Gericht | VG Frankfurt (Oder) 2. Kammer | Entscheidungsdatum | 09.09.2014 | |
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Aktenzeichen | VG 2 K 1079/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 53 Abs 7 BeamtVG, § 10 Abs 1 BEEG |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin wendet sich gegen die Anrechnung von bezogenem Elterngeld als Erwerbsersatzeinkommen im Rahmen ihrer Versorgungsbezüge.
Sie bezieht als Witwe des am XX.XXX.XX verstorbenen XXX seit dem 01. März 2005 Versorgungsbezüge (Witwengeld) nach dem Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG). Seit dem 16. Februar 2005 hat sie zudem Anspruch auf eine Witwenrente von der Deutschen Rentenversicherung – Bund –.
Mit Schreiben vom 10. September 2010 legte die Klägerin der Beklagten unter anderem den Bescheid des Landkreises XXX vom 21. April 2010 über die Höhe des festgesetzten und im Zeitraum vom 27. November 2009 bis 26. November 2010 gezahlten Elterngeldes vor. Mit Bescheid der Bundesfinanzdirektion Mitte vom 08. Oktober 2010 wurden die Versorgungsbezüge der Klägerin gemäß §§ 55, 53 BeamtVG rückwirkend zum März 2005 neu geregelt, wobei u.a. das ihr vom Landkreis XXX gewährte Elterngeld nach § 53 BeamtVG auf ihre Versorgungsbezüge angerechnet wurde. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2010 legte die Klägerin Widerspruch ein und führte zur Begründung u.a. aus, dass das von ihr bezogene Elterngeld in Höhe des Sockelbetrages von 300 Euro nicht auf ihren Versorgungsbezug anzurechnen sei, da dieses die Freigrenze nach § 10 BEEG nicht überschreite.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2011 wurde der Bescheid vom 08. Oktober 2010 hinsichtlich der hier nicht streitgegenständlichen Anrechnung einer der Klägerin zugeflossenen Lehrvergütung für zwei Monate auf ihren Versorgungsbezug nach § 53 BeamtVG teilweise aufgehoben. Ferner wurde ein Rechenfehler korrigiert. Im Übrigen wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass das gewährte Elterngeld als Erwerbsersatzeinkommen im Rahmen der Ruhensregelung nach § 53 BeamtVG zu berücksichtigen sei. Bei dem anrechenbaren Erwerbsersatzeinkommen im Sinne des § 53 Abs. 7 Satz 3 BeamtVG handele es sich um Leistungen, die aufgrund oder in entsprechender Anwendung öffentlich rechtlicher Vorschriften kurzfristig erbracht würden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen. Sie seien durch Bezugnahme auf § 18 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB IV näher bestimmt. Die Klägerin gehe fehl in der Annahme, dass die Regelung des § 10 Abs. 1 BEEG die Ruhensregelung des § 53 BeamtVG erfasse, mithin das gewährte Elterngeld nicht in voller Höhe anzurechnen sei. Bei dem ihr gewährten Witwengeld nach § 19 BeamtVG handele es sich nicht um eine Sozialleistung im Sinne des § 10 Abs. 1 BEEG. Die Alimentation von Beamten, Versorgungsempfängern und deren Hinterbliebenen finde ihren Rechtsgrund nicht im Sozialstaatsprinzip, sondern in Art. 33 Abs. 4 GG. Die Versorgungsbezüge stünden im Übrigen nur als vorläufige Zahlung unter dem Vorbehalt der rückwirkenden Änderung und Rückforderung, wenn sich das zu berücksichtigende Einkommen ändere (gesetzesimmanenter Vorbehalt). Dieser sei zeitlich nicht beschränkt und bestehe ohne Rücksicht darauf, ob sich der Versorgungsempfänger des gesetzlichen Vorbehalts bewusst gewesen sei. Die Versorgungsbezüge könnten daher rückwirkend zum Tag der Gewährung der Witwenrente sowie der Änderungen in der Höhe des Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommens der Klägerin neu geregelt werden.
Die Klägerin hat am 14. November 2011 die vorliegende Klage erhoben.
Sie trägt vor: Soweit die Beklagte auf § 18 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB IV verweise, werde das Elterngeld dort selbst nicht genannt. Bei diesem handele es sich auch nicht um eine „vergleichbare Leistung“. Denn bereits im Entwurf zum BEEG, BT-Drs. 16/1889, S. 18 werde ausdrücklich festgestellt, dass das Elterngeld eine steuerfinanzierte Leistung besonderer Art sei, welche nicht mit Einkommensersatzleistungen aus dem Bereich der Sozialversicherung vergleichbar sei. Der Sockelbetrag des Elterngeldes sei aufgrund der gesetzlichen Regelung nach der Gesetzesbegründung keine Einkommensersatzleistung. In § 18 a Abs. 1 Nr. 2 und 4 SGB IV werde gerade zwischen Erwerbsersatzeinkommen und Elterngeld unterschieden. Im Beamtenversorgungsgesetz gebe es darüber hinaus keine konkrete Norm, die die Anrechnung von Elterngeld regele, sondern nur die Anrechnung von Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen. Eine Norm, wonach Elterngeld als Einkommen gelte, gebe es im BeamtVG ebenfalls nicht. Insbesondere gebe es auch keine Regelung wie § 18 b V a SGB IV, der den anrechnungsfreien Betrag nach § 10 BEEB anrechnungsfrei stelle. Das Elterngeld dürfe damit gemäß § 53 Abs. 7 BeamtVG nicht angerechnet werden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 08. Oktober 2010 insoweit aufzuheben, als die Beklagte bei der Berechnung der Versorgungsbezüge das von der Klägerin bezogene Elterngeld als Erwerbsersatzeinkommen angerechnet hat.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid und trägt ergänzend vor: Bei dem Elterngeld handele es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts um eine steuerfinanzierte Einkommensersatzleistung. Sinn und Zweck des Elterngeldes sei es, Eltern individuell bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen, wenn sie nach einer Geburt der Betreuung ihres Kindes widmeten. Das Elterngeld übernehme mithin die Funktion eines Erwerbsersatzeinkommens, um die Entscheidung für ein Kind zu erleichtern und dabei ein Mindestmaß an sozialer Sicherung nach dem Sozialstaatsprinzip zu gewährleisten. Mit der Streichung des Verweises in § 53 BeamtVG durch Art. 4 Nr. 34 c, bb des Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz) sei auch gesetzlich klargestellt worden, dass das im Rahmen der versorgungsrechtlichen Ruhensregelung anzurechnende Erwerbsersatzeinkommen nicht abschließend auf die in der Vorschrift des § 18 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB IV genannten Leistungen beschränkt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 101 Abs. 2, 87 a Abs. 3 VwGO).
Die zulässige Anfechtungsklage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 08. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, soweit die Beklagte darin das der Klägerin gewährte Elterngeld bei der Berechnung der Versorgungsbezüge als Erwerbsersatzeinkommen angerechnet hat (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Anrechnung des Elterngeldes im Rahmen der Versorgungsbezüge ist § 53 Abs. 1, Abs. 7 Satz 3 BeamtVG in der ab dem 01. Juli 2009 geltenden Fassung. Danach erhält ein Versorgungsberechtigter, der Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen (Abs. 7) bezieht, daneben seine Versorgungsbezüge nur bis zum Erreichen der in Abs. 2 bezeichneten Höchstgrenze. Erwerbsersatzeinkommen sind Leistungen, die aufgrund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften kurzfristig erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen. Die Berücksichtigung des Erwerbs- und des Erwerbsersatzeinkommens erfolgt monatsbezogen. Als Erwerbsersatzeinkommen gilt danach auch das Elterngeld nach dem BEEG, wobei die Anrechnung in voller Höhe erfolgt (Stadler in: Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Richterrecht und Wehrrecht, § 53 BeamtVG Rdn. 87). Zwar trifft der Hinweis der Klägerin auf die Gesetzesbegründung in der BT-Drs. 16/1889 zu, wonach das Elterngeld nicht vergleichbar mit Einkommensersatzleistungen aus dem Bereich der Sozialversicherung wie z.B. das Arbeitslosengeld ist. Es handelt sich jedoch nicht um eine sozialversicherungsrechtliche Leistung, sondern um eine steuerfinanzierte Einkommensersatzleistung (BVerfG, Beschluss vom 09. November 2011 – 1 BvR 1853/11 –, NJW 2012, 214). In der Gesetzesbegründung zu der hier maßgeblichen Fassung des § 53 Abs. 7 Satz 3 wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das im Rahmen der versorgungsrechtlichen Ruhensregelung anzurechnende Erwerbsersatzeinkommen nicht abschließend auf die in der Vorschrift des § 18 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB IV genannten Leistungen beschränkt ist, BT-Drs. 16/7076, S. 161. Daher geht die Beklagte zu Recht davon aus, dass die Versorgungsbezüge nach dem Beamtenversorgungsgesetz keine Sozialleistungen gemäß § 10 Abs. 1 BEEG sind, so dass auch der Sockelbetrag von 300,00 Euro anzurechnen ist. Denn die Alimentation von Beamten, Versorgungsempfängern und deren Hinterbliebenen findet seinen Rechtsgrund nicht im Sozialstaatsprinzip, sondern in Art. 33 Abs. 4 GG (BVerfG, Beschluss vom 11. Dezember 2007 – 2 BvR 797/04 –, juris Rdn. 23).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.