Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat | Entscheidungsdatum | 10.10.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 2 N 103.09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 57 Abs 2 VwGO, § 58 Abs 1 VwGO, § 60 Abs 1 VwGO, § 60 Abs 2 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 124a Abs 4 S 4 VwGO, § 124a Abs 4 S 5 VwGO, § 173 VwGO, § 85 Abs 2 ZPO, § 222 Abs 1 ZPO, § 187 Abs 1 BGB, § 188 Abs 2 Alt 1 BGB, § 35 BauGB, § 82 Abs 1 BauO BB |
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 7. Mai 2009 wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5 000 EUR festgesetzt.
1. An der Zulässigkeit des Antrags auf Zulassung der Berufung bestehen Zweifel.
Der anwaltlich vertretene Kläger hat nicht - wie es nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erforderlich ist - innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils die Gründe dargelegt, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Der Begründungsschriftsatz des Klägers vom 9. Dezember 2009 ist bei dem beschließenden Gericht erst am 16. Dezember 2009 und damit nach dem Ablauf der Begründungsfrist eingegangen, die durch die ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung in dem am 9. Oktober 2009 zugestellten Urteil gemäß § 58 Abs. 1 VwGO in Lauf gesetzt wurde und mit Ablauf des 9. Dezember 2009, einem Mittwoch (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB) endete.
Ob dem Kläger die mit am 21. Dezember 2009 eingegangenem Schriftsatz wegen dieser Fristversäumung rechtzeitig beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren ist, erscheint nicht zweifelsfrei. Ohne Verschulden ist eine Frist nur dann versäumt, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt angewendet hat, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falls zuzumuten ist. Zu den Pflichten eines Prozessbeteiligten gehört, dass er seine Schriftsätze so adressiert und absendet, dass sie rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingehen, wenn dort Fristen einzuhalten sind (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. September 2010 – OVG 2 N 71.10 –, juris Rn. 2). Dies hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers versäumt, indem er den Begründungsschriftsatz entgegen der sich aus § 124 a Abs. 4 Satz 5 VwGO ergebenden gesetzlichen Anforderung der Einreichung beim Oberverwaltungsgericht an das Verwaltungsgericht adressiert hat und wegen der Übermittlung am Nachmittag des letzten Tages der Frist auch nicht damit rechnen konnte, dass der Schriftsatz bei einer Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang noch rechtzeitig beim Oberverwaltungsgericht eingehen würde. Ob der Kläger mit der Schilderung einer bei seinem Prozessbevollmächtigten plötzlich aufgetretenen Erkrankung und einer damit einhergehenden Konzentrationsstörung gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO Tatsachen glaubhaft gemacht hat, die die Einschätzung rechtfertigen, dass die fehlerhafte Adressierung an das Verwaltungsgericht letztlich nicht im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO auf einem dem Kläger sich nach § 173 VwGO, § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruhte, oder ob er hierfür zumindest auch hätte darlegen müssen, dass dem Prozessbevollmächtigten die Unterbevollmächtigung eines anderen Rechtsanwalts nicht mehr rechtzeitig möglich war, lässt der Senat dahinstehen, da es hierauf im Ergebnis nicht ankommt.
2. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. Ein Grund, die Berufung zuzulassen (§ 124 Abs. 2 VwGO), ist auf der Grundlage der im Hinblick auf das Darlegungserfordernis (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) allein maßgeblichen Ausführungen des Klägers nicht gegeben.
a) Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt. Mit der Begründung des Zulassungsantrags wird weder ein einzelner tragender Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt.
Ohne Erfolg beanstandet der Kläger die die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragende Annahme, dass die baulichen Anlagen, die von der Beseitigungsverfügung des Beklagten vom 2. April 2002 erfasst werden, nicht einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dienten. Das Verwaltungsgericht hat insoweit sowohl das Vorhandensein eines nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierten landwirtschaftlichen Betriebes (UA S. 9 f.) als auch die einem solchen Betrieb dienende Funktion der vom Kläger genutzten Anlagen verneint (UA S. 8 f.). Hinsichtlich des zuletzt genannten Tatbestandsmerkmals ist die Vorinstanz – durch das Zulassungsvorbringen insoweit unbeanstandet - von der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 1972 – 4 C 9.70 -, BVerwG 41, 138) ausgegangen, der zufolge ein Vorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nur dann „dient", wenn ein vernünftiger Landwirt - auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs - dieses Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde und das Vorhaben durch diese Zuordnung zu dem konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt wird. Mit der hieran anknüpfenden Annahme des Verwaltungsgerichts, dass es im vorliegenden Fall an beiden Voraussetzungen fehle, setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht in einer den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise auseinander. Dass die pauschale, in der Begründung des Zulassungsantrags nicht weiter erläuterte Vermutung, das Verwaltungsgericht habe sich „von dem negativen äußerlichen Eindruck von den Baulichkeiten im Ortstermin leiten lassen“, hierzu nicht ausreicht, bedarf keiner Vertiefung. Mit dem auf eine „Bilddokumentation“ gestützten Hinweis, dass „auch viele andere Landwirte in der näheren Umgebung des Klägers Baulichkeiten vergleichbarer Art für deren Viehzucht errichtet“ hätten, wird das Darlegungserfordernis ebenfalls nicht erfüllt. Abgesehen davon, dass sich auf der Grundlage der Angaben des Klägers schon nicht nachvollziehen lässt, ob die auf den von ihm eingereichten Fotos abgebildeten Zelte, Einfriedungen, Aufschüttungen, Bauwagen, Container, „festen Bauten“, Unterstände, Toiletten und anderen Anlagen überhaupt landwirtschaftlichen Zwecken dienen, hätte es dem Kläger oblegen, im Einzelnen darzulegen, welchen konkreten betrieblichen Verwendungszeck die von ihm genutzten baulichen Anlagen haben; denn nur anhand derartiger Angaben ließe sich prüfen, ob das konkrete Vorhaben - wie nach der erwähnten Rechtsprechung erforderlich (vgl. BVerwG, a.a.O., S. 141) - nach seiner Beschaffenheit, Gestaltung oder Ausstattung durch den genannten Verwendungszweck erschöpfend geprägt wird. Dass die von der angefochtenen Beseitigungsverfügung des Beklagten erfassten baulichen Anlagen durch die Zuordnung zu einem landwirtschaftlichen Betrieb äußerlich erkennbar geprägt werden, versteht sich keineswegs von selbst; denn es handelt sich durchgehend um Anlagen, die bei abstrakter Betrachtung zumindest auch oder sogar in erster Linie bloßen Freizeit- oder sonstigen, landwirtschaftsfremden Zwecken zu dienen bestimmt sind. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die sechs Wohnwagen (Nr. 6 der Verfügung vom 2. April 2002), das Wochenendhaus (Nr. 7 der Verfügung) und den Bauwagen (Nr. 9 der Verfügung); aber auch die übrigen in dem Bescheid genannte Anlagen (Einfriedungen, drei Unterstände, ein Schuppen mit angebautem Unterstand, ein Hundezwinger, eine mobile Toilette, eine Brücke, drei Schuppen, ein Gebäude inklusive einer Überdachung, eine Vogelvoliere, zwei Gewächshäuser und eine Schuppenanlage) lassen sich nach ihrer erkennbaren Beschaffenheit, Gestaltung und Ausstattung jedenfalls nicht eindeutig einem landwirtschaftlichen Betrieb zuordnen, solange die konkrete Zweckbestimmung ungeklärt bleibt.
Hat der Kläger mithin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der die angefochtene Entscheidung selbstständig tragenden Annahme des Verwaltungsgerichts dargelegt, dass es den streitgegenständlichen baulichen Anlagen an der einem landwirtschaftlichen Betrieb dienenden Funktion fehle, kann offen bleiben, ob das Zulassungsvorbringen Erfolg gehabt hätte, soweit es sich – in erster Linie – gegen die weitere Annahme der Vorinstanz richtet, es fehle schon an den Voraussetzungen eines nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierten landwirtschaftlichen Betriebes, da weder eine auf Dauer berechnete wirtschaftliche Betriebsplanung mit einer gewissen Organisation noch ein für eine auf Dauer lebensfähige Bewirtschaftung ausreichendes Eigenkapital vorhanden sei. Auf die weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu der wegen der Beeinträchtigung öffentlicher Belange im Sinne des § 35 Abs. 2 und 3 BauGB fehlenden Genehmigungsfähigkeit des nicht privilegierten Vorhabens des Klägers sowie die vom Verwaltungsgericht bejahten übrigen Voraussetzungen der auf § 82 Abs. 1 BbgBO a.F. gestützten Beseitigungsverfügung geht das Zulassungsvorbingen nicht ein.
b) Aus den unter a) genannten Gründen weist die Rechtssache auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Mit seinem Vorbringen zu diesem Zulassungsgrund wiederholt der Kläger im Wesentlichen lediglich seine Kritik an der erstinstanzlichen Entscheidung und bekräftigt seine Auffassung, dass sämtliche zu beseitigenden Baulichkeiten für seinen Betrieb „unbedingt erforderlich“ seien. Es wird jedoch weder eine Tatsachen- oder Rechtsfrage konkret bezeichnet noch erläutert, warum deren Beantwortung im vorliegenden Fall mit besonderen Schwierigkeiten verbunden sein könnte. Aus den Überlegungen des Klägers zur Subventionierung und zum Strukturwandel landwirtschaftlicher Betriebe ergeben sich schon mangels Entscheidungserheblichkeit keine besonderen Schwierigkeiten, die die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich machen würde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG. Bei der Bewertung des Interesses des Klägers an der Aufhebung der Beseitigungsverfügung ist von Ziffer 9.5 des - im Interesse der Vorhersehbarkeit der Kostenfolgen und damit der Rechtssicherheit sowie der Gleichbehandlung – vom Senat regelmäßig herangezogenen Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von Juli 2004 (DVBl. 2004, 1525) auszugehen, der für die Klage gegen eine Beseitigungsanordnung einen Streitwert in Höhe des Zeitwerts der zu beseitigenden Substanz plus Abrisskosten vorsieht. Hiervon ausgehend hält der Senat den Betrag der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung auch für das Zulassungsverfahren für angemessen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).