Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 20. Senat | Entscheidungsdatum | 24.11.2014 | |
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Aktenzeichen | L 20 AS 2761/14 B ER | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 7 Abs 1 S 2 SGB 2 |
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. Oktober 2014 abgeändert und wie folgt gefasst:
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig ab 1. Oktober 2014 bis zum 28. Februar 2015, längstens bis zur Entscheidung des Sozialgerichts über die Klage in dem Rechtsstreit S 157 AS 23075/14, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 426,80 Euro für die Monate Oktober, November und Dezember 2014, sowie für die Zeit vom 26. September 2014 bis 30. September 2014 einmalig 77,13 Euro und ab Januar 2015 in Höhe von 469,20 Euro zu leisten.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des gesamten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens in Höhe von 80 v.H. zu erstatten.
Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Antragsteller müssen glaubhaft machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO), dass ihnen ein Anspruch auf die geltend gemachte Leistung zusteht (Anordnungsanspruch) und dass das Abwarten einer gerichtlichen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren für sie mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (Anordnungsgrund).
Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Senat folgt allerdings insoweit nicht der Begründung der hier mit der Beschwerde angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts, die sich auf die Begründung des Beschlusses des 10. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. August 2014 (Az.: L 10 AS 1593/14 B ER, juris) stützt.
Vielmehr hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II zu haben.
Der Antragsteller, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt bereits in 2011 in Berlin genommen hat, ist erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II. Er ist nach seinen glaubhaften Angaben hilfebedürftig, da er nicht über Einkommen oder Vermögen verfügt, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten (§ 9 Abs. 1 SGB II). Damit sind die Voraussetzungen für einen Leistungsbezug nach §§ 7 Abs. 1, 19 ff. SGB II gegeben.
Der Antragsteller ist als italienischer Staatsbürger nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug des SGB II ausgeschlossen. In Betracht kommt hier allein, da der Antragsteller sich bereits länger als drei Monate in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Danach sind von Leistungsansprüchen nach dem SGB II ausgeschlossen Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt.
Das Aufenthaltsrecht des Antragstellers ergibt sich hier zwar allein aus dem Zweck der Arbeitssuche, der Antragssteller ist dennoch nicht vom Leistungsbezug ausgeschlossen.
Der Antragsteller geht keiner Erwerbstätigkeit nach, er ist nicht Arbeitnehmer i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 1 Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern – FreizügG/EU -, er übt auch keine selbständige Tätigkeit (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU) aus, noch liegen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU vor. Sein Recht zum Aufenthalt folgt aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU, wonach gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt und aufenthaltsberechtigt Unionsbürger sind, die sich zur Arbeitssuche in einem Mitgliedsstaat aufhalten.
Dies führt jedoch nicht zur Anwendung des Leistungsausschlusses für den Antragsteller als italienischen Staatsbürger.
Der Senat ist dabei davon überzeugt, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht europarechtswidrig ist (vgl. im Einzelnen Beschluss vom 17. März 2014 – L 20 AS 502/14 B ER –, juris). Der Antragsteller erfüllt nämlich nicht die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 - sog. Unionsbürgerrichtlinie -, da er gerade nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt, um keine Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. Da er auch nicht Arbeitnehmer oder Selbständiger ist (Art. 7 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2004/38), kann er sich nicht auf das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 1 Richtlinie 2004/38 berufen, denn der bundesdeutsche Gesetzgeber kann für den Personenkreis, dem der Antragsteller damit zugehörig ist (kein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2004/38 und nicht als Arbeitnehmer oder Selbständiger im Sinne der Richtlinie 2004/38 im Inland) Fürsorgeleistungen nach dem SGB II in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II ausschließen (EuGH v. 11.11.2014 – C-333/13 (Dano), Rn. 78, 81).
Die Vorschrift ist jedoch auf Staatsangehörige eines Vertragsstaates des Europäischen Fürsorgeabkommens vom 11. Dezember 1953 – EFA – nicht anzuwenden, weil Art. 1 EFA dies völkerrechtlich ausschließt. Der Senat geht dabei weiterhin davon aus, dass die Gerichte im Rahmen des § 86b Abs. 2 SGG grundsätzlich nicht berechtigt sind, formelle Gesetze als unwirksam zu behandeln. Dies gilt insbesondere, wenn das Gericht lediglich Zweifel an der Vereinbarkeit der Norm mit höherrangigem Recht hat (a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. August 2011 – L 15 AS 188/11 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 30. November 2010 – L 34 AS 1501/10 B ER –, vom 17. Mai 2011 – L 28 AS 566/11 B ER –, vom 20. Juni 2011 – L 25 AS 535/11 B ER – und vom 30. September 2011 – L 14 AS 1148/11 B ER, L 14 AS 1152/11 B PKH; Bayerisches LSG, Beschluss vom 22. Dezember 2010 – L 16 AS 767/10 B ER; Hessisches LSG, Beschluss vom 14. Juli 2011 – L 7 AS 107/11 B ER). Nur ausnahmsweise, wenn das Gericht von der Rechtswidrigkeit einer innerstaatlichen Norm überzeugt ist und zudem die Durchsetzung der Ansprüche des Antragstellers endgültig versagt würde, kommt Art. 19 Abs. 4 GG Vorrang vor Art. 20 Abs. 3 GG zu, mit der Folge, dass ausnahmsweise eine einstweilige Anordnung ergehen kann. Diese setzt jedoch eine ansonsten abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage auch im Eilverfahren voraus; für eine „Folgenabwägung“ ist hingegen kein Raum (so im Ergebnis auch SG Dresden, Beschluss vom 5. August 2011 – S 36 AS 3461/11 ER).
Der Senat ist deshalb weiterhin der Auffassung, dass § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II für Staatsangehörige, die nicht vom Schutzbereich des EFA erfasst sind, weil deren Heimatstaaten dieses Abkommen nicht ratifiziert haben, nicht wegen des Gleichbehandlungsgebotes unanwendbar ist. Etwas anderes gilt jedoch für Staatsangehörige von Staaten, die das Abkommen ratifiziert haben.
Art. 1 EFA schließt als unmittelbar geltendes, spezielleres Bundesrecht die Anwendung des Ausschlusstatbestandes für Staatsangehörige von Vertragsstaaten aus. Mit Art. 1 EFA hat sich die Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat verpflichtet, Staatsangehörigen anderer vertragsschließender Staaten - wie dem Antragsteller -, die sich im Staatsgebiet erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie Bundesbürgern Fürsorgeleistungen zu gewähren. Zu diesen Fürsorgeleistungen gehörte die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 11 ff. Bundessozialhilfegesetz – BSHG – (Art. 2 Abs. a und b EFA in Verbindung mit Buchst. A Anhang I zum EFA, Fassung vom 01.02.1991, BGBl II S. 686), der bis zum 01. Januar 2005 einzigen klassischen Fürsorgeleistung im Sozialleistungssystem der Bundesrepublik Deutschland. Eine Einschränkung dieser völkervertraglichen Fürsorgegewährleistung ist nach Einführung des BSHG nur durch den bezüglich der Leistungen nach § 30 BSHG (Hilfen zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage) und nach § 70 BSHG (Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten) erfolgt (Anhang II EFA, Fassung ab dem 01.12.1982 [BGBl 1983, II S. 338]; Anhang II EFA, Fassung ab dem 01.02.1991 [BGBl II S. 687]). Damit war die Fürsorgeleistung „Hilfe zum Lebensunterhalt“ nach dem BSHG von der von der Bundesrepublik Deutschland eingegangenen völkervertraglichen Verpflichtung erfasst. Diese Verpflichtung erfasst auch die Leistungen der Grundsicherung nach §§ 19 ff. SGB II. Bei diesen handelt es sich um Fürsorgeleistungen, denn sie haben lediglich begrifflich und nicht materiell die Fürsorgeleistungen für erwerbsfähige Hilfebedürftige ersetzt. Die Normierung der vormalig im BSHG für alle Hilfebedürftigen geregelten Fürsorgeleistung in nunmehr zwei Regelungssystemen der Sozialhilfe, die maßgeblich im Bereich der Leistungen zum Lebensunterhalt nach der Fähigkeit, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen zu können, differenzieren (und nicht etwa nach einem bestimmten Sicherungsniveau, einer Beitragsleistung), und die auch im Bereich der Grundsicherung nicht in einem Subsidiaritätsverhältnis stehen, hat an der Leistungsart „Fürsorgeleistung“ im Sinne des EFA nichts geändert (BSG v. 19.10.2010, B 14 AS 23/10 R, juris, Rn. 32, 35; LSG Berlin-Brandenburg v. 09.05.2012, L 19 AS 794/12 B ER, L 19 AS 795/12 B PKH; aA. LSG Berlin-Brandenburg v. 07. Mai 2013, L 29 AS 514/13 B ER, nicht veröffentlicht).
Da sich Angehörige von Vertragsstaaten des EFA direkt auf Art. 1 EFA berufen können (vgl. BSG v. 19.10.2012, B 14 AS 23/10 R, a.a.O., Rn. 24 m.w.N.), ist § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II als „jüngere“ Regelung im Einklang mit der von der Bundesrepublik Deutschland eingegangenen Verpflichtung völkerrechtskonform auszulegen. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber spezielleres älteres Völkerrecht durch die spätere innerstaatliche Regelung außer Kraft setzen wollte, ergeben sich nicht, da ein solcher Wille bei Inkraftsetzen der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II zum 28. August 2007 (Art. 6 Abs. 9 Nr. Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der europäischen Union vom 19.08.2007, BGBl I 1970) nicht bekundet worden ist (vgl. BVerfG v. 26.03.1987, 2 BvR 589/79, 2 BvR 740/81, 2 BvR 284/85, juris, Rn. 35; BVerwG v. 18.05.2000, 5 C 29/98, juris, Rn. 27). Aus dem Gesetz ergibt sich ein solcher Wille ebensowenig wie aus seiner Begründung (BT Dr. 16/688 S. 13 zu Nr. 2). Eine Außerkraftsetzung durch Rechtssetzung der europäischen Union ist ebenfalls nicht erfolgt (vgl. hierzu aber: LSG Berlin-Brandenburg v. 07. Mai 2013, L 29 AS 514/13 B ER).
An dieser sich aus der völkerrechtlichen Verpflichtung aus Art. 1 EFA ergebenen zwingenden Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II hat sich auch nichts durch den von der Bundesregierung mit Wirkung zum 19. Dezember 2011 für Leistungen nach dem SGB II unter Berufung auf Art. 16 b) EFA erklärten Vorbehalt geändert (i.E. wie hier: LSG Berlin-Brandenburg v. 09. Mai 2012, L 19 AS 794/12 B ER, L 19 AS 795/12 B PKH, a.a.O.; LSG Sachs.-Anh. v. 29.01.2013, L 2 AS 903/12 B ER, juris; Zweifel an der Wirksamkeit des Vorbehalts mit der auch hier vertretenen Begründung: LSG Rheinland-Pfalz v. 21. August 2012, L 3 AS 250/12 B ER, a.a.O., Rn. 42, 43; a.A.: BSG, EuGH-Vorlage vom 12. Dezember 2013, B 4 AS 9/13 R, juris, allerdings ohne jegliche Begründung und ausdrücklich nur im Rahmen der „Vorprüfung“ im Vorlageverfahren; LSG Berlin-Brandenburg v. 07. Juni 2012 und 07. Mai 2013, L 29 AS 920/12 B ER und L 29 AS 514/13 B ER, juris; v. 02. August 2012, L 5 AS 1297/12 B ER, juris, v. 11. März 2013, L 31 AS 318/13 B ER. Juris; LSG Nds.-Br. v. 24.07.2014, L 15 AS 202/14 B ER, juris).
Nach Art. 16 b EFA hat jeder Vertragsschließende dem Generalsekretär des Europarates alle neuen Rechtsvorschriften mitzuteilen, die in Anhang I noch nicht aufgeführt sind. Gleichzeitig kann der Vertragsschließende Vorbehalte hinsichtlich der Anwendung dieser neuen Rechtsvorschriften auf Staatsangehörige der anderen Vertragschließenden machen.
Bei den Regelungen des SGB II zu Leistungen der Grundsicherung nach §§ 19 ff. SGB II (bei Einführung des SGB II nach § 19 Nr. 1 SGB II) handelt es sich schon nicht um neue Rechtsvorschriften im Sinne des Art. 16 b EFA, da es sich – wie bereits dargelegt – weiterhin um Regelungen der Fürsorgeleistungen handelt, die bereits von Art. 1 EFA erfasst waren, da ein Vorbehalt hinsichtlich dieser vormals im BSHG geregelten Leistungen, nicht erklärt worden ist, (so wohl BSG v. 19.10.2010, B 14 AS 23/10 R, a.a.O., Rn. 35). Art. 16 b EFA ermächtigt die Vertragschließenden nicht, im Wege eines Vorbehalts bereits von Art. 1 EFA erfasste Verpflichtungen im Nachhinein aufzukündigen. Bezüglich Fürsorgeleistungen der Sozialhilfe hat die Bundesrepublik Deutschland einen Vorbehalt hinsichtlich der Gleichbehandlungsverpflichtung gerade nicht bezogen auf die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt erklärt (BSG, a.a.O.). Art. 16 b EFA soll den Vertragsschließenden die Möglichkeit geben, Vorbehalte hinsichtlich Rechtsvorschriften zu erklären, bezüglich derer sie bei Vertragsschluss noch keine Erklärungen abgeben konnten. Art. 16 b EFA bietet den Vertragschließenden keine Grundlage, sich aus bereits bestehenden Verpflichtungen einseitig zu lösen und den erreichten gesetzlichen Fürsorgestandard für Staatsangehörige von Vertragsschließenden des EFA nachträglich abzusenken (BVerwG v. 18.05.2000, 5 C 29/98, a.a.O., Rn. 19 f.; LSG Rheinland-Pfalz v. 21.08.2012, L 3 AS 250/12 B ER, a.a.O., Rn. 42; LSG Berlin-Brandenburg v. 23.05.2012, L 25 AS 837/12 B ER, juris, Rn. 7; a.A. LSG Berlin-Brandenburg v. 02.08.2012, L 5 AS 1297/12 B ER, a.a.O.). Dies gilt nicht nur für die Einfügung einer den Anspruch dieses Personenkreises ausschließenden Norm in dem „alten“ Leistungsgesetz“, sondern auch bei Fortschreibung fürsorgerechtlicher Ansprüche in einem neuen Leistungsgesetz. Eine Aufkündigung bereits eingegangener Verpflichtungen über Art. 16 b EFA würde eine Umgehung der Regelung zur Kündigung des Abkommens bedeuten. Das EFA regelt nicht die teilweise Kündigung des Abkommens. Nach Art. 24 EFA verlängert sich die Geltungsdauer für die einzelnen Vertragsschließenden von Jahr zu Jahr, wenn es nicht innerhalb einer geregelten Frist (anfangs sechs Monate, nunmehr für die Bundesrepublik Deutschland ein Jahr) durch an den Generalsekretär des Europarates zu richtende Erklärung gekündigt wird. Gerade weil das Abkommen den Staatsangehörigen der Vertragsstaaten auch in anderen Hoheitsgebieten Rechte aus Verpflichtungen gewährt, sind „Teilkündigungen“ von bereits eingegangenen Verpflichtungen nicht vorgesehen. Andernfalls könnte sich ein Vertragsstaat einseitig aus bereits eingegangenen Verpflichtungen lösen, ohne für die Staatsangehörigen seines Landes die im Falle einer Kündigung nach Art. 24 EFA eintretenden Folgen in Kauf nehmen zu müssen. Soweit vertreten wird, dass die Wirksamkeit des erklärten Vorbehalts unabhängig von der Zulässigkeit vom Verhalten des anderen Abkommensstaates abhänge, der ggf. einen Einspruch geltend machen müsse und bei multilateralen Verträgen bei einem einfachen Vorbehalt eine stillschweigende Annahme möglich sei (LSG Berlin-Brandenburg v. 11. März 2013, L 31 AS 318/13 B ER, juris, Rn. 15), folgt der Senat dieser Auffassung für einen hier im Vertrag geregelten Vorbehalt nicht. Diese Rechtsauffassung mag hinsichtlich der bei Vertragsschluss angebrachten Vorbehalte nach Art. 21, Art. 23 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge – WVK – zutreffend sein (hierzu auch Wolfram Karl in Lexikon des Rechts – Völkerrecht -, 2. Auflage, Seite 399). Die insoweit heranzuziehenden Regelungen gelten allerdings ausschließlich für bei Abschluss und Inkrafttreten von Verträgen angebrachte Vorbehalte (Art. 19 WVK; Teil II, Abschnitt 2 WVK; vgl. Steffen/Keßler, ZAR 2012, S. 245 ff.; vgl. zu Vorbehalten im Sinne der WVK allgemein: Stein/v. Buttlar, Völkerrecht, 13. Aufl. 2012, Rn. 71 ff.; Ipsen, Völkerrecht, 6. Aufl. 2014, § 15, zu dem Begriff eines Vorbehalts i.S. der WVK vgl. § 15, Rn. 2 f.). Die Änderung und Modifikation von geltenden Verträgen und deren Beendigung richten sich demgegenüber nach den im Vertrag vereinbarten Regelungen bzw. nach Teil IV, V der WVK. Ist wie hier die Anbringung von Vorbehalten im Vertrag vorgesehen und sind hierfür in dem Vertrag Regelungen zur Zulässigkeit getroffen worden, richtet sich die Zulässigkeit solcher Vorbehalte allein nach der vertraglichen Gestaltung, hier nach Art. 16 EFA. Wollen nämlich die Vertragsparteien nur für ausdrücklich geregelte Fälle Vorbehalte auch für die Zeit nach Vertragsschluss zulassen, schließt das Vertragswerk bereits von ihm nicht erfasste Vorbehalte aus, die dann auch nicht wirksam werden können. Ein Rückgriff auf Regelungen, die eine Vorbehaltserklärung bei Vertragsschluss ermöglichen (Art. 21 ff. WVK), ist insoweit nicht zulässig (Für eine Unwirksamkeit des Vorbehalts auch bei Anwendung der Vorbehaltsregelung der WVK auf nachträglich erklärte Vorbehalte: Steffen/Keßler, a.a.O., S. 247; die Wirksamkeit des erklärten Vorbehalts problematisierend: Merold, ZFSH-SGB 2014, S. 455, 456).
Die Unwirksamkeit des erklärten Vorbehalts führt zur Unbeachtlichkeit der Erklärung bei der Anwendung des EFA, da gerade keine Kündigung des Vertrages gewollt war.
Nach allem ist vorliegend ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung nach §§ 19 ff. SGB II glaubhaft gemacht.
Da der Antragsteller glaubhaft neben Leistungen der Grundsicherung über keine Mittel verfügt, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, und eine Beendigung seiner Arbeitslosigkeit zeitnah nicht zu erwarten ist, ist ihm ein Abwarten einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zumutbar und es besteht ein eiliges vorsorgliches Regelungsbedürfnis.
Die Verpflichtung des Antragsgegners durch das Sozialgericht war der Höhe nach zu begrenzen. Da dem Antragsteller nur vorläufig Leistungen zuzusprechen sind, hält es der Senat zur Abwendung wesentlicher Nachteile für erforderlich aber auch ausreichend, den Antragsgegner zur Gewährung von 80 v.H. des Regelbedarfs nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II von derzeit 391,00 Euro, ab 1. Januar 2015 in Höhe von 399,00 Euro, also 312,80 Euro monatlich bis zum 31. Dezember 2014 und 319,20 Euro ab 1. Januar 2015 zu verpflichten. Da der Antragsteller auch einen Bedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 150,00 Euro glaubhaft gemacht hat, war der Antragsgegner bis zum 31. Dezember 2014 zur Leistungsgewährung in Höhe von monatlich 462,80 Euro, anteilig für die Tage im Monat September 2014 77,13 Euro und ab dem 1. Januar 2015 in Höhe von monatlich 469,20 Euro zu verpflichten. Da im Hinblick auf die Erwerbslosigkeit des Antragstellers die Aufenthaltsdauer im Inland nicht absehbar ist und eine Überprüfung der Bedürftigkeit vorzunehmen sein wird, war die Dauer der Verpflichtung durch das Sozialgericht bis zum 28. Februar 2014 nicht zu beanstanden. Soweit das Sozialgericht jedoch die Dauer längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache bestimmt hat, war hier eine Begrenzung bis zur Entscheidung des Sozialgerichts in der Hauptsache vorzunehmen, da ein weiteres Regelungsbedürfnis ohnehin nicht gesehen werden kann. Es ist allerdings nicht wahrscheinlich, dass das Klageverfahren vor dem Auslaufen der einstweiligen Regelung Ende Februar 2015 beendet sein wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des gesamten Verfahrens.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Mit der Entscheidung über die Beschwerde war kein Raum mehr für eine Entscheidung über den Antrag nach § 199 SGG.