Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 22.04.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 N 33.13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 94 VwGO, § 1 Abs 2 PflGG BE, § 1 Abs 3 PflGG BE |
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. April 2013 wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Klägerin.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Auf der Grundlage der Darlegungen der Klägerin ergeben sich die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) nicht.
1. Eine Divergenz macht die Klägerin insoweit geltend, als das Verwaltungsgericht eine Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits um die Gewährung von Blindengeld nach dem Landespflegegeldgesetz - LPflGG - gemäß § 94 VwGO mit Blick auf ein beim Versorgungsamt betriebenes Verfahren auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung mit der Begründung abgelehnt habe, jenes Verfahren sei nicht vorgreiflich, und sich dabei auf Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin bezogen habe, die unter anderem von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweiche. Richtig an dem Einwand ist, dass die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin (Urteil vom 30. Juni 1994 - OVG 6 B 19.93 - juris) eine Bindung der Berliner Bezirksämter an eine Entscheidung des Versorgungsamtes (in jenem Fall über die Zuerkennung des Merkzeichens „H“) nach § 4 Abs. 5 Satz 2 SchwbG (vgl. nunmehr § 69 Abs. 5 Satz 2 SGB IX) verneint hat, während das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 27. Februar 1992 - BVerwG 5 C 48.88 -, BVerwGE 90, 65) eine solche Bindungswirkung bejaht hat (in jenem Fall zum Merkzeichen „Bl“). Der erkennende Senat hat die Frage der Bindungswirkung der Feststellungen des Versorgungsamtes für Entscheidungen nach dem Landespflegegeldgesetz bislang nicht entschieden (vgl. Urteil vom 26. September 2013 - OVG 6 B 38.12 - juris Rn. 25). Sie wäre auch in einem Berufungsverfahren nicht entscheidungserheblich; ebensowenig beruht das angegriffene Urteil in endscheidungserheblicher Weise darauf. Denn auch bei Annahme einer Bindungswirkung war das nach § 94 VwGO für diesen Fall eröffnete Ermessen entgegen der Ansicht der Klägerin nicht „auf Null“ reduziert. Die Klägerin weist selbst zutreffend darauf hin, dass die vom Beklagten herangezogenen Befunde und ärztlichen Stellungnahmen beim Versorgungsamt eingeholt worden sind und angesichts der übereinstimmenden Voraussetzungen (vgl. § 1 Abs. 2 LPflGG einerseits, Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung, Teil A, Nr. 6 a) andererseits) beiden Behörden als Entscheidungsgrundlage dienen. Unter diesen Umständen gab es für das Verwaltungsgericht keinen Anlass, das Gerichtsverfahren auszusetzen; denn die aktuellen Befunde begründeten nicht die Annahme einer Blindheit im Sinne des § 1 Abs. 2 LPflGG oder einer Einschränkung des Sehvermögens, die einen Grad der Behinderung von 100 vom Hundert bedingt, im Sinne des § 1 Abs. 3 LPflGG. Ob die Klägerin bei einer weiteren Verschlechterung der Sehleistung zukünftig die Voraussetzungen erfüllt und die Klage mithin zu einem späteren Zeitpunkt begründet ist, hat das Verwaltungsgericht im Übrigen mit Recht nicht als Grund für eine Aussetzung angesehen.
2. Der Rechtssache kommt die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Sie hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, wie eine Seheinschränkung einzuordnen ist, wenn jedes Auge für sich betrachtet als blind anzusehen sei, aber eine beidäugige Prüfung nicht einmal eine hochgradige Sehbehinderung ergebe. Der Sache nach möchte sie von einer beidäugigen Bewertung der Sehleistung absehen und ihren Fall als eine der Blindheit gleich zu erachtende andere Störung des Sehvermögens im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. LPflGG anerkannt wissen. Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es keines Berufungsverfahrens. Schon der Ansatz der Klägerin, jedes Auge sei für sich betrachtet blind, überzeugt nicht, weil kein Auge der Klägerin blind im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 LPflGG ist, und in diesen Fällen erst die beidäugige Sehleistung über das Ausmaß des Funktionsverlustes entscheidet. Demgemäß wird sowohl in der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung als auch in § 1 Abs. 2 und 3 LPflGG auf die Sehschärfe bei beidäugiger Prüfung abgestellt. Auf diese Sehschärfe beziehen sich ersichtlich auch die Fallgruppen in Teil A Nr. 6 b) der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung. Aus den Fallgruppen bei Gesichtsfeldausfällen in Teil B Nr. 4.5 der Verordnung ergibt sich nichts anderes. Insbesondere kann die Klägerin die dortige Fallgruppe der Gesichtsfeldeinengung auf 5° Abstand vom Zentrum bei Fehlen des anderen Auges nicht für sich in Anspruch nehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).