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Entscheidung L 31 AS 2118/17 B


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 31. Senat Entscheidungsdatum 04.06.2018
Aktenzeichen L 31 AS 2118/17 B ECLI ECLI:DE:LSGBEBB:2018:0604.L31AS2118.17B.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 105 SGG, § 158 SGG, § 169 SGG

Leitsatz

Das Sozialgericht darf über einen unzulässigen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Beschluss entscheiden.

Tenor

Die Beschwerde der KIäger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 28. August 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit eines Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf einen ergangenen Gerichtsbescheid.

I.

Mit Gerichtsbescheid vom 30. September 2015 hat das Sozialgericht Cottbus die auf höhere Arbeitslosengeld II-Leistungen im Zeitraum vom 1. Februar 2014 bis 30. Juni 2014 (5 Monate) gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es fehle an einer Vollmacht des Prozessbevollmächtigten. Gegen den Gerichtsbescheid finde die Berufung statt. Die Kläger begehrten im streitigen Zeitraum die Gewährung von Leistungen ohne Einkommensanrechnung oder Anrechnung in anderer Höhe. Da im streitgegenständlichen Zeitraum Einkommen in Höhe von 3.940 Euro angerechnet worden sei, übersteige der Wert des Beschwerdegegenstandes jedenfalls 750 Euro.

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2015 haben die Kläger Berufung eingelegt, die sie selbst für nicht statthaft gehalten haben. Das Sozialgericht habe einen Streitwert von 5.000 Euro festgesetzt. Eine solche Beschwerde ergebe sich aber nicht, denn im Widerspruchsverfahren habe der Prozessbevollmächtigte – ohne jede Begründung – die Erhöhung der Leistungen um 5 Euro beantragt. Mit Schreiben vom selben Tag haben die Kläger auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf den Gerichtsbescheid beantragt.

Im Berufungsverfahren L 29 AS 2644/15 hat der Berichterstatter des 29. Senats mit Schreiben vom 11. Oktober 2016 darauf hingewiesen, dass der Prozessbevollmächtige weder im Klage- noch im Berufungsverfahren einen konkreten Antrag gestellt habe und insbesondere den geltend gemachten Betrag nicht beziffert habe. Der Prozessbevollmächtigte sei daher seiner Obliegenheit nach § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht ansatzweise nachgekommen, so dass auch für das Gericht der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht mit der erforderlichen Gewissheit ermittelbar sei. Folglich könne die Statthaftigkeit der Berufung nicht geklärt werden, dies müsse nach den Grundsätzen der so genannten objektiven Beweislast zu Lasten der Kläger gewertet werden. Die Berufung sei daher nach § 158 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Daraufhin haben die Kläger die Berufung zurückgenommen und sich auf den Antrag zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2015 bezogen.

Daraufhin hat das Sozialgericht Cottbus den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf den Gerichtsbescheid vom 30. September 2015 durch Beschluss vom 28. August 2017 als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach § 105 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGG sei der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nur dann statthaft, wenn die Berufung nicht statthaft sei. Vorliegend sei die Berufung jedoch statthaft, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteige 750 Euro. Zur Begründung werde auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid verwiesen. Wegen der Unstatthaftigkeit des Antrages habe das Gericht in entsprechender Anwendung der §§ 158 Satz 2, 169 Satz 3 SGG im schriftlichen Verfahren durch Beschluss entschieden (vgl. Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 11. Auflage § 105 Rdnr. 24 m.w.N.).

Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 30. August 2017 zugestellten Bescheid wenden sich die Kläger mit ihrer Beschwerde vom 2. Oktober 2017 (Montag).

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, da das Sozialgericht den Antrag der Kläger vom 16. Oktober 2015 auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf den Gerichtsbescheid vom 30. September 2015 (S 41 AS 1503/14) zu Recht als unzulässig verworfen hat, da statthaftes Rechtsmittel gegen den angefochtenen Gerichtsbescheid die Berufung war, die die Kläger unter dem 16. Oktober 2015 auch eingelegt hatten (vgl. Berufungsverfahren L 29 AS 2644/15).

Die Beschwerde ist form- und fristgerecht erhoben. Ihre Zulässigkeit scheitert auch nicht daran, dass das Sozialgericht durch Urteil an Stelle eines Beschlusses zu entscheiden gehabt hätte.

Der Senat folgt weiter der ganz herrschenden Meinung, wonach ein Antrag auf mündliche Verhandlung, der verspätet gestellt oder aus anderen Gründen unzulässig ist, durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen ist (vgl. Roller in Lüdtke, Sozialgerichtsgesetz, Dritte Auflage, § 105, Rdnr. 16 mit weiteren Nachweisen).

Der Senat folgt nicht der von Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, Kommentar, 12. Auflage, § 105 Rdnr. 24 nunmehr vertretenen Auffassung, ein Antrag auf mündliche Verhandlung könne nicht wie unzulässiges Rechtsmittel durch Beschluss verworfen werden, weil es an den Voraussetzungen einer Analogie nach §§ 158 Satz 2, 169 Satz 3 SGG fehle. Vielmehr könnten die Sozialgerichte in keinem Fall durch Beschluss entscheiden. Die so begründete und in Abkehr von der vorab noch in der 11. Auflage vertretenen Auffassung überzeugt nicht.

Die Auffassung würde dazu führen, dass auf jeden Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung – sei er offensichtlich unzulässig oder nicht – eine mündliche Verhandlung durchzuführen wäre, die dann im Regelfall mit einem Urteil zu beenden wäre. Eine solche Auslegung des § 105 SGG widerspricht nach Auffassung des Senats dessen Wortlaut. Denn dort ist in Satz 2 ausdrücklich ausgeführt, dass eine mündliche Verhandlung (nur) dann beantragt werden kann, wenn die Berufung nicht gegeben ist. Die Beschränkung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf den Fall einer nicht statthaften Berufung wäre aber im Ergebnis wirkungslos, wenn das Sozialgericht auf jeden Antrag durch Urteil zu entscheiden hätte und somit auch eine mündliche Verhandlung durchführen müsste (vom Fall der Zustimmung zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 SGG einmal abgesehen). Deshalb ist weiter davon auszugehen, dass das Sozialgericht unzulässige Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Beschluss verwerfen kann.

Vorliegend steht aus der Sicht des Senats auch fest, dass die Berufung gegeben war. Dies ergibt die Auslegung des gesamten Vortrages nach dem Grundsatz der so genannten Meistbegünstigung (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 92 Rdnr. 12). Danach muss eine Klagebeschränkung eindeutig erklärt werden bzw. eindeutig zum Ausdruck kommen.

Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Klage mit Schriftsatz vom 27. Februar 2015 dahin begründet, dass das im maßgeblichen Zeitraum anzurechnende Einkommen fehlerhaft ermittelt worden sei. Nach dem gerade zitierten Meistbegünstigungsgrundsatz muss daher – angesichts einer im Weiteren fehlenden Begründung der fehlerhaften Einkommensanrechnung – davon ausgegangen werden, dass die gesamte Einkommensanrechnung angefochten werden sollte. Dies hat das Sozialgericht Cottbus in dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 30. September 2015 zutreffend erkannt und ausgeführt. So wurden entsprechend den Ausführungen im Widerspruchsbescheid für den Sohn im Februar 2014 421 Euro und im Zeitraum von März bis Juni 2014 477 Euro angerechnet. Da dieses aus Unterhalt und Kindergeld sich zusammensetzende Einkommen den Bedarf überschritt, wurden die Überhänge bei den anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft angerechnet. Somit ergibt sich, dass das Sozialgericht im Ergebnis zu Recht ausgeführt hat, dass das angerechnete Einkommen jedenfalls 750 Euro übersteigt.

Der Prozessbevollmächtigte muss es sich zurechnen lassen, dass er die angeblich fehlerhafte Einkommensanrechnung in keiner Weise begründet hat und das Gericht die Klageanträge somit im Sinne des Meistbegünstigungsprinzips auslegen muss. Es spricht auch nichts dafür, dass eine komplett fehlerhafte Einkommensanrechnung in der gesamten Höhe von vornherein ausgeschieden wäre, so dass das Meistbegünstigungsprinzip nicht zur Anwendung hätte kommen dürfen. Denn es ist durchaus denkbar, dass ein Unterhalt in bestimmten Monaten nicht gezahlt wurde und auch im Hinblick auf das Kindergeld kann es jeweils zu rechtlich relevanten Änderungen kommen, die zum Wegfall des Kindergeldes führen können.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten, dass er im Widerspruchsverfahren ohne jede Begründung fünf Euro mehr an Leistungen gefordert habe. Allein dieses Vorbringen besagt nichts über die im Klageverfahren geltend gemachten Beträge aus.

Nichts anderes ergibt sich weiter daraus, dass der Berichterstatter des 29. Senates die Situation um die Feststellung des Beschwerdewertes unter Beweislastgesichtspunkten anders gesehen hat. An richterliche Schreiben des Berichterstatters des 29. Senats ist der erkennende Senat nicht gebunden.

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 28. August 2017 war daher zurückzuweisen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 193 SGG).

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).