass jede Verletzung bestehender islamischer Regeln zu einer Blutrache mit Todesfolge führen würde. Vielmehr gibt SFH selbst an, dass es neben der Blutrache, auch die finanzielle Wiedergutmachung (sog. Blutgeld) und Mediation zum Zwecke der Wiederherstellung der Familienehre gebe (Landinfo, Juni 2014, referiert nach ACCORD, Auskunftserteilung vom 23. Februar 2017, S. 5). Schließlich hängt die Art der Vergeltung von der Mächtigkeit der vergeltenden Familie, aber auch von der finanziellen Lage der Familie ab, aus der der Täter stammt, aber auch von der Art der Tatbegehung, die im geschilderten Fall durch legitimierende Heirat (so Landinfo 2012 nach ACCORD, a. a. O.) oder eine Verhandlungslösung bereinigt werden können. Da der Kläger aus einer nicht unvermögenden Familie in der Provinz K... stammt, ist eine anderweitige Lösung, als die einer sofortigen Blutrache denkbar und gerade naheliegend, wenn man der Auskunft der Unabhängigen Afghanischen Menschenrechtskommission in einem Bericht aus Juni 2013 Glauben schenkt (referiert von ACCORD, Anfragebeantwortung vom 23. Februar, Seite 5). Danach sind die gesellschaftlichen Sitten und Traditionen sehr hart gegenüber Frauen, während Männer aufgrund ihrer höheren gesellschaftlichen Stellung in diesem Zusammenhang weniger hart behandelt werden. So würden Fälle vermeintlicher außerehelicher Beziehungen nur selten zur Tötung von Männern führen.

Auch fällt auf, dass staatlicher Schutz vor solchen Vergeltungsakten nach den Auskünften nicht schlechthin ausgeschlossen ist. So gab N... gegenüber der SFH laut der SFH Schnellrecherche vom 7. Juni 2017 unter dem 31. Mai 2015 an, der Zugang zu staatlichem Schutz hänge von den finanziellen Mitteln und dem Einfluss der betroffenen Familie ab (a. a. O, S. 7).

Vor diesem Hintergrund bleiben erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der Geschichte, soweit der Kläger angab, dass eine Heirat von vorneherein überhaupt nicht in Betracht gekommen sei, sondern er sofort das Land habe verlassen müsse. Ebenfalls befremdlich erscheint seine Einlassung, dass er nie wieder etwas von der Geliebten erfahren habe. Schließlich lebten seine Eltern dort in dem gemeinsamen Wohnort beider Familien noch geraume Zeit. In Zeiten der Verbreitung von Handys und Internet erscheint es zudem unwahrscheinlich, dass der Kläger auch nicht über Freunde oder andere Bekannte Auskunft über das weitere Schicksal seiner Freundin erhalten hätte.

Hinzukommt, dass der Kläger die Hintergründe seiner Einreise in das Bundesgebiet nicht widerspruchsfrei dargestellt hat. So hat er in der mündlichen Verhandlung seine Behauptung bekräftigt, er sei in der Nacht vom 22./23. November 2015 in die Bundesrepublik mit einem Bus eingereist. Tatsächlich wurde er bereits am 3. November 2015 in K... und später noch einmal am 11. November in S... erkennungsdienstlich behandelt. Auch wenn er anschließend auf Nachfrage angab, er habe nicht gewusst, wo er sich befunden habe, als die Polizei ihn zu den erkennungsdienstlichen Maßnahmen aus dem Bus geholt habe, erklärt dies nicht, wieso er sich sicher gewesen ist, am 22./23. November nach Deutschland gekommen zu sein, aber andererseits bereits vorher erkennungsdienstlich behandelt worden zu sein.

Nach alledem ist der Kläger unverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist und es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass ihm im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung droht.

b) Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen besteht zudem für den Kläger in Afghanistan die Möglichkeit eines internen Schutzes nach § 3e AsylG in Kabul.

Einem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er nach § 3e AsylG in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zum Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Hierbei sind die allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsland und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 Abs. 3 QRL zu berücksichtigen.

Das Gericht geht – auch unter Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 4 QRL davon aus, dass der Kläger in der afghanischen Hauptstadt Kabul internen Schutz erlangen kann und dort keine Verfolgungsgefahr zu befürchten hat. Der Kläger kann sicher und legal nach Kabul reisen. Daneben kann von ihm vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in Kabul niederlässt. Erforderlich ist hierfür, dass er am Ort des internen Schutzes durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und seiner Vorbildung nicht entsprechende zumutbare Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem angemessenen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zweitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Bausektor ausgeübt werden können. Nicht zumutbar sind hingegen die entgeltliche Erwerbstätigkeit für eine kriminelle Organisation, die in der fortgesetzten Begehung von oder Teilnahme an Verbrechen besteht. Der Zumutbarkeitsmaßstab geht im Rahmen des internen Schutzes über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 20).

Die diesbezügliche aktuelle Lage in Afghanistan und in der Hauptstadt Kabul stellen sich wie folgt dar:

Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (S. 21 ff.) aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt sei und trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der Regierung und kontinuierlicher Fortschritte im Jahr 2015 lediglich Rang 171 von 187 im Human Development Index belegt habe. Die afghanische Wirtschaft ringe in der Übergangsphase nach Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage durch den Rückgang internationaler Truppen um etwa 90 %. So seien ausländische Investitionen in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30 % zurückgegangen, zumal sich die Rahmenbedingungen für Investoren in den vergangenen Jahren kaum verbessert hätten. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe durch die schwache Investitionstätigkeit geprägt. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Rund 36 % der Bevölkerung lebe unterhalb der Armutsgrenze. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß verstärkt gelte. Dabei bestehe ein eklatantes Gefälle zwischen urbanen Zentren wie z.B. Kabul und ländlichen Gebieten Afghanistans. Das rapide Bevölkerungswachstum stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Zwischen den Jahren 2012 und 2015 werde das Bevölkerungswachstum auf rund 2,4 % pro Jahr geschätzt, was in etwa einer Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation gleichkomme. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung. Nach Angaben des afghanischen Statistikamtes sei die Arbeitslosenquote im Oktober 2015 auf 40 % gestiegen. Die internationale Gemeinschaft unterstütze die afghanische Regierung maßgeblich in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen der Menschen in Afghanistan zu verbessern. Aufgrund kultureller Bedingungen seien die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familien- bzw. Stammesverbandes vor allem in größeren Städten realistisch. Aus der Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes vom 28. Juli 2017 ergibt sich im Kern nichts hiervon Abweichendes.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheits-lage vom 30. September 2016, Seite 24 ff. und vom 14. September 2017, Seite 27 ff.) führt aus, Afghanistan bleibe weiterhin eines der ärmsten Länder weltweit. Die bereits sehr hohe Arbeitslosenrate sei seit dem Abzug der internationalen Streitkräfte Ende 2014 wegen des damit zusammenhängenden Nachfrageschwundes rasant angestiegen und inzwischen auch in städtischen Gebieten hoch, das Wirtschafts-wachstum betrage nur 1,5 %. Die Analphabetenrate sei noch immer hoch und der Pool an Fachkräften bescheiden. Die Landwirtschaft beschäftige bis zu 80 % der Be-völkerung, erziele jedoch nur etwa 25 % des Bruttoinlandprodukts. Vor allem in Kabul gehöre wegen des dortigen großen Bevölkerungswachstums die Wohnraumknapp-heit zu den gravierendsten sozialen Problemen. Auch die Beschäftigungsmöglichkei-ten hätten sich dort rapide verschlechtert. Nur 46 % der afghanischen Bevölkerung verfüge über Zugang zu sauberem Trinkwasser und lediglich 7,5 % zu einer adäqua-ten Abwasserentsorgung. Unter Verweis auf den UNHCR sähen sich Rückkehrende beim Wiederaufbau einer Lebensgrundlage in Afghanistan mit gravierenden Schwie-rigkeiten konfrontiert. Geschätzte 40 % der Rückkehrer seien verletzlich und verfüg-ten nur über eine unzureichende Existenzgrundlage sowie einen schlechten Zugang zu Lebensmitteln und Unterkunft. Außerdem erschwere die prekäre Sicherheitslage die Rückkehr. Gemäß UNHCR verließen viele Rückkehrende ihre Dörfer innerhalb von zwei Jahren erneut. Sie wichen dann in die Städte aus, insbesondere nach Ka-bul.

Trotz dieser geschilderten schwierigen Bedingungen kann von dem Kläger ver-nünftigerweise erwartet werden, dass er sich in Kabul niederlässt. Aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen als Bäcker, Dachdecker und im Möbelbau befindet er sich in einer vergleichsweise guten Position. Bei diesen Erfahrungen und Kenntnissen ist davon auszugehen, dass der Kläger auch ohne nennenswertes Vermögen und familiären Rückhalt im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, zumindest durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines ausreichendes Einkommen zu erzielen. Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR, auf den die Schweizerische Flüchtlingshilfe (vom 19. April 2016, S. 27) hinsichtlich der Situation der Rückkehrenden Bezug nimmt –, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern – wie dem 24 oder 26-jährigen Kläger – eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 19. April 2016, S. 10). An dieser Einschätzung des Gerichts ändert sich auch durch die Anmerkungen des UNHCR zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016 nichts. Der UNHCR weist zwar in seiner Stellungnahme darauf hin, dass sich die Sicherheitslage seit April 2016 insgesamt nochmals deutlich verschlechtert habe, da sich der Konflikt in Afghanistan im Laufe des Jahres 2016 weiter ausgebreitet habe und die Zahl der zivilen Opfer im ersten Halbjahr 2016 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um weitere 4 % gestiegen sei. Die Zahl der intern Vertriebenen habe im Jahr 2016 auf Rekordniveau gelegen; zudem sei auch aus den Nachbarländern Pakistan und Iran eine große Zahl von Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt, was zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten in den wichtigsten Städten der Provinzen und Distrikte in Afghanistan geführt habe. Dies gelte auch für die Stadt Kabul, wo nur begrenzte Möglichkeiten der Existenzsicherung, eine extrem angespannte Wohnraumsituation sowie mangelnder Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen bestehe, sodass die Verfügbarkeit einer internen Schutzalternative im Umfeld eines dramatisch verschärften Wettbewerbs um den Zugang zu knappen Ressourcen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jedes einzelnen Antragstellers geprüft werden müsse.

Abgesehen davon, dass der UNHCR für die beschriebene Einschätzung seine eige-nen Maßstäbe zugrunde legt, hält er gleichzeitig ausdrücklich an seinen Richtlinien von April 2016 fest (a. a. O. S. 3, 7, 8), wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt. Davon geht das erkennende Gericht auch für den Kläger aus (ebenso VG Würzburg, U. v. vom 11. August 2017 – W 1 K 16.31583 –, juris). Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Update der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 14. September 2017. Zwar sind danach ist die Aufnahmekapazität in der Hauptstadt äußerst eingeschränkt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Aufnahme von Rückkehrern ausgeschlossen ist. Vor diesem Hintergrund folgt das Gericht auch nicht der Einschätzung von Stahlmann, wonach die Annahme, dass alleinstehende junge gesunde Männer und kinderlose Paare ihr Überleben aus eigener Kraft sichern könnten, durch die derzeitige humanitäre Lage inzwischen grundlegend infrage gestellt sei (vgl. VG Würzburg, U. v. 11. August 2017 – W 1 K 16.31583 – unter Verweis auf: Friederike Stahlmann, Überleben in Afghanistan, Asylmagazin 3/2017, S. 73 ff. (77 f.). Denn zur Überzeugung des Gerichts bieten die geschilderten persönlichen Verhältnisse und Ressourcen ausreichende und realistische Möglichkeiten dafür, dass der Kläger ein zumutbares Leben in Kabul führen kann. Neben seiner eigenen Erwerbsfähigkeit kann er seine finanzielle Situation auch dadurch verbessern, dass er Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch nimmt. So können afghanische ausreisewillige Personen seit dem Jahr 2016 Leistungen aus dem REAG-Programm sowie aus dem GARP-Programm erhalten, die Reisebeihilfen im Wert von 200,00 EUR und Starthilfen im Umfang von 500,00 EUR beinhalten. Darüber hinaus besteht seit Juni 2016 das Reintegrationsprogramm ERIN. Die Hilfen aus diesem Programm umfassen z.B. Service bei Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsplatzsuche sowie Unterstützung bei einer Geschäftsgründung. Die Unterstützung wird weitgehend als Sachleistung gewährt. Der Leistungsrahmen für rückgeführte Einzelpersonen beträgt dabei ca. 700 EUR (vgl. Auskunft des Bundesamts vom 12. August 2016 an das VG Ansbach; VG Augsburg, U. v. 18. Oktober 2016 – AU 3 K 16.30949 – juris). Der Kläger könnte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden, also nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, U. v. 15. April 1997 – 9 C 38.96 – juris, Rn. 27; VGH BW, U. v. 26. Februar 2014 – A 11 S 2519/12 – juris, S. 40 des Urteilsabdrucks). Dementsprechend ist es dem Kläger möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach seiner Rückkehr nach Afghanistan diese Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen.

Ebenfalls nicht entgegenstehend für die Annahme internen Schutzes ist der Umstand, dass der Kläger längere Zeit in Europa verbracht hat. Vielmehr wirkt sich dies eher begünstigend auf seine Erwerbsperspektive in Afghanistan. Eine Rückkehr nach Afghanistan scheitert nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa BayVGH, B. v. 4. Januar 2017 – 13a ZB 16.30600 – juris), der sich das Gericht anschließt, grundsätzlich auch nicht an einem langjährigen Aufenthalt in Europa oder Drittländern. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht, was vorliegend der Fall ist.

2.

Der Kläger hat weiterhin auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus.

a) Dem Kläger droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihm ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Es fehlt insoweit bereits an einem glaubhaften Vortrag, zumindest aber besteht für den Kläger die Möglichkeit internen Schutzes in Kabul nach § 4 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 3e AsylG. Auf die obigen Ausführungen unter 1.b) wird verwiesen.

b) Dem Kläger droht bei Rückkehr auch keine individuelle und konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aufgrund der Sicher-heitslage in seiner Herkunftsregion K....

Für eine ernsthafte und individuelle Bedrohung ist es nicht ausreichend, dass ein eventueller Konflikt zu einer permanenten Gefährdung der Bevölkerung führt (BVerwG, U. v. 13. Februar 2014 - 10 C 6.13 - juris, Rn. 24), sondern es bedarf der Feststellung, dass die Gefahr individuell bezogen auf den Schutzsuchenden besteht. Hierzu bedarf es einer Feststellung zur Gefahrendichte, die jedenfalls auch eine annäherungsweise quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos umfasst. Dafür ist eine wertende Gegenüberstellung der Einwohnerzahlen des betreffenden Gebietes mit der Anzahl der sicherheitsrelevanten Ereignisse und der Anzahl der Opfer in diesem Gebiet notwendig (BVerwG, U. v. 13. Februar 2014, a. a. O.). Dabei sind nicht nur solche Gewaltakte der Konfliktpartei zu berücksichtigen, die gegen humanitäres Völkerrecht verstoßen, sondern alle, durch die Leib und Leben von Zivilpersonen wahllos und ungeachtet ihrer persönlichen Situation verletzt werden (BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - juris, Rn. 23 zu der inhaltlich übereinstimmenden Vorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F.). Hierbei ist in der Regel auf die Herkunftsregion des Ausländers abzustellen, soweit sich dieser nicht bereits vor seiner Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst hat und sich in einem anderen Landesteil auf unabsehbare Zeit niedergelassen hatte (BVerwG, U. v. 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167 und juris, Rn. 13). Die fehlende Wertung der statistischen Betrachtung führt jedenfalls dann nicht zu einem Fehler der Beurteilung, wenn die statistischen Zahlen weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt sind (BVerwG, U. v. 17. November 2011 - 10 C 13.10 - juris, Rn. 23). Dabei ist jedenfalls bei einem Opferrisiko von 1 : 800 ( = 0,125 %) noch nicht von einem Überschreiten der relevanten Risikoschwelle und auch noch nicht von einer relevanten Annährung an dieselbe auszugehen (BVerwG, U. v. 17. November 2011, a. a. O.). Davon ausgehend, gibt schon die aktuelle statistisch erkennbare Gefahrendichte keinen Anlass zur Annahme, dass der Kläger einer individuellen Gefährdung infolge des bewaffneten Konflikts in seiner Heimat ausgesetzt wäre.

aa) Unter Zugrundelegung der Einwohnerzahlen Afghanistans (Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendoku-mentation vom 02.03.2017, in der Fassung der letzten Einfügung vom 25. September 2017, Nrn. 3.1 ff, S. 29 ff) von insgesamt 27.656.245 Personen und einer Gesamtanzahl ziviler Opfer in Afghanistan von 8.019 für die ersten neun Monate des Jahres 2017 laut UNAMA (Afghanistan. Quarterly Report on the Protection of Civilians in armed Conflict: 1. January to 30 September 2017 vom 12. Oktober 2017) lässt sich eine landesweite Gesamtwahrscheinlichkeit von 0,03865 Prozent pro Jahr feststellen, dass ein Mensch ein ziviles Opfer willkürlicher Gewalt in Afghanistan wird. Das entspricht einem Verhältnis von 1 : 2587 und liegt damit weit unter dem Schwellenwert von 1 : 800. Auch im Verhältnis zu den Zahlen aus den vergangenen Jahren lässt sich zwar feststellen, dass die Sicherheitslage in absoluten Zahlen nach wie vor angespannt ist, sich aber im Jahresvergleich leicht verbessert hat. Im Referenzzeitraum 2016 waren von der UNAMA landesweit 8531 und 2015 8487 Fälle ziviler Opfer gezählt worden.

bb) Auch bezogen auf die Provinz K..., aus der der Kläger stammt, lässt sich keine Gefahrenlage feststellen, die eine ernsthafte und individuelle Bedrohung des Klägers nach sich zöge. K... zählt zu den zentralen Provinzen Afghanistans. Die Provinz Panjshir befindet sich im Norden, die Provinzen Kabul und Parwan im Westen, Kabul im Süden, die Provinz Laghman liegt sowohl im Süden, als auch im Osten der Provinz Kapisa. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 448.245 geschätzt (Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt, a. a. O., S. 76). In dieser Provinz sind im ersten Halbjahr 2017 von der UNAMA 63 Opfer willkürlicher Gewalt gezählt worden, davon 16 Todesfälle (UNAMA, Afghanistan, Protection of Civilians in Armed Conflict, Midyear Report 2017, Anlage I). Das entspricht einem Opferrisiko von 0,0281 % oder 1 : 3558 pro Jahr. Für den Vergleichszeitraum 2016 konnte das VG Bayreuth für diese Provinz den Wahrscheinlichkeitswert von 0,06 % feststellen, der einem Verhältnis von 1 : 1666 entspricht (Urteil vom 30. August 2017 - B 6 K 17.30573 - juris, Rn. 38). Beide Werte liegen deutlich über dem Schwellenwert.

Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind darüber hin-aus nicht erkennbar. Daran ändern auch die im Quartalsbericht UNAMA vom 12. Ok-tober 2017 veröffentlichten Zahlen nichts. Danach ist bezogen auf ganz Afghanistan für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. September 2017 vielmehr von einem leichten Rückgang der Opfer insgesamt auszugehen. Auch die medial sehr präsenten An-schläge in Afghanistan seit Mai 2017 vermögen nicht, diese Einschätzung zu widerlegen (so auch: VG Bayreuth, Urteil vom 30. August 2017, a. a. O. Rn. 52 m. w. N.). Im Übrigen wird auch insoweit auf die obigen Ausführungen in vollem Umfang verwiesen.

3.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

a) Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine existentielle Gefahrenlage im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG droht. Auch in diesem Zusammenhang wird auf die obigen Ausführungen zu den §§ 3, 4 AsylG verwiesen, soweit es die Sicherheitslage in Afghanistan betrifft. Die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan stellt ebenfalls keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche und arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde (BVerwG, U. v. 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 a.a.O.; BayVGH, U. v. 12. Februar 2015 – 13a B 14.30309 – juris). Es ist hierbei in Bezug auf den Gefährdungsgrad das Vorliegen eines sehr hohen Niveaus erforderlich, denn nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen eine Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht (U. v. 31. Januar 2013, a.a.O.) die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernsthaft einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK angenommen werden kann, weist dies ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin (vgl. BayVGH, U. v. 21. November 2014 – 13a B 14.30285 – juris). Eine solche ist bei dem Kläger vorliegend nicht gegeben; besondere Umstände, die vorliegend eine andere Beurteilung gebieten würden, sind nicht ersichtlich.

b) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen an-deren Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölke-rungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine Abschiebestopp-Anordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.

Dem Kläger droht weder aufgrund der unzureichenden Versorgungslage in Af-ghanistan noch infolge einer Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage die erhebliche konkrete Gefahr, die zu einem Abschiebungsverbot im Sinne der verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG führen könnte. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den betroffenen Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer einer extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren – zeitlichen – Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (BayVGH, U. v. 12. Februar 2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 16; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. A. 2016, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssten. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U. v. 29. Juni 2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte, der sich das erkennende Gericht anschließt, ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein allein ste-hender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afgha-nistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbe-einträchtigungen zu erwarten wären. Der Kläger wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (st. Rspr. vgl. VG Würzburg, U. v. 11. August 2017 unter Verweis auf:, z.B. BayVGH, B. v. 19. Juni 2017 - 13a ZB 17.30400 –, 6. April 2017 – 13a ZB 17.30254 –, 23. Januar 2017 – 13a ZB 17.30044 –, 27. Juli 2016 – 13a ZB 16.30051 –, 15. Juni 2016 – 13a ZB 16.30083 – alle in juris; U. v. 12. Februar 2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 17 m.w.N..; OVG NW, U. v. 3. März 2016 – 13 A 1828/09.A – juris Rn. 73 m.w.N.; SächsOVG, B. v. 21. Oktober 2015 – 1 A 144/15.A – juris; NdsOVG, U. v. 20. Juli 2015 – 9 LB 320/14 – juris). Gerade Rückkehrer aus dem Westen sind dabei in einer vergleichsweisen guten Position. Allein schon durch die erworbenen Sprachkenntnisse sind ihre Chancen, einen Arbeitsplatz zu erhalten, gegenüber den Flüchtlingen, die in die Nachbarländer Afghanistans geflüchtet sind, wesentlich höher (so auch VG Cottbus, U. v. 22. August 2017 - VG 5 K 2328/16.A, juris Rn. 22 unter Verweis auf: BayVGH, U. v. 12. Februar 2015 a. a. O. Rn. 21).

Auch aus den aktuellsten Erkenntnismitteln ergibt sich nichts anderes. Insoweit kann auf die Ausführungen unter I. 2. verwiesen werden. Nachdem das Gericht davon ausgeht, dass für den Kläger eine interne Schutzmöglichkeit in Kabul besteht und deren Voraussetzungen über diejenigen im Rahmen des Vorliegens einer extremen Notlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinausgehen, ist auch ein Anspruch auf ein Abschiebungsverbot nach dieser Vorschrift abzulehnen. Entsprechend obiger Ausführungen liegt bei dem Kläger auch keine schwerwiegende Erkrankung i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.

Schließlich bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG keine Bedenken.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG, §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.