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Tierschutz; Hundepension und Reithof; tierschutzwidrige Zustände; vorübergehende Schließung der Hundepension; Anordnung der Herstellung eines einwandfreien baulichen Zustandes der Hundepension; Bestimmtheit der Anordnung; Klarstellung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren; Reduzierung des Pferdebe-standes; mangelnde Bestimmtheit der Anordnung; Hauptsachenerledigung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 16.12.2013
Aktenzeichen OVG 5 S 5.13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 80 Abs 2 S 1 Nr 4 VwGO, § 146 Abs 4 S 6 VwGO, § 26 Abs 2 VwVfG

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. In diesem Umfang ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. Januar 2013 wirkungslos.

Im Übrigen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. Januar 2013 auf die Beschwerde des Antragsgegners mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert und der Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen die Antragstellerin zu 2/3 und der Antragsgegner zu 1/3.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

1. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in dem Bescheid des Bezirksamts Spandau von Berlin vom 15. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2012 zum Geschäftszeichen OrdVetLeb20 - 12-0326 (Hundepension) angeordnete Rückgabe bzw. Vermittlung der Pensionstiere sowie gegen die in dem Bescheid des Bezirksamts Spandau von Berlin vom 15. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2012 zum Geschäftszeichen OrdVetLeb20 - 12-0327 (Pferdehaltung) angeordnete Reduzierung der Anzahl gehaltener Hengste und des Gesamtbestandes an Pferden übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und der Beschluss des Verwaltungsgerichts für wirkungslos zu erklären (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 ZPO).

2. Im Übrigen ist die Beschwerde begründet.

Das Beschwerdevorbringen, das allein Gegenstand der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt eine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung, soweit das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in dem Bescheid des Bezirksamts Spandau von Berlin vom 15. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2012 zum Geschäftszeichen Ord VetLeb20 - 12-0326 (Hundepension) getroffene Anordnung der vorläufigen Schließung der Hundepension, bis der einwandfreie bauliche und hygienische Zustand in allen Räumen hergestellt und eine Freigabe zum weiteren Betrieb durch das Veterinäramt Spandau erfolgt ist, wiederhergestellt hat.

Das Beschwerdevorbringen weckt Zweifel an der Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach sich die Anordnung bei der gebotenen summarischen Prüfung als rechtswidrig erweise, weil es ihr hinsichtlich der verlangten Herstellung eines einwandfreien baulichen Zustandes in allen Räumen an der gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG Bln i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG - VwVfG - gebotenen Bestimmtheit fehle. Das Bestimmtheitsgebot erfordert nicht, dass sich der Inhalt eines Verwaltungsakts allein aus dem Tenor oder der beigefügten Begründung präzise ergibt. Vielmehr richtet sich der Maßstab für die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach dem jeweiligen materiellen Recht sowie den Beteiligten bekannten und ohne weiteres erkennbaren Umständen des Einzelfalls (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage 2012, § 37 Rn. 6 m.w.N.). Die Beschwerde verweist zu Recht darauf, dass die Hundepension der Antragstellerin schon seit mehreren Jahren den Anforderungen der Tierschutz-Hundeverordnung - TierSchHuV - nicht genügt und der Antragstellerin in der Vergangenheit wiederholt von der amtlichen Tierärztin des Antragsgegners erläutert worden ist, welche hygienischen und baulichen Voraussetzungen für den Betrieb ihrer Hundepension zu erfüllen sind. So wurde die Antragstellerin schon bei den Kontrollen am 9. und 12. November 2007 von der Amtstierärztin über die notwendige Beschaffenheit der Fußböden, Wände, Türen und Türrahmen in der Hundepension belehrt; zudem wurden ihr am 28. Oktober 2010 die Vollzugshinweise zur Tierschutz-Hundeverordnung ausgehändigt, die u.a. Vorgaben zum Halten in Räumen enthalten. Auch bei den in jüngerer Zeit durchgeführten amtstierärztlichen Kontrollen in der Hundepension am 2. April 2012, 25. Juli 2012 und 6. August 2012 sind bauliche und hygienische Mängel festgestellt worden, die die Amtstierärztin konkret dargelegt hat und deren Beseitigung der Antragstellerin durch mündliche Anordnungen aufgegeben worden ist. Vor diesem Hintergrund vermag der Einwand der Antragstellerin, ihr sei unklar, was von ihr verlangt werde, nicht zu überzeugen.

Letztlich kann die Beantwortung der Frage, ob die angeordnete Herstellung „eines einwandfreien baulichen Zustandes“ unbestimmt ist, dahingestellt bleiben, weil ein etwaiger Mangel der Unbestimmtheit jedenfalls durch das Beschwerdevorbringen geheilt worden ist. Einer Behörde ist es unbenommen, einen unklaren Verwaltungsakt zu präzisieren und seine hinreichende Bestimmtheit - auch durch Erklärung gegenüber dem Gericht - nachträglich herbeizuführen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21. Juni 2006 - BVerwG 4 B 32.06 -, juris Rn. 1, und Urteil vom 2. Juli 2008 - BVerwG 7 C 38.07 -, juris Rn. 18). Der Antragsgegner hat in seiner Beschwerdebegründung die hygienischen und insbesondere die baulichen Anforderungen an den Betrieb der Tierpension der Antragstellerin zusammengefasst, die bereits in dem angefochtenen Bescheid vom 15. August 2012 sowie den dort in Bezug genommenen Vorschriften der Tierschutz-Hundehalterverordnung und den vorangegangenen mündlichen Anordnungen genannt worden sind. Danach müssen zur Herstellung hygienischer Verhältnisse sämtliche Räume in der Hundepension, in denen sich Hunde aufhalten, Fußböden mit glatter, geschlossener, verletzungsfreier und leicht zu reinigender Oberfläche aufweisen. Dasselbe gilt für die Wände (bis zu einer Höhe in etwa 1,50 m), Türen, Türzargen sowie Türscharniere, wobei Metallteile gegen ein Durchrosten zu schützen sind. Weiterhin müssen die Räume, in denen Hunde untergebracht werden, gemäß § 5 TierSchHuV über natürliches Tageslicht, ausreichende Frischluftversorgung und eine Heizung verfügen. Schließlich wird gefordert, dass die Hunde in geschlossenen Räumen freie Sicht nach draußen haben müssen. Dass die in Rede stehende Anordnung mit diesem Inhalt vollstreckungsfähig und für die Antragstellerin als Adressatin so vollständig, klar und unzweideutig ist, dass sie ihr Verhalten danach ausrichten kann, zeigt die Beschwerdeerwiderung der Antragstellerin, die darauf verweist, dass die in „der Beschwerdebegründung aufgeführten baulichen und hygienischen Anforderungen seit der vollständigen Sanierung der Hundepension erfüllt“ seien.

Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der auf § 16a Satz 2 Nr. 1 TierSchG gestützten Anordnung. Die vorläufige Schließung der Hundepension der Antragstellerin bis zur Herstellung eines einwandfreien baulichen und hygienischen Zustandes dient der tiergerechten Haltung und Betreuung im Sinne des § 2 TierSchG. Gegen die Verhältnismäßigkeit der vorläufigen Schließung bestehen keine ernsthaften Bedenken im Hinblick darauf, dass bei den seit 2007 durchgeführten amtstierärztlichen Überprüfungen der Hundepension, die u.a. zu einem zwischenzeitlichen Widerruf der Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Tierhaltung am 3. Dezember 2007 geführt haben, wiederkehrend hygienische und bauliche Mängel festgestellt worden sind und es der Antragstellerin trotz der daraufhin ergangenen zahlreichen mündlichen und schriftlichen Anordnungen im Rahmen des laufenden Betriebes der Hundepension nicht gelungen ist, tierschutzgerechte Haltungs- und Betreuungsbedingungen herzustellen. Der Einwand der Antragstellerin, die angeordneten Maßnahmen seien bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheides umgesetzt worden, sodass für eine Schließung der Hundepension keine tierschutzrechtliche Notwendigkeit bestehe, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Antragstellerin übersieht, dass auch die amtstierärztliche Kontrolle am 8. April 2013 erhebliche Hygienemängel in den Räumen der Hundepension aufgezeigt hat, die von ihr nicht substanziiert bestritten worden sind.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Hinsichtlich der ursprünglich beantragten Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die angeordnete Rückgabe bzw. Vermittlung der Pensionstiere hat der Senat im Rahmen des § 161 Abs. 2 VwGO berücksichtigt, dass der Antrag mangels Rechtsschutzinteresse als unzulässig zu verwerfen gewesen wäre, weil der Antragsgegner insoweit die sofortige Vollziehung nicht ausdrücklich angeordnet hat. Demgegenüber wäre die Beschwerde ohne die übereinstimmenden Hauptsachenerledigungserklärungen ohne Erfolg geblieben, soweit sich der Antragsgegner dagegen gewendet hat, dass das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnungen, die Anzahl der gehaltenen Hengste und den Gesamtbestand der Pferde zu reduzieren, wiederhergestellt hat. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Forderung des Antragsgegners, den Gesamtbestand der Pferde in Relation zur vorhandenen Fläche zu reduzieren und hierzu die Leitlinien zur Pferdehaltung zu beachten sowie etwaige Maßnahmen mit dem Veterinäramt Spandau abzustimmen, sei nicht hinreichend bestimmt i.S.d. § 37 Abs. 1 VwVfG, ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht zu beanstanden. Denn ausgehend von den Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 9. Juni 2009, Ziffer 4.7 (Auslauffläche bis zwei Pferde mindestens 150 qm, bei mehr als zwei Pferden für jedes Pferd zusätzlich 40 qm) war für die bei Erlass des Bescheides am 15. August 2012 auf dem Pferdehof gehaltenen 36 Equiden und selbst für die bei Erlass des Widerspruchsbescheides am 28. Dezember 2012 auf dem Pferdehof befindlichen 42 Equiden eine ausreichende Auslauffläche vorhanden, da das insgesamt 7 600 qm große Grundstück der Antragstellerin nach deren unwidersprochenem Vortrag über eine 800 qm große Reithalle, eine 1 000 qm große Auslauffläche, eine weitere Außenfläche von 400 qm sowie über einen Paddock verfügt. Eine aus Sicht der Beschwerde bestehende Unmöglichkeit der „Zuordnung von X Pferden zu X Fläche“ rechtfertigt nicht den Verzicht von Vorgaben für die angeordnete Bestandsreduzierung. Dass diese in Zusammenarbeit mit dem Veterinäramt vorgenommen werden soll, vermag allenfalls eine Mitwirkungspflicht der Antragstellerin in einem dem Erlass eines Verwaltungsakts vorausgehenden Verwaltungsverfahren zu begründen (vgl. § 26 Abs. 2 VwVfG), nicht jedoch den Mangel an Bestimmtheit des hier bereits ergangenen Bescheides zu heilen. Entgegen der Ansicht der Beschwerde ist auch nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die Erfolgsaussichten der Klage gegen die angeordnete Reduzierung der Anzahl gehaltener Hengste auf maximal ein Tier als offen angesehen und insoweit zur Vermeidung der Schaffung vollendeter Tatsachen die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt hat. Zwar erfülle die Anordnung das Bestimmtheitserfordernis, doch stehe sie in Abhängigkeit zur - nicht hinreichend bestimmten - angeordneten Reduzierung des Gesamtbestandes der Pferde; zudem bestünden durchgreifende Bedenken, ob die Anordnung geeignet und erforderlich sei, das bezweckte Ziel, nämlich die Gewährleistung genügenden Auslaufs für alle Pferde, zu erreichen. Die These der Beschwerde, die Haltung von erwachsenen Warmbluthengsten in einem Kinderreitbetrieb berge auf Grund ihres Temperaments stets auch eine erhöhte Unfallgefahr in sich, wirft die Frage auf, warum die Haltung von Hengsten auf dem Pferdehof nicht gänzlich untersagt worden ist. Ungeachtet dessen führt die Beschwerde selbst aus, dass die von ihr angenommene Gefährdung im Zusammenhang mit einem unzureichenden Auslauf der Hengste steht. Das spricht jedoch dafür, dass eine tatsächliche Nutzung der - für die Gesamtzahl der Pferde wohl ausreichend vorhandenen - Auslaufflächen für den nötigen Auslauf der vorhandenen Hengste ein milderes Mittel darstellen könnte, um der von der Beschwerde angenommenen Unfallgefahr zu begegnen.

Im Übrigen folgt die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).