Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung DGH BbG 5.12


Metadaten

Gericht DGH Brandenburg Berlin Entscheidungsdatum 30.08.2012
Aktenzeichen DGH BbG 5.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 146 Abs 4 VwGO, § 148 Abs 1 VwGO, § 76 aF RiG BB, § 78 aF RiG BB, § 86 Abs 3 DG BB, § 102 nF RiG BB, § 95 nF RiG BB, § 75 nF RiG BB

Leitsatz

1. Im Beschwerdeverfahren gegen einen Beschluss des Richterdienstgerichts, mit dem nach § 78 BbgRiG a.F. die vorläufige Dienstenthebung eines Richters oder eines Staatsanwaltes (§ 95 Satz 2 BbgRiG a.F.) angeordnet oder eine derartige Maßnahme wegen veränderter Umstände aufgehoben worden ist, ist § 146 Abs. 4 VwGO nicht anwendbar. Es bedarf daher grundsätzlich einer dienstgerichtlichen Abhilfeentscheidung im Sinne von § 148 Abs. 1 VwGO.

2. Wird der nach Erhebung der öffentlichen Klage und Erlass des Eröffnungsbeschlusses wegen des Verdachts der Rechtsbeugung und der Freiheitsberaubung suspendierte Richter oder Staatsanwalt freigesprochen, liegen in der Regel schon vor Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils veränderte Umstände im Sinne von § 78 Abs. 3 BbgRiG a.F. vor. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe der Dienstgerichte, die konkreten Erfolgsaussichten einer Revision gegen das freisprechende Urteil einer großen Strafkammer im Einzelnen anhand revisionsrechtlicher Maßstäbe zu überprüfen.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Wege der Beschwerde gegen die mit veränderten Umständen begründete Aufhebung zweier dienstgerichtlicher Beschlüsse, aufgrund derer der im Amt eines Oberstaatsanwaltes befindliche Antragsgegner vorläufig des Dienstes enthoben und die Einbehaltung eines Teils seiner monatlichen Dienstbezüge angeordnet worden war.

Mit dem gegen den Antragsgegner geführten, derzeit ausgesetzten Disziplinarverfahren wird ihm im Wesentlichen vorgeworfen, als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft während der Hauptverhandlung bei dem unzuständigen Richter M. Haftbefehle beantragt zu haben. Dieses Verhalten bewertete die Staatsanwaltschaft Potsdam als gemeinschaftlich mit Richter M. begangene Rechtsbeugung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung. Das Brandenburgische Oberlandesgericht ließ die öffentliche Klage im Beschwerdeverfahren unter Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Landgericht Potsdam zu. Daraufhin ordnete das Brandenburgische Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht Cottbus auf Antrag des Antragstellers mit Beschluss vom 18. Dezember 2008 - 32 Dg 6/08 - die vorläufige Dienstenthebung des Antragsgegners sowie die Einbehaltung eines Teils seiner Dienstbezüge an. Mit weiterem Beschluss vom 27. Februar 2009 half das Dienstgericht der Beschwerde des Antragsgegners im Hinblick auf erstmals geltend gemachte Verbindlichkeiten teilweise ab, änderte insoweit seinen Beschluss vom 18. Dezember 2008 und ordnete eine geringere Einbehaltung der Dienstbezüge an.

Mit Urteil vom 8. Dezember 2011 verurteilte das Landgericht Potsdam den Antragsgegner wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit schwerer Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Dieses Urteil hob der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 7. Juli 2010 - 5 StR 555/09 - auf, weil die große Strafkammer im Hinblick auf den Umfang und die Schwierigkeit der Sache nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei. Nach erneuter Hauptverhandlung sprach das Landgericht Potsdam den Antragsgegner mit Urteil vom 8. Dezember 2011 frei. Die begangenen Verfahrensverstöße seien schwerwiegend, hätten aber nicht das für eine Verurteilung wegen Rechtsbeugung ausreichende Gewicht. Der selbst nicht zuständige Antragsgegner habe die Haftbefehlsanträge vor allem dem unzuständigen Richter vorgelegt, inhaltlich sei deren Erlass jedoch vertretbar gewesen. Über die hiergegen eingelegte Revision ist noch nicht entschieden.

Der Antragsgegner beantragte im Dezember 2011 bei dem Richterdienstgericht, die in seiner Angelegenheit ergangenen Beschlüsse aufzuheben. Durch den Freispruch sei die Verurteilungsprognose hinfällig geworden. Mit Beschluss vom 25. Juni 2012 hob das Dienstgericht des Landes Brandenburg bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) die Beschlüsse vom 18. Dezember 2008 und vom 27. Februar 2009 mit Ausnahme der Kostenentscheidungen für die Zukunft auf und lehnte die Anträge auf vorläufige Dienstenthebung sowie auf Anordnung, vorläufig einen Teil der monatlichen Dienstbezüge einzubehalten, ab. Es bejahte das Vorliegen veränderter Umstände im Sinne von § 78 Abs. 3 BbgRiG a.F. Dieser Würdigung tritt die Beschwerde vor allem im Hinblick auf die gegen das freisprechende Urteil eingelegte Revision entgegen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Das Verfahren wird - da es bei Inkrafttreten des Gesetzes zur Angleichung des Richterrechts in den Ländern Berlin und Brandenburg vom 12. Juli 2011 (GVBl I S. 1 f.), d.h. am 14. Juli 2011 (vgl. Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes), bereits anhängig war - gemäß § 102 Satz 4 des Richtergesetzes des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Richtergesetz - BbgRiG) in der Fassung des Gesetzes vom 12. Juli 2011 - mit Ausnahme der nach § 102 Satz 3 BbgRiG n. F. ab dem 1. Januar 2012 anzuwendenden §§ 64 bis 72 (Vorschriften über die Errichtung, Zuständigkeit und Besetzung der Richterdienstgerichte) - nach den Bestimmungen des bis zum Inkrafttreten geltenden Rechts fortgeführt. Dies ist das bis zum 13. Juli 2011 gültige Richtergesetz des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Richtergesetz - BbgRiG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. November 1996 (GVBl. I S. 322), zuletzt geändert durch Art. 13 des Gesetzes vom 3. April 2009 (GVBl I S. 26), vgl. Dienstgerichtshof des Landes Brandenburg, Urteil vom 20. April 2012 - DGH Bbg 2.12 -, juris.

Der Anwendbarkeit des bis zum 13. Juli 2011 gültigen Rechts steht hier nicht entgegen, dass der Änderungsantrag erst im Dezember 2011 und damit nach Inkrafttreten der Neufassung des Richtergesetzes gestellt worden ist. Das Änderungsverfahren, das in § 78 Abs. 3 BbgRiG a.F. normiert war, betrifft einen nach altem Recht durchgeführten Rechtsstreit und die auf dieser Grundlage ergangenen Beschlüsse. Es muss daher wie ein noch anhängiges Verfahren im Sinne der Übergangsregelung behandelt werden, solange das Disziplinarverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Dies gilt umso mehr, als die Neufassung des § 95 Satz 2 BbgRiG nunmehr § 75 BbgRiG n.F. (Entscheidung des Dienstgerichts anstelle der obersten Dienstbehörde über die vorläufige Dienstenthebung) in Bezug auf Staatsanwälte nicht mehr für anwendbar erklärt, während die Dienstgerichtsbarkeit nach §§ 95, 66 ff., 78 Abs. 1 BbgRiG a.F. weiterhin zuständig ist.

Nach § 78 Abs. 2 BbgRiG a.F. ist gegen den Beschluss des Richterdienstgerichts, mit dem dieses gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 BbgRiG a.F. über die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen sowie über die Aufhebung dieser Maßnahmen entscheidet, die Beschwerde zulässig. Die einschränkende Regelung des § 146 Abs. 4 VwGO, die im Beschwerdeverfahren gegen Beschlüsse in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach §§ 80, 80a und 123 VwGO u.a. bestimmte Anforderungen an die Darlegung normiert, keinen neuen Tatsachenvortrag nach Ablauf der Begründungsfrist zulässt und nur eine Überprüfung der dargelegten Gründe durch das Beschwerdegericht vorsieht, ist hier nicht entsprechend anwendbar.

Zwar regelt § 76 Abs. 1 BbgRiG a.F., dass in Disziplinarsachen, wozu auch das dem Kapitel 4, Abschnitt 2 „Disziplinarverfahren“, zugeordnete Verfahren gemäß § 78 BbgRiG a.F. zählt, die Vorschriften des Landesdisziplinargesetzes (LDG) vom 18. Dezember 2001 (GVBl. I S. 245) entsprechend gelten, soweit das Brandenburgische Richtergesetz nichts anderes bestimmt. Gemäß § 68 Abs. 3 LDG ist im Beschwerdeverfahren gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts über eine Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung § 146 Abs. 4 VwGO entsprechend anwendbar, wobei die lediglich entsprechende Anwendbarkeit des auf §§ 80 Abs. 5, 80a, 123 VwGO zugeschnittenen § 146 Abs. 4 VwGO darauf beruht, dass das vorläufige Dienstenthebungsverfahren kein in § 146 Abs. 4 VwGO genanntes Verfahren, sondern ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sui generis darstellt (vgl. Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, § 63 BDG Rn. 1). Dies gilt erst recht, wenn der Dienstvorgesetzte - wie hier - nicht einmal befugt ist, eine eigene Verwaltungsentscheidung zu treffen, sondern die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung dem Richterdienstgericht vorbehalten bleibt.

§ 78 Abs. 1, Abs. 2 BbgRiG a.F. stellt jedoch - ebenso wie § 75 Abs. 2 BbgRiG in der Fassung vom 13. Juli 2011 (GVBl I 1 ff.) - eine abweichende Bestimmung zu §§ 39 ff. LDG, § 68 Abs. 3 LDG im Sinne von § 76 Abs. 1 BbgRiG a.F. dar, die mangels ausdrücklichen Anwendungsbefehls keinen Rückgriff auf § 68 Abs. 3 LDG in Verbindung mit § 146 Abs. 4 VwGO ermöglicht. Der Landesgesetzgeber konnte die vorläufige Dienstenthebung für Richter wegen der bundesgesetzlich zwingenden Regelungen in §§ 83, 63 Abs. 2 DRiG nicht den §§ 39 ff. LDG unmittelbar unterwerfen, sondern musste mit der Zuständigkeit des Dienstgerichts anstelle des obersten Dienstvorgesetzten eine Sonderreglung im Richtergesetz schaffen, die dem besonderen Status des Richters, vor allem seiner richterlichen Unabhängigkeit, gerecht werden soll (Schmidt-Räntsch, DRiG, 6. Aufl., § 63 Rn. 2 und 36; vgl. zu § 95 BbgRiG 2011 auch Landtag Brandenburg, Drs. 5/2774, S. 43). Im Hinblick auf diesen Sinn und Zweck der Regelung kann angesichts des fehlenden ausdrücklichen Verweises auf § 146 Abs. 4 VwGO in § 78 Abs. 2 BbgRiG a.F. nicht subsidiär auf § 68 Abs. 3 LDG zurückgegriffen werden. Vielmehr ist von einer uneingeschränkten Beschwerde mit ihren geringeren Anforderungen an eine Begründung auszugehen, weil sie dem betroffenen Richter grundsätzlich umfassenderen Rechtsschutz bietet.

Dies gilt trotz der insoweit fehlenden richterlichen Unabhängigkeit auch für Staatsanwälte. Eine Differenzierung zwischen ihnen und Richtern ist nach dem hier noch anzuwendenden Richterrecht nicht geboten, denn § 95 Satz 2 BbgRiG a.F. stellt Staatsanwälte den Richtern auch im Hinblick auf § 78 Abs. 2 BbgRiG a.F. uneingeschränkt gleich. Der Gesetzgeber hat sich erst mit der Neuregelung in § 95 BbgRiG n.F. entschieden, dass eine vorläufige Dienstenthebung von Staatsanwälten nicht mehr durch das Dienstgericht anzuordnen ist, sondern sich ausschließlich nach dem Landesdisziplinargesetz richtet.

Diesem Ergebnis stehen die - bei der Auslegung ohnehin nur bedingt maßgeblichen - Gesetzesmaterialien nicht entgegen. Sie geben insoweit keinen verlässlichen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber nur eine eingeschränkte Beschwerdemöglichkeit im Sinne von § 146 Abs. 4 VwGO gewollt hat. Die Begründung zu § 75 nimmt lediglich Bezug auf § 74 (gemeint ist ganz offensichtlich § 64) Abs. 2 und 3 LDG, der entsprechend anwendbar sein soll, während ein Hinweis auf § 68 Abs. 3 LDG fehlt (vgl. Landtag Brandenburg, Drs. 5/2774, S. 37).

Da § 146 Abs. 4 VwGO nicht anwendbar ist, hätte das Dienstgericht - anders als es § 146 Abs. 4 Satz 5 VwGO für die Beschwerde gegen Entscheidungen nach §§ 80, 123 VwGO vorsieht - gemäß § 148 Abs. 1 VwGO nach Eingang der Beschwerde über eine Abhilfe beschließen müssen. Eine derartige Entscheidung ist nicht ergangen. Die Vorlage der Akten an den Dienstgerichtshof lässt sich auch nicht als konkludente Nicht-Abhilfe-Entscheidung „des Dienstgerichts“ begreifen, denn die Vorlage beruht allein auf einer Verfügung des Vorsitzenden ohne Mitwirkung der beiden beisitzenden Richter, die an der erstinstanzlichen Entscheidung beteiligt waren (vgl. § 69 BbgRiG n.F.).

Trotz dieser Sachlage ist der Dienstgerichtshof, der zum ersten Mal ausdrücklich über die Anwendbarkeit des § 146 Abs. 4 VwGO im Beschwerdeverfahren gegen einen Beschluss nach § 78 BbgRiG a.F. entscheidet, nicht gehalten, die Gerichtsakten nach der Beratung über diese Frage an das Dienstgericht zurückzugeben, damit dieses nunmehr über eine (Nicht-)Abhilfe beschließt. Dies ergibt sich im derzeitigen Verfahrensstadium auch aus der Verpflichtung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. dazu auch OVG Greifswald, Beschluss vom 10. November 2010 - 10 O 92/10 -, juris; VGH Mannheim, Beschluss vom 13. Juli 1990 - 9 S 1480/90 -, juris = NVwZ-RR 1991, 166). Hinzu kommt, dass der Antragsteller mit seiner Beschwerde keine neuen Tatsachen vorgetragen hat, die das Dienstgericht noch nicht würdigen konnte.

Das Dienstgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass veränderte Umstände im Sinne von § 78 Abs. 3 BbgRiG a.F. vorliegen, die eine Aufhebung der vorläufigen Dienstenthebung und der angeordneten Einbehaltung von Dienstbezügen rechtfertigt. Die gerichtliche Prüfung des Sachverhaltes beschränkt sich auf die Klärung der Frage, ob anhand des bisherigen (Ermittlungs-)Ergebnisses weiterhin der hinreichend begründete Verdacht eines Dienstvergehens besteht, das mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme zur Folge hat (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2002 - 2 WDB 1/02-, juris; Beschluss vom 17. März 2005 - 2 WDB 1/05 -, juris).

Gemessen daran lässt sich die ursprüngliche Prognose im Hinblick auf das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 8. Dezember 2011, mit dem der Antragsgegner freigesprochen worden ist, nicht mehr aufrecht erhalten. Wie das Dienstgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass gegen den Antragsgegner in dem derzeit noch nach § 23 LDG ausgesetzten Disziplinarverfahren mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die disziplinare Höchstmaßnahme, die Entfernung aus dem Dienst, verhängt wird.

Grundlage für die vorläufige Dienstenthebung des Antragsgegners sowie die Anordnung, einen Teil seiner Dienstbezüge einzubehalten, war der Eröffnungsbeschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 29. Juli 2008. Danach war der Antragsgegner der gemeinschaftlichen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung (§§ 339, 239 Abs. 1 StGB) hinreichend verdächtig. Unter diesen Umständen kam allein wegen der gesetzlichen Strafandrohung eine Beendigung des Beamtenverhältnisses kraft Gesetzes ernsthaft in Betracht (vgl. § 100 Satz 1 Nr. 1 LBG a.F., jetzt § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Beamtenstatusgesetz).

Der Eröffnungsbeschluss, der im Wesentlichen auf einer Würdigung der Aktenlage beruht, kann trotz der noch nicht eingetretenen Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 8. Dezember 2011 für die hier zu treffende Prognose nicht mehr herangezogen werden. Er ist - worauf der Antragsgegner zu Recht hinweist - durch den Freispruch überholt. Das Urteil des Landgerichts Potsdam erlaubt auch vor seiner Rechtskraft eine verlässlichere Prognose als die Erhebung der öffentlichen Klage oder der Eröffnungsbeschluss, denn es beruht auf einer Würdigung der Sach- und Rechtslage, wie sie sich der großen Strafkammer als Ergebnis der Hauptverhandlung dargestellt hat. Dabei kann der Senat offen lassen, ob die ursprüngliche Prognose des Dienstgerichts dann nicht in Frage gestellt werden könnte, wenn das freisprechende Urteil offensichtlich unhaltbar bzw. evident fehlerhaft wäre. Denn für einen solchen Ausnahmefall sind jedenfalls keine greifbaren Anhaltspunkte ersichtlich. Nichts anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Antragstellers unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 7. Juli 2010 - 5 StR 555/09 - (juris), mit der das erste Urteil des Landgerichts Potsdam vom 19. Juni 2009 aufgehoben worden ist. Zwar hat sich der BGH nicht nur mit der Besetzungsrüge befasst, sondern auch Hinweise zur materiellrechtlichen Seite der Sache gegeben (a.a.O. Rn. 28 ff., 40 ff.). Der Freispruch wird hierdurch jedoch nicht evident in Frage gestellt. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Dienstgerichtshofes, in einem Verfahren wie dem vorliegenden die konkreten Erfolgsaussichten einer Revision gegen das freisprechende Urteil einer großen Strafkammer im Einzelnen anhand revisionsrechtlicher Maßstäbe zu überprüfen.

Soweit das hier in Rede stehende prozessuale Verhalten des Antragsgegners als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft … ein Dienstvergehen darstellen kann, weil es sich um schwere verfahrensrechtliche Verstöße handelt, ist nicht ersichtlich, dass diese das eine Entfernung rechtfertigende Gewicht erreichen, das dem Vorwurf der Rechtsbeugung und der Freiheitsberaubung zukommt. Im Übrigen hat sich der Antragsteller bei der Beantragung der vorläufigen Dienstenthebung allein auf diese Straftatbestände gestützt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 76 Abs. 1 BbgRiG a.F., § 78 Abs. 4 LDG, § 154 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 80 BbgRiG a.F.).