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Vietnam; Visum; Ehegattennachzug; Unterhaltssicherung; Entscheidungsmaßstab; selbständige Erwerbstätigkeit der Referenzperson; eigenes Restaurant; kein aktueller Steuerbescheid; Betriebswirtschaftliche Auswertung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat Entscheidungsdatum 06.03.2020
Aktenzeichen OVG 11 N 49.17 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2020:0306.11N49.17.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 5 Abs 1 Nr 1 AufenthG

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. März 2017 wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die diesem selbst zur Last fallen.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die vietnamesische Klägerin zu 1 begehrt die Erteilung eines Visums, um zu ihrem in der Bundesrepublik Deutschland lebenden vietnamesischen Ehemann, dem Kläger zu 2, nachzuziehen. Ihre hierauf gerichtete Verpflichtungsklage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 6. März 2017 mit der Begründung abgewiesen, dass die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht erfüllt sei, weil es an der Sicherung des Lebensunterhalts fehle. Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet, weil das Rechtsmittelvorbringen die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht rechtfertigt.

Das in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zum Ausdruck kommende grundlegende staatliche Interesse an der Vermeidung neuer Belastungen für die öffentlichen Haushalte (BTDrucks 15/420 S. 70) verlangt die nachhaltige Prognose, dass der Lebensunterhalt des Ausländers in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert ist. Der Tatrichter hat sich daher in jedem Einzelfall die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) davon zu verschaffen, dass der Ausländer aufgrund realistischer Annahmen und konkreter Dispositionen dauerhaft nicht auf öffentliche Mittel angewiesen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 – 10 C 10/12 –, BVerwGE 146, 198-217, Rn. 24). Anknüpfend an diese von den Klägern nicht angegriffene Prämisse hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, es habe anhand des vorhandenen Tatsachenmaterials nicht die gemäß § 108 Abs. 1 VwGO erforderliche volle Überzeugung gewonnen, dass die Regelerteilungsvoraussetzungen der Lebensunterhaltssicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt sei. Die von den Klägern im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gemachten Angaben und vorgelegten Unterlagen würden keine verlässliche Prognose nachhaltig zur Verfügung stehender Mittel rechtfertigen, die den voraussichtlichen Unterhaltsbedarf der Kläger im Falle des begehrten Nachzugs zu decken geeignet seien. Die dagegen gerichteten Einwände der Kläger greifen nicht durch.

1. Ohne Erfolg machen die Kläger geltend, das Verwaltungsgericht habe bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs Unterkunftskosten lediglich i.H.v. 180 Euro monatlich ansetzen dürfen. Denn insoweit fehlt es bereits an der gebotenen argumentativen Auseinandersetzung der Kläger mit der entsprechenden Begründung des angefochtenen Urteils (letzter Absatz Seite 7 bis 1. Absatz Seite 8).

2. Ebenfalls ohne Erfolg berufen sich die Kläger darauf, das Verwaltungsgericht habe von den auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2015 ermittelten Einkünften aus dem Gewerbebetrieb des Klägers zu 2 i.H.v. 14.475 Euro nicht die festgesetzte Einkommensteuer i.H.v. 289 Euro absetzen dürfen, weil die Kläger nach dem Zuzug der Klägerin zu 1 den Steuervorteil des Ehegattensplitting genießen würden. Gleiches gilt für Ihren Einwand, es sei auch kein Abzug der Werbungskostenpauschale i.H.v. 100 Euro monatlich vorzunehmen gewesen, weil der Kläger zu 2 direkt bei seiner Arbeitsstelle wohne und somit keine Fahrkosten habe. Denn auch ohne diese Abzüge würde sich aus den Einkünften des Jahres 2015 i.H.v. 14.475 Euro lediglich ein monatlicher Betrag i.H.v. 1206,25 Euro ergeben, der immer noch hinter dem vom Verwaltungsgericht ermittelten Unterhaltsbedarf in Höhe von mindestens 1380 Euro, höchstens sogar 1600 Euro monatlich zurückbleiben würde.

3. Zum Beleg der Einkommenssituation des Klägers zu 2 für das Jahr 2016 stützen sich die Kläger auf eine Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA). Danach habe der Kläger zu 2 für das Jahr 2016 ein Ergebnis vor Steuern i.H.v. 18.166,35 Euro erzielt, woraus sich einmonatlicher Überschuss von rund 1514 Euro errechne. Damit sei der Lebensunterhalt der Kläger selbst dann gesichert, wenn noch eine Werbungskostenpauschale von 100 Euro monatlich abzuziehen sei. Auch dieser Vortrag greift nicht durch, denn er vernachlässigt die von den Klägern nicht angegriffene Prämisse des Verwaltungsgerichts, dass die Sicherung des Lebensunterhalts zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen muss. Diesbezüglich hat das Verwaltungsgericht zur Einkommenssituation des Jahres 2016 nämlich ausgeführt, dass bei einem monatlichen Überschuss von rund 1514 Euro auch ohne Abzug der Werbungskostenpauschale i.H.v. 100 Euro die BWA noch nicht als hinreichender Beleg dafür angesehen werden könne, dass der Bedarf von mindestens ca. 1380 Euro, höchstens rund 1600 Euro durch das 2016 erzielte Einkommen zweifelsfrei gedeckt gewesen wäre. Zudem weist die BWA auch nicht die auf den erzielten Überschuss zu entrichtende Einkommensteuer aus. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, der Einkommenssteuerbescheid 2016 bleibe abzuwarten, wobei dann auch die Auswirkungen in Rechnung gestellt werden könnten, die eine etwaige Veränderung der Steuerklasse des Klägers zu 2 nach Einreise der Klägerin zu 1 auf die Einkommensberechnung haben könnte.

4. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils rechtfertigt auch nicht der Vortrag der Kläger, eine deutliche Verbesserung der Einkommenssituation ergebe sich daraus, die Klägerin zu 1 anstelle ihrer Schwester im Restaurant des Klägers zu 2 arbeiten würde. Insoweit führen die Kläger aus, der Kläger zu 2 könne Personalkosten i.H.v. 730 Euro monatlich einsparen, wenn die Klägerin zu 1 als mithelfende Angehörige die Tätigkeiten ihrer Schwester verrichte. Auch sei es möglich, dass die Klägerin zu 1 anstelle ihrer Schwester durch den Kläger zu 2 angestellt werde und damit ein zusätzliches Einkommen von 525,31 Euro netto einbringe. Denn all dies ändert nichts an der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, es fehle diesbezüglich an belastbaren Angaben und Belegen, es sei unklar, wie genau die Mitarbeit der Klägerin zu 1 in dem Restaurantbetrieb ihres Ehemannes handels- bzw. gesellschaftsrechtlich, arbeitsrechtlich, sozialversicherungsrechtlich, steuerrechtlich usw. ausgestattet werden solle und welche konkreten Konsequenzen dies für die Einkommensberechnung hätte. Denn auch mit ihrem Rechtsmittelvorbringen legen die Kläger nicht dar, für welches Konzept Sie sich entscheiden würden und wie sich dies konkret auf das Betriebsergebnis des Klägers zu 2 und die Einkommenssituation der Kläger auswirken würde. Überdies bleibt auch offen, welche Tätigkeiten die Schwester der Klägerin zu 1 im Restaurant des Klägers zu 2 ausgeübt hat, und ob die Klägerin zu 1,für die nach den Ergebnissen der März 2015 im Visumverfahren durchgeführten Ehegattenbefragungen eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht ersichtlich ist und die bereits seinerzeit seit zwei Jahren nicht mehr erwerbstätig gewesen ist, diese Tätigkeiten uneingeschränkt ausüben könnte.

5. Von alledem abgesehen ist eine nachhaltige Unterhaltssicherung auch deshalb nicht belastbar prognostizierbar, weil die selbstständige Tätigkeit des Klägers zu 2 nach den vorliegenden Steuerbescheiden noch 2013 zu Verlusten (-5218 Euro), 2014 lediglich zu einem geringfügigen positiven Ergebnis (4076 Euro) und erstmals 2015 zu den angeführten höheren Einkünften von 14.475 Euro geführt hat. Wenngleich sich die Ergebnisse jeweils verbessert haben, erlaubt diese rückblickende Betrachtung nicht die Annahme, dass der Kläger zu 2 seinen Gewerbebetrieb bereits in einer Weise etabliert hat, die dauerhaft den Lebensunterhalt der Kläger sichernde Einkünfte erwarten lässt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).