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Auferlegung eines Fahrtenbuches für ein Firmenfahrzeug, dass einem Arbeitnehmer zur auch privaten Nutzung einschließlich der haushaltsangehörigen Familienmitglieder mit der Verpflichtung zur Durchführung der Inspektionen überlassen wurde.


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 30.06.2010
Aktenzeichen OVG 1 N 42.10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 31a Abs 1 StVZO

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. März 2010 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 4.800 € festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 28. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2009, durch welchen ihr auferlegt wurde, für die Dauer eines Jahres ein Fahrtenbuch zu führen. Mit einem Fahrzeug, das zur Tatzeit auf die Klägerin zugelassen war und welches sie durch Dienstwagenvertrag vom 7. Januar 2005 ihrem Mitarbeiter Herrn M... zur dienstlichen und privaten Nutzung überlassen hatte, war am 10. April 2009 in Hohenbucko auf der B 87, Höhe Kalka, Ortseingang aus Richtung Schlieben die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 28 km/h überschritten worden, ohne dass der Tatzeitfahrzeugführer ermittelt wurde. Die hiergegen erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht durch das angefochtene Urteil als unbegründet abgewiesen.

Der hiergegen gerichtete form- und fristgerecht gestellte, auf die Zulassungsgründe der ernstlichen Richtigkeitszweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Berufungszulassungsantrag ist unbegründet.

1. Die geltend gemachten ernstlichen Richtigkeitszweifel gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor. Der Einwand der Klägerin, die Voraussetzungen für die Anordnung eines Fahrtenbuchs gemäß § 31 a Abs. 1 StVZO lägen nicht vor, weil sie im Hinblick auf den mit ihrem Mitarbeiter abgeschlossenen Dienstwagenvertrag nicht Halterin des Fahrzeugs sei, jedenfalls ihre Inanspruchnahme anstelle der ihres Mitarbeiters unverhältnismäßig sei, stellt die Richtigkeit des Urteils nicht schlüssig in Frage (vgl. zum Maßstab ernstlicher Richtigkeitszweifel: BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163; Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvR 461/03 – BVerfGE 110, 77). Die Klägerin ist – wie sie selbst, freilich unter Reduzierung auf die „formelle“ Seite, nicht verkennt - Halter des betreffenden Fahrzeuges. Denn es ist auf sie zugelassen, von ihr versichert und sie trägt nach dem mit ihrem Mitarbeiter abgeschlossenen Dienstwagenvertrag auch grundsätzlich die Betriebs- und Unterhaltungskosten. Die Klägerin hat auch die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug inne. Soweit ihr Mitarbeiter das Fahrzeug beruflich nach Weisung der Klägerin nutzt, vermittelt er ihr unmittelbar – wie bei einem reinen Geschäftsfahrzeug - die Verfügungsgewalt; im Bereich der privaten Nutzung, gegebenenfalls auch durch Angehörige, besteht jedenfalls ein Besitzmittlungsverhältnis durch den Dienstwagenvertrag. Das rechtfertigt die Beurteilung, dass die Klägerin jedenfalls auch und unabhängig davon, ob ihr Mitarbeiter daneben ebenfalls die Merkmale der Haltereigenschaft erfüllt, Halter des Fahrzeuges ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist Halter im Sinne der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, wer ein Kraftfahrzeug für eigene Rechnung benutzt und die Verfügungsgewalt innehat, die ein solcher Gebrauch voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 1983 - VI ZR 108/81 -, BGHZ 87, 133; BVerwG, Urteile vom 16. Februar 1968 - VII C 155.66 -, BVerwGE 29, 136, und vom 20. Februar 1987 - 7 C 14/84 - , Buchholz 442.16 § 23 StVZO Nr. 3). Ein Fahrzeug für eigene Rechnung in Gebrauch hat derjenige, der die Nutzungen aus der Verwendung zieht und die Kosten dafür bestreitet. Die rechtlich vorausgesetzte Verfügungsgewalt übt derjenige aus, der Ziel und Zeit seiner Fahrten selbst bestimmen kann (vgl. BayObLG, Beschluss vom 23. April 1976 - 2 Ob OWi 43/76-, DAR 1976, 219). Entscheidend ist dabei nicht das Rechtsverhältnis bzw. die Eigentümerstellung am Fahrzeug, vielmehr ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise angebracht, bei der es vor allem auf die Intensität der tatsächlichen Beziehungen zum Betrieb des Fahrzeugs ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 1983, a.a.O.). Allerdings kann die Frage, wer Eigentümer des Fahrzeugs ist und auf wessen Namen es zugelassen und haftpflichtversichert ist, wichtige, wenn auch nicht allein entscheidende Anhaltspunkte dafür ergeben, wer Halter des Fahrzeugs ist (BayObLG, Beschluss vom 20. Februar 1980 - 1 Ob OWi 96/80 -, VRS 58, 462); das Fahrzeugregister dient, wie sich aus § 32 Abs. 2 StVG ergibt, nicht zuletzt dem Zweck, jederzeit schnell und zuverlässig Auskunft über das Fahrzeug und seinen Halter zu geben. Dies schließt freilich nicht aus, dass nachträglich infolge einer Änderung der tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Haltereigenschaft vom Zulassungsinhaber auf einen anderen Verantwortlichen übergehen kann. Es können auch mehrere Personen zugleich Halter sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1987, a.a.O.; BGH, Urteil vom 29. Mai 1954 - VI ZR 111/53 -, BGHZ 13, 351).

Bei der Nutzung von Dienstfahrzeugen durch einen Arbeitnehmer auch zu privaten Zwecken wird nach der Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. September 1974 - 15 U 68/73 -, VersR 1976, 1049; OLG Zweibrücken, Urteil vom 23. Februar 1966 - Ss 7/66 -, NJW 1966, S. 2024; OLG Hamm, Urteil vom 12. März 1959 - 2 Ss 1449/58 -, VRS 17, 382) für das Merkmal des „Betriebs auf eigene Rechnung“ danach differenziert, ob der Arbeitgeber, auf den das Fahrzeug zugelassen ist, oder aber der Mitarbeiter die Kosten für die private Nutzung zu tragen hat, wobei eine geringe Kostenbeteiligung des Mitarbeiters bei Privatfahrten der Haltereigenschaft des Arbeitgebers nicht entgegensteht (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Hinsichtlich der tatsächlichen Verfügungsgewalt ist es nicht erforderlich, dass diese in jedem Augenblick tatsächlich ausgeübt werden kann. Sie ist auch dann vorhanden, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer den Gebrauch des Fahrzeugs überlässt und wenn er während dessen Fahrten nicht die Möglichkeit hat, auf Fahrzeug und Fahrer einzuwirken, sofern er wirtschaftlich in erster Linie an dem Fahrzeuggebrauch im Hinblick auf eine mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehende Motorisierung des Mitarbeiters interessiert ist und bleibt und über gewisse Einwirkungsmöglichkeiten durch Weisungsbefugnis hinsichtlich des Fahrzeuggebrauchs verfügt. Die vorliegende Ausgestaltung der Dienstwagenvereinbarung lässt danach nur die Bewertung zu, dass die Klägerin die Haltereigenschaft nicht verloren hat. Dass der Mitarbeiter die ihm und den in seinem Haushalt lebenden Familienangehörigen durch den Dienstvertrag gestattete unbeschränkte private Nutzung des Dienstwagens als geldwerten Vorteil bzw. Teil der Entlohnung zu versteuern (§ 8 des Dienstwagenvertrages) hat und gemäß § 1 der Ergänzungsvereinbarung zu dem Dienstwagenvertrag vom 4. Dezember 2006 die vom Hersteller vorgeschriebenen regelmäßigen Wartungen durchzuführen hat, ändert daran nichts, zumal hinsichtlich der Wartungsverpflichtung eine Kostentragungsregelung nicht getroffen ist, was entgegen der Ansicht der Klägerin dazu führt, dass sie auch insoweit die Kosten für das Fahrzeug tragen muss.

Die Inanspruchnahme der Klägerin ist angesichts der Ausgestaltung des Dienstwagenvertrages auch nicht unverhältnismäßig.

Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, sie hätte alle ihr zur Verfügung stehenden Angaben zu dem Verkehrsverstoß gemacht, indem sie den Zeugenfragebogen direkt an ihren Mitarbeiter weitergeleitet habe, der ihn ausgefüllt zurückgesandt habe. Auch wenn nämlich hiernach von der Klägerin weitere Beiträge zur Ermittlung des Tatzeitfahrers nicht verlangt bzw. erwartet werden konnten, muss sich die Klägerin die Nichtmitwirkung ihres Mitarbeiters, der von seinem Aussage- bzw. Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, zurechnen lassen. Denn die Klägerin hat durch die Überlassung des Kraftfahrzeugs an ihren Mitarbeiter unter den dargestellten Bedingungen ein Risiko in der eigenen Sphäre eröffnet, dass durch den Mitarbeiter bzw. dessen Familienangehörige Verkehrsverstöße begangen werden, und bleibt deshalb unabhängig von der möglichen Haltereigenschaft auch des Mitarbeiters insoweit nach außen gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern bzw. den Behörden verantwortlich. Die Klägerin hat sich diesbezüglich auch in dem Dienstwagenvertrag abgesichert, weil der Dienstwagennehmer gemäß § 5 Nr. 1 des Vertrages u.a. verpflichtet wird, die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zu beachten. Dazu gehört auch die Beachtung der Obliegenheiten eines Fahrzeughalters, soweit sie – wie hier – den Mitarbeiter kraft seiner unmittelbaren Verfügungsgewalt über das Fahrzeug treffen. In der Folge muss die Klägerin die Konsequenzen, die sich aus Vertragsverletzungen des Dienstwagennehmers ergeben, im Verhältnis zur Behörde tragen. Dass der Mitarbeiter hier diesen Obliegenheiten nach dem Maßstab eines auskunftswilligen Halters nicht nachgekommen ist, hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die Zeugnisverweigerung zutreffend festgestellt.

Der Fahrtenbuchauflage stehen entgegen der Auffassung der Klägerin auch keine unzureichenden Ermittlungen der Bußgeldbehörde entgegen. Aus § 31 a StVZO kann nämlich nicht die Pflicht der Polizei, bestimmte Ermittlungsmittel anzuwenden, entnommen werden, sondern nur der allgemein geltende Grundsatz, dass die Polizei in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen zu treffen hat, die in gleich liegenden Fällen erfahrungsgemäß zum Erfolg führen (BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1978 – 7 C 77.74 -, Buchholz 442. 16 § 31 a StVZO Nr. 5 S. 3 [9]). Wenn solche Maßnahmen ergriffen wurden, aber erfolglos geblieben sind, ist die Feststellung des Fahrzeugführers im hier in Rede stehenden Sinne unmöglich. Lehnt der Fahrzeughalter die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Polizei regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben, etwa Einzelermittlungen im Familien- und Bekanntenkreis des Fahrzeughalters durchzuführen (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 – 7 C 3.80 -, Buchholz, a.a.O., Nr. 12 S. 5 [6, 7]; Beschluss vom 21. Oktober 197 – 7 B 162.87 – Buchholz, a.a.O., Nr. 18 S. 2 [3]).

Nach alledem war die Entscheidung des Beklagten, der Klägerin als Halterin des Kraftfahrzeugs ein Fahrtenbuch aufzuerlegen, auch nicht ermessensfehlerhaft. Die Klägerin ist im Fahrzeugregister als Halterin eingetragen, weshalb es sachgerecht und praktikabel war, ihr – gleichsam im Außenverhältnis - die Führung eines Fahrtenbuches aufzugeben. Der Beklagte brauchte sich nicht darauf verweisen lassen, den Mitarbeiter der Klägerin als potentiellen Fahrzeughalter zum Adressaten der Fahrtenbuchanordnung zu bestimmen. Sofern die Klägerin geltend macht, sie habe in der Regel keinen Einblick in die Nutzung durch die zum Haushalt gehörenden Familienangehörigen und könne die Führung des Fahrtenbuchs nicht kontrollieren, ändert dies nichts; es betrifft vielmehr allein Fragen des Innenverhältnisses zwischen der Klägerin als Arbeitgeber und ihrem Mitarbeiter als Arbeitnehmer. Dies gilt auch für die Frage, inwieweit sich die Klägerin für die durch die Fahrtenbuchanordnung angefallenen Verwaltungsgebühren schadlos halten kann; die Gebührenlast als solche folgt indessen aus ihrer Eigenschaft als Halter des Fahrzeuges und ist zumutbar.

2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Diese liegt vor, wenn das Zulassungsvorbringen eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Entscheidung des Berufungsgerichts entscheidungserheblich ist und im Interesse der Rechtseinheit einer Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Hinsichtlich der von der Klägerin aufgeworfenen Frage der Haltereigenschaft besteht im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung und die vorstehenden Ausführungen des Senats kein weitergehender Klärungsbedarf; gefordert war insoweit nur die Anwendung der aufgestellten Grundsätze unter Berücksichtigung des zwischen der Klägerin und ihrem Mitarbeiter abgeschlossenen Dienstwagenvertrages, dessen individuelle Ausgestaltung für die Frage der Haltereigenschaft keine verallgemeinerungsfähigen Aussagen ermöglicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).