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Autokino-Veranstaltungen; Covid-19; Infektionsschutzmaßnahmen; ausnahmsloses Verbot von Großveranstaltung mit mehr als 1.000 Anwesenden; Verhältnismäßigkeit; infektionsschutzrechtlich relevante Besonderheiten von Autokino-Veranstaltungen; Eignung möglicher Schutzmaßnahmen; Schwerwiegende Folgen des Verbots für davon Betroffene; Unverhältnismäßigkeit eines Verbots ohne Möglichkeit der Ausnahme aufgrund einer Einzelfallprüfung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat Entscheidungsdatum 21.07.2020
Aktenzeichen OVG 11 S 65/20 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2020:0721.11S65.20.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 3 GG, § 28 IfSchG, § 47 VwGO, § 1 SARS-CoV-2-UmgV, § 3 SARS-CoV-2-UmgV, § 4 SARS-CoV-2-UmgV, § 32 IfSchG, Art 12 GG

Leitsatz

Soweit keine Möglichkeit einer Ausnahme aufgrund einer Prüfung der Umstände des Einzelfalls vorgesehen ist, stellt ein Verbot auch von Autokino-Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Anwesenden voraussichtlich einen nicht mehr verhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht eines davon betroffenen Veranstalters aus Art. 12 Abs. 1 GG dar.

Tenor

Die Untersagung von Großveranstaltungen mit mehr als 1.000 Anwesenden gem. § 1 Satz 1 der Verordnung über das Verbot von Großveranstaltungen vor dem Hintergrund der SARS-CoV-2-Pandemie in Brandenburg (Großveranstaltungsverbotsverordnung v. 8. Mai 2020, GVBl. II Nr. 29) in der Fassung der Änderung vom 7. Juli 2020 (GVBl. II Nr. 56) wird nur insoweit vorläufig außer Vollzug gesetzt, als danach ausgeschlossen ist, auf Antrag im Einzelfall Ausnahmen für Autokino-Veranstaltungen vorzusehen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 26.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin veranstaltet in einem Autokino auf dem Gebiet der Gemeinde S... mit Platz für max. 928 Fahrzeuge Konzerte, künstlerische Darbietungen und Firmenevents, bei denen nationale wie internationale Künstler auftreten. Sie wendet sich im Wege einstweiliger Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO gegen die Verordnung über das Verbot von Großveranstaltungen vor dem Hintergrund der SARS-CoV-2-Pandemie in Brandenburg (Großveranstaltungsverbotsverordnung - GroßveranstVerbV - v. 8. Mai 2020, GVBl. II Nr. 29, in der Fassung der Änderung v. 7. Juli 2020, GVBl. II Nr. 56), deren § 1 Abs. 1 öffentliche und nichtöffentliche Veranstaltungen mit mehr als 1.000 zeitgleich Anwesenden (Großveranstaltungen), insbesondere Konzerte und ähnliche Musikveranstaltungen, Messen, Sportveranstaltungen, Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen sowie künstlerische Darbietungen jeder Art bis einschließlich 31. Oktober 2020 untersagt.

Die Antragstellerin beantragt,
durch Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO die Verordnung über das Verbot von Großveranstaltungen vor dem Hintergrund der SARS-CoV-2-Pandemie in Brandenburg vom 8. Mai 2020 in der Fassung der Dritten Verordnung zur Änderung der Großveranstaltungsverordnung vom 7. Juli 2020 bis zur Entscheidung über einen (noch zu stellenden) Normenkontrollantrag der Antragstellerin außer Vollzug zu setzen,

hilfsweise,
durch Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO die Verordnung über das Verbot von Großveranstaltungen vor dem Hintergrund der SARS-CoV-2-Pandemie in Brandenburg vom 8. Mai 2020 in der Fassung der Dritten Verordnung zur Änderung der Großveranstaltungsverordnung vom 7. Juli 2020 bis zur Entscheidung über einen (noch zu stellenden) Normenkontrollantrag der Antragstellerin insofern außer Vollzug zu setzen, als § 1 GroßveranstVerbV auch Autokinos erfasst.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO ist zulässig und nach Maßgabe des Tenors begründet.

1. Der Antrag ist zulässig. Gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 Abs. 1 Bbg VwGG entscheidet das Oberverwaltungsgericht im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit von anderen (nicht von Nr. 1 erfassten) im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, und damit auch über die angegriffene Vorschrift. Die Antragstellerin organisiert Veranstaltungen in einem Autokino im Land Brandenburg, das Platz für max. 928 Fahrzeuge und damit – bei einer zulässigen Besetzung der Fahrzeuge bis zu deren maximal zugelassener Sitzplatzkapazität - mehr als 1.000 Besucher bietet. Damit ist sie antragsbefugt gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Denn die in § 1 Satz 1 GroßveranstVerbV geregelte Untersagung öffentlicher und nichtöffentlicher Veranstaltungen mit mehr als 1.000 zeitgleich Anwesenden, insbesondere Konzerte und ähnliche Musikveranstaltungen, Messen, Sportveranstaltungen, Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen sowie künstlerische Darbietungen jeder Art bis einschließlich 31. Oktober 2020, die unstreitig auch die von ihr veranstalteten Autokino-Events erfasst, kann sich auf die gem. Art. 19 Abs. 3 GG auch für sie geltenden Grundrechte auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) auswirken.

2. Der Antrag ist jedoch nur insoweit begründet, als § 1 Satz 1 GroßveranstVerbV auch Autokino-Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Anwesenden ohne die Möglichkeit der Zulassung einer Ausnahme im Einzelfall untersagt.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann.

Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens im Zeitpunkt der Entscheidung über den Eilantrag nicht (hinreichend) abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, das Normenkontrollverfahren aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. zum vorstehenden insgesamt: Senatsbeschluss vom 23. April 2020 – OVG 11 S 25/20 –, Rn. 4 - 7, juris; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09. April 2020 – 3 MR 4/20 –, Rn. 3 - 5, juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 30.03.2020 – 20 NE 20.632 –, juris Rn. 31 ff., jeweils unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 25.02.2015 - 4 VR 5.14 -, juris Rn. 12).

Davon ausgehend ist der von der Antragstellerin begehrte Erlass einer einstweiligen Anordnung im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang bereits deshalb dringend geboten, weil die angegriffene Großveranstaltungsverbotsverordnung der Prüfung im Normenkontrollverfahren voraussichtlich nicht standhalten wird, soweit sie keine Möglichkeit einer Ausnahme im Einzelfall für Autokino-Veranstaltungen vorsieht (vgl. allgemein auch BVerfG, Beschluss vom 29. April 2020 – 1 BvQ 44/20 – juris zur Notwendigkeit von Ausnahmevorschriften).

a. Rechtsgrundlage auch der hier verfahrensgegenständlichen Großveranstaltungsverbotsverordnung ist § 32 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Danach werden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung und Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist (§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in der Fassung vom 27. März 2020). Unter denselben Voraussetzungen kann die Behörde gem. § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG auch Veranstaltungen beschränken oder verbieten.

b. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 32 Satz 1 IfSG i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sind mit Blick auf die andauernde Pandemielage wegen des neuartigen Coronavirus erfüllt. Denn COVID-19 ist eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG (vgl. ausführlich: OVG Lüneburg, Beschluss vom 29. Juni 2020 – 13 MN 244/20 -, juris Rn 17 ff.). Es wurden zahlreiche Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider (vgl. die Begriffsbestimmungen in § 2 Nrn. 3 ff. IfSG) im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG festgestellt. Die weltweite Ausbreitung von COVID-19 wurde am 11. März 2020 von der WHO zu einer Pandemie erklärt. Inzwischen wurden im Bundesgebiet mehr als 200.000 Menschen infiziert und mehr als 9.000 Menschen sind im Zusammenhang mit der Erkrankung verstorben; in Brandenburg sind mehr als 3.400 Menschen infiziert worden und 167 Menschen infolge der Erkrankung verstorben (vgl. Robert Koch Institut (RKI), Situationsbericht v. 19. Juli 2020: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situations¬berichte/2020-07-19-de.pdf?__blob=publicationFile). Das Robert-Koch-Institut, dem der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 – juris Rn. 13), schätzt die Lage in Deutschland in der erneut überarbeiteten Risikobewertung vom 17. Juli 2020 weiterhin als sehr dynamisch und ernstzunehmend und die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung weiterhin insgesamt als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch ein (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/ Risikobewertung.html; vgl. auch SARS-CoV-2 Steckbrief zu COVID-19, Stand 10.7.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText1). Eine Impfung oder eine spezifische Medikation sind weiterhin nicht verfügbar.

Dass die zuständigen Stellen danach zum Erlass „notwendiger Schutzmaßnahmen“ verpflichtet sind, stellt auch die Antragstellerin hier zu Recht nicht in Abrede.

c. Die sich aus § 1 Satz 1 GroßveranstVerbV ergebende ausnahmslose Untersagung auch von Autokino-Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Anwesenden stellt bei summarischer Prüfung aber keine gem. § 32 Satz 1 IfSG i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG notwendige Schutzmaßnahme dar, denn sie ist nicht verhältnismäßig im weiteren Sinne. Der mit der Untersagung verbundene gewichtige Nachteil für die davon betroffenen Veranstalter gebietet die vorläufige Außervollzugsetzung der insoweit teilbaren Regelung, soweit danach ausgeschlossen ist, auf Antrag im Einzelfall Ausnahmen für Autokino-Veranstaltungen vorzusehen.

Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sind Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit mit Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zweckes geeignet und auch erforderlich sind und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) noch gewahrt wird.

Das hier in Rede stehende, zwischen Bund und Ländern abgestimmte Verbot von Großveranstaltungen mit mehr als 1.000 Anwesenden dient nach Darstellung des Antragsgegners dazu, die erhöhte Infektionsgefahr einzudämmen, die typischerweise mit derartigen Veranstaltungen einhergeht, bei denen eine größere Anzahl von Menschen aus verschiedenen Regionen – einschließlich noch symptomfreier, aber bereits infizierter Personen aus Risikogebieten – auf einem begrenzten Raum zusammenkommt. Nach Einschätzung des Verordnungsgebers stelle eine Personenzahl von 1.000 jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch eine Grenze dar, ab der bei lebensnaher Betrachtung davon ausgegangen werden müsse, dass die erforderlichen Abstands- und Hygieneregeln nach § 3 SARS-CoV-2-UmgV nicht durchgehend eingehalten und auch von der Veranstalterin oder dem Veranstalter weder sichergestellt noch beherrscht werden könnten. Risikoerhöhend trete hinzu, dass bei Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmenden das Erfassen von Personendaten in einer Anwesenheitsliste zum Zweck der Kontaktverfolgung nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand realisierbar sein dürfte.

Die mit § 1 Satz 1 GroßveranstVerbV geregelte – ausnahmslose - Untersagung öffentlicher und nichtöffentlicher Veranstaltungen mit mehr als 1.000 zeitgleich Anwesenden (Großveranstaltungen), insbesondere Konzerte und ähnliche Musikveranstaltungen, Messen, Sportveranstaltungen, Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen sowie künstlerische Darbietungen jeder Art bis einschließlich 31. Oktober 2020 erscheint zur Erreichung des dargelegten, infektionsschutzrechtlich legitimen Zwecks zwar grundsätzlich geeignet und insbesondere für „normale“ Veranstaltungen (wie in entsprechenden Räumen stattfindende Theater- oder Konzertveranstaltungen, in Sporthallen oder Stadien stattfindende Sportveranstaltungen u.ä.), bei denen alle Besucher sich über längere Zeit in einem Raum bzw. auf einer begrenzten Fläche im Freien aufhalten und bewegen, auch erforderlich. Die Einschätzung des Verordnungsgebers, dass bei derartigen Veranstaltungen mit 1.000 und mehr Personen jedenfalls bei lebensnaher Betrachtung davon ausgegangen werden müsse, dass die erforderlichen Abstands- und Hygieneregeln nach § 3 SARS-CoV-2-UmgV nicht durchgehend eingehalten und auch von der Veranstalterin oder dem Veranstalter weder sichergestellt noch beherrscht werden könnten, erscheint grundsätzlich plausibel und wird von der Antragstellerin insoweit auch nicht angegriffen. Diese verweist vielmehr gerade auf die Besonderheiten der von ihr veranstalteten Autokino-Events, bei denen es sich um eine „Veranstaltungsart sui generis“ handele.

Angesichts dieser Besonderheiten erscheint es auch dem Senat bereits zweifelhaft, dass die ausnahmslose Untersagung von Autokino-Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Anwesenden zur Erreichung dieses Zwecks geeignet und erforderlich ist. Denn Autokino-Veranstaltungen unterscheiden sich wesentlich von anderen (Groß-)Veranstaltungen. So kann es wegen der Anfahrt der Teilnehmer in einzelnen Fahrzeugen nicht zu unerwünschten „Zusammenballungen“ von Besuchern im öffentlichen Nahverkehr, auf dem Weg zum oder vom Veranstaltungsort oder beim Einlass kommen. Der mehr oder weniger durchgängige Aufenthalt der Teilnehmer in den auf feste Stellplätze eingewiesenen Fahrzeugen, die den vorgegeben Mindestabstand einhalten, reduziert die Gefahr direkter Kontakte zwischen verschiedenen Teilnehmern sowie etwaiger Risiken durch Schmierinfektionen verlässlicher als dies bei Nutzung (markierter oder in Abständen aufgestellter) Sitz- oder Stehplätze in Hallen oder vergleichbaren Freiluftveranstaltungsorten möglich wäre. Wegen des regelmäßigen Aufenthalts der ganz überwiegenden Zahl der Teilnehmer – die die Autos nach dem Konzept der Antragstellerin nur für Toilettengänge verlassen dürfen - in ihren Autos kann die Einhaltung von Abstands- und Maskentragepflichten beim Verlassen der Fahrzeuge sowie etwaiger weiterer Auflagen auch bei einer größeren Teilnehmerzahl zudem sehr viel leichter überwacht und durchgesetzt werden.

Die Annahme des Antragsgegners, dass auch bei Autokino-Events mit mehr als 1.000 Teilnehmern „typischerweise“ ein nicht mehr beherrschbares und kontrollierbares erhöhtes Infektionsrisiko bestehe, erscheint auch in Ansehung der dafür angeführten weiteren Umstände nicht überzeugend. Die Wahrung eines gebotenen – ggf. durch Auflagen zu konkretisierenden - Mindestabstands zwischen den geparkten Fahrzeugen und bei Bewegungen der Teilnehmer außerhalb der Fahrzeuge erscheint bei Einsatz einer angemessenen, ggf. durch entsprechende Auflagen vorzusehenden Anzahl von Ordnern und eines geeigneten Leitsystems auch bei einer Großveranstaltung möglich. Soweit der Antragsgegner darauf verweist, dass sowohl der Imagefilm auf der Startseite der Antragstellerin als auch im Internet zugängliche Videoaufnahmen eines aktuellen Autokino-Events der Antragstellerin belegten, dass zahlreiche Besucher sich nicht in ihren Fahrzeugen aufhielten bzw. Scheiben und Türen nicht geschlossen hielten, trifft dies zwar insbesondere für den sog. Imagefilm zu. Bei den in Bezug genommenen Aufnahmen des Events vom Ende Juni sind zwar geöffnete Fenster und Türen, allerdings nur relativ wenige Personen außerhalb der Fahrzeuge zu sehen. Ob die geöffneten Türen und Fenster allein darauf zurückzuführen waren, dass die Besucher – wie die Antragstellerin meint – bei diesem Konzert noch nicht aufgefordert worden waren, beides geschlossen zu halten, kann aber auch dahinstehen. Denn die Sorge des Antragsgegners, dass die von der Antragstellerin in ihrem Sicherheits- und Hygienekonzept vorgesehene Verpflichtung der Teilnehmer, Türen und Fenster der Autos während der gesamten Dauer des Aufenthalts geschlossen zu halten, in der Praxis nicht durchsetzbar und insbesondere bei hochsommerlichen Außentemperaturen nicht zumutbar sei, erscheint unabhängig davon durchaus nachvollziehbar. Etwaigen sich dadurch ergebenden Risiken kann aber auch mittels einer – durch eine entsprechende Auflage vorzugebenden - Erhöhung des zwischen den einzelnen Autos einzuhaltenden Mindestabstands Rechnung getragen werden, zumal die Übertragungswahrscheinlichkeit im Freien nach den Erkenntnissen des RKI aufgrund der Luftbewegung ohnehin sehr gering ist (vgl. SARS-CoV-2 Steckbrief zu COVID-19, Stand 10.7.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc 13776792bodyText1, unter Ziff. 1). Auch das Infektionsrisiko durch Missachtung von Abstands- und Hygienevorschriften beim Aufsuchen der Toiletten erscheint bei einer Autokino-Veranstaltung mit mehr als 1.000 Teilnehmern nicht notwendig unkontrollierbar erhöht. Auch bei einer solchen größeren Veranstaltung erscheint es vielmehr grundsätzlich möglich, die Einhaltung der Pflicht zur Benutzung einer Mund-Nasen-Bedeckung außerhalb des Autos sowie zum Wahren der erforderlichen Abstände durch tatsächliche, auf einer weiträumigen Fläche wie der eines Autokinos durchaus mögliche Vorkehrungen wie Wegmarkierungen („Einbahnstraßen“) und Abstandsmarkierungen im Wartebereich sowie den Einsatz von Ordnern zu unterstützen und abzusichern. Auch eine hinreichende Hygiene dürfte durch – ggf. verbindlich vorzuschreibende - regelmäßige Reinigung und Desinfektion der Toilettenräume und Bereitstellung von Desinfektionsmitteln zu gewährleisten sein.

Der Antragsgegner verweist allerdings zu Recht darauf, dass der gem. § 1 Abs. 2 SARS-CoV-2-UmgV zu wahrende Mindestabstand von 1,5 m zwischen Personen im öffentlichen und privaten Bereich, die nicht gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 1 bis 4 SARS-CoV-2-UmgV hiervon befreit sind, auch innerhalb der Autos einzuhalten ist. Der demgegenüber erhobene Einwand der Antragstellerin, dass es in Brandenburg allen Menschen gestattet sei, sich im privaten Kreis zu treffen, und es keinen Unterschied mache, ob die jeweiligen Personen zuhause einen Film anschauten oder gemeinsam im Auto säßen, verkennt die sich aus § 1 Abs. 2 SARS-CoV-2-UmgV ergebende Rechtslage. Denn nach dieser Regelung ist auch bei Treffen im privaten Bereich ein Mindestabstand von 1,5 m einzuhalten. Gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 SARS-CoV-2-UmgV gilt dies nur dann nicht, wenn eine der in den Ziff. 1 bis 4 geregelten Ausnahmen vorliegt. Die für Besucher eines Autokino-Events allein ernstlich in Betracht kommende Ausnahme betrifft nur Ehe- oder Lebenspartner, Angehörige des eigenen Haushalts oder Personen, für die ein Sorge- oder Umgangsrecht besteht (Ziff. 1). Die weiteren Ausnahmen (Ziff. 2 bis 4) betreffen die hier nicht einschlägigen Bereiche Kindertagesbetreuung, Jugendarbeit und Schule. Ausnahmen für weitere Familienangehörige, Personen aus maximal zwei verschiedenen häuslichen Gemeinschaften oder eine Gruppe von insgesamt höchstens 10 Personen, wie sie sich etwa aus § 1 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 CoronaSchV NRW ergeben, sieht die hier nicht verfahrensgegenständliche und von der Antragstellerin wie auch ihren Besuchern zu beachtende Brandenburgische SARS-CoV-2-Umgangsverordnung nicht vor.

Die Auffassung des Antragsgegners, dass die Einhaltung der sich daraus ergebenden Einschränkung – mangels Möglichkeit zur Einhaltung des Mindestabstands dürfen sich in einem Auto nur dann mehrere Personen befinden, wenn für sie das Mindestabstandsgebot nicht gilt – gerade bei Großveranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern nicht mehr zu kontrollieren sein dürfte, überzeugt allerdings nicht. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass eine Einhaltung dieser Abstandsregelung für die Verantwortlichen auch bei Veranstaltungen bis 1.000 Teilnehmer, Gaststättenbesuchen o.ä. kaum verlässlich zu kontrollieren ist, da eine Überprüfung der diesbezüglichen Angaben der Betroffenen für sie kaum möglich ist. So vermag etwa bei Mehrparteienwohnhäusern selbst dieselbe Adresse in den Ausweispapieren noch keine Zugehörigkeit zum selben Haushalt zu belegen. Zum anderen ist aber auch nicht ersichtlich, weshalb es dem Veranstalter eines Autokino-Events nicht möglich sein sollte, durch entsprechende Hinweise im Vorfeld, eine entsprechende Abfrage bereits beim Ticketverkauf und ggf. ergänzende (ebenso wie die Ticketkontrolle durch die Autoscheiben mögliche) Ausweiskontrollen bei der Einfahrt im Rahmen des ihm ohnehin – auch bei kleineren Veranstaltungen von weniger als 1.000 Anwesenden - nur Möglichen sicherzustellen, dass sich nur Personen in einem Auto aufhalten, die von der Einhaltung der Abstandsvorschrift befreit sind.

Soweit der Antragsteller schließlich darauf verweist, dass ab einer Personenzahl von 1.000 eine schnelle und vollständige Kontaktrückverfolgung, die elementarer Bestandteil der Öffnungsstrategie des Landes sei, extrem schwierig bis unmöglich sei, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Veranstalter von Veranstaltungen unter freiem Himmel – zu denen auch Autokinos gehören dürften – gem. § 4 Abs. 1 SARS-CoV2-UmgV nur verpflichtet sind, die Einhaltung des Abstandsgebots und die Steuerung und Beschränkung des Zutritts und des Aufenthalts von Personen sicherzustellen (§ 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 SARS-CoV2-UmgV). Die Pflicht zur Erfassung von Personendaten in einer Anwesenheitsliste zum Zweck der Kontaktnachverfolgung (§ 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 SARS-CoV2-UmgV) gilt danach nur für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen. Aber auch wenn man die Erfassung der Anwesenden zwecks Kontaktnachverfolgung jedenfalls bei einem Autokino-Event unter freiem Himmel mit mehr als 1.000 Teilnehmern für erforderlich halten würde – was ggf. durch eine entsprechende Auflage geregelt werden könnte -, ist nicht ersichtlich, weshalb dies die Veranstalter überfordern sollte. Die Antragstellerin verweist durchaus nachvollziehbar darauf, dass der stattfindende Online-Verkauf der Tickets eine lückenlose Erfassung und Nachverfolgung der Besucher ermögliche, da diese dazu ihren Namen, die postalische Adresse und eine E-Mail-Adresse anzugeben hätten, und dass – ähnlich wie im Gastronomiebereich – eine lückenlose Erfassung aller Insassen eines Fahrzeugs etwa dadurch möglich sei, dass jedes Auto bei der Einfahrt mit einem entsprechenden Formular versehen werde, das während der Veranstaltung wieder eingesammelt werden könne.

Nach allem erscheint es dem Senat keineswegs ausgeschlossen, durch geeignete Schutzauflagen sicherzustellen, dass von einer Autokino-Veranstaltung mit mehr als 1.000 Teilnehmern keine relevante Erhöhung des Infektionsrisikos ausgeht. Dabei kommen neben den von der Antragstellerin in ihrem Sicherheits- und Hygienekonzept bereits vorgesehenen, entgegen der Auffassung des Antragsgegners sehr wohl eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung beim Aufenthalt außerhalb der Fahrzeuge umfassenden Maßnahmen weitere in Betracht wie etwa ein größerer, zwischen den Fahrzeugen einzuhaltender Mindestabstand, Vorkehrungen zur Sicherstellung des Mindestabstandsgebots innerhalb der Besucherfahrzeuge und zur Kontaktnachverfolgung aller Fahrzeuginsassen, ggf. auch ein Verbot von Cateringangeboten. Für eine Beherrschbarkeit des von einer solchen Großveranstaltung ausgehenden Infektionsrisikos spricht auch der von der Antragstellerin angeführte Befund, dass in anderen Bundesländern (z.B. Hamburg, Nordrhein-Westfalen) die Begrenzung auf 1.000 Teilnehmer für Autokino-Veranstaltungen nicht gilt.

Unter diesen Umständen stellt ein vollständiges, keinerlei Ausnahmemöglichkeit eröffnendes Verbot auch von Autokino-Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Anwesenden voraussichtlich bereits einen nicht mehr verhältnismäßigen bzw. zumutbaren Eingriff in das Grundrecht der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG dar.

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber bzw. die von ihm zum Verordnungserlass ermächtigte Exekutive nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von Verfassungs wegen einen Spielraum für den Ausgleich der wiederstreitenden Freiheits- und Schutzbedarfe der verschiedenen Grundrechtsträger hat, der ihm beim Erlass einer Rechtsverordnung auch eine Typisierung und Pauschalierung erlaubt. Denn dieser Spielraum wird mit der Zeit – etwa wegen besonders schwerer Grundrechtsbelastungen und wegen der Möglichkeit zunehmender Erkenntnis – geringer und ein pauschales, ausnahmsloses Verbot erscheint dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn die geänderten Umstände und insbesondere die zunehmenden Erkenntnisse über die Ausbreitung des Virus und die sich daraus ergebenden Schutzmaßnahmen eine differenziertere Beurteilung erlauben, durch die die sich aus diesem Verbot ergebenden schwerwiegenden Folgen jedenfalls für einen Teil der davon Betroffenen ohne relevante Beeinträchtigung des legitimen Infektionsschutzzieles gemildert werden können.

Davon ist hier bei summarischer Prüfung auszugehen. Denn wegen der Besonderheiten, die Autokino-Veranstaltungen von anderen Großveranstaltungen unterscheiden, sind diese Veranstaltungen von vornherein sehr viel besser geeignet, eine Einhaltung der sich mit Blick auf das SARS-CoV2-Virus ergebenden infektionsschutzrechtlichen Abstands- und Hygieneanforderungen sicherzustellen, und es erscheint durchaus plausibel, dass etwaige Restrisiken durch geeignete, der konkreten Veranstaltung und dem Veranstaltungsgelände angepasste Auflagen auf ein bei erlaubten – kleineren – Veranstaltungen ebenfalls hingenommenes Maß reduziert werden können. Angesichts der schwerwiegenden Folgen, die sich aus dem ausnahmslosen und nach der Verordnung noch bis zum 31. Oktober 2020 geltenden Verbot aller Großveranstaltungen nicht nur für die Veranstalter, sondern auch für die von einem Wegbrechen von Auftrittsmöglichkeiten betroffenen Künstler und die im Umfeld derartiger Veranstaltungen tätigen Personen ergeben und die unter Umständen existenzbedrohende Auswirkungen haben können, erscheint es geboten, für Autokino-Veranstaltungen, die im Vergleich zu anderen Veranstaltungsformen besonders geeignet erscheinen, auch Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern relativ gefahrlos durchzuführen, die Möglichkeit einer Ausnahme von diesem Verbot aufgrund einer Prüfung der Umstände des Einzelfalles vorzusehen.

Die vorläufige Außervollzugsetzung war auf den aus dem Tenor ersichtlichen Teil zu begrenzen, da die Regelungen der Großveranstaltungsverbotsverordnung auch ohne diesen beanstandeten Teil sinnvoll bestehen bleiben können und davon auszugehen ist, dass der Verordnungsgeber die weiteren Regelungen auch ohne den beanstandeten Teil erlassen hätte.

Der nach allem mit der ausnahmslosen Untersagung von Autokino-Großveranstaltungen voraussichtlich verbundene Eingriff in das Grundrecht der Antragstellerin als Veranstalterin aus Art. 12 Abs. 1 GG begründet einen gewichtigen Nachteil, der die vorläufige Außervollzugsetzung der Regelung gebietet.

3. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO). Der auf eine vollständige Aufhebung der Großveranstaltungsverordnung gerichtete Hauptantrag der Antragstellerin hatte zwar nur im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Dies führt jedoch nicht dazu, dass ihr Antrag im Übrigen mit nachteiliger Kostenfolge zurückzuweisen gewesen wäre. Denn der Normenkontrollantrag eines Antragstellers, der – wie hier die Antragstellerin - als davon Betroffener gem. § 47 Abs. 2 VwGO ohne weiteres befugt war, eine Norm insgesamt anzugreifen, wird in einem solchen Fall privilegiert, weil von ihm bei Stellung des Normenkontrollantrags grundsätzlich nicht erwartet werden kann, dass er in Überlegungen zu einer möglichen Teilnichtigkeit eintritt (vgl. BVerwG, Urteil v. 3. April 2008 - 4 CN 3.07 -, NVwZ 2008, 902 ff., Rn 36).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 8 GKG. Dabei ist der Senat von der seitens der Antragstellerin bezifferten Einbuße im Fall einer Durchführung der für Juli noch geplanten Konzerte mit weniger als 1.000 auf dem Gelände Anwesenden ausgegangen (Konzert am 25. Juli: Verlust ca. 10.000 EUR, Konzert am 26. Juli: Verlust ca. 16.000 EUR). Eine Halbierung des Streitwerts wegen der Vorläufigkeit des Rechtsschutzverfahrens kam nicht in Betracht, weil der Antrag auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).