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Soldatenrecht; Zeitsoldat; Übergangsgebührnisse; Anrechnung von Erwerbseinkommen aus privatwirtschaftlicher Tätigkeit; Übergangsvorschrift; bei Inkrafttreten des Gesetzes vorhandener Versorgungsempfänger; Arbeitgeberwechsel nach Inkrafttreten des Gesetzes


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 16.01.2012
Aktenzeichen OVG 6 N 45.09 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 11 Abs 3 S 4 SVG, § 98 Abs 1 S 1 SVG, § 98 Abs 1 S 4 SVG

Leitsatz

§ 98 Abs. 1 Satz 4 SVG, wonach die Verminderung der Übergangsge-bührnisse nach § 11 Abs. 3 Satz 4 SVG erst dann vorgenommen wird, wenn die Tätigkeit, aus der das Erwerbseinkommen erzielt wird, nach dem Inkrafttreten des Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes (1. Juni 2005) begonnen wird, ist auch auf bei Inkrafttreten des Gesetzes vorhandene Versorgungsempfänger anzuwenden, wenn diese den Arbeitgeber nach Inkrafttreten des Gesetzes wechseln.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. Juni 2009 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.232,35 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger war bis zum 2. Oktober 2004 Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr. Die Wehrbereichsverwaltung Ost bewilligte ihm mit Bescheid vom 22. September 2004 Übergangsgebührnisse in Höhe von 75 vom Hundert seiner letzten Dienstbezüge für den Zeitraum 3. Oktober 2004 bis 2. Oktober 2006. Im Januar 2005 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er seit dem 20. Dezember 2004 befristet bis zum 19. Dezember 2005 bei einer Transportfirma in Berlin zu einem Monatsgehalt von 2.250 Euro eingestellt worden sei. Im August 2006 gab er an, seit Oktober 2005 bei einem neuen Arbeitgeber derselben Branche zu einem durchschnittlichen Monatsgehalt von rund 2.600 Euro beschäftigt zu sein. Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 9. August 2006 kürzte die Wehrbereichsverwaltung Ost daraufhin die dem Kläger bewilligten Übergangsgebührnisse mit Wirkung ab 1. Oktober 2005 auf 60 vom Hundert seiner letzten Dienstbezüge mit der Begründung, am 1. Juni 2005 sei mit dem Berufsförderungsfortentwicklungsgesetz in § 11 Abs. 3 Satz 4 des Soldatenversorgungsgesetzes eine Regelung in Kraft getreten, die die Anrechnung von aus privatwirtschaftlicher Tätigkeit erzieltem Erwerbseinkommen in dem hier zugrundegelegten Umfang vorsehe. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.

Seinen hiergegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung stützt der Kläger auf die Zulassungsgründe ernstlicher Richtigkeitszweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sowie grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

1. Ernstliche Richtigkeitszweifel liegen nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat die Klage vielmehr zu Recht abgewiesen. Dabei ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass nach der am 1. Juni 2005 in Kraft getretenen Neufassung des § 11 Abs. 3 Satz 4 Soldatenversorgungsgesetz - SVG - die Höhe der dem Kläger zustehenden Übergangsgebührnisse vom Beklagten zutreffend ermittelt wurde. Streit besteht allein über die Frage, ob der Kläger in den Genuss der Übergangsregelung des § 98 Abs. 1 Satz 1 SVG kommt. Nach dieser Vorschrift regeln sich die Rechtsverhältnisse der bei Inkrafttreten des Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes, mit dem § 11 SVG geändert wurde, vorhandenen Versorgungsempfänger nach bisherigem Recht, wenn dies für den Versorgungsempfänger günstiger ist. Der Kläger meint, weil er mit Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Juni 2005 bereits vorhandener Versorgungsempfänger gewesen sei, komme er nicht nur - wie von der Beklagten angenommen - bis zum Ende seiner im Dezember 2004 begonnenen Tätigkeit in den Genuss der Übergangsregelung, sondern auch darüber hinaus für die neue, am 1. Oktober 2005 aufgenommene Tätigkeit. Dieser Auffassung folgt der Senat nicht.

Die Auffassung des Klägers berücksichtigt § 98 Abs. 1 Satz 4 SVG nicht hinreichend. Nach dieser Vorschrift wird die Verminderung der Übergangsgebührnisse nach § 11 Abs. 3 Satz 4 erst dann vorgenommen, wenn die Tätigkeit, aus der das Erwerbseinkommen erzielt wird, nach dem Inkrafttreten des Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes, also ab dem 1. Juni 2005 begonnen wird. Diese Vorschrift stellt schon ihrem Wortlaut nach auf die konkrete Tätigkeit, das konkrete Arbeitsverhältnis, ab; anderenfalls hätte der Gesetzgeber nicht „die Tätigkeit“, sondern „eine Tätigkeit“ in Bezug genommen.

Sinn und Zweck der Regelung bestätigen diesen Befund. Mit der Übergangsvorschrift beabsichtigte der Gesetzgeber den im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes vorhandenen Besitzstand zu wahren. Nur wer als bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits vorhandener Versorgungsempfänger neben Übergangsgebührnissen in einer bestimmten Höhe bereits Erwerbseinkommen erzielte, sollte in seinem Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der bei Aufnahme der Erwerbstätigkeit geltenden Rechtslage geschützt werden. Das rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass ein Versorgungsempfänger bei Aufnahme der Erwerbstätigkeit für seine Lebensplanung von bestimmten wirtschaftlichen Verhältnissen ausgeht. In diese Lebensplanung bezieht er sowohl die Übergangsgebührnisse, die ihm für einen bestimmten Zeitraum in einer bestimmten Höhe bewilligt wurden, mit ein als auch das von ihm vereinbarte Arbeitsentgelt. Das bedeutet umgekehrt aber, dass ein Versorgungsempfänger in seinem Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der bisher geltenden Rechtslage nicht (mehr) schützenswert ist, wenn eine konkrete Erwerbstätigkeit endet und er eine neue Erwerbstätigkeit aufnimmt. Das gilt unabhängig von der Frage, ob er selbst das Arbeitsverhältnis gekündigt hat oder ob ihm gekündigt wurde. Denn bei Aufnahme der neuen Erwerbstätigkeit ist er ohnehin gezwungen, seine Lebensplanung in wirtschaftlicher Hinsicht an die veränderten Umstände anzupassen. Im Übrigen entstünde sonst auch eine sachlich nicht begründbare Ungleichbehandlung mit bei Inkrafttreten des Gesetzes vorhandenen Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfängern, die erstmals nach dem 1. Juni 2005 ein anrechenbares Erwerbseinkommen aus privatwirtschaftlicher Tätigkeit erzielen. Dementsprechend ist es auch - entgegen der Auffassung des Klägers - unerheblich, ob der Arbeitgeberwechsel zu einer inhaltlich veränderten Tätigkeit führt.

Die Entstehungsgeschichte der Norm rechtfertigt keine andere Sichtweise. Die von dem Kläger angeführten Zitate aus den Gesetzesmaterialien (BR-Drucks. 877/04 zu § 11 Abs. 3 SVG und zu § 98 SVG) befassen sich nicht mit der Frage, wie § 98 Abs. 1 Satz 4 SVG auszulegen ist, sondern beschränken sich auf allgemein gehaltene Formulierungen. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Begründung zu § 98 Abs. 1 SVG, der sicherstellen solle, „dass die gesetzlichen Neuregelungen auf vorhandene Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger nur dann anzuwenden sind, wenn sie im Einzelfall günstiger sind als die bisherigen Regelungen“. Diese Formulierung rechtfertigt - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht den Schluss, dass § 98 Abs. 1 Satz 4 SVG einer Minderung der Übergangsgebührnisse nach § 11 Abs. 3 Satz 4 SVG auch bei einem nach Inkrafttreten des Gesetzes erfolgenden Arbeitgeberwechsel entgegensteht. Ihr lässt sich lediglich entnehmen, dass nur bei Inkrafttreten des Gesetzes vorhandene Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger in den Genuss der Übergangsregelung kommen „können“. Dass der Gesetzgeber damit zum Ausdruck bringen wollte, dass vorhandene Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger in jedem Fall in den Genuss der Übergangsregelung kommen „müssen“, misst ihr eine Aussagekraft bei, die sie nicht hat.

2. Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die sinngemäß von dem Kläger für grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage, „ob die erstmalige Aufnahme einer Tätigkeit nach dem 01.06. 2005 für zu diesem Zeitpunkt vorhandene Versorgungsempfänger den Kürzungstatbestand auslöst oder ob hierunter auch die Fortsetzung einer bereits bestanden habenden Tätigkeit unter Wechsel des Arbeitgebers fällt“, bedarf - wie sich aus den unter 1. dargelegten Ausführungen ergibt - zu ihrer Klärung nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).