Gericht | FG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 28.06.2017 | |
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Aktenzeichen | 3 K 3079/17 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 173 Abs 1 Nr 1 AO, § 32 Abs 4 S 1 Nr 3 EStG, § 33a Abs 1 S 4 EStG, § 118 Abs 2 FGO, § 96 FGO |
1. Die "Behinderung" eines Kindes im Recht des Familienleistungsausgleichs ist eine Tatsache, keine Rechtsfrage (gegen BFH).
2. Die Abgrenzung zwischen Tatsache und Rechtsfrage ist bei § 173 AO und bei § 118 Abs. 2 FGO gleich.
3. Dass bei der Feststellung einer Tatsache eine umfassende Würdigung aller Umstände (Gesamtwürdigung) vorzunehmen ist, macht aus einer Tatsache keine Rechtsfrage.
4. Der typisierende wechselseitige Ausschluss der Berücksichtigung von Kindern durch § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG ist verfassungsgemäß.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Die Beteiligten streiten um die Möglichkeit einer Bescheidänderung bei nachträglicher Feststellung der Behinderung des Kindes für die Streitjahre 2012 und 2013.
I.
Der 1977 geborene Sohn der Kläger litt schon seit seiner Kindheit an der Asperger-Erkrankung, einer Form des Autismus, was lange Zeit aber nicht erkannt und diagnostiziert wurde. Er war in den Streitjahren 2012 und 2013 noch immer Student und vermochte sein Studium nicht abzuschließen. Seine Eltern, die Kläger, kamen noch immer für ihn auf.
Nachdem die Krankheit des Sohnes endlich als solche erkannt worden war, stellte das C… Amt auf den Antrag des Sohnes vom 27.01.2015 mit Bescheid vom 30.03.2015 mit Wirkung ab Antragstellung einen Grad der Behinderung von 80 mit Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis wegen einer tief greifenden Entwicklungsstörung fest.
Auf den Antrag des Klägers vom 15.03.2015 bewilligte die Familienkasse D… mit Bescheid vom 14.12.2015 Kindergeld in Höhe von monatlich 184 € ab Januar 2011 und wies im Februar 2016 11.088 € zur Auszahlung an. Mit Schreiben vom 18.12.2015 teilte sie die Kindergeldfestsetzung dem beklagten Finanzamt – FA – mit.
II.1.
In ihrer Einkommensteuererklärung 2012 vom 28.01.2013 hatten die Kläger bei den außergewöhnlichen Belastungen als Unterhaltsleistungen an bedürftige Personen Unterhaltszahlungen an den Sohn in Höhe von 8.004 € geltend gemacht und angegeben, der Sohn habe einen Bruttoarbeitslohn von 5.455 € bezogen und ihm seien dabei Werbungskosten in Höhe von 1.000 € entstanden. Im ESt-Bescheid 2012 vom 10.04.2013 berücksichtigte das FA Unterhaltszahlungen nach § 33a Abs. 1 EStG in Höhe von 4.173 € bei den außergewöhnlichen Belastungen.
2.
In ihrer Einkommensteuererklärung 2013 vom 21.01.2014 hatten die Kläger Unterhaltszahlungen an den Sohn in Höhe von 8.130 €, darunter Basiskrankenversicherungsbeiträge in Höhe von 1.855 €, geltend gemacht und angegeben, der Sohn habe einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 850 € bezogen und ihm seien dabei Werbungskosten in Höhe von 1.000 € entstanden. Im ESt-Bescheid 2013 vom 19.03.2014 berücksichtigte das FA Unterhaltszahlungen in Höhe von 8.130 €.
3.
Nachdem das FA durch die Mitteilung der Familienkasse vom 18.12.2015 von der Kindergeldfestsetzung erfahren hatte, erließ es nach Anhörung der Kläger die ESt-Änderungsbescheide 2012 und 2013, beide vom 09.06.2016, jeweils gestützt auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung – AO –. Darin berücksichtigte es keine Unterhaltszahlungen nach § 33a Abs. 1 EStG mehr. Dadurch ergab sich für 2012 eine um 1.242 € höhere ESt, jedoch ein um 45,21 € niedrigerer Solidaritätszuschlag – SolZ –, für 2013 eine um 2.408 € höhere ESt und ein um 17,71 € höherer SolZ. In beiden Jahren wurden keine Kinderfreibeträge berücksichtigt, weil die Günstigerprüfung ergeben hatte, dass das Kindergeld höher war.
4.
Die Kläger legten am 14.06.2016 für beide Jahre jeweils Einspruch ein. Es fehle an einer Rechtsgrundlage für die Änderung, insbesondere sei § 173 AO nicht anwendbar. Es habe sich erst nach dem Erlass des ursprünglichen Bescheids herausgestellt, dass der Sohn von Geburt an autistisch behindert gewesen sei. Die Schwerbehinderung sei erst mit Wirkung ab 27.01.2015 festgestellt worden. Die Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Erkrankung seien daher erst nach Erlass des ursprünglichen Bescheids eingetreten, so dass kein neuer Sachverhalt vorliege.
5.
Mit Einspruchsentscheidungen jeweils vom 27.03.2017 wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen. Tatsache sei die seit der Geburt bereits vorliegende Behinderung, die dem FA nachträglich, nach Erlass der geänderten Bescheide, bekannt geworden sei.
III.
Hiergegen erhoben die Kläger am 26.04.2017 Klage.
Der Feststellungsbescheid des C… Amt vom 27.01.2015 sei ein Beweismittel, welches zum Zeitpunkt des Erlasses der geänderten Bescheide noch nicht vorgelegen habe und daher auch nicht zur Änderung der Bescheide gemäß § 173 AO führen könne. Der Feststellungsbescheid sei steuerbegründendes Tatbestandsmerkmal. Die später erstellte Bescheinigung sei ein – als Bescheinigung nicht zu berücksichtigendes – rückwirkendes Ereignis. Die Behinderung sei keine Tatsache, sondern Ergebnis einer rechtlichen Beurteilung, also eine Schlussfolgerung bzw. Bewertung. Anspruchsbegründend für den Kindergeldanspruch sei nicht die Behinderung an sich, sondern die Folge, dass sich das Kind nicht selbst unterhalten könne. Die Feststellung einer Behinderung sei sowohl medizinischen als auch rechtlichen Wertungen unterworfen.
Eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO scheide aus, weil das Ereignis, nämlich die Behinderung, nicht nachträglich eingetreten sei, vielmehr von Geburt an vorhanden gewesen sei, also nicht nach Erlass der geänderten Bescheide.
Ergänzend führen die Kläger aus, es wäre sonst schwer nachvollziehbar, dass Eltern von Langzeitstudierenden ohne Behinderung und mit geringem Einkommen besser stünden als Eltern eines Studierenden mit Behinderung. Die steuerlichen Vergünstigungen bei Langzeitstudierenden ohne Behinderung seien höher als Kinderfreibetrag und Behindertenfreibetrag zusammen, was zu den Rückforderungsbeträgen geführt habe. Darin liege eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von erwachsenen Behinderten gegenüber Langzeitstudenten ohne Behinderung und ohne oder mit nur niedrigem Einkommen.
Die Kläger beantragen (FG-A Bl. 1),
die Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013, beide vom 09.06.2016 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.03.2017, aufzuheben.
Der Beklagte beantragt (FG-A Bl. 32),
die Klage abzuweisen.
IV.1.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet (Kläger: FG-A Bl. 3, FA: FG-A Bl. 30).
2.
Die Hefter ESt 2012 und ESt 2013 lagen vor.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
I.
Die Änderung konnte gestützt auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ergehen.
1.a)
Eine Tatsache im Sinne dieser Vorschrift ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestands sein kann. Es kann sich handeln um Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Sie können bezeichnet werden durch einfache deskriptive Begriffe, aber auch durch komplexe Begriffe, die eine Zusammenfassung von Tatsachen enthalten und auf einer bestimmten rechtlichen Wertung derselben beruhen (z. B. Kauf, Vermietung, Geschäftsführergehalt). Gegenbegriff der Tatsache ist die rechtliche Bewertung (vgl. Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 173 Rn. 21, 22 m. w. N.).
b)
In diesem Sinne ist die in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG genannte körperliche, geistige oder seelische Behinderung eine Tatsache, nämlich ein Teilstück dieses gesetzlichen Tatbestandes. Behindert in diesem Sinne ist ein Mensch danach, wenn seine körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (Loschelder in Schmidt, EStG, 34. Aufl. 2015, § 32 Rn. 39). Darüber kann aber Beweis erhoben werden, insbesondere durch Sachverständigengutachten. Es handelt sich nicht um eine rechtliche Bewertung (des FA oder des Gerichts). Dass auch Sachverständige bei der Beantwortung der Frage, ob eine Behinderung im vorgenannten Sinne vorliegt, mitunter Wertungen vornehmen müssen und u. U. verschiedene Sachverständige zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, macht aus der Tatsache noch keine rechtliche Bewertung, da ja auch Komplextatsachen Tatsachen sind, sondern zeigt lediglich, dass die Tatsache im Einzelfall schwer feststellbar sein mag. Nicht jede im Prozess der Feststellung einer Tatsache notwendige Wertung macht aus der festzustellenden Tatsache eine rechtliche Bewertung.
c)
Bei der Abgrenzung ist auch der Sinn und Zweck des § 173 AO zu berücksichtigen. Während nach den Vorschriften der Reichsabgabenordnung 1919 eine nahezu unbegrenzte Gesamtaufrollung möglich war, wollte der Gesetzgeber mit § 173 der Abgabenordnung 1977 den Anwendungsbereich auf Veränderungen im Tatsächlichen beschränken, damit also Rechtsfehlerkorrekturen ausgrenzen. Aufgrund dieses Regelungskonzeptes darf § 173 AO nicht dazu benutzt werden, Änderungen in der Beurteilung, namentlich Änderungen der Rechtsprechung oder der Verwaltungsmeinung, Geltung zu verschaffen (von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 173 AO Rn. 125 Stand September 2013). Es geht daher um die Abgrenzung von „Tatfragen“ einerseits zu „Rechtsfragen“ andererseits, damit um die Abgrenzung des Einzelfalls, von Veränderungen im Bereich des Lebenssachverhalts einerseits, zur Regelung durch Subsumtion, also durch Wertentscheidungen zur Konkretisierung allgemeiner Rechtsgrundsätze andererseits (von Groll a. a. O., § 173 AO Rn. 69). Abzugrenzen ist, ob das FA bloß eine fremde Wertung übernommen hat oder ob der präjudizielle Rechtsbegriff (hier: Behinderung) bei Erlass des ursprünglichen Bescheids Gegenstand eigener rechtlicher Erwägungen des FA gewesen ist (von Groll a. a. O., § 173 AO, Rn. 81 f.).
Dass das FA zunächst davon ausging, eine Behinderung habe nicht vorgelegen, war aber nicht das Ergebnis einer Würdigung von Sachverhaltsumständen durch das FA, sondern das FA hat ihm gar nicht bekannte Umstände gar nicht würdigen können, vielmehr von den Umständen erst durch die spätere Mitteilung der Familienkasse erstmals erfahren.
Dass eine Behinderung dann vorliegt, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit eines Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist, ist eine rechtliche Wertung. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen, liegt hingegen im tatsächlichen Bereich.
d)
Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Abgrenzung zwischen Tatsache und Rechtsfrage nicht nur bei § 173 AO, sondern auch in anderen Vorschriften, insbesondere § 96 FGO und § 118 Abs. 2 FGO, eine Rolle spielt. Die Abgrenzung ist korrespondierend zu treffen.
Bei § 118 Abs. 2 FGO ist aber anerkannt, dass „tatsächliche Feststellungen“ nicht nur die Tatsachen selbst sind, sondern auch Würdigungen tatsächlicher Art, also Schlussfolgerungen im Rahmen der Tatsachenwürdigung. Dazu gehören auch sog. „Gesamtwürdigungen“ (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 118 FGO Rn. 140 Stand Juni 2015). Grundsätzlich gehört dazu auch die Beweiswürdigung, allgemeiner gesprochen die Sachverhaltswürdigung oder Tatsachenwürdigung (Lange a. a. O. § 118 FGO Rn. 151). Bei der revisionsrechtlichen Abgrenzung von Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung gehört die Tatsachenwürdigung zur Tatsachenfeststellung, nicht zur rechtlichen Würdigung (Lange a. a. O., § 118 FGO Rn. 170). In der Regel sind Rechtsfragen nur solche, deren Beantwortung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus eine Richtlinie für künftige Fallgestaltungen abgeben kann (Lange a. a. O., § 118 FGO Rn. 171).
Danach ist die Frage, ob der Sohn der Kläger behindert war, aber eine Tatsache. Die Behinderung ergibt sich (ggf.) aus der Gesamtwürdigung von Einzeltatsachen, und sie ist einzelfallspezifisch.
e)
Auch nach Auffassung des FG Münster ist die Behinderung eine Tatsache (FG Münster, Urteil vom 27.08.2012 12 K 2574/11 Kg, EFG 2013, 102, Juris Rn. 12).
f)
Soweit der BFH in einem Urteil vom 19.01.2017 die Auffassung vertreten hat, das Vorliegen einer Behinderung sei eine Rechtsfrage (BFH, Urteil vom 19.01.2017 III R 44/14, BFH/NV 2017, 735, Juris Rn. 21), folgt der Senat dem nicht. In diesem Urteil zieht der BFH aus der – zutreffenden – Überlegung, dass das Finanzgericht bei der Prüfung des Vorliegens einer Behinderung eine umfassende Würdigung aller Umstände (Gesamtwürdigung) vorzunehmen habe, die Schlussfolgerung, dass das Vorliegen einer Behinderung eine Rechtsfrage sei. Wie zuvor dargelegt, gehören aber auch Gesamtwürdigungen tatsächlicher Art zu den tatsächlichen Feststellungen und daher nicht zu den Rechtsfragen (so – bezüglich der Mitursächlichkeit der Behinderung für die mangelnde Fähigkeit zum Selbstunterhalt – im Übrigen der BFH selbst: BFH, Urteil vom 19.11.2008 III R 105/07, BStBl II 2010, 1057, Juris Rn. 23, bestätigt durch BFH, Urteil vom 28.05.2009 III R 72/06, BFH/NV 2009, 1975, Juris Rn. 15).
2.
Die Tatsache der Behinderung ist auch rechtserheblich (vgl. zu dieser Voraussetzung Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 173 Rn. 71).
a)
Insbesondere kommt es nur auf die Behinderung selbst, nicht jedoch auf den Feststellungsbescheid des C… Amt oder den Kindergeldbescheid der Familienkasse an. Das FA hat nämlich selbständig und ohne Bindung an die im Kindergeldfestsetzungsbescheid enthaltene Begründung das Vorliegen der Voraussetzungen des § 32 EStG zu prüfen (so Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 27.01.2011 III R 90/07, DStRE 2011, 833, Juris Rn. 26).
b)
Bei Kenntnis der Behinderung (und der weiteren Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs, nämlich Unfähigkeit zum Selbstunterhalt und rechtzeitigem Eintritt der Behinderung) hätte das FA gemäß § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG den Abzug der Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastung auch von vornherein verwehrt.
3.
Dass die Behinderung bereits bei Erlass des ursprünglichen Bescheids gegeben, aber dem FA seinerzeit noch nicht bekannt war, stellen die Kläger nicht in Abrede, sie meinen lediglich, es komme nicht auf die Behinderung als solche an.
II.
Der Senat sieht auch keinen Anhaltspunkt für eine Verfassungswidrigkeit der Regelung.
Der Gesetzgeber hat für bestimmte typische Fälle (typische Unterhaltssituationen) mit den §§ 31, 32, 64, 65 EStG eine typisierende Regelung mit Kindergeld und Kinderfreibeträgen geschaffen, mit § 33a Abs. 1 EStG für davon nicht abgedeckte, untypische Unterhaltssituationen eine Auffangregelung. Entgegen der Auffassung der Kläger ist diese Regelungsstruktur nachvollziehbar und keineswegs verfassungswidrig.
1.
Bezüglich 2012 liegt schon keine Benachteiligung der Kläger vor.
Der zunächst durch § 33a EStG erhaltene Steuervorteil betrug 1.242 €.
Das sodann stattdessen erhaltenen Kindergeld betrug 12 x 184 € = 2.208 €.
Die Kläger haben daher für 2012, nachdem sich der vermeintlich langzeitstudierende Sohn als in Wahrheit behindertes Kind herausgestellt hat, 966 € mehr bekommen, einschließlich Solidaritätszuschlag 1.011 €.
Ein Nachteil ergibt sich allenfalls in 2013 (nämlich aufgrund der anderen Situation beim Einkommen des Sohnes: 2.208 € Kindergeld statt 2.408 € Steuervorteil, also Nachteil 200 €, mit Solidaritätszuschlag 218 €).
2.
Das Konkurrenzverhältnis von § 33a EStG zu §§ 31, 32, 62, 63 EStG war bereits mehrfach Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen. Der BFH hat bereits in seinem Beschluss vom 26.06.1987 III B 32/85 DStR 1987, 593, Juris Rn. 12, 13, ausführlich Stellung bezogen. Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht – BVerfG – wurde von diesem nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 09.02.1988 1 BvR 1166/87, HFR 1989, 270, Juris). Der BFH hat seine Auffassung wiederholt bestätigt (u. a.: Beschluss vom 22.04.1988 III B 73/87, HFR 1988, 448, Juris Rn. 10; Urteil vom 22.08.1996 III R 105/93, BFH/NV 1997, 282, Juris Rn. 12; Urteil vom 19.05.2004 III R 28/02, BFH/NV 2004, 1631, Juris Rn. 12; Beschluss vom 24.05.2012 VI B 120/11, BFH/NV 2012, 1438, Juris Rn. 8).
Verfassungsrechtlich gilt, dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, das Existenzminimum des Kindes freizustellen (subjektives Nettoprinzip, Leistungsfähigkeitsprinzip), darüber hinaus aber ein weites Gestaltungsermessen hat. Nach Auffassung des BFH sind Kinderfreibetrag bzw. Kindergeld typisierend geeignet, die Freistellung des Existenzminimums sicherzustellen. Verschiedene, gegen die Höhe des Kinderfreibetrags gerichtete Verfassungsbeschwerden wurden gerade in jüngster Zeit wiederholt vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen. Dass das Existenzminimum ihres behinderten Sohnes durch das gewährte Kindergeld nicht hinreichend abgedeckt sei, haben die Kläger bisher nicht einmal behauptet, geschweige denn substantiiert vorgetragen.
3.
Soweit mit § 33a EStG der Gesetzgeber ggf. darüber hinaus eine Vergünstigung gewährt, muss er zwar den allgemeinen Gleichheitssatz beachten (Art. 3 Abs. 1 GG). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass beide Regelungssysteme Vor- und Nachteile haben:
a)
Der Kinderfreibetrag beträgt zwar maximal 7.008 € pro Jahr, allerdings wird er unabhängig vom Einkommen des Kindes gewährt, solange dieses sich nicht selbst unterhalten kann, d. h. geringere Einkünfte des Kindes bleiben unberücksichtigt. Es muss auch nicht konkret dargelegt werden, dass überhaupt Unterhalt gezahlt wurde bzw. Aufwendungen getragen wurden. Ist das Kindergeld höher, wird es statt des Kinderfreibetrags gewährt. Vermögen des Kindes bleibt grundsätzlich unberücksichtigt. Daneben können bei behinderten oder kranken Kindern noch atypische Unterhaltsleistungen gemäß § 33 EStG geltend gemacht werden (vgl. BFH, Beschluss vom 24.05.2012 VI B 120/11, BFH/NV 2012, 1438, Juris Rn. 10). Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) und der Freibetrag bei auswärtiger Unterbringung (§33a Abs. 2 EStG) sind möglich. Die zumutbare außergewöhnliche Belastung wird geringer (§ 33 Abs. 3 Satz 2 EStG). Weitere außersteuerliche (z. B. sozialrechtliche und beamtenrechtliche) Regelungen knüpfen ebenfalls an § 32 EStG an.
b)
Hingegen beträgt bei § 33a EStG der maximale Betrag zwar 8.004 € pro Jahr, also etwas mehr. Allerdings wird eigenes Einkommen des Kindes schon dann in Abzug gebracht, wenn es 624 € pro Jahr übersteigt. Es kann nur tatsächlich geleisteter Unterhalt abgezogen werden (mit einer von der Verwaltung gewährten Beweiserleichterung, wenn das Kind noch im Haushalt der Eltern lebt). Vermögen des Kindes führt zum Ausschluss. Ausbildungsbeihilfen aus öffentlichen Mitteln sind ebenfalls anzurechnen. Ein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende und ein Freibetrag bei auswärtiger Unterbringung des Kindes sind nicht möglich, eine Verminderung der zumutbaren außergewöhnlichen Belastung findet nicht statt. Kindergeld kommt daneben nicht in Frage (zum Vergleich und zur Verfassungsgemäßheit ausführlich: BFH, Urteil vom 17.06.2010 III R 35/09, DStRE 2011, 11, Juris Rn. 11-17).
c)
Beide Regelungen folgen ihrer jeweils eigenen Systematik und können daher im Einzelfall im Ergebnis mal etwas besser, mal etwas schlechter sein (wie man auch im Fall der Kläger sieht: 2012 war das Kindergeld besser und 2013 der Abzug der Unterhaltsaufwendungen gemäß § 33a EStG). Ein Überschreiten des gesetzgeberischen Ermessens liegt daher nicht vor.
Gesetzliche Regelungen von Massensachverhalten, wie es die allgemeinen Steuergesetze nun einmal sind, sind zwangsläufig generalisierend und typisierend. Sie müssen für die Massensachverhalte in sich logisch sein und die verfassungsrechtlichen Grenzen, wie insbesondere das subjektive Nettoprinzip, also die Freistellung des Existenzminimums, beachten. Dass der Gesetzgeber rechtspolitisch auch andere Regelungen hätte erlassen können, die vielleicht noch überzeugender wären als die gegebenen, führt nicht zur Verfassungswidrigkeit.
III.1.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
2.
Die Zulassung der Revision ergibt sich zum einen aus § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO, weil der Senat von dem Urteil des BFH vom 19.01.2017 III R 44/14, BFH/NV 2017, 735, Juris Rn. 21, abweicht, zum anderen aus § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO zur Fortbildung des Rechts, da das Verhältnis von Kindergeldgewährung und Einkommensteuerveranlagung noch immer nicht abschließend geklärt erscheint (vgl. Loschelder in Schmidt, EStG, 34. Aufl. 2015, § 31 Rn. 19).
3.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung aufgrund des Verzichts der Beteiligten, § 90 Abs. 2 FGO.