Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 12. Senat | Entscheidungsdatum | 15.02.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 12 N 15.10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | §§ 131gff WiPrO |
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Januar 2010 wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 50.000 EUR festgesetzt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Unter Zugrundelegung des allein maßgeblichen Zulassungsvorbringens bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht ist mit der Beklagten zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger schon deshalb nicht zum Wirtschaftsprüfer im Bundesgebiet bestellt werden kann, weil er die in §§ 131 g ff. des Gesetzes über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnung - WPO - ) normierte Eignungsprüfung nicht abgelegt bzw. keine Entscheidung der Prüfungsstelle hierüber eingeholt hat. Angesichts dessen kann dahinstehen, ob der Kläger in Griechenland als Abschlussprüfer zugelassen ist.
Das vor einer Bestellung als Wirtschaftsprüfer geforderte erfolgreiche Ablegen einer Eignungsprüfung im Sinne von § 131 g Abs. 1 WPO ist – auch im Fall des Klägers - mit Art. 14 der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates – Abschlussprüferrichtlinie – (Amtsblatt der EU vom 9. Juni 2006 – L 157/87) vereinbar. Gemäß Art. 14 der Abschlussprüferrichtlinie legen die zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten Verfahren für die Zulassung von Abschlussprüfern, die in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen sind, fest. Im Rahmen dieser Verfahren darf dem Abschlussprüfer höchstens ein Eignungstest nach Artikel 4 der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, auferlegt werden.
Anders als der Kläger meint, lässt sich dieser Regelung nicht entnehmen, dass es den Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen von vornherein untersagt wäre, die Ablegung einer Eignungsprüfung zu verlangen bzw. Bedingungen für das Verfahren und den Inhalt der Prüfung festzulegen. Dies ergibt sich vor allem nicht aus dem Wortlaut des Art. 14 Satz 2 der Abschlussprüferrichtlinie, wonach „höchstens“ ein Eignungstest im Sinne von Art. 4 der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988, die inzwischen durch Art. 62 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 7. September 2005 über die Ankerkennung von Berufsqualifikationen (Amtsblatt vom 30. September 2005 - L 255/160) aufgehoben worden ist, auferlegt werden darf.
Insoweit hat das Verwaltungsgericht zutreffend auf den für die Auslegung europarechtlicher Vorschriften bedeutsamen Standpunkt der Kommission hingewiesen, der aus ihrem Vorschlag für die Abschlussprüferrichtlinie vom 16. März 2004 hervorgeht. Danach handelt es sich bei Art. 14 der Richtlinie um eine spezielle Regelung für Abschlussprüfer, die im Hinblick auf die Besonderheiten dieses Berufes von sonstigen Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit abweicht [vgl. KOM(2004)177 endgültig, S. 5: „Für die Zulassung von Abschlussprüfern aus anderen Mitgliedstaaten wird eine Eignungsprüfung vorgeschrieben. Diese Abweichung vom jüngsten Vorschlag für eine Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt (KOM(2004)2 endg. vom 13.1.2004) ist gerechtfertigt, da Abschlussprüfer die für die Abschlussprüfung relevanten Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten (Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht usw.) von Grund auf kennen müssen.].
Die im Gesetzgebungsverfahren zur Abschlussprüferrichtlinie aus der Sicht der Kommission erforderliche Beibehaltung eines Überprüfungsverfahrens zur Feststellung, ob der ausländische Prüfer über hinreichende Kenntnisse verfügt, entspricht in vollem Umfang ihrer schon früher vertretenen Auffassung. So hat sie bereits in ihrer Mitteilung „Stärkung der Abschlussprüfung in der EU“ an den Rat und das Europäische Parlament vom 21. Mai 2003 festgestellt: „Abschlussprüfungen erfordern grundlegende Kenntnisse der Gesetze des Aufnahmemitgliedstaats im Bereich der Rechnungslegung, der Besteuerung, des Gesellschaftsrechts, der Sozialversicherung usw. Solange diese Gesetze nicht ausreichend im Einklang stehen, ist es notwendig, besondere Schutzklauseln zur gegenseitigen Anerkennung für Abschlussprüfer beizubehalten“ [vgl. Europäische Kommission, KOM(2003)286 endgültig, S. 22].
An dieser eindeutigen Auffassung hält die Europäische Kommission, der nach Art. 17 EUV u.a. ein Vorschlagsrecht im Gesetzgebungsverfahren zusteht, und die für die Durchführung der Verträge sorgt sowie die Anwendung des Unionsrechts kontrolliert (vgl. dazu auch Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Kommentar, 5. Aufl., Art. 17 EUV Rn. 9 ff.), auch aktuell fest. Sie kommt in ihrem Grünbuch „Weiteres Vorgehen im Bereich der Abschlussprüfung: Lehren aus der Krise“ vom 13. Oktober 2010 erneut zu dem Ergebnis, dass Art. 14 der Abschlussprüferrichtlinie einen Eignungstest fordere, den der Abschlussprüfer absolvieren müsse, um in verschiedenen Mitgliedstaaten Dienstleistungen zu erbringen. Ihrer Ansicht nach weichen diese Anforderungen von den allgemeinen Regeln ab, die für andere reglementierte Berufe im Sinne der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG gelten. Diese Abweichung sieht sie derzeit als eines der Hindernisse für die fehlende grenzübergreifende Mobilität der Abschlussprüfer an und erwägt gesetzliche Änderungen. Ferner geht aus den Überlegungen der Europäischen Kommission hervor, dass in gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht weiterer Harmonisierungsbedarf besteht [vgl. Europäische Kommission, Grünbuch „Weiteres Vorgehen im Bereich der Abschlussprüfung: Lehren aus der Krise“, 13. Oktober 2010, KOM(2010)561, S. 21].
Nichts anderes ergibt sich aus dem von dem Kläger vorgenommenen Vergleich mit der englischsprachigen Fassung des Grünbuchs. Die Formulierung „provides“ („Article 14 of the Directive provides for an aptitude test in each Member State“) mag zwar - ebenso wie die französischsprachige Version („prévoit“) oder die italienischsprachige Version („prevede“) – weniger strikt sein als die deutsche Übersetzung („fordert“). Da „provides“; „prévoit“, „prevede“ hier jedoch mit „sieht vor“ zu übersetzen ist, besteht kein inhaltlicher Unterschied zu der deutschen Formulierung „fordert“. Da Art. 14 der Richtlinie mithin einen Eignungstest „vorsieht“, dürfen die Mitgliedstaaten einen solchen Test ohne weiteres fordern und durchführen.
Nach alledem kann entgegen der Auffassung des Klägers aus den Ausführungen der Kommission nicht der Schluss auf die Unzulässigkeit eines Eignungstests gezogen werden. Es bestehen vielmehr angesichts der seit vielen Jahren übereinstimmenden und eindeutigen Formulierungen keine durchgreifenden Zweifel, dass die Regelungen über die Eignungsprüfung in §§ 131 g ff. WPO sowie in §§ 25 ff. der Prüfungsverordnung für Wirtschaftsprüfer nach §§ 14 und 131 l der Wirtschaftsprüferordnung (Wirtschaftsprüferprüfungsverordnung – WiPrPrüfV) vom 20. Juli 2004 richtlinienkonform umgesetzt worden sind. Die Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 7. September 2005 über die Ankerkennung von Berufsqualifikationen (Amtsblatt vom 30. September 2005 - L 255/160), die die Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 (Amtsblatt vom 24. Januar 1989 L 019/16) abgelöst hat, gilt hier im Hinblick auf deren Art. 2 Abs. 3 gerade nicht, weil Art. 14 der Abschlussprüferrichtlinie eine insoweit vorrangige Vorschrift darstellt. Auch hierzu hat sich das Verwaltungsgericht im Einzelnen verhalten, ohne dass der Zulassungsantrag dies mit Erfolg in Frage stellt.
Ebenso wenig kann sich der Kläger auf die besonderen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen für Rechtsanwälte berufen, die ihren Ausdruck in der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 gefunden haben. Diese Vorschriften beziehen sich allein auf Rechtsanwälte. Demgegenüber stellen die Abschlussprüferrichtlinie und vor allem deren Art. 14 eine bewusste Entscheidung des Europäischen Parlamentes und des Rates dar, gesetzliche Abschlussprüfer im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Funktion und die herausgehobene Bedeutung für die internationalen Kapitalmärkte eigenständigen Regelungen zu unterwerfen. Diejenigen Vorschriften, die für andere reglementierte Berufe gelten, spielen entgegen der Ansicht des Klägers hier keine Rolle.
Es finden sich ferner keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass Art. 14 der Abschlussprüferrichtlinie bzw. dessen durch den deutschen Gesetz- und Verordnungsgeber vorgenommene Umsetzung mit EU-Primärrecht unvereinbar sein könnte. Die Beschränkung der Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit in Form von Eignungsprüfungen für Wirtschaftsprüfer aus einem anderen EU-Mitgliedstaat ist in einem sensiblen Dienstleistungssektor wie dem der gesetzlichen Abschlussprüfung aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohlinteresses zulässig und auch nicht unverhältnismäßig (vgl. z.B. EUGH, Urteil vom 20. Mai 1992 – C-106/91 -, juris). Abgesehen davon sind bislang weder der Rat noch die Europäische Kommission, der die von den Mitgliedstaaten ergriffenen Umsetzungsmaßnahmen mitgeteilt worden sind, und die – wie ausgeführt – weiterhin die Erforderlichkeit einer Eignungsprüfung annimmt, von einer Unvereinbarkeit des Art. 14 der Abschlussprüferrichtlinie ausgegangen oder haben eine solche Unvereinbarkeit gerügt. Hinzu kommt, dass nach § 28 Abs. 2, Abs. 3 WiPrPrüfV einzelne Prüfungsleistungen im Hinblick auf die Ausbildung oder die Berufserfahrung der zu prüfenden Person erlassen werden können. Unter diesen Voraussetzungen ist es erst recht nicht unverhältnismäßig, dass sich der Kläger vor einer Bestellung zum Wirtschaftsprüfer zunächst einem Verfahren nach §§ 131 g ff. WPO mit dem Ziel einer Überprüfung seiner Kenntnisse unterziehen und eine Entscheidung der hierfür zuständigen Stelle herbeiführen muss. Seine bisherige Berufserfahrung im Bundesgebiet wird in diesem Rahmen berücksichtigt.
Soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihn als Kammermitglied aufzunehmen, stellt der Zulassungsantrag die Würdigung des erstinstanzlichen Urteils ebenfalls nicht mit Erfolg in Frage. Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen zutreffend ausgeführt, dass dem Kläger vor allem aufgrund der besonderen Regelungen in der Abschlussprüferrichtlinie kein unmittelbarer Anspruch auf Mitgliedschaft in der Wirtschaftsprüferkammer aus Art. 49 AEUV zusteht. Insoweit genügt der erneute Hinweis auf die hier nicht maßgebliche Richtlinie 98/5/EG und die nicht vergleichbare Situation von Rechtsanwälten nicht.
Die Rüge des Zulassungsantrags, dass die Beklagte mangels Dringlichkeit zu Unrecht im schriftlichen Verfahren ohne den Abteilungsvorsitzenden O. entschieden habe, greift nicht durch. Selbst wenn man den Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellt, handelt es sich um einen unbeachtlichen Verfahrensfehler im Sinne von § 46 VwVfG. Wie die Würdigung des Verwaltungsgerichts zeigt, wäre wegen des fehlenden Antrags auf Zulassung zur Eignungsprüfung in der Sache auch dann keine andere Entscheidung getroffen worden, wenn die angegriffene Versagung in einer Sitzung der Vorstandsabteilung unter Beteiligung des Herrn O. beschlossen worden wäre. Im Übrigen hat die Vorstandsabteilung den versagenden Bescheid später (erneut) bestätigt.
Das Vorbringen des Klägers hinsichtlich seines in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Feststellungsantrags begründet ebenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Die von dem Kläger begehrte Feststellung, dass er in Griechenland zugelassener Abschlussprüfer sei, um eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Sinne von § 28 WPO errichten zu können, ist nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO unzulässig. Die Anerkennungsvoraussetzungen für eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft werden in einem besonderen Verfahren gemäß § 29 WPO, das auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet ist, geprüft. Will der Kläger eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gründen, was er ohnehin nicht hinreichend substantiiert hat, so ist er im Fall einer Versagung der Anerkennung auf die Erhebung einer Verpflichtungsklage zu verweisen.
2. Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen nicht vor. Dies betrifft vor allem die Auslegung von Art. 14 der Abschlussprüferrichtlinie, die aus den genannten Gründen zu Lasten des Klägers ausfallen muss. Die hier maßgeblichen, von der Kommission erstellten Gesetzgebungsmaterialien sowie das die Frage nach einem Änderungsbedarf aufwerfende Grünbuch gehen eindeutig davon aus, dass ein Eignungstest gefordert werden darf.
3. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist schon deshalb nicht hinreichend dargelegt, weil der Zulassungsantrag keine aus seiner Sicht grundsätzlich bedeutsame Frage formuliert, die der obergerichtlichen Klärung bedarf. Unabhängig davon beantwortet sich die Frage nach den Anforderungen an eine Eignungsprüfung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).