Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 22. Kammer | Entscheidungsdatum | 30.03.2012 | |
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Aktenzeichen | 22 Sa 2313/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 13 Abs 2 BUrlG, § 8 BauBundesRahmenTV |
1. Anspruchsgegner des Urlaubvergütungsanspruchs ist nach BRTV-Bau die - jeweils zuständige - Urlaubskasse, nicht der Arbeitgeber.
2. Selbst wenn das System den Urlaubskostenverfahren in Bezug auf Abgeltungsansprüche für die Bezüge wegen wegfall der Entgeltzahlungspflicht nicht (in vollem Umfang) geleistet wurde, so dass diese nur einen Bruchteil der Urlaubsvergütung für einen entsprechenden Zeitraum beträgt, mit der Arbeitszeitrichtlinie nicht zu vereinbaren wäre, würde dies einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Abgeltungg des gesetzlichen Mindesturlaubs nicht begründet.
3. Einer Vorlage der Frage der Vereinbarkeit mit der jetzt geltenden europarechtlichen Regelungen, insbesondere der Grundrechtecharta bedürfte es nicht, weil das Arbeitsverhältnis der hiesigen Parteien zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des EU-Reformvertrages (01.12.2009) bereits beendet war (anders im Fall LAG Berlin-Brandenburg, Vorlagenbeschluss vom 16.06.2011 - 2 Sa 3/11 - "Reimann").
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 28.09.2011 – 2 Ca 795/11 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Die Parteien über Urlaubsabgeltungsansprüche für die Jahre 2007 und anteilig 2008, zuletzt beschränkt auf den gesetzlichen Mindesturlaub.
Der Kläger war bei der Beklagten, die dem Bauhauptgewerbe angehört, seit 1994 als Gasrohrnetzwerker, zuletzt als Vorarbeiter, gegen eine monatliche Durchschnittsvergütung von 2.458,90 EUR. Ab dem 25.09.2006 war er arbeitsunfähig krank und nicht mehr in der Lage, die bisherige Tätigkeit auszuüben. Bei einem Personalgespräch am 16.03.2007 verlangte er vergeblich die Beschäftigung auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz und machte Urlaubsansprüche geltend; letztere zu gewähren lehnte die Beklagte aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ab. Der Kläger bezog weiter Krankengeld und danach Anschlussarbeitslosengeld.
Das Arbeitsverhältnis endete nach einem am 10.03.2011 vor dem Landesarbeitsgericht, an das das Bundesarbeitsgericht den Kündigungsrechtsstreit zurückverwiesen hatte (2 AZR 88/09) abgeschlossenen (Abfindungs-)Vergleich aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung vom 15.10.2007 zum 31.03.2008.
Auf eine entsprechende Geltendmachung und Klage, die nachfolgend zurückgenommen wurde, rechnete die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (im Folgenden ULAK) mit dem Schreiben vom 05.05.2010 für das Jahr 2007 einen Entschädigungsanspruch für 30 Urlaubstage in Höhe von 78,02 EUR und für das Jahr 2008 – bis 31.03.2008 – für 8 Urlaubstage eine verfügbare Urlaubsvergütung von 94,20 EUR ab; die Beträge zahlte sie zu einem späteren Zeitpunkt an den Kläger aus.
Die Auszahlung erfolgte auf der Grundlage des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren allgemeinverbindlich erklärten Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV) vom 04.07.2002 i. d. F. vom 20.08.2007, der zum Urlaub Folgendes regelt:
„§ 8 Urlaub
1. Urlaubsanspruch und Urlaubsdauer
1.1 Der Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr (Urlaubsjahr) Anspruch auf 30 Arbeitstage bezahlten Erholungsurlaub.
1.2 Für Schwerbehinderte im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen erhöht sich der Urlaub um fünf Arbeitstage.
1.3 Samstage gelten nicht als Arbeitstage.
1.4 Die Urlaubsdauer richtet sich nach den in Betrieben des Baugewerbes zurückgelegten Beschäftigungstagen.
1.5 Erkrankt der Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Urlaub nicht angerechnet. Der Arbeitnehmer hat sich jedoch nach terminmäßigem Ablauf seines Urlaubs oder, falls die Krankheit länger dauert, nach deren Beendigung dem Betrieb zur Arbeitsleistung zur Verfügung zu stellen. Der Antritt des restlichen Urlaubs ist gemäß Nr. 3.1 festzulegen.
2. Ermittlung der Urlaubsdauer
2.1 Bei Urlaubsantritt sind die dem Arbeitnehmer zustehenden vollen Urlaubstage nach Maßgabe der Beschäftigungstage zu ermitteln.
2.2 Der Arbeitnehmer erwirbt nach jeweils 12 - als Schwerbehinderter nach jeweils 10,3 - Beschäftigungstagen Anspruch auf einen Tag Urlaub.
2.3 Beschäftigungstage sind alle Kalendertage des Bestehens von Arbeitsverhältnissen in Betrieben des Baugewerbes während des Urlaubsjahres. Ausgenommen hiervon sind Tage
– an denen der Arbeitnehmer der Arbeit unentschuldigt ferngeblieben ist,
– unbezahlten Urlaubs, wenn dieser länger als 14 Kalendertage gedauert hat,
– für die der arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer weder Arbeitsentgelt noch Krankengeld oder Verletztengeld erhalten hat.
2.4 Volle Beschäftigungsmonate sind zu 30 Beschäftigungstagen zu zählen; die Beschäftigungstage eines angefangenen Beschäftigungsmonats sind auszuzählen.
2.5 Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind die während seiner Dauer zurückgelegten Beschäftigungstage zu ermitteln.
2.6 Die für bereits gewährten Urlaub berücksichtigten Beschäftigungstage sind verbraucht.
2.7 Zum Ende des Urlaubsjahres sind aus den unverbrauchten Beschäftigungstagen die Resturlaubsansprüche zu errechnen; Bruchteile von Urlaubstagen sind auf volle Urlaubstage kaufmännisch zu runden. Die Resturlaubsansprüche sind in das folgende Kalenderjahr zu übertragen.
3. Urlaubsantritt
3.1 Der Zeitpunkt des Urlaubsantritts ist unter Berücksichtigung der Wünsche des Arbeitnehmers und der Bedürfnisse des Betriebes vom Arbeitgeber unter Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates festzulegen. Bei der Urlaubsgewährung darf keine Teilung des Urlaubs erfolgen, die den Erholungszweck gefährdet.
3.2 Nimmt der Arbeitnehmer Urlaub, so ist der aus dem Vorjahr übertragene Resturlaub vor dem im laufenden Kalenderjahr erworbenen Urlaub zu gewähren, soweit hierfür eine Urlaubsvergütung nach Nr. 4 erworben wurde.
4. Urlaubsvergütung
4.1 Der Arbeitnehmer erhält für den Urlaub gemäß Nr. 1 eine Urlaubsvergütung.
a) Die Urlaubsvergütung beträgt für den vor dem 1. Januar 2008 entstandenen Urlaub 14,82 v. H., bei Schwerbehinderten im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen 17,29 v. H. des Bruttolohnes. Die Urlaubsvergütung besteht aus dem Urlaubsentgelt in Höhe von 11,4 v. H. - bei Schwerbehinderten in Höhe von 13,3 v. H. - des Bruttolohnes und dem zusätzlichen Urlaubsgeld. Das zusätzliche Urlaubsgeld beträgt 30 v. H. des Urlaubsentgelts. Es kann auf betrieblich gewährtes zusätzliches Urlaubsgeld angerechnet werden. Zu der Urlaubsvergütung gehören auch die Ausgleichsbeträge nach Nr. 5 für Lohnausfälle vor dem 1. Januar 2006.
b) Die Urlaubsvergütung beträgt für den nach dem 31. Dezember 2007 entstandenen Urlaub 14,25 v. H., bei Schwerbehinderten im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen 16,63 v. H. des Bruttolohnes. Die Urlaubsvergütung besteht aus dem Urlaubsentgelt in Höhe von 11,4 v. H. - bei Schwerbehinderten in Höhe von 13,3 v. H. - des Bruttolohnes und dem zusätzlichen Urlaubsgeld. Das zusätzliche Urlaubsgeld beträgt 25 v.H. des Urlaubsentgelts. Es kann auf betrieblich gewährtes zusätzliches Urlaubsgeld angerechnet werden.
4.2 Bruttolohn ist
a) der für die Berechnung der Lohnsteuer zugrunde zu legende und in die Lohnsteuerkarte oder die Lohnsteuerbescheinigung einzutragende Bruttoarbeitslohn einschließlich der Sachbezüge, die nicht pauschal nach § 40 EStG versteuert werden,
b) der nach §§ 40 a, 40 b und 52 Abs. 52a EStG pauschal zu versteuernde Bruttoarbeitslohn mit Ausnahme des Beitrags für die tarifliche Zusatzversorgung der Arbeitnehmer (§ 18 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 und § 19 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe), des Arbeitgeberanteils an der Finanzierung der Tariflichen Zusatzrente (§ 2 Absätze 1 bis 5 des Tarifvertrages über eine Zusatzrente im Baugewerbe) sowie des Beitrags zu einer Gruppen-Unfallversicherung.
Zum Bruttolohn gehören nicht das tarifliche 13. Monatseinkommen oder betriebliche Zahlungen mit gleichem Charakter (z. B. Weihnachtsgeld, Jahressonderzahlung), Urlaubsabgeltungen gem. Nr. 6 und Abfindungen, die für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden.
Für Arbeitnehmer, die nicht dem deutschen Lohnsteuerrecht unterliegen, wird der Berechnung der Urlaubsvergütung der Lohn einschließlich der Sachbezüge zugrunde gelegt, der nach Satz 1 bei Geltung des deutschen Steuerrechts unter Berücksichtigung von Satz 2 den Bruttolohn bildet.
4.3 Die Urlaubsvergütung für teilweise geltend gemachten Urlaub wird berechnet, indem die gemäß Nr. 4.1 errechnete Urlaubsvergütung durch die Summe der gemäß Nr. 2 ermittelten Urlaubstage geteilt und mit der Zahl der beanspruchten Urlaubstage vervielfacht wird.
4.4 Für die Fälligkeit der Urlaubsvergütung gilt § 5 Nr. 7.2 entsprechend.
4.5 Am Ende des Urlaubsjahres sind Restansprüche auf Urlaubsvergütung in das folgende Kalenderjahr zu übertragen.
5. Ausgleichsbeträge
5.1 Für jede Ausfallstunde vor dem 1. Januar 2006, für die der Lohnausfall nicht vergütet worden ist, höchstens jedoch für insgesamt 1.200 Ausfallstunden im Urlaubsjahr, ist für die durch
a) unverschuldete Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit bis zu dem Beginn des Bezuges von Arbeitslosengeld nach § 125 Abs. 1 SGB III,
b) Zeiten einer Wehrübung,
c) witterungsbedingten Arbeitsausfall in der Zeit vom 1. November bis 31. März,
d) vorübergehenden Arbeitsausfall infolge von Kurzarbeit
eintretende Verminderung des der Berechnung der Urlaubsvergütung zugrunde liegenden Bruttolohnes ein Ausgleich zu zahlen.
5.2 Der Ausgleich wird einschließlich des zusätzlichen Urlaubsgeldes geleistet. Der Ausgleich beträgt für jede Ausfallstunde 1,66 Euro, höchstens jedoch 64,93 Euro je Kalenderwoche.
5.3 Die Bestimmungen der Nrn. 5.1 und 5.2 gelten nicht für Arbeitnehmer, die von einem außerhalb Deutschlands ansässigen Arbeitgeber entsandt worden sind (entsandte Arbeitnehmer).
6. Urlaubsabgeltung
6.1 Der Arbeitnehmer hat nur dann einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Höhe der Urlaubsvergütung, wenn er
a) länger als drei Monate nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis zu einem von diesem Tarifvertrag erfassten Betrieb gestanden hat, ohne arbeitslos zu sein,
b) länger als drei Monate nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis zu einem von diesem Tarifvertrag erfassten Betrieb gestanden hat und berufsunfähig oder auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, seinen bisherigen Beruf im Baugewerbe auszuüben,
c) Altersrente oder Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht,
d) in ein Angestellten- oder Ausbildungsverhältnis zu einem Betrieb des Baugewerbes überwechselt,
e) als Gelegenheitsarbeiter, Werkstudent, Praktikant oder in ähnlicher Weise beschäftigt war und das Arbeitsverhältnis vor mehr als drei Monaten beendet wurde,
f) nicht mehr von diesem Tarifvertrag erfasst wird, ohne dass sein Arbeitsverhältnis endet, und er nicht innerhalb von drei Monaten erneut von diesem Tarifvertrag erfasst wird.
6.2 Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung richtet sich gegen die Kasse. Dieser Anspruch ist nur zu erfüllen, soweit Beiträge für die Urlaubsansprüche des jeweiligen Urlaubsjahres bereits geleistet worden sind oder bis zum Ablauf des Kalenderjahres nachentrichtet werden und nicht für die Erstattung von Urlaubsvergütungen verwendet worden oder zum Ausgleich für geleistete Erstattungen zu verwenden sind. §§ 366, 367 BGB finden keine Anwendung.
In den von Nr. 6.1 Buchst. c) erfassten Fällen ist jedoch abweichend von Satz 1 derjenige Arbeitgeber zur Auszahlung der Urlaubsabgeltung verpflichtet, bei dem der Arbeitnehmer zuletzt beschäftigt war.
7. Verfall der Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche
Die Urlaubsansprüche und die Urlaubsabgeltungsansprüche gemäß Nr. 6 verfallen mit Ablauf des Kalenderjahres, das auf das Jahr der Entstehung der Urlaubsansprüche folgt. § 15 ist ausgeschlossen.
8. Entschädigung
Nach Verfall der Urlaubsansprüche oder Urlaubsabgeltungsansprüche hat der Arbeitnehmer innerhalb eines weiteren Kalenderjahres Anspruch auf Entschädigung gegenüber der Kasse in Höhe der Urlaubsvergütung, soweit Beiträge für die Urlaubsansprüche des jeweiligen Urlaubsjahres bereits geleistet worden sind. Dieser Anspruch besteht auch dann, wenn bis zum Ablauf von vier Kalenderjahren nach dem Verfall Beiträge nachentrichtet werden und nicht für die Erstattung von Urlaubsvergütungen bzw. die Zahlung von Urlaubsabgeltungen verwendet worden oder zum Ausgleich für geleistete Erstattungen zu verwenden sind. §§ 366, 367 BGB finden keine Anwendung.“
Der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) TV Sozialkassenverfahren, Baugewerbe, Bundesrepublik vom 20.12.1999 (Bundesanzeiger Nr. 104a vom 15.07.2008) i. d. F. vom 05.12.2007, allgemeinverbindlich ab 01.01.2008, sah zur Urlaubsabgeltung vor:
„§ 14 Zahlung der Urlaubsabgeltung
(1) Die ULAK zahlt in den Fällen des § 8 Nr. 6.1 Buchst. a), b), d), e) und f) BRTV dem Arbeitnehmer auf dessen Antrag die Urlaubsabgeltung gemäß § 8 Nr. 6.2 BRTV aus. Die Urlaubsabgeltung wird abzüglich des darauf entfallenden Arbeitnehmeranteils an dem Beitrag zu den Systemen der sozialen Sicherheit und abzüglich der Lohnsteuer, soweit die ULAK zur Abführung der Lohnsteuer berechtigt ist, ausgezahlt. Die ULAK ist zur Pauschalierung des Arbeitnehmeranteils an dem Beitrag zu den Systemen der sozialen Sicherheit berechtigt, es sei denn, dieser kann aufgrund der Angaben des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers ermittelt werden.
(2) Die ULAK zahlt den einbehaltenen Arbeitnehmeranteil an dem Beitrag zu den Systemen der sozialen Sicherheit an den Arbeitgeber und führt die Lohnsteuer an die zuständige Finanzbehörde ab. Ist die ULAK dazu ermächtigt, so führt sie den Arbeitnehmeranteil an dem Beitrag zu den Systemen der sozialen Sicherheit statt dessen an die zuständige Einzugsstelle ab.
(3) Die ULAK bescheinigt dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer die Höhe der Urlaubsabgeltung, des an den Arbeitgeber gezahlten Arbeitnehmeranteils und der abgeführten Lohnsteuer.
(4) Hat die ULAK an den Arbeitgeber einen zu hohen oder einen zu niedrigen Arbeitnehmeranteil gezahlt, so hat ein entsprechender Ausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erfolgen.“
Mit dem Schreiben vom 27.04.2011 machte der Kläger gegenüber der Beklagten Urlaubsabgeltung für das Jahr 2007 und anteilig für das Jahr 2008 geltend, die er – nach Zurückweisung des Anspruchs durch die Beklagte mit Schreiben vom 11.05.2011 – in seiner am 03.06.2011 beim Arbeitsgericht Cottbus eingegangenen Klage mit 5.130,69 EUR brutto beziffert hat. Dabei berechnet er, ausgehend von der durchschnittlichen Bruttovergütung für die letzten drei Monate vor Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit, einen Urlaubstag mit 113,31 EUR zuzüglich eines Urlaubsgeldes von 30 % und hat den tariflichen Urlaub von 30 Tagen für 2007 und 6 Tagen für 2008 zugrunde gelegt sowie die Leistungen der ULAK angerechnet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit dem am 28.09.2011 verkündeten Urteil, auf dessen Tatbestand zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird (Bl. 36 bis 39 d.A.), abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen unter Hinweis auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Saarbrücken (vom 29.06.2011 – 2 Sa 2/11) ausgeführt: Die Beklagte sei nicht passiv legitimiert; der Anspruch auf Urlaubsabgeltung richte sich (allein) gegen die ULAK. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der Vorgaben von Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 2003/88/EG, der keine unmittelbare Drittwirkung zukomme. Auch im Wege richtlinienkonformer Auslegung des BRTV könne man nicht zu einem Direktanspruch des Klägers gegen seine (letzte) Arbeitgeberin kommen. Es könne nicht Aufgabe des Gerichts sein, ein in sich abgeschlossenes tarifliches System, welches keine unbewusste oder bewusste Lücke im Regelwerk aufweise, „umzubauen“. Über die Zulässigkeit einer Regelung wie in § 13 Abs. 2 BUrlG, die es den Tarifvertragsparteien ermöglicht, ein eigenständiges Regelungssystem zu Urlaubsfragen aufzustellen, sei eine Entscheidung des EuGH nicht getroffen. Einer Vorlage bedürfe es nicht, weil sich ein eventueller Anspruch nur gegen die ULAK richten könnte.
Gegen dieses ihm am 20.10.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger mit dem am 17.11.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz – teilweise – Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Frist bis zum 20.01.2012 – am 20.01.2012 begründet sowie der ULAK den Streit verkündet.
Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm stünde gegen die Beklagte ein Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs von 20 Tagen für 2007 und 5 Tagen für 2008, weil ihm dieser aufgrund fortlaufender Arbeitsunfähigkeit nicht habe gewährt werden können. Dies ergebe sich aus den vom EuGH entwickelten Grundsätzen. Mit der Öffnungsklausel in § 13 BUrlG könne der gesetzliche Mindesturlaub aufgrund der Wandlung der Rechtsprechung nicht zur Disposition gestellt werden. Das Versagen des Systems vor dem Hintergrund nicht zureichend geleisteter Beiträge könne nicht dazu führen, dass der Arbeitnehmer seinen gesetzlich garantierten Mindesturlaub bzw. dessen Abgeltung verliert. Dieser sei von den tariflichen Regelungen nicht erfasst. Jedenfalls bei Unterschreiten der beitragsgedeckten Leistung unter den gesetzlichen Urlaubsabgeltungsanspruch müsse letzterer sukzessive als Auffangregelung greifen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 28.09.2011 – 2 Ca 795/11 – teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.832,75 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.06.2011 zu zahlen.
Die Beklagte und die ihr beigetretene Streithelferin beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung mit Rechtsausführungen. Insbesondere hält sie den Vortrag des Klägers in Bezug auf die Möglichkeit der Urlaubsgewährung wegen nur eingeschränkter Arbeitsunfähigkeit für unschlüssig und den Anspruch jedenfalls für verfallen, weil bei Unanwendbarkeit der Regelungen in § 8 BRTV die allgemeine Ausschlussfrist gelte.
Die Nebenintervenientin hält die Öffnungsklausel in § 13 Abs. 2 BUrlG und die tariflichen Regelungen für anwendbar und verweist auf die bisher hierzu vorliegende Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG statthafte und nach dem Beschwerdewert gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG zulässige Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 518, 519 Abs. 1 und 3 ZPO.
2. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Dem Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Abgeltung von Urlaub nicht zu, so dass das Arbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat.
2.1 Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte für den Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers nicht passiv legitimiert ist.
2.1.1 Der Anspruch richtet sich gemäß § 8 Nr. 6.2 BRTV gegen die – hier wegen des Betriebssitzes in Brandenburg gemäß § 3 Abs. 1 VTV – zuständige ULAK. Der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitnehmer zuletzt beschäftigt wurde, hat nur im Fall des Bezugs von Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrente die Urlaubsabgeltung auszuzahlen, § 8 Nr. 6.2 Abs. 2 i. V. m. Nr. 6.1 c) BRTV.
2.1.2 Diese tarifliche Regelung bedarf keiner europarechtskonformen Auslegung und ist auch nicht wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unanwendbar.
2.1.2.1 Da sich der gesetzliche Urlaubsanspruch und auch der Urlaubsabgeltungsanspruch gegen den Arbeitgeber richtet, weichen die Regelungen in § 8 BRTV von § 1 und § 7 Abs. 4 BUrlG ab. Diese Abweichung ist jedoch durch die Öffnungsklausel in § 13 Abs. 2 BUrlG gedeckt. Die dort geregelte, weitergehende Dispositivität für Betriebe des Baugewerbes dient dem Zweck, den Arbeitnehmern in dieser Branche trotz häufiger Fluktuation einen zusammenhängenden Urlaub zu ermöglichen und zu sichern. Durch das Urlaubskassensystem werden die Lasten der jeweiligen Arbeitgeber auf den Anteil der jeweiligen Beschäftigungszeit reduziert in Form der Beitragszahlung nach § 18 Abs. 1 VTV. Anders als nach dem gesetzlichen Modell muss bei einer möglicherweise nur kurzen Beschäftigungsdauer weder nicht genommener Urlaub aus einem vorangegangenen Arbeitsverhältnis nachgewährt noch Urlaub „im Vorgriff“, also trotz späterem Ausscheiden gewährt werden mit der Belastung der vollen Urlaubsvergütung. Das System der Urlaubskasse sichert damit nicht nur die tatsächliche Möglichkeit, Urlaubsansprüche durchzusetzen, sondern auch die Zahlung der Urlaubsvergütung, indem der Anspruch gegen die Kasse gerichtet ist.
2.1.2.2 Diese Abweichung in der Person des Anspruchsgegners verstößt auch nicht gegen anwendbare europarechtliche Regelungen.
In Art. 7 der Richtlinie 2003/88 (Arbeitszeitrichtlinie) heißt es zum Jahresurlaub:
„(1) Die Mitgliedsstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.
(2) Der bezahlte Mindesturlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.“
Daraus ergibt sich – unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit dieser Richtlinie auf das Arbeitsverhältnis der Parteien – keine Vorgabe, gegen wen sich der Anspruch auf Urlaubsabgeltung zu richten hat. Im Übrigen ist die ULAK im Vergleich zu einem einzelnen Arbeitgeber der Baubranche als der sicherere Schuldner anzusehen, so dass es sich auch noch um eine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung darstellen würde.
2.2 Eine Haftung der Beklagten für den Urlaubsabgeltungsanspruch kann entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht daraus abgeleitet werden, dass die tariflichen Regelungen in § 8 BRTV im Falle einer länger andauernden Arbeitsunfähigkeit dadurch zu einer Unterschreitung des gesetzlichen Mindesturlaubs führen, dass einerseits bei der Berechnung der Beschäftigungstage Zeiten nach Ablauf des Krankengeldbezuges unberücksichtigt bleiben, § 8 Nr. 2.3 Satz 2 2. Spiegelstrich BRTV, und andererseits das Prinzip der Beitragsdeckung gilt, § 8 Nr. 6.2 Abs. 1 Satz 2 BRTV.
2.2.1 Die unter Nutzung der Öffnungsklausel in § 13 Abs. 2 BUrlG getroffenen tariflichen Regelungen zum Urlaub und zum Urlaubskassenverfahren sind nicht dahingehend zu verstehen, dass sie nur den tariflichen Urlaubs(abgeltungs-)anspruch erfassen. Sie sind entgegen der Ansicht des Klägers umfassend und lückenlos, so dass die gesetzlichen Regelungen in Bezug auf den Mindesturlaub nicht daneben angewandt werden können.
2.2.2 Die Kammer hat nicht darüber zu befinden, ob die gesetzliche Tariföffungsklausel und die Regelungen in § 8 BRTV die Zielvorgabe eines „bezahlten Mindesturlaubs von vier Wochen“ in Art. 7 Arbeitszeitrichtlinie ordnungsgemäß umsetzen.
2.2.2.1 Auch wenn letzteres nicht der Fall wäre, dürfte die Kammer die tariflichen Regelungen und § 13 Abs. 2 BUrlG nicht unangewendet lassen.
2.2.2.2.1 Nach der ständigen Rechtsprechung sowohl des EuGH (vgl. Urteil vom 24.01.2012 – C-282/10 – Dominguez, Nr. 37 m.w.N.) als auch des BAG (vgl. nur Urteil vom 17.11.2009 – 9 AZR 844/08 – Rn 19 ff. m.w.N.) sind einzelstaatliche Normen im Verhältnis zu einem privaten Arbeitgeber, wie der hiesigen Beklagten, grundsätzlich nur dann unangewendet zu lassen, wenn das nationale Recht gegen das Primärrecht oder anderes unmittelbar geltendes Recht der Gemeinschaften – etwa das Verordnungsrecht – verstößt; Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie kommt eine solche unmittelbare Wirkung nicht zu.
Richtlinien der Gemeinschaft wenden sich nach Art. 249 Abs. 3 EG an die Mitgliedsstaaten, die von der Richtlinie verfolgten Ziele innerhalb einer bestimmten Frist in nationales Recht umzusetzen. Sie wirken daher nicht direkt zwischen Bürgern, und zwar auch dann, wenn es sich um eine klare, genaue und unbedingte Richtlinienbestimmung handelt, mit der dem Einzelnen Rechte gewährt oder Verpflichtungen auferlegt werden sollen (EuGH, a.a.O., Nr. 42). Das Gemeinschaftsrecht enthält keinen Mechanismus, der es dem nationalen Gericht erlaubt, nationale Vorschriften zu „eliminieren“, die von der Regelung einer nicht oder unzureichend umgesetzten Richtlinie abweichen (BAG, a.a.O., Rn 22 m.w.N.).
2.2.2.2.2 An der fehlenden primärrechtlichen Grundlage hat sich für den vorliegenden Fall auch nichts dadurch geändert, dass der EU-Reformvertrag gem. dessen Art. 6 Abs. 2 nach Hinterlegung aller Ratifikationsurkunden am 01.12.2009 in Kraft getreten ist. Es kann offen bleiben, ob durch die Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 EUV, nach der die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EUGrdRCh) – mit deren Art. 31 zum Mindesturlaub – und die Verträge rechtlich gleichrangig sind, nunmehr eine primärrechtliche Grundlage gegeben ist. Diese wäre auf das bereits vor dem Inkrafttreten beendete Arbeitsverhältnis der Parteien nicht anwendbar.
Die Kammer 24 des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg hat in ihrer Entscheidung vom 09.03.2011 – 24 Sa 2315/10 – hierzu ausgeführt:
„Art. 6 des EU-Reformvertrages enthält keine Übergangsvorschrift und bestimmt insbesondere nicht eine Rückwirkung des Vertrages. Es sind daher die allgemeinen Regeln des intertemporalen Rechts anzuwenden.
Es gilt die allgemeine intertemporalen Grundregel, die auch Art. 170, Art. 232 § 1 und Art. 229 § 5 EGBGB zugrunde liegt, dass ein Rechtsverhältnis nur dem im Zeitpunkt seiner Entstehung gültigen Recht unterfällt (BAG 14. Dezember 1995 - 8 AZR 878/94 - AP AGB-DDR § 267 Nr. 1 = EzA AGB-DDR § 267 Nr. 1; BGH 27. Mai 1999 - VII ZR 245/97 - NZG 1999, 1179, 1181; 18. Oktober 1965 - II ZR 36/64 - BGHZ 44, 192, 194; 11. November 1953 - II ZR 181/52 - BGHZ 10, 391, 394). Die Anknüpfung an die lex prior will zum einem das subjektive Vertrauen der Parteien schützen, die das Schuldverhältnis einem bekannten Sachrecht unterstellt haben. Zum anderen soll verhindert werden, dass erworbene Vertragsrechte durch eine Gesetzesänderung entzogen werden. Erfolgt eine spätere Gesetzesänderung, hat sie grundsätzlich keine rückwirkende Kraft, es sei denn der Gesetzgeber hat dies ausdrücklich angeordnet (BAG 27.11.2003 - 2 AZR 177/03 - AP Nr. 2 zu § 312 BGB m.w.N.). Die bisherigen Vorschriften gelten in diesem Fall sowohl für die Entstehung des Schuldverhältnisses (beispielsweise die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes) als auch für dessen Inhalt und seine Wirkungen weiter (BAG 27.11.2003 - 2 AZR 177/03 – a.a.O.; BGHZ 44, 192, 194 = NJW 1966, 155, 156; BGH 11. November 1953 - II ZR 181/52 - BGHZ 10, 391).
Etwas anderes gilt jedoch für neue, von außen auf das Schuldverhältnis einwirkende und sich nicht aus seiner inneren Entwicklung ergebende Umstände. Die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden gesetzlichen Regelungen erfassen nicht mehr Tatbestände, die das Schuldverhältnis nachträglich verändern. In einem solchen Fall gilt das neue Recht (BAG 27.11.2003 - 2 AZR 135/03 - NZA 2004, 597 m.w.N.).“
Dem schließt sich die erkennende Kammer an. Bestätigt wird diese Auffassung, dass eine Rückwirkung des EU-Reformvertrages auf bereits beendete Arbeitsverhältnisse, in denen es um Urlaubsansprüche aus den Jahren 2007 und 2008 geht, nicht in Betracht kommt, dadurch, dass die EUGrdRCh in der Entscheidung des EuGH vom 24.01.2012 – C-282/10 – Dominguez, noch nicht einmal erwähnt wird.
Soweit der Kläger meint, die Kammer hätte die Frage der Vereinbarkeit des Urlaubskassensystems im Baubereich dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen müssen, verkennt er, dass sich der dem Vorlagebeschluss der Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (vom 16.06.2011 – 2 Sa 3/11 – Reimann) zugrunde liegende Sachverhalt wesentlich von dem vorliegenden unterscheidet: Dort war das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des EU-Reformvertrages noch nicht beendet und Urlaubsabgeltungsansprüche sind danach fällig geworden.
2.2.3 Die Öffnungsklausel in § 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BUrlG und die Tarifbestimmungen in § 8 BRTV können auch nicht richtlinienkonform ausgelegt oder fortgebildet werden.
Hierzu hat bereits das Bundesarbeitsgericht in einem vergleichbaren Fall zum Urlaubskassenverfahren in Bayern (Urteil vom 17.11.2009 – 9 AZR 844/08) ausgeführt:
„3. a) Das innerstaatliche Gericht muss das nationale Recht so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auslegen, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen und damit Art. 249 Abs. 3 EG zu genügen (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 60, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2; kritisch zum Begriff der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung wegen der nötigen Prüfung der Vereinbarkeit der anzuwendenden Norm mit höherrangigem oder umzusetzendem Recht Höpfner/Rüthers AcP 209, 1, 21 ff.). Das heißt, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts regelmäßig davon auszugehen haben, dass der Mitgliedstaat den Verpflichtungen, die sich aus der Richtlinie ergeben, in vollem Umfang nachkommen wollte. Ermöglicht es das nationale Recht durch Anwendung seiner Auslegungsmethoden, eine innerstaatliche Bestimmung so auszulegen, dass eine Kollision mit einer anderen Norm innerstaatlichen Rechts vermieden wird, sind die nationalen Gerichte verpflichtet, die gleichen Methoden anzuwenden, um das von der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn die nationalen Gerichte die Reichweite der innerstaatlichen Bestimmung zu diesem Zweck einschränken müssen (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 62 f., aaO; 5. Oktober 2004 - C-397/01 bis C-403/01 - [Pfeiffer ua.] Rn. 111 f., 115 ff., Slg. 2004, I-8835). Diese Pflicht zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung gilt für alle Vorschriften des nationalen Rechts (vgl. nur EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 61, aaO).
b) Die Verpflichtung zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung ist jedoch durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze, insbesondere durch den Grundsatz der Rechtssicherheit, beschränkt. Sie darf nicht als Grundlage für eine Auslegung des nationalen Rechts „contra legem“ dienen (vgl. für die st. Rspr. EuGH 16. Juli 2009 - C-12/08 - [Mono Car Styling] Rn. 61, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 98/59 Nr. 2; zu den Grenzen richtlinienkonformer Auslegung auch BAG 18. Februar 2003 - 1 ABR 2/02 - zu B IV 3 b dd der Gründe, BAGE 105, 32).
c) Diese Grenze wäre überschritten, wenn der Senat die Öffnungsklauseln in § 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BUrlG und die Tarifbestimmungen in § 3 Nr. 1, § 5 Nr. 1 Abs. 2 1. Alt., Nr. 2 Abs. 1 Buchst. a, Nr. 3 der Urlaubsregelung dahin auslegte oder fortbildete, dass jeder in den Geltungsbereich der Tarifvorschrift fallende Arbeitnehmer während des Mindestjahresurlaubs Anspruch auf Fortzahlung des gewöhnlichen Arbeitsentgelts ohne Minderung bspw. durch Zeiten der Kurzarbeit hat. Eine solche Auslegung oder Rechtsfortbildung widerspräche Wortlaut, Systematik, Zweck und Gesetzesgeschichte der innerstaatlichen Regelungen.
aa) Eine einschränkende Gesetzesauslegung im engeren Sinn setzt eine Rechtsfindung innerhalb des Wortlauts der nationalen Norm voraus (zu diesem Begriff BGH 26. November 2008 - VIII ZR 200/05 - Rn. 20, BGHZ 179, 27; siehe auch Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 60 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15).
bb) Eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung zB durch teleologische Reduktion scheitert nicht notwendig an der Grenze des Wortlauts (zum parallelen Problem der verfassungskonformen Auslegung BVerfG 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 - zu D I der Gründe, BVerfGE 93, 37; zur richtlinienkonformen Auslegung BAG 24. Januar 2006 - 1 ABR 6/05 - Rn. 43, BAGE 117, 27). Der Begriff der Auslegung „contra legem“ ist funktionell zu verstehen. Er meint den Bereich, in dem eine richterliche Rechtsfindung unzulässig ist, weil sie eine eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen ändern will und damit - nach deutschem Verfassungsrecht - die Bindung der Gerichte an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie das Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) verletzt. Wird diese Grenze nicht überschritten, ist das nationale Recht richtlinienkonform fortzubilden, wo es nötig und möglich ist (zu einer durchgeführten Rechtsfortbildung Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 65, AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15 mit Bezug auf BGH 26. November 2008 - VIII ZR 200/05 - Rn. 21 und 29 ff. mwN, BGHZ 179, 27; methodisch ablehnend dazu Kamanabrou SAE 2009, 233, 234 ff.; Krieger/Arnold NZA 2009, 530, 531; zur „gemeinschaftsrechtsfreundlichen Entscheidungsfindung“ Abele RdA 2009, 312, 314 f.).
cc) Hier scheidet selbst das weitergehende methodische Instrument der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung aus. Sie verletzte die Gesetzesbindung und das Gewaltenteilungsprinzip. Die Öffnungsklauseln in § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 BUrlG sind nach Wortlaut, Zusammenhang, Zweck und Gesetzesgeschichte weder planwidrig lückenhaft noch unvollständig. Die Richtungsentscheidung des nationalen Gesetzgebers ist eindeutig.“
Dem ist nichts hinzuzufügen.
2.3 Die Berufung war hiernach in vollem Umfang zurückzuweisen. Ob die Streitverkündete, die ULAK, die Urlaubsabgeltungs- und Entschädigungsansprüche des Klägers zutreffend berechnet hat, war nicht zu entscheiden.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs.2 Ziffer 1 ArbGG.