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Tierschutz


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 6. Kammer Entscheidungsdatum 13.02.2013
Aktenzeichen 6 L 28/13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen Ziffer 1. der Verfügung der Antragsgegnerin vom 25. Januar 2013 wird wieder hergestellt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Das Gericht legt den Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs und einer eventuell nachfolgenden Anfechtungsklage gegen die Verfügungen im Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Januar 2013 wiederherzustellen,

gemäß §§ 88, 122 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sachdienlich dahin aus, dass die Antragstellerin allein die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gegen die in Ziffer 1 der Verfügung enthaltenen Verbote, die Hunde „Bxxx“ und „Cxxx“ zu halten, und die Gebote, diese Hunde an den benannten Personenkreis abzugeben sowie den Nachweis über die Abgabe zu erbringen, begehrt. Denn die anwaltlich vertretene Antragstellerin führt in der Antragsschrift mehrfach aus, dass sie gegen die in Ziffer 2. enthaltene Anordnung (Maulkorb- und Leinenpflicht) nicht vorgehen wolle; die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 4. der Verfügung vom 25. Januar 2013 bezieht sich allein auf die Anordnung unter Ziffer 2.

Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag hat Erfolg.

Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt unter anderem dann, wenn die Behörde - wie hier - gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der angefochtenen Verfügung im öffentlichen Interesse anordnet, wobei dieses Interesse nach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift schriftlich zu begründen ist.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt zwar den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO. Die Antragsgegnerin hat die Anordnung des Sofortvollzuges mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen die Vorschrift der Hundehalterverordnung und die mit der Haltung verbotener Hunde verbundenen Gefahren begründet. Ob diese Begründung in der Sache durchgreift, ist bei der Entscheidung der Frage, ob die Anordnung den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO genügt, ohne Belang.

Die Verfügung der Antragsgegnerin genügt aber nicht den materiellen-rechtlichen Anforderungen an die Anordnung der sofortigen Vollziehung.

Maßstab der gerichtlichen Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist eine umfassende Interessenabwägung zwischen dem privaten Aussetzungsinteresse und dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes. Von dem Verwaltungsgericht ist zu prüfen, ob die Behörde zu Recht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung höher gewichtet hat als das private Interesse, bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens oder des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens von dem Verwaltungsakt verschont zu bleiben. Im Rahmen dieser Abwägung ist auch von Belang, ob sich der Verwaltungsakt als rechtmäßig erweist.

Im vorliegenden Fall kann die Rechtmäßigkeit von Ziffer 1. der Verfügung der Antragsgegnerin bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung allenfalls als offen bezeichnet werden. Rechtsgrundlage ist insoweit § 1 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 8 Abs. 2 der Ordnungsbehördlichen Verordnung über das Halten und Führen von Hunden (Hundehalterverordnung vom 16.Juni 2004 – HundehV -). Nach § 8 Abs. 2 Hundehalterverordnung gelten Hunde folgender Rassen oder Gruppen sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden aufgrund rassespezifischer Merkmale oder Zucht als gefährliche Hunde im Sinne des Abs. 1 Nr. 1:

1. American Pitbull Terrier
2. American Staffordshire Terrier
3. Bullterrier
4. Staffordshire Bullterrier und
5. Tosa Inu.

Nach § 1 Abs. 2 S. 3 Hundehalterverordnung ist die Haltung von Hunden im Sinne des § 8 Abs. 2 verboten.

Die maßgebliche Frage, ob die Hunde „Bxxx“ und „Cxxx“ als Kreuzungen mit dem unter § 8 Abs. 2 Nr. 1 Hundehalterverordnung aufgeführten American Pitbull Terrier anzusehen sind, erweist sich als offen. Allerdings gehören zu den „Kreuzungen" im Sinne der oben genannten Bestimmung nicht nur die ohne weiteres unter diesen Begriff fallenden direkten Abkömmlinge eines Hundes, sondern dem Grundsatz nach sämtliche Nachfahren eines solchen „reinrassigen" Hundes unabhängig vom jeweiligen Verwandtschaftsgrad (vgl. grundlegend VGH Kassel, Urteil vom 15. März 2006 - 11 UE 1426/04 - zu § 2 Abs. 1 S. 2 der hessischen Hundehalterverordnung, zitiert nach juris, dort Rn. 19f. m.w.N.; so auch VG Berlin, Urteil vom 17. Mai 2011 – 23 K 171.10 -, zitiert nach juris). Allerdings ist bei den späteren Nachkommen in Rechnung zu stellen, dass sie wegen der dazwischen liegenden Erbgänge mit einem Hund der in der Hundehalterverordnung bezeichneten Rassen oder Gruppen oder mehreren dieser Hunde nur noch mit geringeren Anteilen verwandt sind. Hieraus folgert die Rechtsprechung, dass eine Hunderasse oder -gruppe nur dann als vermutlich gefährlich behandelt werden kann, wenn objektive Anhaltspunkte vorliegen, aus denen sich zumindest die Möglichkeit einer Schädigung von Menschen oder Tieren durch Hunde dieser Rasse oder Gruppe entnehmen lässt. Auf Vermutungen, Hypothesen oder vage Hinweise kann die Vermutung der Gefährlichkeit dagegen trotz Absenkung der Gefahrenschwelle auf die Vorsorge gegen Gefahren nicht gestützt werden. An derartigen Anhaltspunkten fehlt es dann, wenn der von einem Hund der - hier in § 8 Abs. 2 Hundehalterverordnung - genannten Rasse oder Gruppe abstammende Mischlingshund der F2 Generation, d.h. der Enkelgeneration, oder einer nachfolgenden Generation von dem Erbteil seines Vorfahren nicht mehr erkennbar beeinflusst wird. Die Behörde trifft im Hinblick auf die ggf. noch vorhandene Prägung des Mischlingshundes durch die von einem "Rassehund" ererbten Anlagen die Beweislast, die im Zweifel durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu belegen ist. Ebenso trifft die Behörde die Beweislast hinsichtlich der Abstammung von einem "Listenhund" (vgl. hierzu ausführlich VGH Kassel, a. a. O. Rn. 27 ff.).

Die Antragsgegnerin stützt die angefochtene Verfügung maßgeblich auf die Zugehörigkeit der Hunde zur Züchtung der „Olde English Bulldog“ und führt - insoweit unter teilweise wörtlicher Wiedergabe des Schreibens des Ministeriums des Innern vom 12. April 2012 - aus, bei dieser Züchtung bestehe ein Anteil des American Pitbull Terrier von 1/6; weil es sich um eine gewollte Züchtung u.a. aus dieser, § 8 Abs. 2 unterfallenden Hunderasse handele, bestehe die Beweisproblematik nicht und komme es insoweit nicht auf die äußerlich erkennbaren Merkmale an. Sie berücksichtigt dabei nicht, dass die Antragstellerin die Zuordnung von "Bxxx“ und "Cxxx" zu der Rasse "Olde English Bulldog" bzw. "Old Time Bulldog" substantiiert bestreitet. Aus den vorgelegten Rassemixzertifikaten vom 12. Januar 2013 und vom 7. Dezember 2012 ergibt sich weder für „Bxxx“ noch für „Cxxx“ eine nachweisbare Einkreuzung eines American Pitbull Terrier. Die von der Antragsgegnerin gerügte Unvollständigkeit der Abstammungsurkunde von „Bxxx“ vom 26. Oktober 2009 im Hinblick auf die väterliche Linie kann vor diesem Hintergrund nicht allein ausschlaggebend sein. Auch wenn die Angabe des Lebensgefährten der Antragstellerin im Ortstermin am 28. November 2012, in den „Old Time Bulldog“ sei - nur - noch 1/12 der Hunderasse American Pitbull Terrier eingekreuzt, so wie von der Antragsgegnerin zitiert, getätigt worden sein sollte, spricht vieles dafür, dass nach Maßgabe der genannten Rechtsprechung aufgrund des geringeren Anteils der Einkreuzung die Hunde sachverständig zu begutachten wären, um über ihre Einordnung als Hund im Sinne von § 8 Abs. 2 Hundehalterverordnung zu entscheiden. Diese Prüfung, bei der die genannten Grundsätze der Beweislastverteilung zu beachten sind, bleibt dem Widerspruchsverfahren und ggf. einer Überprüfung in einem sich anschließenden Klageverfahren vorbehalten.

Die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu treffende Interessenabwägung fällt vor diesem Hintergrund zugunsten der Antragstellerin aus. Die von der Antragsgegnerin abgegebene Begründung für den Sofortvollzug beschränkt sich auf den Vorwurf der Nichteinhaltung der Maßgaben der Hundehalterverordnung, ohne näher auszuführen, worin zum einen der Vorwurf eines vorsätzlichen Verstoßes begründet ist, zum anderen, worin die besondere Rechtfertigung für eine sofortige Abgabepflicht zu sehen ist. Ein Verstoß gegen die Hundehalterverordnung durch das Halten von "Bxxx" und „Cxxx“ kann aus den oben genannten Erwägungen gegenwärtig weder als offensichtlich noch als vorsätzlich bezeichnet werden. Das aus den Akten ersichtliche Verhalten der Antragstellerin und ihres Lebensgefährten, die sich ersichtlich um den Erhalt der erforderlichen Erlaubnisse bemüht haben und insbesondere die Erlaubnis zum Betreiben einer Tierpension/eines Tierheimes vom 06. Dezember 2010 als auch die Erlaubnis nach §§ 10 Abs. 5, 8 Abs. 1 bis 3 Hundehalterverordnung gegenwärtig noch immer innehaben sowie ihren Anzeigepflichten nachgekommen sind, bieten keinen Anlass für den Vorwurf des fehlenden Verantwortungsbewusstseins und der Unzuverlässigkeit.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung entspricht der Bedeutung der Sache für die Antragstellerin (§ 52 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes). Das Gericht hat sich insofern an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit angelehnt (vgl. NVwZ 1996, 563/NVwZ 2004,1327; dort Nr. 35.2) und für jeden Hund den Auffangstreitwert angesetzt. Für das vorläufige Rechtsschutzverfahren ist der Wert auf die Hälfte ermäßigt worden (vgl. Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 1996, 563, Nr. I.7./NVwZ 2004, 1327, Nr. 1.5).