Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat | Entscheidungsdatum | 12.06.2013 | |
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Aktenzeichen | OVG 5 NC 9.13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 146 Abs 4 S 6 VwGO, § 5 Abs 1 KapVO BE, § 5 Abs 3 KapVO BE, § 9 Abs 3 S 2 Nr 2 KapVO BE, § 9 Abs 1 S 1 Nr 6 LVerpflV BE |
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, sie nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2012/13 vorläufig als Studienanfängerin zum Studium der Tiermedizin zuzulassen. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass über die in der Zulassungsordnung festgesetzte Zulassungszahl von 170 Studienplätzen und über die Zahl der tatsächlich vergebenen 173 Studienplätze hinaus keine weiteren Studienplätze für Studienanfänger frei seien.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde. Sie rügt eine unterlassene Aufklärung bezüglich des vor Beginn des Berechnungszeitraums beschäftigten wissenschaftlichen Personals, die Berücksichtigung der Deputatsverminderung für die Vorsitzenden der Prüfungsausschüsse und den Krankenversorgungsabzug.
II.
Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur im Rahmen der fristgerechten Darlegung der Antragstellerin befindet, ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts ist bei Zugrundelegung dieses Prüfungsumfangs nicht zu beanstanden.
a) Die Rüge der Antragstellerin, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen aufzuklären, ob und mit welchem Deputat der im Zeitraum zwischen dem Berechnungsstichtag (1. März 2012) und dem Beginn des Berechnungszeitraums (Studienjahr 2012/13, 1. Oktober 2012) eingestellte Professor D... sowie die drei wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. S..., K... und A... in die Kapazitätsberechnung einzustellen gewesen wären, geht im Ergebnis fehl. Zwar ist der Beschwerde einzuräumen, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts, diese Beschäftigten seien bereits auf der Grundlage von § 5 Abs. 1 KapVO außer Acht zu lassen, wohl nicht zutreffen dürfte (vgl. § 5 Abs. 3 KapVO). Eine Neuberechnung soll allerdings nur stattfinden, wenn die Änderung „wesentlich“ ist, was voraussetzt, dass sich durch die Änderung die Zulassungszahl erhöht. Im gerichtlichen Zulassungsverfahren führt eine Änderung darüber hinaus nur dann zum Erfolg, wenn sie auch eine Kapazitätserweiterung zur Folge hat, die die Zahl der tatsächlichen zugelassenen Studienbewerber übersteigt. Letzteres ist hier nicht der Fall.
Nach der im Beschwerdeverfahren eingeholten und von der Antragstellerin nicht substantiiert in Zweifel gezogenen Auskunft der Antragsgegnerin vom 23. April 2013 ergibt sich folgendes: Herr S... und Frau K... werden seit dem 2. bzw. 7. Mai 2013 (gemeint ist wohl 2012) zu je 50% als Vertretung für die wegen Elternzeit beurlaubte wissenschaftliche Mitarbeiterin Frau P... beschäftigt und auf der WiMiQ-Stelle 080497 der Stellenliste geführt. Die in der Stellenliste aufgeführten bisherigen Vertretungen B... und K... sind zum 12. März 2012 ausgeschieden. Frau A... war als Schwangerschaftsvertretung vom 17. September 2012 bis zum 31. Dezember 2012 zu 50% für die sich im Mutterschutz befindende wissenschaftliche Mitarbeiterin Frau S... beschäftigt und wurde auf der WiMiQ-Stelle 081316 der Stellenliste geführt. Eine Kapazitätserweiterung ist mit diesen Maßnahmen offenkundig nicht verbunden.
Lediglich aus der seit dem 1. August 2012 bestehenden Stiftungsprofessur (Prof. A...) ergibt sich nach der maßgeblichen Regelung im Kooperationsvertrag ein Deputatszuwachs von 2 LVS. Dieser Zuwachs wirkt sich allerdings nicht zugunsten der Antragstellerin aus, weil sich die Ausbildungskapazität dadurch zwar auf 171 Studienplätze (171,4070 abgerundet) erhöht, die Antragsgegnerin jedoch kapazitätswirksam 173 Studienbewerber zugelassen hat.
b) Mit dem Einwand einer unzulässigen Deputatsverminderung bei den Vorsitzenden der beiden Prüfungsausschüsse vermag die Beschwerde ebenfalls nicht durchzudringen. Zunächst würde eine Nichtberücksichtigung der insgesamt mit 3 LVS für die Vorsitzendentätigkeit angesetzten Lehrverpflichtungsverminderung ebenfalls noch nicht zu einer die Zahl der kapazitätswirksam vergebenen 173 Studienplätze übersteigenden Kapazität führen (172,2574, abgerundet 172). Zudem ist die Lehrverpflichtungsverminderung nicht zu beanstanden. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 LVVO kann die Dienstbehörde oder Personalstelle auf Antrag oder durch generelle Regelung die Lehrverpflichtung bei Vorsitzenden von Prüfungsausschüssen mit besonders großer Belastung um bis zu 25 v.H. ermäßigen. Der Senat hat die Ermäßigung aufgrund der besonders großen Belastung für die Vorsitzenden der beiden Prüfungsausschüsse in der Tiermedizin stets gebilligt (vgl. nur Beschluss vom 20. November 2009 - OVG 5 NC 72.09 -, juris Rn. 12), weil sich die Tätigkeit der Vorsitzenden in den beiden staatlichen Prüfungsausschüssen bei einer festgesetzten Zahl von 170 Studierenden pro Jahr und den speziellen Anforderungen nach der Verordnung zur Approbation von Tierärztinnen und Tierärzten - Tierärztliche Vorprüfung in insgesamt neun und Tierärztliche Prüfung in 20 Prüfungsfächern - ohne weiteres als besonders aufwendig darstellt. Die Verminderungsentscheidung lässt Ermessensfehler nicht erkennen. Sie bleibt im Umfang hinter dem Höchstzulässigen bei dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses für die Tierärztliche Prüfung ebenso zurück (2 LVS = 22 v.H.) wie bei dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses für die Tierärztliche Vorprüfung (1 LVS = 11 v.H.). Die Beschwerde erschöpft sich hierzu in der pauschalen Behauptung, die Tätigkeit der beiden Ausschussvorsitzenden sei auch nicht anders zu bewerten als die Vorsitzendentätigkeit in anderen Prüfungsausschüssen, setzt sich aber mit den maßgeblichen Kriterien sachlich nicht auseinander.
Den in diesem Zusammenhang von der Beschwerde gerügten Verstoß des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 LVVO gegen das Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit vermag der Senat nicht zu erkennen. Es ist offenkundig, was mit dem Merkmal „besonders große Belastung“ gemeint ist, nämlich Art und Umfang der jeweiligen Vorsitzendentätigkeit. Dass nach § 99 Abs. 2 BerlHG Hochschullehrer auch an Staatsprüfungen ohne besondere Vergütung mitzuwirken haben, schließt eine Berücksichtigung der Vorsitzendentätigkeit im Rahmen der Lehrverpflichtungsverminderung nicht aus. Mit dem Amt eines Professors für Tiermedizin ist das Amt eines Vorsitzenden eines Prüfungsausschusses gerade nicht unmittelbar verbunden.
Der Senat sieht nach alledem keine Veranlassung, der Antragsgegnerin aufzugeben glaubhaft zu machen, dass ihrer Verminderungsentscheidung ein Vergleich mit dem Tätigkeitsumfang anderer Prüfungsausschussvorsitzenden, bei denen ein Abzug nicht stattfindet, zu Grunde gelegen hat.
c) Die von der Beschwerde gegen den in § 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 KapVO angeordneten Krankenversorgungsabzug von 30 v.H. der Stellen der wissenschaftlichen Einrichtungen, die Dienstleistungen für die unmittelbare Krankenversorgung und für diagnostische Untersuchungen einschließlich der Untersuchungen für das öffentliche Gesundheitswesen zu erbringen haben, vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht. Er hat sich zuletzt im Beschluss vom 5. April 2012 (- OVG 5 NC 2.12 -, juris Rn. 20 ff.) betreffend das Wintersemester 2011/12 mit den auch hier vorgetragenen Argumenten auseinandergesetzt, sie indes nicht für durchgreifend erachtet:
„Weder das Alter des Berichts des niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst über den Personalbedarf für Krankenversorgung und diagnostische Untersuchungen in der Lehreinheit Tiermedizin von 1986 noch die Behauptung der Beschwerde, die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich seit der letzten Erhebung wegen der heutzutage üblich gewordenen Weiterbildung zum Fachtierarzt wesentlich geändert, vermögen dem Senat hinreichend Anlass zu geben, von dem im Beschluss vom 6. September 2000 - OVG 5 NC 5.00 - zum Thema Krankenversorgungsabzug vertretenen Standpunkt abzurücken.
Nach den 1985 im Auftrag der ZVS an den seinerzeit noch vier Ausbildungsstätten Berlin, Gießen, Hannover und München durchgeführten Erhebungen, die dem Bericht des niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst zugrunde liegen, ergab sich auf der Grundlage der ermittelten hochschulspezifischen Werte ein Stellenabzug von im Durchschnitt 45,46 %. Angesichts einer „Sicherheitsmarge“ von deutlich mehr als 10 % über dem normierten Pauschalabzug hat der Senat in dem erwähnten Beschluss aus dem Jahre 2000 mit dem OVG Bautzen (Beschluss vom 18. Juni 2001 - NC 2 C 32.00 -, juris) und mit dem Bayerischen VGH (Beschluss vom 10. Mai 2000 - 7 ZE 00.10046 -; vgl. zuletzt Beschluss vom 31. Mai 2006 - 7 CE 06.10197 -, beide juris) angenommen, dass nichts dafür spreche, dass eine Berücksichtigung der Überschneidung von Krankenversorgung und Fortbildung zu einem niedrigeren als dem normierten Pauschalabzug führen müsse, eine Korrektur in richterlicher Notkompetenz durch Senkung des Prozentsatzes oder durch Erhöhung des Lehrdeputats für die betreffenden Stellengruppen folglich nicht geboten sei. Anhaltspunkte dafür, dass diese „Sicherheitsmarge“ nicht bzw. nicht mehr geeignet wäre, die Ungenauigkeit der damaligen Erhebung und/oder deren mangelnde Aktualität aufzufangen, bietet das Beschwerdevorbringen nicht. Die Expansion des Wissens und der Wissenschaft mag zwar auch im Bereich der Tiermedizin den Zwang zu einer weiteren Spezialisierung zur Folge gehabt haben (vgl. hierzu Beschluss des 23. Deutschen Tierärztetages vom 11. April 2003). Dass sich dadurch der Anteil der Krankenversorgungsleistungen, die zugleich Weiterbildungsfunktion haben, maßgeblich verändert hätte, zeigt die Beschwerde mit dem Hinweis auf einen Beschluss der Herbst-Delegiertenversammlung der Bundestierärztekammer vom November 1999 jedoch nicht auf. Denn dass nach diesem Beschluss zahlreiche Gebietsbezeichnungen für Fachtierärzte vergeben werden sollen, ist insofern nichtssagend, als bereits die Anfang der 80-er Jahre erlassenen Weiterbildungsordnungen der Tierärztekammern 27 Weiterbildungsgebiete und 29 Fachtierarztbezeichnungen vorsahen (vgl. etwa §§ 2 Abs. 1 und 4 Abs. 1 der Weiterbildungsordnung der Tierärztekammer Berlin vom 21. Oktober 1981 [ABl. 1982, S. 393]). Diese Kataloge sind seitdem lediglich um 6 Weiterbildungsgebiete und 3 Facharztbezeichnungen erweitert worden. Andere Hinweise, die trotz der aufgezeigten Sicherheitsmarge den Gedanken an eine Reduzierung des Krankenversorgungsabzugs nahe legen könnten, gibt die Beschwerde nicht.
Im Übrigen hatte der Senat seinerzeit darauf hingewiesen, dass die für den Pauschalabzug relevanten Tätigkeiten durch die Fusion der tiermedizinischen Ausbildungsstätten der Freien Universität und der Humboldt-Universität zu Berlin im Jahre 1992 eher noch zugenommen haben dürften, da mit dem aufgrund der allgemeinen Sparzwänge seit dem Wintersemester 1996/97 stufenweise reduzierten wissenschaftlichen Personal (von 162 Planstellen im Jahr 1996 auf 126 im Jahr 2001) nunmehr auch das Berliner Umland zu versorgen war und ist. Im Hinblick auf den in § 9 Abs. 3 KapVO vorgegebenen Grundsatz der bundesweiten Einheitlichkeit des Pauschalabzugs aber bliebe eine solche Zunahme, auch wenn sie nur eine der tierärztlichen Ausbildungsstätten betreffen sollte, nicht ohne Einfluss auf die Frage, ob sich der in § 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 KapVO normierte pauschale Krankenversorgungsabzug trotz zweifellos vorhandener Überschneidungen - (noch) innerhalb des Gestaltungsspielraums des Normgebers hält.“
Die Beschwerde trägt hierzu in der Sache nichts Neues vor. Dass die zwischen 2001 bis 2011 um 14% gestiegene Zahl der praktizierenden Tierärzte in Berlin zu einer Abnahme der ärztlichen Behandlungen in den Kliniken der Antragsgegnerin geführt haben soll, ist eine ebenso durch nichts belegte, gleichsam ins Blaue gerichtete Vermutung der Antragstellerin wie ihr Vorbringen, der Trend gehe dahin, dass die universitären Tierkliniken als Maximalversorger fungierten, die Zahl der Patienten bzw. Behandlungen jedoch zurückgingen. Ähnlich unsubstantiiert ist das Bestreiten der vom Senat berücksichtigten Zunahme der Krankenversorgung nach der Fusion der tiermedizinischen Ausbildungsstätten in Berlin und des damit verbundenen erheblichen Personalabbaus bei gleichzeitig unveränderter Krankenversorgung Berlins und seines Umlands. Auch der Schluss der Beschwerde von der - zutreffenden - Feststellung, es seien 47 der 67 Planstellen für wissenschaftliche Mitarbeiter in der Klinik befristet ausgestaltet, auf die Feststellung, „damit (sei) der Anteil von befristet Beschäftigten im Bereich der Klinik im Vergleich zu den im Jahre 1986 gegebenen Verhältnissen nachvollziehbar gestiegen“, führt schon mangels belastbaren Zahlenmaterials für die Verhältnisse im aus Sicht der Beschwerde maßgeblichen Jahre 1986 nicht zum Erfolg. Fest steht jedoch, dass im Zeitpunkt der von der Beschwerde in Bezug genommenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Januar 2000 - VG 3 A 756.99 u.a. - und der anderslautenden Entscheidung des 5. Senats vom 6. September 2000 - OVG 5 NC 5.00 - (Wintersemester 1999/2000) 42 von 63 Planstellen für wissenschaftliche Mitarbeiter in der Klinik befristet ausgestaltet waren, was nahezu dem gegenwärtigen Verhältnis der Stellengruppen zueinander entspricht. Der Senat sieht deshalb keinen Anlass, wie mit der Beschwerde beantragt, im Eilverfahren aufzuklären, inwieweit Krankenversorgung und Diagnosetätigkeit des befristet beschäftigten Lehrpersonals auch für eine selbständige Forschungsarbeit, für die Weiterbildung zum Fachtierarzt oder als Vorbereitung auf eine anschließende Praxistätigkeit genutzt wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).