Gericht | OLG Brandenburg 1. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 24.09.2019 | |
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Aktenzeichen | 1 AR 41/19 SAZ | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2019:0924.1AR41.19SAZ.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Potsdam.
I.
Die Parteien streiten um ein Ankaufsrecht über ein Kraftfahrzeug. Der in B… wohnhafte Kläger hat das Fahrzeug bei der „ … GmbH - Filiale O…“ bestellt. In dem Leasingvertrag mit der … Leasing GmbH in der (X)…straße in B… - welche zum Bezirk des Amtsgerichts Köpenick gehört - ist als Fahrzeughändler die „… GmbH - Filiale O…“ genannt. Der Vertrag enthält ferner wiederum einen Stempel der „… GmbH - Filiale O…“. Der vorgerichtliche Schriftwechsel im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Forderungen wurde mit der „… GmbH“ in T… geführt, in deren Schreiben ist als Sitz der Gesellschaft das Amtsgericht Charlottenburg genannt.
Der Kläger hat die Klage gegen die „… GmbH“ in T… am Amtsgericht Potsdam erhoben. Die Beklagte hat die Zuständigkeit des Amtsgerichts Potsdam gerügt und die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Schöneberg beantragt. Nach deren Vortrag habe sie, die Beklagte, ihren Hauptsitz in der zu dem Bezirk dieses Amtsgerichts gehörenden (Y)…straße. Daraufhin hat der Kläger für den Fall, dass sich das Amtsgericht Potsdam für unzuständig erklärt, die Verweisung an das Amtsgericht Schöneberg beantragt.
Das Amtsgericht Potsdam hat sich mit Beschluss vom 7. August 2019 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Köpenick verwiesen. Es ist davon ausgegangen, dass die Beklagte ihren Sitz in der (X)…straße habe. Das Amtsgericht Köpenick hat sich mit Beschluss vom 6. September 2019 ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt. Es ist davon ausgegangen, dass der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Potsdam keine Bindungswirkung entfalte, weil den Parteien kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden sei und keine der an dem Rechtsstreit beteiligten Parteien ihren Sitz im Bezirk dieses Amtsgerichts hätte.
II.
Auf die Vorlage durch das Amtsgericht Köpenick ist die Zuständigkeit des Amtsgerichts Potsdam für den vorliegenden Rechtsstreit auszusprechen.
1. Der Zuständigkeitsstreit ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO durch das Brandenburgische Oberlandesgericht zu entscheiden, weil das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof ist und das zu seinem Bezirk gehörende Amtsgericht Potsdam mit der Sache zuerst befasst gewesen ist.
2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Sowohl das Amtsgericht Potsdam als auch das Amtsgericht Köpenick haben sich im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für unzuständig erklärt, und zwar Ersteres durch den Verweisungsbeschluss vom 7. August 2019 und Letzteres durch den Beschluss über die Ablehnung der Übernahme des Verfahrens vom 6. September 2019. Beide Entscheidungen genügen den Anforderungen, die an das Merkmal „rechtskräftig“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind, weil es dafür allein darauf ankommt, dass eine den Parteien bekannt gemachte beiderseitige Kompetenzleugnung vorliegt (statt vieler: Senat NJW 2004, 780; Zöller/Schultzky, ZPO, 32. Aufl., § 36, Rn. 34 f.).
3. Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Potsdam.
Zwar kommt dessen Verweisungsbeschluss vom 7. August 2019 grundsätzlich Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO zu. Diese entfällt jedoch ausnahmsweise infolge der Verletzung höherrangigen (Verfassungs-)Rechts, namentlich bei der ungenügenden Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder bei objektiv willkürlicher Entziehung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Im Interesse einer baldigen Klärung und der Vermeidung wechselseitiger (Rück-)Verweisungen ist die Willkürschwelle dabei hoch anzusetzen. Einfache Rechtsfehler, wie etwa das Übersehen einer die Zuständigkeit begründenden Rechtsnorm, rechtfertigen die Annahme einer objektiv willkürlichen Verweisung grundsätzlich nicht. Hinzu kommen muss vielmehr, dass die Verweisung offenbar gesetzwidrig oder grob rechtsfehlerhaft ist, also gleichsam jeder Grundlage entbehrt (BGH, Beschluss vom 17.05.2011, X ARZ 109/11, zitiert nach juris; Senat JMBl. 2007, 65, 66; NJW 2006, 3444, 3445; 2004, 780; eingehend ferner: Tombrink NJW 2003, 2364 f.; jeweils m. w. N.).
Den derart zu konkretisierenden Einschränkungen der Bindungswirkung hält der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Potsdam nicht stand.
Das Amtsgericht Potsdam hat den Parteien vor Erlass des Verweisungsbeschlusses das rechtliche Gehör versagt. Keine Partei hat eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Köpenick geltend gemacht oder Umstände vorgetragen, die eine Zuständigkeit dieses Gerichts begründen würden. Der Kläger ist vielmehr weiterhin der Auffassung, das angerufene Amtsgericht Potsdam sei für den Rechtsstreit zuständig. Lediglich hilfsweise, für den Fall, dass das Amtsgericht Potsdam seine Zuständigkeit verneine, hat er eine Verweisung beantragt, und zwar nicht an das Amtsgericht Köpenick, sondern an das Amtsgericht Schöneberg. Die Beklagte hat ebenfalls eine Verweisung an das Amtsgericht Schöneberg geltend gemacht. Unter diesen Voraussetzungen hätte das Amtsgericht Potsdam die Parteien vor einer Verweisung an das Amtsgericht Köpenick auf diese Absicht hinweisen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen.
Aber auch materiell hält der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Potsdam den Einschränkungen der Bindungswirkung nicht stand, denn das Amtsgericht Potsdam ist ersichtlich jedenfalls nach § 21 ZPO örtlich zuständig. Nach dem insoweit maßgeblichen Klagevorbringen will der Kläger die … GmbH in Anspruch nehmen, bei der die Klage auch zugestellt wurde. Von dieser Gesellschaft ist der Kläger - wenn auch mit einem die Sache verdrehenden Antrag - auch widerbeklagt. Diese Gesellschaft unterhält aber jedenfalls eine Niederlassung in T…, was zum Bezirk des Amtsgerichts Potsdam gehört. Abgesehen davon, dass unter diesen Umständen ein (weiterer) Sitz der beklagten Gesellschaft im Bezirk eines anderen Amtsgerichts nicht ohne weiteres dessen Zuständigkeit begründen würde, ist weder aus der Verfahrensakte noch sonst ersichtlich, dass die hier Beklagte im Bezirk des Amtsgerichts Köpenick einen Sitz oder eine Niederlassung unterhält. Im Bezirk des Amtsgerichts Köpenick haben (lediglich) die … Leasing GmbH und die … GmbH ihren Sitz, die jedoch nicht Partei des vorliegenden Rechtsstreits sind. Insoweit hat das Amtsgericht Potsdam auch nicht allein die seine Zuständigkeit begründende Norm übersehen, sondern geht grob rechtswidrig von einem nicht gegebenen Sachverhalt aus, was dem Verweisungsbeschluss jede Grundlage entzieht, so dass diesem keine Bindungswirkung beizumessen und das Amtsgericht Potsdam als das für den vorliegenden Rechtsstreit zuständige Gericht zu bestimmen ist.