Gericht | VG Potsdam 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 01.08.2013 | |
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Aktenzeichen | VG 6 K 483/13.A | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 60 Abs 1 AufenthG, § 60 Abs 7 S 2 AufenthG |
Derzeit kommt bei fehlenden individuellen gefahrerhöhenden Umständen in Mogadischu und in Balcad kein bürgerkriegsbedingtes Abschiebungsverbot hinsichtlich Somalias (mehr) in Betracht.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte;
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die nach ihren Angaben 1980 (Kläger) bzw. 1986 (Klägerin) in ... geborenen Kläger wurden am 4. Dezember 2011 in einem aus den Niederlanden kommenden Zug kurz hinter der Deutschen Grenze von der Polizei angetroffen. Sie gaben an, ein Schutzgesuch anbringen zu wollen, wobei die Klägerin der Polizei gegenüber unter anderem anführte, bei der Ausreise einen roten Reisepass auf den Namen „... ...“ bei sich geführt zu haben. Am 6. Dezember 2011 meldeten sich die Kläger in Dortmund als Asylsuchende und am 22. Dezember 2011 brachten sie bei der Außenstelle Eisenhüttenstadt des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag an.
Anlässlich seiner am selben Tag durchgeführten Befragung gab der Kläger an, dass er Somali, Englisch und Arabisch spreche, somalischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens vom Stamm der ... sei und den eigenen Reisepass in ... zurückgelassen habe. Bis zur Ausreise habe er in ... [auch: Balad bzw. Bal´ad] gewohnt, wo er die Klägerin am 10. Oktober 2010 geheiratet habe. Aus einer vorangegangenen Ehe habe er fünf Kinder, vier Söhne und eine Tochter. Seine erste Ehefrau sei verstorben. Seine Kinder befänden sich nunmehr bei seiner Schwester ebenfalls in ... . Außerdem lebten seine Eltern in Somalia und ein Bruder in Saudi Arabien. Insgesamt habe er zehn Jahre in ... die Schule besucht und dann eine Ausbildung als Schweißer absolviert. Gearbeitet habe er indes in der Landwirtschaft. Am 2. Dezember 2011 seien er und seine Frau von ... aus nach Dubai geflogen und von dort in ein unbekanntes Land weitergereist, von wo sie dann mit einem Zug nach Deutschland gelangt seien. Hier seien sie von der Polizei festgenommen worden und dann nach Dortmund zur Ausländerbehörde geschickt worden.
Die Klägerin gab anlässlich der Befragung am selben Tag an, Somali und Englisch zu sprechen, somalische Staatsangehörige vom Stamm der Ashraf zu sein. Sie sei Sunnitin und habe ihren Reisepass in ... zurückgelassen. Bis zur Ausreise habe sie in ... gewohnt, wo sie am 10. Oktober 2010 geheiratet habe. Sie sei im zweiten Monat schwanger. Ihre Geschwister und ein Kind ihrer verstorbenen Schwester, drei Jungen und zwei Mädchen, habe sie adoptiert und zuhause zurückgelassen. Von ihrem Vater habe sie lesen und schreiben gelernt, zur Schule sei sie nicht gegangen. Ihren Lebensunterhalt habe sie als Gemüsehändlerin auf dem Markt gesichert. Am 2. Dezember 2012 seien sie und der Kläger von ... nach Dubai gereist und von dort in ein unbekanntes Land, von wo sie wiederum mit dem Zug nach Deutschland gelangt seien.
Anlässlich ihrer Bundesamtsanhörung am 23. Januar 2012 gab die Klägerin an, nicht zu wissen, wo sich ihre Eltern befinden. Sie habe sie zuletzt am 24. Februar 2006 gesehen, als es Krieg gegeben habe und ihr Haus unter Beschuss geraten sei. Ein Bruder und ihre Schwester seien dabei getötet worden und von den Eltern habe sie nichts mehr gehört. Als Älteste habe sie sich dann um alle anderen gekümmert und als Kleinhändlerin auf dem Markt Gemüse verkauft. Jetzt habe sie die Kinder sich selbst überlassen. Sie sei gemeinsam mit ihrem Mann von einem Schleuser nach Europa gebracht worden. Sie habe dazu einen Reisepass auf den Namen „... ... “ zur Verfügung gestellt bekommen, den der Schleuser, wie alle anderen Unterlagen, zurückbehalten habe. In der Heimat habe sie sich politisch nicht betätigt und sei sie auch nicht gerichtlich belangt worden. Eines Nachts seien vermummte Leute zu ihnen nach Hause gekommen, vermutlich Leute der al-Shabaab. Diese hätten ihren Mann mitgenommen und auch sie. Sie habe einen anderen Mann heiraten sollen, der beim „Kampf für den Islam“ beide Beine verloren habe. Als man sie festgehalten habe, sei sie mehrmals von Jugendlichen vergewaltigt worden; man habe sie bewusstlos geschlagen und schließlich in ein Krankenhaus nach ... gebracht. Dort habe ein Bruder ihres Mannes gearbeitet, der sie von dort weggebracht und über eine Frau zu ihrem Mann geführt habe. Dies sei im Oktober 2011 geschehen. Sie sei mit ihrem Mann dann einen Monat in ... geblieben und ihr Mann habe ihr berichtet, dass Leute der al-Shabaab früher bei ihm auf der Farm gewesen seien und 60 % seiner Erträge herausverlangt hätten.
Der Kläger gab bei seiner Bundesamtsanhörung am selben Tag an, dass der Schleuser ein Somali gewesen sei. Insgesamt habe er 8.000 $ für die Ausreise bezahlt, wofür er seine Felder gegen 9.000 $ verkauft habe. Bei der Ausreise habe er einen roten Reisepass des Vereinigten Königreiches auf den Namen „... ... “ bei sich geführt, den der Schleuser, wie alle anderen Unterlagen, zurückbehalten habe. In seiner Heimat habe er sich politisch nicht betätigt und sei er auch nicht gerichtlich belangt worden. Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau im Jahr 2007 sei er nach ... umgezogen. Dort habe er Felder gehabt. Er habe 60 % seiner Einnahmen abgeben müssen und seine Frau habe nicht mehr arbeiten dürfen. Eines Nachts seien „sie“ gekommen und hätten seine Frau mitgenommen. Diese sei von August bis Oktober festgehalten und in ein Krankenhaus gebracht worden, wo sein Bruder sie befreit habe. Er habe alles verkauft, damit sie ausreisen konnten. Bei einer Rückkehr nach Somalia fürchte er, von den Leuten der al-Shabaab getötet zu werden. Als seine Frau von diesen Leuten festgehalten worden sei, habe er sich in ... bei Verwandten versteckt gehalten, bis sie zurückgekommen sei. Danach hätten sie sich bis zur Ausreise gemeinsam bei Verwandten versteckt gehalten. Seiner Frau hätten „sie“ gesagt, dass ihre Ehe nicht gültig sei und sie einem muslimischen Mann zur Frau gegeben werde. Da man ein Handyfoto von ihm gemacht habe, könne er jetzt überall gefunden werden.
Am 6. August 2012 kam der Sohn Mohammed Ali Aden der Kläger in Pasewalk zur Welt.
Mit am 22. Januar 2013 aufgegebenem Bescheid vom 21. Januar 2013 lehnte das Bundesamt die Asylanerkennung der Kläger, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Feststellung der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG ab; weiter forderte es die Kläger unter Androhung ihrer Abschiebung nach Somalia zur Ausreise auf. Auf das Asylgrundrecht könnten sie sich nicht berufen, da sie nicht plausibel ausgeschlossen hätten, über sichere Drittstaaten ins Bundesgebiet gelangt zu sein. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheide aus, da in Zentral- und Südsomalia keine staatlichen oder quasi-staatlichen Herrschaftsstrukturen anzutreffen seien und der Fluchtvortrag insgesamt unglaubhaft sei. Sonstige zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote kämen nicht in Betracht; insbesondere sei in ... kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt anzunehmen.
Mit ihrer am 4. Februar 2013 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Asylbegehren vollumfänglich weiter. Sie seien wegen ihrer politischen Überzeugungen in der Heimat Verfolgungen ausgesetzt. Die al-Shabaab griffen weiterhin in ... an. Daher müssten sie - die Kläger - mit einer Verfolgung durch deren Leute rechnen. Der Staat und internationale Organisationen seien insoweit nicht schutzfähig. Auch sei ihr Existenzminimum im Falle der Rückkehr nach Somalia nicht gesichert, nachdem sämtlicher Besitz für die Ausreise verkauft worden sei. Ihre Geschwister seien verstorben, die Mutter und eine Schwester befänden sich in Kenia; auch alle anderen Verwandten seien vermutlich in Kenia. Schließlich sei die Klägerin erkrankt.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21. Januar 2013 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
hilfsweise die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des genannten Bescheides zu verpflichten festzustellen, dass bei ihnen die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 2, 3, 7 Satz 2 AufenthG,
weiter hilfsweise jene nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Somalias vorliegen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 22. Mai 2013 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, der das Prozesskostenhilfegesuch der Kläger zunächst mit Beschluss vom 24. Mai 2013 mangels vorgelegter Unterlagen abgelehnt und auf erneuten Antrag mit Beschluss vom 23. Juli 2013 hinsichtlich der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Prozesskostenhilfe bewilligt, den Antrag im Übrigen nach wie vor abgelehnt hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere des Verhandlungsprotokolls, sowie des Bundesamtsvorganges Bezug genommen ebenso wie auf den Inhalt der das Kind der Kläger betreffenden Verfahrensakten VG 6 K 2222/12.A.
1.
Die Klage bleibt ohne Erfolg. Der angegriffene Bundesamtsbescheid erweist sich in Ansehung aller im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erkennbaren Umstände als rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, da sie weder ihre Asylanerkennung (Art. 16a Abs. 1 GG), noch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 Abs. 1 AsylVfG, 60 Abs. 1 AufenthG) oder die Zuerkennung eines anderen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes (§ 60 Abs. 2 - 7 AufenthG) zu beanspruchen vermögen (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
Das Gericht folgt der Begründung des mit der Klage angegriffenen Bundesamtsbescheides, so dass hierauf zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen Bezug genommen werden kann. Ergänzend und mit Blick auf das Klagevorbringen sowie die weitere Entwicklung der Situation in Somalia ist Folgendes auszuführen:
a)
Abgesehen davon, dass die Kläger nicht plausibel gemacht haben, ohne asylrechtsausschließende Durchreise sicherer Drittstaaten (Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a AsylVfG) ins Bundesgebiet gelangt zu sein, sondern vielmehr einiges dafür spricht, dass sie von den Niederlanden kommend hierher eingereist waren, steht ihnen das Asylgrundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG auch deshalb nicht zu, weil sie keine staatlichen oder einem Staat zurechenbaren Verfolgungsmaßnahmen als Grund ihrer Ausreise aus Somalia vorgetragen haben. Weder bezogen auf den behaupteten Zeitpunkt der Ausreise (2. Dezember 2011) noch auf die heutigen Verhältnisse kann von staatlichen oder staatsähnlichen Strukturen in der Heimatregion der Kläger gesprochen werden, wonach einer bestimmten Gruppe eine beherrschende Stellung zukommt. Seit Ende 1991 ist Somalia ohne effektive Staatsgewalt und befindet sich das Land in einer desaströsen Lage (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 12. Juni 2013, S. 6, 7). Keine andere Auskunftsstelle belegt stichhaltig etwas anderes.
b)
Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 Abs. 1 AsylVfG, 60 Abs. 1 AufenthG) unter den im angegriffenen Bundesamtsbescheid zutreffend dargestellten Voraussetzungen scheidet bei den Klägern unabhängig von allen anderen zu beleuchtenden Gesichtspunkten deshalb aus, weil ihnen – auch durch das Gericht – nicht abgenommen werden kann, in Anknüpfung an verfolgungsrelevante Persönlichkeitsmerkmale (Art. 10 RL 2004/83/EG i.d.F. der RL 2011/95/EU) und nicht allenfalls rein willkürlich von den al-Shabaab in den Blick genommen worden zu sein. Insofern käme nach dem Vorbringen der Kläger nämlich lediglich in Betracht, dass man sie warum auch immer als „unislamisch“ im Sinne der (kruden) Auffassungen der terroristischen al-Shabaab ansah bzw. der Klägerin im Sinne einer geschlechtsspezifischen Verfolgung nachstellte und die Kläger deswegen aus „politischen“ Gründen (Art. 10 Abs. 1 lit. e a.a.O.) als potenzielle Opfer in den Blick der al-Shabaab geraten sein könnten. Bestünde eine solche Anknüpfung nicht, stellten sich die von den Klägern geschilderten Übergriffe der al-Shabaab, denen sie sich durch Flucht entzogen haben wollen, als solche dar, die völlig frei von konkreten Verfolgungsmerkmalen i.S.v. Art. 10 RL 2004/83/EG i.d.F. der RL 2011/95/EU wären. Das Gericht hat indes – wie schon das Bundesamt – nicht die Überzeugung zu gewinnen vermocht, dass die „Fluchtgeschichte“ der Kläger der Wahrheit entspricht. Nur unter der Voraussetzung, dass die darlegungs- und nach Kräften beweisbelasteten Asylbewerber zur Überzeugungsgewissheit des Bundesamts bzw. des Gerichts eine in die Verhältnisse des Heimatlandes passende Verfolgungslegende darzulegen vermögen, kann die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz in Frage kommen; dies ist hier nicht der Fall.
Aufgrund der in wesentlicher Beziehung widersprüchlichen bzw. ungereimten Angaben der Kläger glaubt ihnen das Gericht die Fluchtlegende nicht.
So spricht bereits der Umstand, dass beide Kläger im Verhältnis zur somalischen Mehrheitsgesellschaft überdurchschnittliche Sprachfertigkeiten aufweisen, für eine mit der Fluchtlegende kaum zu vereinbarende soziale Herkunft. Dass sie z.B. sozusagen nebenbei und im familiären Umfeld Englisch beigebracht erhalten haben sollen, kann ihnen angesichts des von jeher desolaten Bildungswesens in Somalia nicht abgenommen werden. Da nach den allgemein zugänglichen Quellen (z.B. wikipedia: Bildungssystem in Somalia) allenfalls ein Achtel der Kinder überhaupt eine Schule besucht, spricht vieles dafür, dass zumindest der Kläger, wegen ihrer Sprachfertigkeiten aber auch die Klägerin, einer höher gestellten Schicht entstammen als sie mit der vermeintlichen Landwirtschaft, von welcher sie in Balcat gelebt hätten, vorgeben. Insofern fallen die gegensätzlichen Angaben im Verfahren des Kindes (VG 6 K 2222/12.A) einerseits – demnach soll der Kläger Manager der Hafengesellschaft in ... gewesen sein – sowie im vorliegenden Verfahren andererseits – demnach will der Kläger nach einem 10jährigen Schulbesuch in ... als Schweißer gearbeitet und später in ... eine Landwirtschaft gehabt haben – auf. Wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch lapidar behauptet hat, die im Verfahren des Kindes angeführten Angaben nicht gemacht zu haben, verbleiben jedenfalls durchgreifende Zweifel hinsichtlich seiner wahren Identität. Dies gilt in Sonderheit unter Berücksichtigung der offenbar akademischen Ausbildung des Bruders des Klägers, der Arzt (gewesen) sein soll.
Gegen die Glaubwürdigkeit der Kläger sprechen zudem die nicht nachvollziehbaren Angaben zur konkreten Ausreise, die angeblich unter dem Druck einer unmittelbar drohenden Verfolgung erfolgte. Immerhin soll die Klägerin von August bis Oktober 2011 von den al-Shabaab festgehalten und dann in ein Krankenhaus verbracht worden sein. Bereits am 2. Dezember 2011 wollen sie von ... nach Dubai und von dort nach Europa geflogen sein, bevor sie am 4. Dezember 2011 in Deutschland angetroffen wurden. Ihnen können also allenfalls fünf bis sechs Wochen zur Verfügung gestanden haben, um die illegale Ausreise auf dem Luftweg in den Schengen-Raum, also mit den dazu erforderlichen Visa, zu organisieren, wobei außer den angegebenen Pässen auch die Flugtickets besorgt worden sein müssen. In dieser Zeitspanne will der Kläger, der sich aber bei Verwandten in ... versteckt gehalten habe, das von ihm in der mündlichen Verhandlung geschilderte Stück Land in ... verkauft haben. Dabei sollen für die Schleusung, die sogar in Begleitung des Schleusers erfolgt sei, lediglich 8.000 $ bezahlt worden sein (während andere somalische Asylbewerber von weitaus höheren Schleusertarifen berichten). Es erscheint als unwahrscheinlich, dass sich die Ausreise in dieser Zeitspanne mit allen erforderlichen Vorbereitungen und für den vergleichsweise niedrigen Schleuserpreis hat organisieren lassen. Außerdem hat jedenfalls die Klägerin in diesem Zusammenhang abweichende Angaben zu dem Namen gemacht, unter welchem sie gereist sei: konnte sie am Tag ihrer polizeilichen Befragung am 4. Dezember 2011 noch „... ... “ erinnern, will sie nach ihren Angaben beim Bundesamt sowie in der mündlichen Verhandlung als „Saadia Mohamed“ gereist sein. Es lässt sich nicht nachvollziehen, weshalb sie sich unmittelbar nach der angeblich gerade erst erfolgten Einreise an einen anderen Namen erinnert als bei der einige Wochen später erfolgten Bundesamtsanhörung; dass sie den zuletzt erinnerten Namen in der mündlichen Verhandlung wiederholt, legt allenfalls eine entsprechende Vorbereitung anhand des Bundesamtsprotokolls nahe.
Die Unglaubhaftigkeit der Fluchtlegende wird insbesondere durch die abweichenden Angaben der Kläger zum Kern des angeblichen Geschehens belegt, das sie zur „Flucht“ veranlasst habe:
Hatten sie sowohl beim Bundesamt wie auch in ihrem Klagevorbringen noch offen gelassen, wie es nach der angeblichen Verhaftung auch des Klägers durch die al-Shabaab zu dessen Freilassung gekommen sein konnte, so macht der Kläger in der mündlichen Verhandlung nunmehr geltend, man habe ihn sogar dazu verurteilt, gesteinigt zu werden. Weshalb die al-Shabaab ihn unter solchen Umständen überhaupt freigelassen haben sollen, erschließt sich nicht und widerspricht allen Erfahrungen. Hätten es die al-Shabaab in der behaupteten Weise auf den Kläger abgesehen gehabt, wäre es angesichts der ihm angeblich vorgehaltenen unislamischen Ehe mit der Klägerin ein Leichtes gewesen, ihn auf der Stelle zu töten; jedenfalls hätten die al-Shabaab ihn nicht wieder freigelassen.
Besonders augenfällig sind die Widersprüche im Sachvortrag der Klägerin. Will sie nach ihren Angaben beim Bundesamt in der Haft vergewaltigt, geschlagen und dann bewusstlos in ein Krankenhaus gebracht worden sein, so gibt sie nunmehr an, nach der Vergewaltigung durch zwei Wärter geschlagen worden zu sein und dabei ihr Kind verloren zu haben, von dem bislang nicht die Rede war. Nach beiden Vortragversionen sei es darum gegangen, dass die al-Shabaab sie mit einem Kämpfer hätten verheiraten wollen. Es lässt sich indes nicht nachvollziehen, warum die Klägerin diesem Kämpfer nicht sofort zugeführt wurde, wenn doch die al-Shabaab ohnehin über die Köpfe der Beteiligten hinweg derartige Entscheidungen treffen, wie der Vortrag der Kläger deutlich machen soll. Weder ihre Inhaftierung noch die Vergewaltigung durch al-Shabaab-Wärter passt in das Bild einer von den al-Shabaab arrangierten Ehe. Dazu passt übrigens auch die Behauptung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht, sie und der Kläger seien vor ein al-Shabaab-Gericht gestellt und beide zum Tode verurteilt worden. Selbst wenn man unterstellen wollte, dass die Klägerin in einer den al-Shabaab mitunter zugesprochenen Weise so anderweitig vermählt werden sollte, dass sie einem Kämpfer posthum angetraut werden sollte, kann immer noch nicht nachvollzogen werden, dass sie von den al-Shabaab in ein Krankenhaus nach ... verbracht worden ist. Denn bereits am 6. August 2011 hatten Kräfte der damaligen Übergangsregierung im Verbund mit den Einheiten von AMISOM nahezu die gesamte Stadt ... von der Vorherrschaft der al-Shabaab befreit (update 3 – Somali government declares Islamist rebellion defeated, AF.reuters.com.August 6, 2011). Das gesamte Fluchtvorbringen der Kläger erweist sich unter diesen Voraussetzungen als ungereimt und lebensfremd. Die Behauptung des Klägers, man habe ein Bild von ihm gemacht, weshalb man ihn überall in Somalia aufspüren könne, passt wiederum in die gesteigerte und augenscheinlich zusammengereimte Fluchtlegende als vermeintlicher Beleg dafür, weshalb es für ihn keine Ausweichmöglichkeit innerhalb seiner Heimatregion gebe.
Alles in allem glaubt das Gericht den Klägern die von ihnen vorgebrachte Fluchtgeschichte nicht; eine flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgung kann deshalb nicht angenommen werden.
c)
Mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen scheiden die Verfolgungsgründe der sekundären Ebene nach § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG ebenfalls aus.
d)
Die Kläger können indessen auch nicht das nach Lage der Dinge entscheidend zu prüfende bürgerkriegsbedingte Abschiebungsverbot (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) beanspruchen.
Zwar geht das Gericht nicht zuletzt unter Bezugnahme auf die einschlägige Darstellung der Verhältnisse in Südsomalia im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 12. Juni 2013 (S. 7 „Dennoch herrschen in großen Teilen Süd- und Zentralsomalias auch weiterhin Zustände, die im Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte und die humanitäre Lage desaströs sind“) sowie die Wiedergabe diverser Angaben zur Lage in ... und Süd-/Zentralsomalia bei landinfo von Mai 2013, wonach trotz des seit Mai 2012 zu verzeichnenden erzwungenen Rückzugs der al-Shabaab-Milizen deren Untergrundaktivitäten und bewaffneten Überfälle andauern, davon aus, dass im südlichen Somalia, soweit im vorliegenden Fall relevant einschließlich ... und der Region Shabeellaha Hoose, also auch in ... (etwa 30 km nördlich von ... ), noch heute ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt i.S.v. Art. 15 lit. c RL 2004/83/EG i.d.F. der RL 2011/95/EU (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) vorherrscht. Es ist indes nicht (mehr) mit einem ernsthaften Schaden für die Kläger im Sinne der vorgenannten Vorschrift zu rechnen, also einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit. Dabei kann zunächst dahinstehen, ob von ... oder von ... als Herkunftsort der Kläger auszugehen ist.
aa)
Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Dies kann auch der Fall sein, wenn sich der innerstaatliche bewaffnete Konflikt auf einen Teil des Staatsgebiets beschränkt und dem Ausländer die gesetzlich definierte Gefahr in diesem Landesteil droht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 25). Für die Gefahrenprognose bei einem nicht landesweiten Konflikt ist auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei seiner Rückkehr abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17 unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - Slg 2009, I-921 Rn. 40). Für die Frage, welche Region als sein Zielort der Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. November 2012 - BVerwG 10 B 22.12 -, juris). Als Zielort der Abschiebung ist vielmehr in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers anzusehen, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG vom 14. Juli 2009 a.a.O.). Ein Abweichen von der Regel kann jedenfalls nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ihm Schutz gewähren soll. Kommt die Herkunftsregion des Ausländers als Zielort einer Rückführung wegen der dem Ausländer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter den Voraussetzungen des Art. 8 RL 2004/83/EG i.d.F. der RL 2011/95/EU auf eine andere Region des Landes verwiesen werden. Schon der Gerichtshof der Europäischen Union weist im Zusammenhang mit dem Zielort bei Rückkehr auf Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie hin (vgl. Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 40 erster Spiegelstrich). Die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie müssen bei einer nicht landesweit drohenden Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG indes dann nicht erfüllt sein, wenn Zielort der Rückkehr die Herkunftsregion des Ausländers ist, da er dort keinen weiteren oder andersartigen Beschwernissen ausgesetzt ist, wie sie ihn in einer anderen Region seines Herkunftslandes erwarten können. Jedenfalls ist im Fall einer dem Ausländer in der für ihn maßgeblichen Region drohenden Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG weiter zu prüfen, ob der Ausländer in anderen Regionen des Landes internen Schutz gemäß Art. 8 der Richtlinie finden kann (vgl. BVerwG vom 14. Juli 2009 a.a.O. Rn. 18).
Zwar sind die innerstaatlichen Verhältnisse in Somaliland sowie in Puntland verhältnismäßig günstiger als in Zentral- und Südsomalia, zumal die al-Shabaab in den nördlichen Teilen Somalias keine derartige machtbeherrschende Stellung eingenommen haben. Allerdings käme eine Rückkehr der Kläger in heimatferne Gegenden Somalias ohne familiäre Anbindung vor Ort wegen der clanbezogenen gesellschaftlichen Strukturen grundsätzlich nicht in Frage (vgl. Lagebericht a.a.O. S. 18).
Demnach ist für die Frage der Rückkehrgefährdung der Kläger bei Wahrunterstellung ihrer Angaben, zuletzt in ... gelebt zu haben, auf die tatsächlichen Verhältnisse in ... abzustellen.
Es ist zu prüfen, ob von dem - zugunsten der Kläger unterstellten - bewaffneten Konflikt in der Region rund um ... für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr ausgeht, die sich in der Person der Kläger so verdichtet, dass sie für diese eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darstellt. Denn auch eine von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und des Art. 15 lit. c RL 2004/83/EG erfüllen (BVerwG vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 34).
Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht bereits die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 Rn. 33).
Derartige gefahrerhöhende individuelle Umstände lassen sich aber bei den Klägern nicht feststellen. Weder ihre Clanzugehörigkeit – als ... bzw. Ashraf zählen sie zu den insbesondere in Südsomalia weit verbreiteten Clans – noch ihr landesübliches muslimisches Religionsbekenntnis stellen sie gegenüber der Bevölkerung in ihrer Heimatregion heraus; die Kläger üben als angeblicher Landwirt bzw. als Marktverkäuferin keine berufliche Tätigkeit aus, die sie gefahrerhöhend in den Blick potenzieller Verfolger, namentlich der al-Shabaab-Milizen, geraten ließe, abgesehen davon, dass ihre diesbezügliche Verfolgungsgeschichte den zuvor beschriebenen Glaubhaftigkeitszweifeln unterliegt.
bb)
Eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann aber auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG vom 14. Juli 2009 a.a.O. Rn. 15 mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - Slg. 2009, I-921 = NVwZ 2009, 705). Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 33).
In jedem Fall setzt § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Das ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." in Art. 2 lit. e der Richtlinie 2004/83/EG (Art. 2 lit. f. der Richtlinie 2011/95/EU). Der darin enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab („real risk"; vgl. nur EGMR [GK], Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 <Rn. 125 ff.>); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 Buchst. b RL 2004/83/EG).
Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG u.a. die Beweisregel des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG i.d.F. der Richtlinie 2011/95/EU. Danach ist die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen tatsächlichen Vermutung setzt aber auch im Rahmen des subsidiären Schutzes voraus, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder damals unmittelbar drohenden Schaden (Vorschädigung) und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zugrunde liegende Wiederholungsvermutung beruht wesentlich auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung – bei gleichbleibender Ausgangssituation – aus tatsächlichen Gründen naheliegt (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 31).
Hiernach können sich die Kläger nicht erfolgreich auf eine Vorverfolgung berufen, da ihre Fluchtlegende – wie dargestellt – unglaubhaft erscheint. Es ist vielmehr nicht zur Überzeugung des Gerichts nachvollziehbar, unter welchen tatsächlichen Umständen sie sich zur Ausreise nach Europa entschlossen haben, abgesehen von den – ebenfalls bereits beschriebenen – desolaten Verhältnissen sowie angesichts der seit 2011 schon nahe ihrer Heimatregion stattfindenden Kämpfe insbesondere gegen die al-Shabaab-Milizen (am 6. August 2011 hatten Truppen der Übergangsregierung sowie die AMISOM ... von den al-Shabaab weitgehend befreit [af.reuters.com vom 6. August 2011 „somali government declares islamist rebellion defeated“]).
Kommt es daher entscheidend darauf an, ob ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt im vorbeschriebenen Sinne vorliegt, welches die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines Schadeneintritts in der Person der Kläger belegt, so muss zunächst festgestellt werden, dass es derzeit keine erreichbaren Auskunftsstellen gibt, die im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine quantitative Bewertung der Gefahrensituation ermöglichen könnten; weder gibt es näherungsweise exakte Erhebungen zur betroffenen Bevölkerungsanzahl, noch kann eine näherungsweise zutreffende Zählung der relevanten Schadensfälle durchgeführt werden. Jede auf den Zahlen, die in den ins Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln angeführt sind, basierende Schadensquote wäre mit durchgreifenden Ermittlungsdefiziten behaftet; es stehen wegen der in jeder Hinsicht desaströsen Lage in Süd- und Zentralsomalia derzeit keine seriösen Quantifizierungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Deshalb kann die Frage der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Somalia nur ohne quantifizierende Erkenntnismittel anhand einer wertenden Betrachtung der verfügbaren Erkenntnisse beurteilt werden. Diese Bewertung lässt den Schluss einer beachtlichen Schadengefahr für die Kläger nicht (mehr) zu.
Angesichts des Umstandes, dass ... und die umliegenden Dörfer inzwischen am 26. Juni 2012 von Truppen der somalischen Regierung sowie von AMISOM von den al-Shabaab befreit worden sind (AFP vom 27. Juni 2012) und seitdem unter deren Kontrolle stehen, ist derzeit eine zwar von Clanstreitigkeiten gekennzeichnete, aber keine Kampfsituation mehr anzunehmen. Insoweit belegt die Auskunft von landinfo von Mai 2013, dass die Lage im wiederum nördlich von ... gelegenen Jowhar (seinerseits am 9. Dezember 2012 durch Regierungstruppen und die AMISOM von den al-Shabaab befreit; AP vom 9. Dezember 2012) relativ sicher ist; die al-Shabaab verübten dort zwar kleinere Anschläge, seien indes nicht mehr in der Lage, militärische Angriffe auszuführen (S. 40 „… al-Shabaab is staging small scale hit and run attacks there [Merka], like the ones they do in Mogadishu … The same goes for Jowhar in Middle Shabelle … al-Shabaab is not able to attack Merka or Jowhar militarily“). Die al-Shabaab kontrolliere etwa die Hälfte der ländlichen Gebiete im südlichen Shabeellaha Hoose – wozu ... gehört –; die Städte und Hauptverbindungsstraßen in dieser Gegend würden aber von den Regierungstruppen sowie von AMISOM kontrolliert (S. 41 „al-Shabaab controls approximately 50% of the rural areas in the southern part of Lower Shabelle. The cities and the main roads in this area are however controlled by AMISOM and the SNAF“). Soweit al-Shabaab noch Kontrolle ausübe, beruhe dies allein auf Angst und Unterdrückung sowie dem Fehlen eines Gegners (S. 41 „al-Shabaab´s control in Lower Shabelle is based on fear and suppression, and the fact that no one is fighting against it“). Mithin kann nicht davon ausgegangen werden, dass allein die Anwesenheit der Kläger in ... mit einem „real risk“ verbunden wäre, jederzeit Opfer eines bürgerkriegsbedingten Übergriffs der al-Shabaab zu werden.
Die genannte Auskunft von landinfo belegt überdies, dass die al-Shabaab seit Mai 2012 in ... keine Kampfeinheiten mehr haben (S. 5 „by the end of May 2012. Since then there have been no more al-Shabaab troops holding fixed combat positions in Mogadishu, …“), was z.B. auch für den Afgoye-Korridor gilt (die Strecke entlang der Hauptverbindungsstraße zwischen ... und Afgoye von etwa 30 km) (S. 6 „… people can move freely around in the city and people have moved back from the Afgoye corridor and from elsewhere“; S. 18 „The UN agency is now able to go by road all the way up to Afgoye …“). Gleichwohl seien die al-Shabaab nach wie vor im Untergrund tätig (S. 5 „… but there continue to be underground al-Shabaab cells and terrorism“) und bedrohten sie insbesondere ... (S. 6 „there are still threats in the city“). Sie könnten überall in der Stadt zuschlagen (S. 6 „Al-Shabaab can hit anywhere in Mogadishu“), hätten Polizei, Geheimdienst und Militär infiltriert (S. 7 „Al-Shabaab has infiltrated the police, the intelligence and the military“) und bedrohten Mitarbeiter von Regierung und AMISOM (S. 7 „Al-Shabaab threatens people dealing with the SNG and AMISOM“). Derzeit gebe es wöchentlich mindestens vier bis fünf Handgranatenattentate in Mogadishu (S. 13 „there are currently at least four to five weekly hand granade attacks in Mogadishu and usually more“). Indes seien die al-Shabaab nicht mehr in der Lage, die Herrschaft über ... zu gewinnen (S. 8 „However, it was added that al-Shabaab will never be able to retake Mogadishu“); es gebe keinen Rekrutierungszwang mehr (S. 13 „forced recruitement does not occur in Mogadishu now“). Die Anzahl der Attentate durch al-Shabaab-Milizionäre schwanke periodisch (S. 7 „This means that the number of assassinations is going up and down periodically“); sie richteten sich nur direkt gegen Nahestehende der Regierung und von Institutionen wie Polizei und Militär (S. 9 „… the hit and run attacks by al-Shabaab are only directed against government affiliates and institutions like the police and SNAF“). Die Anzahl und der Einfluss internationaler Kämpfer bei den al-Shabaab sei zurückgegangen (S. 10 „… the numbers and influence of the international fighters in al-Shabaab is less today …“) und in ... herrsche eine gegen die al-Shabaab gerichtete Stimmung vor (S. 10 „Regarding Mogadishu it is a fact that the city is dominated by anti al-Shabaab sentiments“). Die Verhältnisse in ... unterscheiden sich von jenen in ... in Bezug auf die al-Shabaab nicht grundlegend (vgl. die Ausführungen bei landinfo a.a.O. auf S. 40 hinsichtlich der Lage in Merka und Jowhar „like the ones they do in Mogadishu“).
Insgesamt hat sich in Shabeellaha Hoose die Sicherheitssituation inzwischen verbessert (landinfo a.a.O. S. 18 „there has been a significant improvement regarding security in Mogadishu as well as in the rest of S/C Somalia since October 2012“). In dieser Region gebe es seit Oktober 2012 keinen Beschuss und keine Kämpfe mit schweren Waffen mehr; al-Shabaab stelle nicht mehr gezielt Zivilisten nach (S. 19 „… since October 2012. There is no shelling and no fighting with heavy arms no longer. Al-Shabaab does not deliberately target groups of civilians“). Auch wenn al-Shabaab danach nach wie vor nicht eliminiert und dazu in der Lage ist, terroristische Anschläge zu verüben (S. 19 „SNG and AMISOM have not been able to completely eliminate al-Shabaab´s influence in Mogadishu. Al-Shabaab is still capable of undertaking terrorist attacks …“), so werden zivile Opfer ihrer Anschläge in Kauf genommen, nicht aber auf solche abgezielt. Angesichts der steigenden Zahl gerade nach ... zurückkehrender bzw. nach dort zuwandernder Binnenflüchtlinge (S. 19 „People are returning from the diaspora in increasing numbers and today the citizens of Mogadishu have access to all parts of the city“) kann nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass in ... und in ... praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. Seit dem Fortgang der Kläger aus dieser Region haben sich die Verhältnisse dort insoweit entscheidend verändert.
Hinzu kommt, dass es den Klägern unter Beachtung der zuvor dargestellten rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen angesichts der familiären Beziehung zu dort lebenden Verwandten, bei denen sich der Kläger und später angeblich auch die Klägerin versteckt haben wollen, zugemutet werden kann, in ... internen Schutz zu suchen, wo die Lage im Zweifelsfalle besser ist als im 30 km entfernten ... . Dabei stellt es kein erhöhtes Risiko für sie dar, dass sie nunmehr aus dem Ausland zurückkehren (landinfo von Mai 2013, S. 31 „Persons returning from abroad are not at particular risk because of their clan affiliation. … a Somali person not originating from Mogadishu will normally ensure that he or she has contacts to relatives, friends … before going to Mogadishu“).
Den Klägern ist bei alledem zuzumuten, keine gefahrenerhöhenden Tätigkeiten auszuüben und die nach den allgemein bekannten Umständen besonders gefährdeten Orte, z.B. den Strand von ..., zu meiden. Dass die al-Shabaab Attentate mit Gefahren für die Zivilbevölkerung überall, in ... wie in ... und darüber hinaus, verüben können, begründet zwar mit das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts; diese Möglichkeit belegt aber nicht die für das hier in Rede stehende Abschiebungsverbot in einer derartigen Bürgerkriegssituation weiter erforderliche Gefahrenverdichtung.
e)
Mit dem angegriffenen Bundesamtsbescheid vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass den Klägern aus sonstigen Gründen ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot zuzuerkennen ist. Insbesondere ist es ihnen anzusinnen, sich eine den landesüblichen Verhältnissen entsprechende Existenzgrundlage zu verschaffen; sie müssen sich auf die Unterstützung ihrer Familien sowie ihrer Clans verweisen lassen. Die der Klägerin unter dem 19. Februar 2013 auf der Grundlage einer eineinhalbtägigen Synkope-bedingten stationären Aufnahme attestierten Diagnosen lassen nicht einmal ein konkretes Behandlungsbedürfnis, geschweige denn das Bestehen einer konkreten erheblichen Lebens- oder Gesundheitsgefahr i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erkennen. Jedenfalls der Kläger dürfte als 33jähriger gesunder und arbeitsfähiger Mann mit offenbar für somalische Verhältnisse überdurchschnittlicher Bildung ohne weiteres in der Lage sein, für sich und die Klägerin zu sorgen.
2.
Da die Kläger nach alledem keinen zielstaatsbezogenen Abschiebungsschutz beanspruchen können, ist auch gegen die Ausreiseaufforderung sowie die Abschiebungsandrohung im angegriffenen Bescheid rechtlich nichts zu erinnern.
3.
Die Kostenfolge beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO; § 100 Abs. 1 ZPO; § 83b AsylVfG.