Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 7. Senat | Entscheidungsdatum | 11.05.2011 | |
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Aktenzeichen | L 7 KA 6/07 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 85 SGB 5 |
1. Die erhöhte Vergütung von Leistungen, die ein Berliner Anästhesist aufgrund einer Abrechnungsgenehmigung im Rahmen des sog. Strukturvertrags ambulantes Operieren erbringt, ist ausgeschlossen, wenn nicht auch der Operateur an diesem Vertrag teilnimmt.
2. Ein Anästhesist durfte die Leistungen nach den GO-Nrn. 17 und 18 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs allenfalls dann abrechnen, wenn er in jedem Einzelfall dargelegt hat, aus welchen Gründen die Beratung und Erörterung durch den diagnostizierenden Arzt oder durch den Operateur nicht durchgeführt wurde oder nicht ausreichend war.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger begehrt höheres Honorar für die Quartale IV/03 bis IV/04.
Der Kläger nimmt als Facharzt für Anästhesiologie seit dem 01. Oktober 1999 im Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Bescheid vom 04. Juli 2002 erteilte ihm die Beklagte die „endgültige“ Abrechnungsgenehmigung gemäß der so genannten Strukturverträge mit dem (damaligen) Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK), der AOK und den Betriebskrankenkassen für die Durchführung von krankenhausersetzenden ambulanten Operationen bzw. Anästhesien im Rahmen seines Fachgebiets. Eine im Wesentlichen gleichlautende Genehmigung erhielt der Kläger unter dem 11. April 2003 bezüglich des entsprechenden Strukturvertrags mit dem IKK-Landesverband Brandenburg und Berlin.
Auf Antrag des Klägers erhöhte die Beklagte das ihm bis dahin zugeordnete Individualbudget auf nunmehr 216.671 Punkte im Primärkassenbereich und 205.545 Punkte im Ersatzkassenbereich (Bescheid vom 17. Februar 2004). Aus Sicht der Beklagten maßgeblich war, dass die Praxis des Klägers „mit den budgetrelevanten Umsätzen im II. Quartal 2003 bereits oberhalb des Fachgruppendurchschnitts lag und somit eine besondere Wachstumsdynamik aufwies“, was zur Verschiebung des Referenzzeitraumes auf die Quartale III/02 bis II/03 führte. Widerspruch und Klage blieben erfolglos; eine Berufung gegen das diesbezügliche Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Oktober 2006 (Az. S 79 KA 219/04) legte der Kläger nicht ein.
Den Honorarbescheiden für die Quartale IV/03 bis IV/04 lagen u. a. folgende Daten zugrunde:
Quartal
Behandlungsfälle
Honorargutschrift
Fallwert
IV/2003
483
37.274,70
79,24
I/2004
381
36.064,24
97,12
II/2004
385
32.191,19
87,92
III/2004
433
29.128,04
71,05
IV/2004
423
31.837,96
79,12
Die Fachgruppengrenzwerte betrugen in diesen Quartalen 129.394 Punkte im Primärkassenbereich und 104.088 Punkte im Ersatzkassenbereich.
Darüber hinaus lehnte die Beklagte in den Honorarbescheiden IV/03 und I/04 aus unterschiedlichen Gründen die vom Kläger geltend gemachte Abrechnung von Leistungen nach den folgenden Gebührenordnungsnummern (GO-Nrn.) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) ab:
Honorarbescheid IV/03 | ||
GO-Nr. | Häufigkeit | Ablehnungsgrund |
17 | 24 | Die GO-Nr. und 18 sind nur im Rahmen der Schmerztherapie abrechnungsfähig. |
18 | 3 | Die GO-Nr. und 18 sind nur im Rahmen der Schmerztherapie abrechnungsfähig. |
42 | 140 | Ein Konsilium nach Nr. 42 zwischen Operateur, Anästhesisten und Assistenten unmittelbar vor bzw. während der Operation ist nicht gesondert berechnungsfähig. |
75 | 1 | Die GO-Nr. 74 und 75 sind nur im Rahmen der Schmerztherapie abrechnungsfähig. |
9000B | 6 | Für den Operateur liegt bei der KV Berlin keine Genehmigung zur Teilnahme am Strukturvertrag „Ambulantes Operieren“ vor. |
9000B | 3 | Die OP ist nicht Bestandteil des Strukturvertrages. |
9000E | 15 | Für den Operateur liegt bei der KV Berlin keine Genehmigung zur Teilnahme am Strukturvertrag „Ambulantes Operieren“ vor. |
9000E | 12 | Die OP ist nicht Bestandteil des Strukturvertrages. |
9000H | 7 | Für den Operateur liegt bei der KV Berlin keine Genehmigung zur Teilnahme am Strukturvertrag „Ambulantes Operieren“ vor. |
9000H | 1 | Die OP ist nicht Bestandteil des Strukturvertrages. |
Honorarbescheid I/04 | ||
GO-Nr. | Häufigkeit | Ablehnungsgrund |
17 | 8 | Die GO-Nr. 17 und 18 sind nur im Rahmen der Schmerztherapie abrechnungsfähig. |
18 | 2 | Die GO-Nr. 17 und 18 sind nur im Rahmen der Schmerztherapie abrechnungsfähig. |
42 | 21 | Die #GOP# ist im Behandlungsfall nur #n#mal berechnungsfähig. |
42 | 104 | Ein Konsilium nach Nr. 42 zwischen Operateur, Anästhesisten und Assistenten unmittelbar vor bzw. während der Operation ist nicht gesondert berechnungsfähig. |
9000B | 3 | Für den Operateur liegt bei der KV Berlin keine Genehmigung zur Teilnahme am Strukturvertrag „Ambulantes Operieren“ vor. |
9000B | 1 | Die OP ist nicht Bestandteil des Strukturvertrages. |
9000E | 7 | Für den Operateur liegt bei der KV Berlin keine Genehmigung zur Teilnahme am Strukturvertrag „Ambulantes Operieren“ vor. |
9000E | 11 | Die OP ist nicht Bestandteil des Strukturvertrages. |
9000H | 2 | Die OP ist nicht Bestandteil des Strukturvertrages. |
Die Widersprüche des Klägers, mit denen dieser sich sowohl gegen die nicht anerkannten GO-Nrn. als auch gegen die von der Beklagten vorgenommenen Honorarverteilung wandte, wies diese mit Widerspruchsbescheid vom 01. September 2005 zurück.
Die hiergegen gerichtete Klage wies das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 11. Oktober 2006 ab und verwies zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid der Beklagten.
Gegen dieses ihm am 29. Dezember 2006 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 17. Januar 2007, zu deren Begründung er vorbringt: Die Beklagte irre, wenn sie die Abrechnung von ambulanten Operationen nach den so genannten Strukturverträgen nur zulasse, wenn auch der Operateur an diesen Strukturverträgen teilnehme. Ihm sei in der Abrechnungsgenehmigung gemäß der Strukturverträge mit dem VdAK nicht mitgeteilt worden, dass es auf die Abrechnungsgenehmigung des beteiligten Operateurs ankomme. Der Wortlaut des Bescheids der Beklagten vom 04. Juli 2002 sei insoweit eindeutig. Bei den entsprechenden Abrechnungsgenehmigungen gemäß der Strukturverträge mit den Verbänden von IKK und BKK werde zwar auf dieses Erfordernis hingewiesen; trotz mehrfacher schriftlicher Aufforderung habe indes die Beklagte keinerlei Auskunft geben können, auf welche Rechtsgrundlage sich diese Einschränkung stütze. Im Übrigen seien die betroffenen Operateure zur Teilnahme an den jeweiligen Strukturverträgen berechtigt gewesen. Das Antragsverfahren für Operateure zur Erlangung der Abrechnungsgenehmigung sei grob fehlerhaft. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei das Fachgebiet der Anästhesiologie eigenständig und keine Hilfsleistung für die Operateure. Fachärzte für Anästhesie verfügten über eine Weiterbildung von 11 Jahren. Port-Implantationen bei Tumorpatienten seien Bestandteil der Strukturverträge.
Leistungen nach der GO-Nr. 17 dürften von allen Fachärzten abgerechnet werden; hierauf habe sich die Beklagte im Rahmen des Widerspruchsverfahrens bezüglich des Quartals I/03 auch gestützt. Die Eingrenzung der EBM-Nr. 75 auf Fälle der Schmerztherapie könne aus denselben Gründen nicht akzeptiert werden. Bezüglich der GO-Nrn. 17 und 18 sei zu beachten, dass die Patienten auch von einem Facharzt für Anästhesie über lebensverändernde oder -bedrohliche Erkrankungen beraten werden müssten. Das Gleiche gelte für die GO-Nr. 75. Eine Konsiliar-Erörterung im Sinne der EBM-Nr. 42 sei nach Auffassung des Bundessozialgerichts die Besprechung zweier oder mehrerer Ärzte nach vorausgehender Untersuchung des Kranken zwecks Stellung der Diagnose oder Festlegung des Heilplanes. Diese Voraussetzungen seien in sämtlichen durch die Beklagte abgesetzten Fällen erfüllt. Die GO-Nr. 42 sei gerade dann abrechenbar, wenn mit dem Operateur ein Gespräch stattgefunden habe, ob plötzlich aufgetretene Anästhesierisiken zu hoch würden oder ob Veränderungen aufgetreten seien, die zur Änderung des OP-Programms nötigten.
Ferner werde die Überprüfung der Rechtmäßigkeit gewisser Regelungen des geltenden Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) verlangt. Die Punktwertquote bei Fachärzten sei von 100 Prozent im Jahre 1999 auf 86 Prozent gesunken. Wegen der Gründung seines neuen Praxiszentrums im Jahre 2002 – erste OP in den neuen Räumen am 14. Juli 2002 – hätten erst Quartale nach der Anlaufphase berücksichtigt werden dürfen. Die Heranziehung der Fachgruppenquote für Anästhesisten leide an wesentlichen Mängeln. Diese Fachgruppe sei in Berlin inhomogen: Es gebe Anästhesisten, die nur eine Narkose im Jahr oder aber vorwiegend Schmerztherapie erbrächten, auf der anderen Seite aber auch Anästhesisten mit 600 Narkosen pro Quartal. Hierdurch würden diejenigen Ärzte, die mehr Leistungen erbrächten, benachteiligt. Darüber hinaus sei ihm durch diese Regelung verwehrt, den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe durch Erhöhung der Patientenzahlen zu erreichen. Für Anästhesisten, die in Teilzeit tätig seien, müsste eine eigene Untergruppe gebildet werden. Ein Vergleich mit den Daten der in gleicher Praxis tätigen Anästhesisten Dr. H belege dies. Der HVM enthalte keine Dynamisierungsregelung bezüglich der Steigerung der Arztzahlen einer Fachgruppe, die aus einem Topf versorgt würden. So habe sich die Zahl der Anästhesisten in Berlin von 70 im Jahre 1999 auf 142 im Jahre 2004 verdoppelt. Die Beklagte treffe eine Beobachtungs- und Reaktionspflicht. Für typische Fallkonstellationen müsse der HVM eine Ausnahmeregelung enthalten. Die sich für den Kläger ergebenden Quoten mit 24,7 Prozent bei den Ersatzkassen und 31,4 Prozent bei den Primärkassen verstießen gegen die Honorarverteilungsgerechtigkeit. Auch liege ein Ermessensfehlgebrauch vor. Ziel der Klagen sei es, den Kläger von jeglichen Beschränkungen freizustellen.
Soweit sich sein Vorbringen auf Fragen seines Individualbudgets beziehe, dürfe es nicht wegen des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens über die Erhöhung des Individualbudgets unberücksichtigt bleiben. Es müsse insoweit zwischen Verfahren auf Änderung eines Individualbudgets (z.B. wegen einer Praxisschließung in der Umgebung) – hierzu zähle der Rechtsstreit S 79 KA 219/04 –, und den Rechtsbehelfsverfahren gegen Quartalsabrechnungen – wie dem vorliegenden – unterschieden werden. Ferner werde im Hinblick auf neuere Rechtsprechung des BSG die Rechtmäßigkeit von Individualbudgets generell gerügt, und zwar auch schon für die Zeit ab dem Quartal I/04.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Oktober 2006 abzuändern, die Honorarfestsetzungsbescheide für die Quartale IV/03 bis IV/04 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Widersprüche des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn die Honorarbescheide für die Quartale IV/03 bis IV/04 sind rechtmäßig.
I)
Dass der HVM der Beklagten im hier streitigen Zeitraum praxisindividuelle Individualbudgets, d.h. an die Leistungsmenge in früheren Quartale anknüpfende Gesamtpunktzahlvolumina (Punktzahlobergrenzen), vorsah, ist entgegen der klägerseitig erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Zweifel nicht zu beanstanden.
1) Nach § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V in der seit dem 01. Januar 2004 geltenden Fassung (neue Fassung – nF ) sind in der Honorarverteilung "insbesondere … arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina)." Ferner ist für den Fall der Überschreitung der Grenzwerte vorzusehen, dass die den Grenzwert überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten vergütet wird (Satz 8 der o.g. Vorschrift). Durch weitere am 01. Januar 2004 in Kraft getretene Änderungen in § 85 Abs. 4 Satz 6 bis 8 SGB V hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er die bis dahin bestehenden bloßen Soll- und Kann-Vorschriften (Satz 6: "… soll sicherstellen …" und Satz 7: "Insbesondere kann …" sowie Satz 8: "… kann …") zu verbindlichen Regelungen umgestaltet hat ("… hat … vorzusehen" und "… sind … festzulegen …" sowie "… ist vorzusehen …"). Zur Umsetzung dieser Vorgaben hat er in einem ersten Schritt dem Bewertungsausschuss aufgegeben, erstmalig bis zum 29. Februar 2004 den Inhalt der nach § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7 und 8 zu treffenden Regelungen zu bestimmen (§ 85 Abs. 4 a Satz 1, 2. Halbsatz SGB V nF).
2) Diesem gesetzgeberischen Auftrag kam der Bewertungsausschuss allerdings erst durch seinen Beschluss vom 29. Oktober 2004 (DÄBl. 04, A-3129) nach, in dem er einerseits (unter II.) den Partnern der Honorarverteilungsverträge (HVV) die Fortführung des bisher geltenden HVV bis zum 31. März 2005 empfahl und andererseits (unter III. 3.) erstmalig mit Wirkung zum 01. April 2005 Vorgaben zur Ermittlung und Festsetzung von Regelleistungsvolumina machte. Ohne diese Vorgaben des Bewertungsausschusses konnte die Beklagte dem Auftrag des Gesetzgebers zur Einführung von Regelleistungsvolumina nicht nachkommen. § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V nF entfaltete daher bis zum 31. März 2005 keine Wirkung, sodass die das Individualbudget betreffenden Regelungen des HVM der Beklagten zumindest bis zum Quartal I/05 auch nicht gegen diese Vorschrift verstoßen konnten.
II)
Soweit der Kläger die Regelungen des HVM der Beklagten, insbesondere die Fachgruppenbildung bezüglich der Arztgruppe der Anästhesisten, angreift und – u.a. unter Berufung auf einen bei ihm vorliegenden Härtefall – höheres Honorar durch Festsetzung eines höheren Individualbudgets begehrt, ist der Senat an einer Entscheidung hierüber wegen des rechtskräftigen Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 11. Oktober 2006 (Az.: S 79 KA 219/04) gehindert.
1) Im Vertragsarztrecht ist es grundsätzlich zulässig, Vorfragen, die Auswirkungen für mehrere Quartale haben, in einem eigenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren – losgelöst von der Anfechtung eines konkreten Honorarbescheids – zu klären (BSG, Urteil vom 03. Februar 2010, Az.: B 6 KA 31/08 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.). Die Klärung einer solchen Vorfrage kommt insbesondere dann in Betracht, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein HVM eine Vergütungsbeschränkung durch Einführung von individuellen Bemessungsgrenzen vorsieht. Jedenfalls dann, wenn die KV über die für den einzelnen Vertragsarzt maßgebliche Bemessungsgrundlage – hier: das Individualbudget des Klägers – einen Bescheid i.S.v. § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erlässt und darüber nicht nur unverbindlich informiert, kommt dieser Regelung gegenüber späteren Honorarbescheiden eine eigenständige Bedeutung zu. Dies hat auch verfahrensrechtliche Konsequenzen: einerseits wird der Streit über die Bemessungsgrenze (das Individualbudget) nicht deshalb gegenstandslos, weil die auf dem Bemessungsgrundlagenbescheid basierenden Honorarbescheide ergangen sind. Lässt andererseits der Vertragsarzt den Bemessungsgrundlagenbescheid bestandskräftig werden, kann er die auf diesem Bescheid beruhenden Honorarbescheide nicht mehr mit der Begründung anfechten, die Bemessungsgrundlage (das Individualbudget) sei fehlerhaft ermittelt worden. Darüber hinaus erschöpft sich die Funktion des Bescheides über die individuelle Bemessungsgrundlage nicht darin, eines von mehreren Elementen der später erfolgenden abschließenden Honorarverteilung zu sein. Vielmehr soll dem einzelnen Vertragsarzt verdeutlicht werden, bis zu welcher Grenze er Vergütungsansprüche unabhängig von der Mengenentwicklung erzielen kann (BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998, Az.: B 6 KA 65/97 R, veröffentlicht in Juris).
2) Für den Fall des Klägers bedeutet dies, dass er infolge des sozialgerichtlichen Urteils vom 11. Oktober 2006 (Az.: S 79 KA 219/04), in dem der Anspruch auf Festsetzung eines höheren Individualbudgets für die Zeit ab dem Quartal III/03 rechtskräftig abgelehnt wurde, mit allen Einwendungen, die sich auf die Höhe des Individualbudgets beziehen, ausgeschlossen ist. Der Senat hat daher weder zu prüfen, ob bei der Festsetzung des Individualbudgets die Fachgruppe der Anästhesisten zutreffend gebildet wurde, noch, ob der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit anderweitig verletzt ist oder ob im Falle des Klägers ein Härtefall vorliegt.
3) Dies mag anders zu beurteilen sein, wenn ein Vertragsarzt im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen einen Honorarbescheid Einwände erhebt, die sich auf Besonderheiten des konkret betroffenen Quartals (z.B. das in einem Honorartopf zur Verfügung stehende Geldbetrag) bezieht. Solche auf die Besonderheiten einzelner Quartale bezogene Einwände hat der Kläger aber nicht vorgebracht.
4) Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich die Beklagte im hier streitigen Widerspruchsbescheid vom 1. September 2005 auch zu Fragen des Individualbudgets äußert. Diese Äußerungen der Beklagten muss der Senat nicht rechtlich bewerten. Entweder haben sie nur erläuternden Charakter; dann fehlt es an einer gerichtlich überprüfbaren Regelung. Oder sie beinhalten eigenständige Regelungen; dann wäre der Widerspruchsbescheid insoweit Gegenstand des zwischenzeitlich rechtskräftig beendeten Rechtsstreits S 79 KA 219/04 geworden und im hiesigen Verfahren keiner gerichtlichen Überprüfung mehr zugänglich.
III)
Die Honorarbescheide der Beklagten sind auch insoweit nicht zu beanstanden, als die Beklagte die Vergütung von Leistungen nach den o.g. Abrechnungsziffern abgelehnt hat.
1) Zu Recht hat es die Beklagte abgelehnt, anästhesiologische Leistungen zu vergüten, die der Kläger im Zusammenhang mit ambulanten Operationen erbracht hat, welche von nicht an den sog. Strukturverträgen teilnehmenden Vertragsärzten durchgeführt wurden. Hierzu war die Beklagte unabhängig davon berechtigt, dass der Kläger nicht durch alle Abrechnungsgenehmigungen auf diese Vergütungsvoraussetzung hingewiesen worden war. Denn diese ergab sich bereits unmittelbar aus den sog. Strukturverträgen.
Die Beklagte schloss zwischen 1998 und 2003 „gemäß § 73a SGB V“ u.a. mit der (damaligen) AOK Berlin, der IKK Brandenburg und Berlin, dem VdAK bzw. dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband sowie dem BKK-Landesverband Ost sog. Strukturverträge zur Förderung krankenhausersetzender ambulanter Operationen, welche auch in den hier streitigen Quartalen galten. Nach diesen Verträgen verfolgen die Vertragspartner das Ziel, unter Berücksichtigung von Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung planbarer Operationen, die bislang stationär durchgeführt werden – soweit geeignet –, ambulant erbringen zu lassen. Auch wenn nach diesen Verträgen zu den förderungswürdigen Leistungen neben der Operationsleistung u.a. auch Anästhesieleistungen zählen, verdeutlicht die o.g. Zielsetzung doch, dass zentraler Gegenstand der Förderung die ambulante Operation ist. Sie ist daher die Hauptleistung, während anästhesiologische Leistungen ebenso wie die postoperative Betreuung und ggf. der erhöhte Nachsorgeaufwand des zuweisenden Vertragsarztes lediglich notwendige Begleitleistungen darstellen. Hieraus folgt zwangsläufig, dass notwendige Begleitleistungen (wie z.B. eine Anästhesie), die von an den Strukturverträgen teilnehmenden Vertragsärzten erbracht werden, nur dann einer Förderung in Form einer erhöhten Vergütung zugänglich sind, wenn auch die ambulante Operation als Hauptleistung von einem an den Strukturverträgen teilnehmenden Vertragsarzt durchgeführt wird. Eine Abwertung oder Geringschätzung der von Anästhesisten erbrachten Leistungen ist damit nicht verbunden.
Da in den von der Beklagten nicht anerkannten Fällen die Operateure aus unterschiedlichen Gründen nicht an den o.g. Strukturverträgen teilnahmen, steht dem Kläger für die von ihm in diesem Zusammenhang erbrachten anästhesiologischen Leistungen auch keine Vergütung nach diesen Verträgen zu. Dass diese Operateure möglicherweise berechtigt waren, an den Strukturverträgen teilzunehmen, ändert hieran nichts; entscheidend ist, ob sie tatsächlich aufgrund einer ihnen erteilten Abrechnungsgenehmigung zur Abrechnung der erhöhten Vergütung berechtigt waren. Das Verfahren, durch das Operateure die Abrechnungsgenehmigungen erlangen konnten, muss der Senat nicht beurteilen. Denn es ist kein subjektives Recht des Klägers als Anästhesist erkennbar, eine mögliche Rechtswidrigkeit dieses Verfahrens geltend zu machen.
2) Unberechtigterweise beanstandet der Kläger ferner, dass von ihm bei einer BKK-Versicherten erbrachte anästhesiologische Leistungen im Zusammenhang mit einer ambulanten Operation nach der GO-Nr. 2821 („Implantation eines permanenten Zuganges (Port) zu einem Gefäß oder Implantation eines intrathekalen Katheters“) nicht nach dem Strukturvertrag vergütet wurden. Denn Leistungen nach dieser GO-Nr. werden zwar z.B. durch den Strukturvertrag mit der AOK Berlin gefördert, nicht aber nach dem Strukturvertrag mit dem BKK-Landesverband Ost.
3) Leistungen nach den GO-Nrn. 17, 18, 42 und 75 können Fachärzte für Anästhesie im Zusammenhang mit ambulanten Operationen nicht abrechnen.
a) Die Leistungslegende für die GO-Nr. 17 des in den streitgegenständlichen Quartalen geltenden EBM lautet:
„Intensive ärztliche Beratung und Erörterung zu den therapeutischen, familiären, sozialen oder beruflichen Auswirkungen und deren Bewältigung bei nachhaltig lebensverändernder oder lebensbedrohender Erkrankung, ggf. unter Einbeziehung von Bezugspersonen und fremdanamnestischen Angaben,
Dauer mindestens 10 Minuten“
Die GO-Nr. 18 sieht einen Zuschlag u.a. zu den Leistungen nach Nr. 17 bei einer Gesprächsdauer von mehr als 30 Minuten vor.
Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass die durch beide Abrechnungsziffern vorausgesetzte Beratung bzw. Erörterung zunächst dem Vertragsarzt obliegt, der die nachhaltig lebensverändernde oder lebensbedrohende Erkrankung diagnostiziert hat. Die Beratung bzw. Erörterung stellt sich dann – neben den erforderlichen therapeutischen oder weiteren diagnostischen Leistungen – als die wichtigste Reaktion des behandelnden Vertragsarztes auf die zuvor erfolgte Diagnosestellung dar, die er in der Regel auch nicht auf andere Vertragsärzte abwälzen darf. Im Rahmen einer ambulanten Operation bleibt für eine Leistungsabrechnung gerade durch den Anästhesisten hingegen nur dann Raum, wenn dieser für jeden nicht vergüteten Einzelfall darlegt, aus welchen Gründen die Beratung bzw. Erörterung durch den diagnostizierenden Vertragsarzt nicht durchgeführt wurde oder nicht ausreichend war und auch durch den der gravierenden Erkrankung grundsätzlich sachnäheren Operateur nicht vorgenommen wurde bzw. werden konnte. Da der Kläger nach den von ihm eingereichten Abrechnungsscheinen die Leistungen nach den GO-Nrn. 17 und 18 stets am Tag bzw. Vortag der ambulanten Operation erbracht, jedoch zu den erforderlichen besonderen Umstände nichts vorgebracht hat, ist zu seinen Lasten davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Abrechnung dieser GO-Nrn. nicht vorgelegen haben.
b) Die Abrechnung der GO-Nr. 42 setzte eine konsiliarische Erörterung zwischen zwei oder mehr behandelnden Ärzten über die bei demselben Patienten in demselben Quartal erhobenen Befunde voraus, wobei die abrechnenden Ärzte den (die) Namen des (der) Konsiliarpartner(s) auf dem Behandlungsausweis anzugeben haben. Nicht hierunter fallen Vorbereitungshandlungen, die beim Zusammenwirken zweier Vertragsärzte unweigerlich durchgeführt werden müssen, wie z.B. die Absprache zwischen Anästhesist und Operateur vor einer Operation. Darüber hinaus fehlt es nach dem dem Senat mitgeteilten Sachverhalt auch an einer konsiliarischen Erörterung. Ein Konsilium ist nach ärztlichem Sprachgebrauch die Besprechung zweier oder mehrerer Ärzte nach vorausgegangener Untersuchung des Kranken zwecks Stellung der Diagnose oder Festlegung des Heilplans, nicht aber z.B. die bloße Erkundigung eines Arztes bei einem anderen Arzt nach bestimmten Ergebnissen aus dessen Behandlung (BSG, Urteil vom 18. Februar 1970, Az.: 6 RKa 29/89, veröffentlicht in Juris, m.w.N.). Wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid zu Recht ausführt, sind bei einem kollegialen Gespräch zwischen Anästhesist und Operateur am Tag bzw. Vortag einer Operation sowohl die Diagnosestellung als auch die Festlegung des Heilplans – im konkreten Fall: die Durchführung einer Operation – bereits erfolgt. Absprachen über Einzelheiten bei der Durchführung der Operation stehen der Festlegung eines Heilplans nicht gleich.
c) Mit der GO-Nr. 75 wird ein Brief ärztlichen Inhalts in Form einer individuellen schriftlichen Information des Arztes an einen anderen Arzt über den Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Patienten (Anamnese, Befunde, epikritische Bewertung, ggf. Therapieempfehlung) abgegolten. Dem Vorbringen des Klägers ist bereits nicht zu entnehmen, welche Ärzte (Operateure oder zuweisende Behandler) Adressaten seiner Briefe waren. Dies kann allerdings auch dahinstehen. Denn Absprachen zwischen Anästhesist und Operateur im Vorfeld oder während einer Operation bedürfen keines Briefes. Die Mitteilung ärztlicher Inhalte an die zuweisenden Behandler obliegt demgegenüber regelmäßig dem die Hauptleistung erbringenden Operateur, nicht hingegen dem eine Begleitleistung vornehmenden Anästhesisten. Außerdem beschränkt sich – worauf die Beklagte im Widerspruchsbescheid zutreffend hingewiesen hat – der Aufgabenbereich des Anästhesisten im Zusammenhang mit ambulanten Operationen auf die Aufklärung des Versicherten über mögliche Risiken der Anästhesie sowie die Durchführung bestimmter diagnostischer Leistungen, umfasst hingegen nicht die Darstellung therapeutischer Konsequenzen gegenüber dem zuweisenden Behandler.
III)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.