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Entscheidung 12 Na 2/19


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 2. Strafkammer Entscheidungsdatum 27.09.2019
Aktenzeichen 12 Na 2/19 ECLI ECLI:DE:LGNEURU:2019:0927.12NA2.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung der Angeklagten ... wird das Urteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 16.10.2018 - 88.1 Ls 7/17 - aufgehoben, soweit die Angeklagte ...verurteilt wurde.

Die Angeklagte wird wegen Nötigung in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von

90 Tagessätzen zu je 50,-€

verurteilt.

Im Übrigen wird die Angeklagte freigesprochen.

Die Angeklagte ... hat die Kosten des Verfahrens und ihrer Berufung zu tragen, soweit sie verurteilt wurde. Soweit sie freigesprochen wurde, trägt die Landeskasse die Kosten des Verfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten ...

Angewandte Vorschriften: §§ 240, 53 StGB.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Neuruppin – Jugendschöffengericht – hat nach mehrtägiger Hauptverhandlung mit Urteil vom 16.10.2018 – Az. 88.1 Ls 7/17 – die Angeklagte wegen Misshandlung Schutzbefohlener in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt und im Übrigen freigesprochen. Gegen diese Entscheidung hat (ausschließlich) die Angeklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Erklärtes Ziel ihres Rechtsmittels ist ein vollumfänglicher Freispruch. Die Berufung der Angeklagten ist zulässig und hat in der Sache überwiegend Erfolg.

II.

Feststellungen zur Person

Die zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 46 Jahre alte Angeklagte ist verheiratet und hat drei Töchter im Alter von zwanzig, siebzehn und neun Jahren. Sie lebt mit ihrem ebenfalls berufstätigen Ehemann und den zwei jüngeren, noch zur Schule gehenden Kindern in einem ihrer Familie gehörenden Mehrgenerationenhaus unter der im Rubrum genannten Anschrift. Die älteste Tochter absolviert derzeit eine Ausbildung in Berlin.

Die Angeklagte erlernte von 1989 bis 1994 den Beruf der Kindergärtnerin und arbeitete anschließend zehn Jahre in einem Kindergarten in .... Im Jahr 2004 wechselte sie in das ..., wo sie zunächst im Hort und ab dem Jahr 2005 im seinerzeit neu eröffneten Kindergarten tätig war. Im Rahmen einer einjährigen berufsbegleitenden Weiterbildungsmaßnahme erwarb sie 2006 das ...-Diplom und wurde 2016 stellvertretende Leiterin der Kindertagesstätte des .... Zeitnah nach Bekanntwerden der verfahrensgegenständlichen Vorwürfe im März 2017 wurde sie zunächst vom Dienst suspendiert und sodann gekündigt. Eine danach aufgenommene Beschäftigung in einem anderen Kindergarten in Neuruppin verlor sie aufgrund der medialen Berichterstattung über das gegen sie anhängige Strafverfahren und der damit einhergehenden öffentlichen Wahrnehmung ihrer Person, so dass sie für ihren neuen Arbeitgeber als nicht tragbar erschien. Sie ist derzeit als Erzieherin in einem Lehrlingswohnheim beschäftigt und verdient im Monat durchschnittlich (je nach Anzahl der Schichtdienste) 1900,-- € netto.

Die Angeklagte ist bislang strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten.

III.

Feststellungen zur Sache

Die Angeklagte leitete im Jahr 2016 als Erzieherin die sogenannte Käfergruppe im Kindergarten des ..., die als Kinderkrippe ausgestaltet war. In der Käfergruppe wurden circa 16 Kleinkinder bis zum 3. Lebensjahr betreut. Als weitere Erzieherinnen in dieser Gruppe waren die gesondert Verfolgten ... und ... tätig, die der Angeklagten, welche als einzige das ... besaß, unterstellt waren.

Circa im August 2016 kam das Kind ..., geboren am 29.04.2014, auf Bitten der Eltern in die Käfergruppe, weil seine Schwester bereits dort betreut wurde. Es zeigte sich rasch, dass dieser Junge sehr lebhaft war und oft mittags nicht schlafen konnte oder wollte, wie es für die Kinder in der Gruppe vorgesehen war. Hierzu wurden für die Kinder nach dem Mittagessen im Gruppenraum Kindermatratzen mit Bettzeug ausgelegt. Es gelang häufig weder der Angeklagten noch den beiden anderen Erzieherinnen, ... zumindest zu einer Mittagsruhe auf der für ihn stets an derselben Stelle auf den Boden gelegten Matratze zu bewegen. Er stand dann immer wieder auf, lief im Gruppenraum herum und war nicht leise, so dass er die anderen Kinder in der Gruppe beim Schlafen störte. Um zu gewährleisten, dass ... in der Zeit der Mittagsruhe auf seiner Matratze liegen und ruhig blieb, wenn er dies von sich aus nicht wollte, entschied sich die Angeklagte gelegentlich dazu, das von ihm erwünschte Verhalten gegen seinen Willen gewaltsam durchzusetzen.

In der Zeit vom 14.11.2016 bis zum 23.12.2016 drückte sie ihn zu diesem Zweck an mindestens drei unterschiedlichen Arbeitstagen unter Anwendung einfacher körperlicher Gewalt mit dem Bauch auf die 70x140 cm große Matratze, wobei der 2 ½ Jahre alte, circa ein Meter große Junge mit altersgerechter Statur seinen Widerwillen zum Ausdruck brachte und sich mit seinem Körper gegen die Liegeposition stemmte. Dann deckte sie ihn vollständig mit der Bettdecke zu und stopfte deren oberes Ende unter das Kopfende der Matratze. Über den bedeckten Kopf des Kindes stellte die Angeklagte sodann jeweils einen 2,7 Kilogramm schweren Holzkinderstuhl, damit die Decke in diesem Bereich straff gespannt war und das Kind die Bauchlage beibehielt, so dass es ... nur unter einiger Kraftanstrengung möglich gewesen wäre, den Kopf zu heben und aufzustehen. Der Junge weinte oder meckerte dann, weil die für ihn beklemmende Situation unangenehm war und er nicht liegen bleiben wollte, behielt aber seine Position bei, obwohl er sich bei erheblicher Kraftanstrengung aus seiner Lage hätte befreien können. Er befand sich nunmehr einige Zeit während der Mittagsruhe unter der Decke mit dem Stuhl über seinem Kopf, wenn er nicht einschlief. Falls er eingeschlafen war, wurde der Stuhl von der Matratze heruntergenommen. Körperliche Schmerzen oder psychische Beeinträchtigungen aufgrund dieser Vorfälle über das durch sein Weinen gezeigte Unbehagen hinaus konnten bei ... nicht festgestellt werden. Nach der Schließzeit zum Jahreswechsel 2016/2017 wandte die Angeklagte von sich aus eine solche Methode nicht mehr an. Ab Februar 2017 wechselte ... altersbedingt die Gruppe.

Während des oben genannten Tatzeitraums war die damals 20 Jahre alte Zeugin ... in der Käfergruppe als Praktikantin im ersten Ausbildungsjahr eingesetzt. Nach einer ersten Beobachtung der zuvor beschriebenen Fixierung des Kindes am 14.11.2016 informierte sie ihre Ausbilderin, Frau ..., im Rahmen des praxisbegleitenden Unterrichts, und berichtete hierüber der Zeugin ..., die zur gleichen Zeit in der Dinogruppe im ... als Praktikantin aus demselben Ausbildungsjahr eingesetzt war. Diese rief sie bei einer erneuten beobachteten Fixierung des Kindes hinzu, um sich eine solche mit eigenen Augen anzusehen. Zu Beweiszwecken fertigte die Zeugin ... auf Anraten der Zeugin XX bei einem der weiteren Male noch ein Foto davon mit ihrem Mobilfunktelefon. Schließlich erschienen die beiden Praktikantinnen gemeinsam nach dem Ende ihrer Praktikumszeit am 01.03.2017 beim Jugendamt des Landkreises ... und meldeten ihre Beobachtungen und weitere Geschehnisse als sogenannte Kindeswohlgefährdungen, worauf der Leiter des Jugendamtes, der Zeuge ..., nach behördeninterner Beratung den Träger des Kinderhauses, die ... ... GmbH, informierte, welche Ende März 2017 Strafanzeige erstattete.

IV.

Einlassung der Angeklagten und Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Person und zum Werdegang der Angeklagten beruhen auf ihren eigenen und insoweit vorbehaltlos glaubhaften Angaben. Die Unbestraftheit der Angeklagten hat die Kammer dem in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszug vom 08.05.2019 entnommen.

Die Angeklagte hat sämtliche Vorwürfe bestritten. Sie habe als Erzieherin immer ihr Bestes gegeben, auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes habe bei der Vielzahl der zu betreuenden Kinder jedoch nur begrenzt eingegangen werden können. Sie habe jedenfalls während ihrer gesamten Berufstätigkeit als Erzieherin nie einem Kind körperlich oder seelisch geschadet. Es habe nie Beschwerden von Eltern über sie gegeben, die Kinder in der Gruppe seien auch kaum krank gewesen. Zudem seien die im Erdgeschoss gelegenen Räume der Käfergruppe nie verschlossen gewesen, jederzeit habe jemand hereinkommen oder durchs Fenster sehen können.

Das Kind ... sei körperlich und geistig normal entwickelt gewesen. Er habe aber keine Regeln gekannt, sei immer einfach losgelaufen und musste im Straßenverkehr festgehalten werden. Er sei sehr stur gewesen, dann habe sie ihm geholfen. Es müsse aber auch darauf geachtet werden, dass alle Kinder zu ihrem Recht kommen. Mittags sei ... oft nicht müde gewesen, dann sei ihm etwas vorgesungen worden. Da ihn das häufig nicht beruhigt habe, habe sie ihm auch manchmal eine Bude gebaut, um zur Ruhe zu kommen. Der Kinderstuhl habe dabei nie über seinem Kopf gestanden, sondern unmittelbar neben der Matratze oder auf deren Rand. Die Bettdecke habe sie dann zeltartig über den Stuhl gespannt und nicht unmittelbar auf den Kopf gelegt, diesen habe er immer frei bewegen können.

Sie könne sich nicht erklären, warum die Zeugin ... dies anders dargestellt habe und es auf einem Foto anders zu sehen sei. Die Zeugin ... sei bereits als Kind in ihrer Kindergartengruppe und schon damals nicht einfach gewesen. Als Praktikantin habe Frau ... schon nach kurzer Zeit Arbeiten abgelehnt und Grenzen überschritten, wenn sie zum Beispiel entgegen einer Anweisung Gespräche mit Eltern geführt habe. Die Differenzen mit der Zeugin ... während des Praktikums seien aber letztlich nicht so gravierend gewesen und sie habe das Praktikum bestanden.

Die Kammer hat diese Einlassung der Angeklagten zur Sache im Kern als unglaubhaft erachtet.

Die Zeugin ... hat in der Berufungshauptverhandlung sachlich und anschaulich bekundet, dass sie während der Zeit ihres Praktikums, das sie zu Beginn ihrer Ausbildung zur Erzieherin von Anfang November 2016 bis Mitte Februar 2017 im ... in der Käfergruppe absolviert habe, von Mitte November bis Ende Dezember 2016 öfter gesehen habe, wie die Angeklagte ... das Kind ... auf die in den Feststellungen geschilderte Art und Weise zur Zeit der Mittagspause ruhiggestellt habe. Diese Vorgehensweise sei auf Initiative der Angeklagten zwar nicht täglich, aber mehrfach wöchentlich praktiziert worden. Hauptsächlich habe die Angeklagte dies getan, aber auch die gesondert Verfolgte ... sei so vorgegangen. Die Zeugin ... hat weiter bekundet, anfangs den Stuhl auch einmal entfernt und die Handlungsweise kritisiert zu haben, woraufhin die Angeklagte sie barsch zurückgewiesen und geäußert habe, dass es nicht anders gehe, weil der Junge ansonsten so zappele.

Die Zeugin ... hat ferner ausgesagt, sie habe zum Zweck der Erstellung eines Lehrtagebuchs handschriftliche Aufzeichnungen über ihre Erfahrungen im Praktikum gefertigt. Auf Vorhalt dieser Aufzeichnungen hat die Zeugin ... glaubhaft bestätigt, dass sie am Montag, den 14.11.2016, erstmalig mittags gesehen und schriftlich festgehalten habe, dass ... in der festgestellten Weise zum Liegenbleiben auf seiner Matratze gezwungen worden sei. Diesen Zeitpunkt hält die Kammer auch deshalb für gesichert als Beginn der Tatfolge, weil die Zeugin in denselben Aufzeichnungen - wie von ihr auf Vorhalt bestätigt - vermerkt hatte, dass jener Tag ohne jedwede Wünsche zu ihrem Geburtstag, der auf Samstag, den 12.11.2016, fiel, begonnen hatte.

Die Zeugin ... hat im Weiteren bekundet, sie habe relativ kurz danach Frau ..., die ihr Praktikum zeitgleich in der Dinogruppe abgeleistet habe, und ihre Ausbilderin, Frau ..., im Rahmen des praxisbegleitenden Unterrichts, der regelmäßig mittwochs stattgefunden habe, darüber informiert. Sie - so die Zeugin weiter - habe dann ... an einem der nächsten Tage unter einem Vorwand in die Räume der Käfergruppe gebeten und ihr gezeigt, in welche Position ... zum Mittagsschlaf gebracht worden sei. Zu einer späteren Gelegenheit habe sie dann mit ihrem Mobiltelefon ein Foto von ... gemacht, als er wieder einmal in die beschriebene Position gebracht worden sei, um einen Beweis zu haben, was ihr ... angeraten habe.

Dieses zunächst digitale Farbfoto ist über den Leiter des Jugendamtes, den Zeugen ..., dem es nach dessen Aussage im Zuge der Kindeswohlgefährdungsmeldung durch die beiden Praktikantinnen präsentiert worden sei, in bedrucktem A4-Papierformat zu den Akten gelangt und in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden. Es zeigt zwei auf dem Boden liegende Matratzen, die sich in einem größeren Raum befinden, der mit Mobiliar für Kleinkinder ausgestattet ist. Im hinteren Bildbereich liegt ein Kind in Seitenlage auf einer Matratze in normaler Schlafposition. Der Körper ist mit einer Kinderbettdecke zugedeckt und der Kopf liegt frei auf einem Kopfkissen. Auf der anderen, im Bildvordergrund positionierten Matratze liegt indes ein Kind, von dem nur eine Hand unter der Bettdecke hervorragt, und zwar mit dem Handrücken nach oben. Der Körper und der Kopf des Kindes sind vollständig zugedeckt. Auf der Matratze steht in Kopfhöhe ein Kinderstuhl, der die Bettdecke auf der Matratze fixiert. Das obere Ende der Matratze ist durch ein Regal verdeckt, die Bettdecke ist an den Seiten der Matratze nicht untergeschoben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die Abbildung, Bl. 454 d.A., verwiesen.

Schließlich hat die Zeugin ... ausgeführt, dass die Fixierung bis Ende Dezember 2016 gegangen sei, dann - im neuen Jahr - seien andere Methoden von der Angeklagten überlegt und angewandt worden. Unter Berücksichtigung der im Selbstleseverfahren eingeführten Dienst- und Anwesenheitspläne, wonach das Kinderhaus bis Freitag, den 23.12.2016, geöffnet hatte, bevor die Schließzeit über den Jahreswechsel begann, ist die Kammer von diesem Termin als Ende des Tatzeitraums ausgegangen. Während der Zeit vom 14.11.2016 bis zum 23.12.2016 fehlte das Kind ... ausweislich der von der Angeklagten geführten Anwesenheitsliste der Käfergruppe lediglich insgesamt fünf Tage.

Im ... ist ein baugleicher Kinderstuhl, wie er auf dem Lichtbild zu sehen ist, sichergestellt und in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden. Eine Wiegung des Stuhls in der Hauptverhandlung hat ergeben, dass er 2,7 Kilogramm schwer ist.

Die Aussage der Zeugin ... insoweit bestätigend hat die Zeugin ... bekundet, sie habe damals selbst während einer Mittagsschlafzeit gesehen, wie ein Kind in Bauchlage auf der Matratze fixiert gewesen sei, indem die Bettdecke über das Kind gelegt, oben unter die Matratze geschoben und darauf in Kopfhöhe ein Kinderstuhl gestellt worden sei. Diese Beobachtung habe sie gemacht, nachdem sie von Frau ... aufgefordert worden sei, sich das mit eigenen Augen anzuschauen. Sie sei davon ausgegangen, dass es sich bei dem Kind um ... gehandelt habe. Wer zum Zeitpunkt ihrer Beobachtung noch alles in dem betreffenden Gruppenraum gewesen sei, könne sie nicht mehr mit Gewissheit sagen. Die Zeugin ... habe ihr von dieser Art der Fixierung des Kindes ... schon zuvor berichtet, hauptsächlich sei sie nach den Angaben der Zeugin ... von der Angeklagten, zum Teil auch von der gesondert Verfolgten ... ausgeführt worden. Sie habe dann zur Zeugin ... gesagt, dass dieses Vorgehen der Erzieherinnen zu Beweiszwecken dokumentiert werden müsse und vorgeschlagen, ein Foto von der Situation zu machen. Die Zeugin ... habe dann ein solches Foto auch tatsächlich mit ihrem Mobiltelefon gemacht und das Bild an sie über Whatsapp weitergeleitet, wovon sich die Kammer durch Augenscheinseinnahme des im Mobiltelefon der Zeugin ... abgespeicherten digitalen Fotos, welches identisch ist mit der in Bezug genommenen Abbildung, Bl. 454 d.A., während ihrer Zeugenvernehmung überzeugen konnte.

Die Angaben der Zeugin ..., dass die Angeklagte entgegen ihrer eigenen Einlassung nicht nur Buden gebaut hat, um dem Kind ... ein Einschlafen zu ermöglichen, sondern die Bettdecke unmittelbar über seinem Kopf platziert und durch den Stuhl befestigt habe, sind neben der glaubhaften Schilderung der Zeugin ... und dem Lichtbild von der Situation auch durch die Aussage der Zeugin ... gestützt worden.

Die Zeugin ... hat bekundet, sie habe bis zum Ende des Jahres 2017 im ... als Erzieherin gearbeitet, und zwar in der Raupengruppe, der anderen Krippengruppe der Einrichtung, deren Räumlichkeiten sich ebenfalls im Erdgeschoss des Kinderhauses befunden hätten. Sie sei mit der Angeklagten befreundet gewesen und verstehe sich auch heute noch gut mit ihr. Während der Zeit des Praktikums der Zeugin ... sei sie einmal zufällig in die Räume der Käfergruppe gegangen zur Zeit der Mittagsruhe. Sie habe dabei gesehen, wie das Kind ..., das einen festen Schlafplatz gehabt habe, vollständig zugedeckt gewesen sei und dabei ein Kinderstuhl in Kopfhöhe auf der Matratze gestanden und die Decke beschwert habe. Sie habe zu den gesondert Verfolgten ... und ... gesagt, die seinerzeit im Raum gewesen seien, dass hier jetzt aber was los wäre, wenn dies bei ihrem eigenen Kind so gemacht worden wäre. Der Stuhl sei sodann heruntergenommen worden und die beiden hätten gesagt, dass die Angeklagte das mit dem Stuhl auch so mache. Die Zeugin ... hat weiter ausgesagt, dass ... auf dem Bauch gelegen habe und nicht derart fixiert gewesen sei, dass ihm ein Aufstehen unmöglich gewesen wäre, was im Übrigen von der Zeugin ... ebenso bekundet worden ist. Nach diesem Tag habe sie - so die Zeugin ... weiter - nie wieder bemerkt, dass ... noch einmal auf diese Art und Weise hingelegt worden sei.

Später - so die Zeugin weiter - habe es nach Bekanntwerden der von den Praktikantinnen erhobenen Anschuldigungen vom Träger der Einrichtung veranlasste Gespräche mit den Kolleginnen gegeben. Im Rahmen eines solchen Gespräches mit Frau ..., der pädagogischen Geschäftsführerin des Trägers, und mit Frau ..., der damaligen Leiterin des Kinderhauses, sei ihr ein Foto gezeigt worden, dass die von ihr beschriebene Schlafsituation des Kindes so gezeigt habe, wie es auch von ihr selbst wahrgenommen worden sei, was sie auch damals geäußert habe. Jener Gesprächsinhalt ist wiederum von den Zeuginnen ... und ... im Rahmen ihrer Vernehmungen im Kern bestätigt worden. Insgesamt hat die Zeugin ... einen uneingeschränkt glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Dass sie trotz ihrer kollegialen und sogar freundschaftlichen Bindung zur Angeklagten gleichwohl belastende Angaben getätigt und als einzige Person aus dem Kreis der Erzieher des Kindeshauses unmittelbare Wahrnehmungen zu der in Rede stehenden Fixierung des Kindes ... bekundet hat, stellt ein gewichtige Stütze für die Aussage der Zeugin ... dar.


Die Kammer hat nach alledem keine Zweifel an der Richtigkeit der Schilderungen der Zeugin ... bezüglich der festgestellten Taten, zumal auch kein Falschbelastungsmotiv in ihrer Person erkennbar ist, auch soweit sie - im Gegensatz zu ... - ihr Praktikum mit Erfolg bestanden hat, was die Kammer von der Zeugin und ihrer Ausbilderin, Frau ..., erfahren hat und von der Angeklagten bestätigt worden ist.

Danach ist sicher davon auszugehen, wie es auch das Amtsgericht bereits festgestellt hatte, dass die Angeklagte in mindestens drei unterschiedlichen Fällen den Willen des Jungen ..., in der Mittagspause nicht auf seiner Matratze liegen zu bleiben, gebeugt und ihn zum Verharren in Bauchlage gezwungen hat, indem sie ihn auf die beschriebene Art und Weise hingelegt, zugedeckt und die unter dem Kopfende der Matratze befestigte Decke zusätzlich mit dem Kinderstuhl über seinem Kopf beschwert hat.

Die Mindestanzahl von drei Handlungen der Angeklagten schließt die Kammer daraus, dass unter Berücksichtigung der Fehlzeiten der Zeugin ... und des Kindes ... im maßgeblichen Zeitraum vom 14.11.2016 bis zum 23.12.2016, die sich - wie bereits an anderer Stelle erwähnt - aus den im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführten Dienstplänen bzw. Anwesenheitslisten des Kinderhauses ergeben, die Zeugin ... und das Kind ... an 15 Tagen im vorgenannten Zeitraum gleichzeitig zugegen waren. Anhand der Schilderung der Zeugin ..., dass die Fixierung mit dem Stuhl mehrfach wöchentlich praktiziert worden und diesbezüglich in der Hauptsache die Angeklagte tätig gewesen sei, und überdies auch die Aussagen der Zeuginnen ... und ... insgesamt mehrere Vorfälle indizieren, geht die Kammer in der Gesamtschau mithin von mindestens drei Taten der Angeklagten aus.

Eine psychische Beeinträchtigung des Jungen über den in Rede stehenden Zeitraum der jeweils derart erzwungenen Mittagsruhe hinaus war nicht festzustellen. Die Mutter von ..., die Zeugin ..., hat zwar insoweit bekundet, dass ihr Sohn im fraglichen Zeitraum Schlafstörungen und häufiger Alpträume gehabt habe. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass dafür andere Umstände, die mit dem Geschehen im Kinderhaus nicht im Zusammenhang stehen, ursächlich gewesen sind. Sein Geburtsdatum sowie die Erkenntnisse zu Gewicht und Körpergröße stützt die Kammer auf die im Selbstleseverfahren eingeführte Wiegekarte und sein Kinderuntersuchungsheft.

Aus den festgestellten objektiven Tatumständen schließt die Kammer auf eine für jede einzelne Fixierung bewusste und gewollte Vorgehensweise. Hingegen ist der Angeklagten nach den getroffenen objektiven Feststellungen nicht nachzuweisen, dass sie bei jeder Einzelhandlung den Vorsatz hatte, dem Kind sich wiederholende (erhebliche) Schmerzen oder Leiden zuzufügen, die über die Beklemmungen des Jungen hinausgingen, die mit jeder der festgestellten Fixierungen verbunden waren.

V.

Rechtliche Würdigung

Die Angeklagte hat sich hiernach in drei Fällen der Nötigung gemäß § 240 StGB schuldig gemacht. Sie hat jeweils den Widerstand des Kindes ... überwunden, indem sie durch das Hinlegen und vollständige Zudecken einschließlich des Befestigens der Decke mit dem über seinem Kopf aufgestellten Kinderstuhl körperlich wirkenden Zwang ausgeübt hat, der das Aufstehen erheblich erschwert hat. So hat die Angeklagte das von ihr angestrebte Ziel erreicht, dass der Junge gegen seinen Willen auf der Matratze liegen blieb. Dieses Vorgehen der Angeklagten war auch mangels Eingreifens allgemeiner Rechtfertigungsgründe rechtswidrig und zudem verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB. Die Anwendung der Gewalt war zu dem angestrebten Zweck im Ergebnis einer Gesamtwürdigung der Umstände als in erhöhtem Maße sozialwidrig zu beurteilen. Aus dem Verhältnis der angewandten Gewalt und dem angestrebten Zweck der Maßnahme zueinander (Mittel-Zweck-Relation) ergibt sich, dass es sich in Anbetracht der nicht unerheblichen Intensität der Gewalt als sozial unerträglich darstellt, diese Gewalt gegenüber einem zweieinhalbjährigen Kleinkind anzuwenden, um es zur Ruhe zu zwingen.

Eine Freiheitsberaubung liegt indes jeweils nicht vor, da die von § 239 StGB geschützte Fortbewegungsfreiheit des Kindes nicht durch ein Einsperren oder auf andere Weise aufgehoben wurde. Es wäre ... nach den getroffenen Feststellungen objektiv möglich gewesen, sich aus seiner Lage zu befreien, so dass seine Bewegungsfreiheit durch die Taten der Angeklagten lediglich eingeschränkt wurde. Eine etwaige Bedrohungslage, wegen derer ihm ein Aufstehen unzumutbar gewesen wäre, war nach den Feststellungen auch nicht gegeben.

Ferner hat die Angeklagte auch nicht den Tatbestand der Körperverletzung gemäß § 223 StGB verwirklicht, weil keine Gesundheitsbeschädigung eingetreten ist und das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit von ... durch die Taten jeweils nicht erheblich beeinträchtigt worden sind.

Der Tatbestand einer Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 Abs. 1 StGB ist ebenfalls nicht erfüllt, da die Angeklagte das Kind ... nicht im Sinne der Vorschrift gequält hat und die anderen Handlungsalternativen des Tatbestandes ersichtlich nicht in Betracht kommen.

Quälen im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB ist das Verursachen länger dauernder oder sich wiederholender erheblicher Schmerzen oder Leiden körperlicher oder seelischer Art (BGHSt 41, 113). Die hier allein in Betracht kommenden Leiden seelischer Art, die durch die Beklemmungen unter der fixierten Decke entstanden und in dem Weinen des Kindes zum Ausdruck gekommen sind, gingen jedoch für jeden Einzelfall betrachtet nicht über das durchschnittliche Maß hinaus und sind daher jeweils nicht als erheblich einzustufen. Insoweit ist zu bedenken, dass der Junge zum Teil trotz seines Unbehagens eingeschlafen ist. Von einem tatbestandlich erforderlichen überdurchschnittlichen, länger andauernden Leiden war nicht auszugehen und dieses war jeweils auch nicht vom Vorsatz der Angeklagten umfasst. Zwar kann die Vorschrift des § 225 Abs. 1 StGB auch durch die ständige Wiederholung von Handlungen, die für sich genommen noch nicht den Tatbestand erfüllen, verwirklicht werden, wenn die systematische Wiederholung gerade den gesteigerten Unrechtsgehalt ausmacht (BGH NStZ 2016, 472). Insoweit war aber ein entsprechender Vorsatz der Angeklagten in der Weise, dass sie bei jeder Einzelhandlung die Zufügung seelischer Leiden wiederholen wollte, nach den getroffenen Feststellungen nicht gegeben. Vielmehr stellen sich die einzelnen Taten gerade nicht als ein äußerlich und innerlich geschlossenes Geschehen dar (BGH, Beschluss vom 20. März 2012 – 4 StR 561/11 –, Rn. 27, juris), sondern als eine jeweilige, situationsabhängige Reaktion auf das unterschiedliche Verhalten des Kindes, deren Wiederholung eben nicht auf einem Gesamtplan beruhte, sondern schlicht eine Häufung wiederkehrender Ereignisse darstellte.

VI.

Strafzumessung

Bei der Strafzumessung hat der Kammer der Strafrahmen aus dem in allen Fällen verletzten Strafgesetz des § 240 Abs. 1 StGB zur Verfügung gestanden, der die Verhängung von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorsieht.

Zugunsten der Angeklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass sie zum Zeitpunkt der Tatbegehungen unbestraft war und auch danach strafrechtlich nicht wieder in Erscheinung getreten ist. Auch war strafmildernd zu bewerten, dass das Strafverfahren für die Angeklagte - über die strafrechtliche Sanktion hinaus - bereits mit negativen beruflichen Konsequenzen verbunden war. Überdies bedeutete das sich gegen sie seit nunmehr über zwei Jahren hinziehende Strafverfahren, welches immerhin erstinstanzlich mit der Verhängung einer bedingten Freiheitsstrafe (vorläufig) endete, angesichts des öffentlichen und medialen Interesses an den Vorfällen im ... in einer Kleinstadt wie ... eine erhebliche Belastung für die bis dato unbescholtene Angeklagte. Zu ihren Gunsten hat sich schließlich ausgewirkt, dass die Vergehen mittlerweile fast drei Jahre zurück liegen.

Demgegenüber hat sich strafschärfend ausgewirkt, dass in den inkriminierten Handlungen ein besonderer Vertrauensbruch liegt, da die Angeklagte die Nötigungen zum Nachteil eines ihr von den Eltern anvertrauten Kleinkindes begangen hat. Gegen sie sprach zudem, dass das geschädigte Kind aufgrund seines Alters besonders schutzbedürftig war und diesen Schutz insbesondere von der Angeklagten als die für ihn zuständige Erzieherin erwarten konnte.

Unter Berücksichtigung der für und gegen die Angeklagte sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte hat die Kammer im Ergebnis die Verhängung von Einzelgeldstrafen in Höhe von jeweils 60 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen erachtet.

Bei der Bemessung der Tagessatzhöhe für die jeweiligen Einzelgeldstrafen ist sie von einem Einkommen in Höhe von monatlich 1900,-- € ausgegangen, von welchem - gemeinsam mit ihrem Ehemann erfüllte - Unterhaltsverpflichtungen gegenüber ihren minderjährigen Kindern in Abzug gebracht wurden.

Aus den vorstehend erkannten drei Einzelgeldstrafen war gemäß §§ 53, 54 StGB eine Gesamtgeldstrafe zu bilden, indem die höchste verwirkte Strafe - hier 60 Tagessätze - unter zusammenfassender Würdigung der Person der Angeklagten und der drei Straftaten angemessen zu erhöhen war, wobei die Summe der Einzelgeldstrafen, hier 180 Tagessätze, nicht erreicht werden durfte (§ 54 Abs. 2 StGB).

Hierbei hat die Kammer berücksichtigt, dass zwischen den Taten nur wenige Wochen lagen und sie in einem sachlichen und situativen Zusammenhang stehen. Insgesamt war daher ein enger Zusammenzug der Einzelstrafen mit der Konsequenz einer nur geringfügigen Erhöhung der Einsatzstrafe auf eine Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50,-- € angezeigt.

VII.

Teilfreisprüche

Nach der Anklage der Staatsanwaltschaft Neuruppin vom 12.10.2017 lag der Angeklagten neben dem oben festgestellten Geschehen ferner folgender Sachverhalt zur Last, der sich in der Zeit von Anfang November 2016 bis Ende Januar 2017 im ... in Neuruppin zugetragen haben soll:

1. Sie habe dem Kind ... mindestens viermal gewaltsam Essen in den Mund gestopft und ihm dann jeweils mit der Hand auf den Mund geschlagen. Zweimal habe die Angeklagte zudem ... beim Waschen seines Mundes die Hände festgehalten und ihm auf den Mund geschlagen. Weiterhin habe sie ihn mindestens dreimal beim Anziehen und einmal beim Spielen schwungvoll hingesetzt, wobei sie ihn im Rahmen des Anziehens auch auf den Mund oder den Hinterkopf geschlagen habe.

2. Sie habe den Kindern ... und ... jeweils zweimal täglich an drei bis vier Tagen in der Woche beim Essen auf den Mund oder die Finger geschlagen. Wenn diese beiden Kinder das Essen wieder ausspuckten, habe sie es ihnen zwangsweise wieder hineingeschoben.

3. Sie habe dreimal bis fünfmal wöchentlich dem Kind ... auf den Mund geschlagen, wenn es ihren Anweisungen beim Essen oder Anziehen nicht Folge geleistet habe.

4. Sie habe dem Kind ... dreimal wöchentlich auf die Finger oder in den Nacken gehauen, weil es beim Anziehen getrödelt habe.

5. Sie habe dem Kind ... zwei- bis viermal wöchentlich auf den Rücken oder auf die Finger gehauen, wenn es ihren Anweisungen nicht Folge geleistet hatte. Ferner habe sie ihn kurz vor Weihnachten bei einem Spielexperiment mit einer Wasserschale dreimal in seinen Stuhl zurückgeschubst und beim dritten Mal mit der flachen Hand auf seine Hand geschlagen.

Das Amtsgericht Neuruppin hat die Angeklagte bereits hinsichtlich der Vorwürfe zu 3. und 4. der Anklageschrift zum Nachteil der Kinder ... und ... aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Auch im Hinblick auf die der Angeklagten vorgeworfenen Verletzungshandlungen zum Nachteil des Kindes ... hat das Vordergericht keine einen Schuldspruch rechtfertigenden Feststellungen getroffen.

Das Vordergericht hat indes bezüglich der anderen Kinder festgestellt, dass die Angeklagte im Tatzeitraum mindestens einmal das Kind ... beim Spielen unsanft am Oberarm gegriffen und mit Schwung nach unten gezogen sowie mindestens ein weiteres Mal beim Anziehen desselben Kindes so verfahren sei. Weiter habe die Angeklagte dem Kind ... einmal auf die Finger geschlagen, als es an der Türklinke gespielt habe, und einmal beim Essen auf den Mund gehauen, weil er gespuckt habe.

Die Angeklagte habe zudem mindestens zweimal gemeinsam mit der gesondert Verfolgten ... dem Kind ... Essen weggenommen und diesem Kind sei von der Angeklagten und der gesondert Verfolgten ... zweimal auf die Finger geschlagen worden, als es versucht habe, seinen Teller zu greifen. ... habe dann geweint und ihm sei Essen aus dem Mund gefallen, woraufhin ihm der Mund so schwungvoll abgewischt worden sei, dass es einem Klaps auf den Mund gleichgekommen sei.

Auch andere Kinder habe die Angeklagte geschlagen, unter anderen ..., mindestens zweimal auf den Rücken oder auf die Finger, wenn er ihren Anweisungen nicht Folge geleistet habe. Ihm habe sie weiterhin einmal auf die Hand geschlagen, als er nicht habe abwarten können, mit dem Essen zu beginnen. Ein anderes Mal habe sie ihm auf die Hand geschlagen, als er in eine Wasserschale gegriffen habe, die für ein Experiment vorbereitet worden sei, wobei sie ihn auch auf seinen Stuhl zurückgeschubst habe.

Auch von diesen - zweitinstanzlich noch verbliebenen - Vorwürfen ist die Angeklagte nach eingehender Prüfung aus tatsächlichen Gründen in der Berufungsinstanz freigesprochen worden, weil die Kammer keine sicheren Feststellungen zu inkriminierten Verletzungshandlungen durch die Angeklagte während der Betreuungszeiten der Kinder in der Käfergruppe im Tatzeitraum treffen konnte.

Die Angeklagte hat bestritten, die ihr vorgeworfenen Taten begangen zu haben. Sie habe in der Kindergartengruppe niemals körperliche oder seelische Gewalt angewandt. Es seien immer viele verschiedene Leute in den Gruppenräumen und die Türen nie verschlossen gewesen. Die Räumlichkeiten hätten im Erdgeschoss gelegen und seien auch von außen durch die Fenster gut einsehbar gewesen. Das Kind ... sei von ihr nicht misshandelt, sondern allenfalls ausnahmsweise festgehalten worden, zum Beispiel im Straßenverkehr. Das Kind ... habe mittags nicht besonders gut gegessen und zum Teil Reste am Nachmittag gegessen. Mit seiner Mutter sei abgesprochen gewesen, dass er alles kosten solle, was auf den Tisch komme. Das Kind ... sei sehr weinerlich gewesen, möglicherweise weil die Eltern in Trennung lebten. Sie könne sich noch an das Experiment mit der Wasserschale erinnern, an dem ... teilgenommen habe. Es sei damals eine Kanne aus Glas zerbrochen und sie habe ... schnell zur Seite gesetzt, damit er nicht in die Scherben greife.

Die Zeugin ... hat in der Berufungshauptverhandlung bekundet, dass während ihres Praktikums Kindern auf die Hände und auf den Mund gehauen und diese auch geschubst worden seien. ... sei auf die Finger und den Mund gehauen worden, dies hätten sowohl die Angeklagte als auch die gesondert Verfolgte ... gelegentlich getan. Er sei auch zum Hinsetzen geschubst und ihm sei Essen grob in den Mund geschoben worden.

Dem Kind ... sei von der Angeklagten und auch der gesondert Verfolgten ... beim Essen und beim Anziehen auf die Hände gehauen worden. Bezüglich dieses Kindes habe sie nur noch bruchstückhafte Erinnerungen. Wenn es nicht habe essen wollen, habe es einen Klaps auf die Finger gegeben, ihm sei auch auf den Mund gehauen worden. Das Wort Klaps sei für sie ein Synonym für das Wort Schlag, allerdings benutze sie das Wort Schlag nicht gerne. An das Kind ... habe sie gar keine Erinnerung mehr, sie könne sich zwar noch an ein Experiment mit einer Wasserschale erinnern, aber nicht mehr mit Gewissheit sagen, wer daran teilgenommen habe. Sie erinnere sich auch nicht mehr daran, dass dabei etwas zu Bruch gegangen sei. Auch an die Kinder ... und ... habe sie nur eine sehr vage bis gar keine Erinnerung mehr. An ... erinnere sie sich noch, weil der immer so rote Bäckchen gehabt habe. Ihm sei Essen weggenommen worden, er habe sich dann umdrehen müssen. Ob ihm auf den Mund gehauen worden sei, könne sie heute nicht mehr sagen. Schließlich könne sie zu ... heute nichts mehr sagen.

Der Zeugin ... ist es auch auf Vorhalt ihrer früheren Aussagen nicht gelungen, sich eine konkretere Erinnerung dergestalt zurückzurufen, dass sie einzelne Handlungen in eine Beziehung zu einem Ereignis setzen und sicher einer handelnden Erzieherin zuordnen konnte.

Bezüglich ihres Vorgehens nach Beendigung ihres Praktikums hat die Zeugin ... bekundet, sie habe sich mit Frau ... an das Jugendamt gewandt und Aufzeichnungen übergeben, die sie bereits während des Praktikums zur Gedächtnisunterstützung gefertigt habe. Wenn darin nichts von Schlägen auf den Mund erwähnt sei, ändere dies nichts daran, dass es diese Schläge tatsächlich gegeben habe. An Einzelheiten des Gesprächs beim Jugendamt könne sie sich nicht erinnern, in der Hauptsache sei es damals um die Fixierung des Kindes ... gegangen. Sie habe bereits am Anfang des Praktikums ihrer Berufsschullehrerin, der Zeugin ..., im Rahmen des praxisbegleitenden Unterrichts von der Fixierung des Kindes ... berichtet. Ob sie ihr auch von anderen Misshandlungen erzählt habe, könne sie heute nicht mehr erinnern.

Die Aussage der Zeugin ... hat der Kammer die für eine Verurteilung gebotene Überzeugung, dass die Angeklagte im Sinne des Strafgesetzes erhebliche Verletzungshandlungen zum Nachteil wenigstens eines bestimmten Kindes begangen hat, nicht vermitteln können. Im Unterschied zu den oben unter III. festgestellten Handlungen ist zunächst zu konstatieren, dass die Angaben der Zeugin ..., soweit sie überhaupt geeignet wären, konkrete Taten zu beschreiben, im Ergebnis der Beweisaufnahme keine weitere Stütze außerhalb ihrer eigenen Schilderung erhalten haben. Maßgebend dafür, dass die Kammer insofern ihre Zweifel nicht zu überwinden vermochte, sind folgende Erwägungen:

Weder die Zeugin ... noch die gesondert Verfolgten ... und ... haben ausgesagt, mit eigenen Augen gesehen zu haben, dass die Angeklagte ein Kind geschlagen habe. Die Zeugin ... hat lediglich bekundet, ihr sei von der Zeugin ... erzählt worden, dass die Angeklagte und die gesondert Verfolgte ... den Kindern auf die Finger hauen würden. Sie selbst habe aber lediglich einmal beobachtet, dass die Angeklagte ein Kind auf grobe Art und Weise wachgehalten habe.

Auch die Zeuginnen ..., ... und ..., die nach ihren Bekundungen in dem ... mehrere Jahre mit der Angeklagten bis zu deren Kündigung als Kolleginnen zusammengearbeitet hatten, haben übereinstimmend bekundet, niemals Misshandlungen von Kindern durch die Angeklagte beobachtet zu haben. Insoweit mag zwar aufgrund der kollegialen Verbindung zur Angeklagten eine gewisse Entlastungstendenz bei den Zeuginnen bestehen. Es ist aber jedenfalls bezüglich der Zeugin ... festzustellen, dass diese auch eindeutig belastende Angaben zum Nachteil der Angeklagten und der gesondert Verfolgten ... gemacht hat. Auch verfügte die Zeugin ... über entsprechende Wahrnehmungsgelegenheiten, soweit die offenen Räume ihrer jeweiligen Kindergruppen im Erdgeschoss nebeneinander lagen, was sämtliche einvernommenen Erzieher zur Lage der Räumlichkeiten überstimmend bekundet haben. Dass die Zeugin ... gleichwohl von keinerlei wahrgenommenen Misshandlungen berichtet hat, obgleich diese weit häufiger und überdies zum Nachteil verschiedener Kinder im täglichen Umgang nach Angaben der Zeugin ... geschehen sein sollen als die von der Zeugin ... bestätigte Fixierung ausschließlich des ... während der Mittagsruhe, ist ein gewichtiger, gegen die Verlässlichkeit der Aussage der Zeugin ... sprechender Umstand.

Zudem hatte die Zeugin ... gegenüber der Zeugin ... nach deren glaubhafter Bekundung mit Ausnahme der Fixierung eines Kindes, deren Schilderung durch Frau ... die Zeugin ... gleich zu Beginn des Praktikums erinnerte, keine weiteren besonderen Vorkommnisse bezüglich etwaiger Kindeswohlgefährdungen während des gesamten praxisbegleitenden Unterrichtes berichtet. Die Zeugin ... hat hierzu ausgesagt, die Angaben der Zeuginnen ... und ... zu den Bedingungen ihres Praktikums im ... seien spürbar subjektiv gefärbt gewesen, insbesondere zu den angeblich unangenehmen Arbeitsbedingungen und dem als schwierig empfundenen Verhältnis zu den Erzieherinnen. Es wäre insoweit jedoch zu erwarten gewesen, dass die Zeugin ... mit Tätlichkeiten der Erzieherinnen, so sie solche in der Form beobachtet hätte, wie sie sie in ihren polizeilichen Vernehmungen beschrieben hat, nicht zurückhaltend umgegangen wäre.

Es erscheint im Übrigen auch wenig nachvollziehbar, dass die Zeugin ... zahlreiche Misshandlungen zum Nachteil diverser Kinder gesehen haben will, sich aber in der Berufungshauptverhandlung nicht eine einzige bestimmte Situation in Erinnerung rufen konnte, zumal insoweit konkrete Vorhalte gemacht worden sind, so etwa zu dem Experiment mit der Wasserschale in der Vorweihnachtszeit.

Der Zeuge ... vom Jugendamt hat bekundet, dass Schwerpunkt seines Gesprächs mit den Zeuginnen ... und ... eindeutig die Fixierung des Kindes ... gewesen sei. Sie hätten auch davon berichtet, dass Kinder zum Essen gezwungen und es zu „auf die Finger hauen“ gekommen sei, ohne dass er sich noch an Einzelheiten erinnern könne. Ihm seien von der Zeugin ... Aufzeichnungen übergeben worden, die von ihr zur Gedächtnisunterstützung gefertigt worden seien. Diese der Zeugin vorgehaltenen und von ihr als die ihrigen und zutreffend bestätigten Aufzeichnungen enthalten in Bezug auf Kindesmisshandlungen neben der Fixierung des Kindes ... die Unterpunkte Zwangsfütterung, Finger hauen, Schubsen und grobes Anfassen, die jedoch im Verhältnis zu den Beschwerdepunkten über die Arbeitssituation nicht überwiegen, wobei hier zum Teil nebensächliche Aspekte wie private Einkaufsgänge der Erzieher sowie ständige Putz- und Botengänge, mit denen die Praktikanten beauftragt worden seien, aufgelistet sind. Insoweit erscheint es wenig plausibel, dass Körperverletzungen zum Nachteil von Kindern, wenn sie tatsächlich stattgefunden hätten, inmitten von eher geringfügigem Fehlverhalten aufgezählt werden. Bemerkenswert ist zudem, dass sich in den Aufzeichnungen nichts über Schläge auf den Mund von Kindern findet, obwohl dies von der Zeugin ... in allen späteren Vernehmungen zumindest abstrakt beschrieben worden ist.

Schließlich hat die Kammer zur Prüfung der Aussagekonstanz der Zeugin und zur Behebung im Rahmen der Vernehmung der Zeugin ... im Berufungsverfahren konstatierter deutlicher Erinnerungsdefizite deren Vernehmungsbeamtin im Ermittlungsverfahren, die Zeugin KOKin ..., gehört. KOKin ... hat die Zeugin ... insgesamt dreimal, ausweislich der hierzu verlesenen Vernehmungsdaten, am 12.04.2017, 27.04.2017 und 09.06.2017 vernommen. Sie ist jedoch nur unzureichend in der Lage gewesen, Erinnerungen an diese Vernehmungen hervorzurufen, was angesichts ihrer regelmäßigen beruflichen Befassung mit der Einvernahme von Zeugen und des zwischenzeitlichen Zeitablaufs von über zwei Jahren zwanglos erklärbar ist. Sie konnte keine sichere Erinnerung mehr an die Schilderung konkreter Taten der Angeklagten bezüglich einzelner Kinder abrufen und zudem nicht mehr auseinanderhalten, welche konkreten Handlungen die Zeugin ... der Angeklagten im Einzelnen in Abgrenzung zu den gesondert Verfolgten ... und ... zugeordnet hatte. Zum Ablauf der Vernehmungen hat die Zeugin KOKin ... bekundet, dass die beiden Nachvernehmungen notwendig gewesen seien, weil die Staatsanwaltschaft mitgeteilt habe, dass das Ermittlungsergebnis noch nicht genüge. Auf Nachfrage hat sie ein nicht aktenkundiges Telefonat mit der Zeugin ... nach deren Erstvernehmung einräumen müssen, obgleich die Zeugin ... am Ende jener Vernehmung bekundet hatte, nicht mehr zu wissen, und es gleichwohl zu deren erneuten Vernehmung gekommen war. Auf eine im Fortgang der Befragungen zu verzeichnende ansteigende Tendenz der Zeugin ... zur Belastung der Angeklagten deutet auch die Äußerung der Zeugin KOKin ..., dass die Zeugin ... irgendwann gewusst habe, was sie – die Zeugin ... – habe wissen wollen, was durchgreifende Zweifel an der offenen Befragung aufkommen lässt und eine bereits stattgefundene suggestive Beeinflussung indiziert. Tatsächlich enthalten die polizeilichen Vernehmungen der Zeugin ... sehr wenig freien Sachbericht der Zeugin und insbesondere die Nachvernehmungen sind geprägt durch kurze Fragen und relativ kurze Antworten, was den Beweiswert dieser Zeugenvernehmungen erheblich relativiert. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Zeugin ... bereits bei ihren polizeilichen Zeugenvernehmungen verschiedene Situationen vermischt und Erinnerungslücken durch Konfabulation gefüllt hat.

Neben den früheren belastenden Angaben der Zeugin ..., deren Inhalt aber durch die zum Teil suggestive Befragung der Zeugin ... entwertet worden ist, liegen keine belastenden Indizien gegen die Angeklagte vor. Zudem konnten weder die Zeugin ... noch die Zeugin ... in der Berufungshauptverhandlung greifbare Erinnerungen an den Sachverhalt erzeugen.

Die Kammer hat sich unter Berücksichtigung sämtlicher Beweisergebnisse daher nicht davon überzeugen können, dass die Angeklagte weitere Straftaten begangen hat. Nach alledem war sie insoweit nach dem Grundsatz in dubio pro reo freizusprechen.

VIII.

Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 Abs. 1, 467 Abs. 1, 473 Abs. 1 StPO. Soweit die Angeklagte freigesprochen worden ist, richtet sich die Kostenentscheidung ausschließlich nach § 467 Abs. 1 StPO. Dies betrifft nicht nur die unangefochtenen und folglich nicht mehr verfahrensgegenständlichen Freisprüche aus der ersten Instanz, sondern auch - gemäß der Kostenentscheidung im Berufungsverfahren - die Freisprüche in zweiter Instanz (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 473 Rn. 2). Die Kostenentscheidung bzgl. der Verfahrenskosten und der Kosten der Berufung betrifft daher nur noch die einzig verbliebene Verurteilung wegen dreifacher Nötigung zum Nachteil des Kindes .... Insoweit ist zwar zu konstatieren, dass die Angeklagte einen beträchtlichen Teilerfolg erzielt hat, da neben der Änderung im Schuldspruch die verhängte Strafe deutlich herabgesetzt worden ist. Gleichwohl führt der Teilerfolg nicht allein zur Anwendung der Vorschrift des § 473 Abs. 4 StPO (die Freisprüche werden durch § 467 Abs. 1 StPO kostenrechtlich erfasst). Die Ausnahme von der Vorschrift des § 473 Abs. 1 StPO setzt überdies voraus, dass nach den Umständen des Falles anzunehmen wäre, der Beschwerdeführer hätte das Rechtsmittel nicht eingelegt, wenn schon das Urteil der Vorderinstanz so gelautet hätte. Das ist nach den getroffenen Feststellungen gerade nicht der Fall, soweit erklärtes Ziel der Angeklagten ihr vollumfänglicher Freispruch war (Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., Rn. 26 m.w.N.).