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Feststellung weiterer Unfallfolgen - komplexe Beckenfraktur - MdE


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 05.12.2013
Aktenzeichen L 3 U 77/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 7 SGB 7, § 8 SGB 7

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Februar 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung weiterer Unfallfolgen aus einem anerkannten Arbeitsunfall sowie um eine Verletztenrente (VR).

Der 1958 geborene Kläger, der gelernter Maurer ist, arbeitete von Februar 1975 bis Januar 1978 beim VEB Wohnungs- und Gesellschaftsbaukombinat F im Betrieb S/E als Maurer und Rohbaumonteur. Im Anschluss war er mit einer Unterbrechung von November 1983 bis April 1985 (Grundwehrdienst) als Rohbaumonteur und Einschaler beim VEB Wohnungskombinat B bzw. der I Bau-Union B bzw. der I Industrielles Bauen GmbH als Vorarbeiter, Rohbaumonteur und Einschaler tätig, bis er wegen Konkurses gekündigt wurde. Anschließend war er mit Unterbrechungen von August 2002 bis Dezember 2006 als Bauhelfer, Bauwerker, Abrissarbeiter und Garten- und Landschaftsarbeiter bei der T Tief- und Straßenbau und Umwelt GmbH in M beschäftigt.

Der hier streitgegenständliche Unfall ereignete sich am 05. Mai 1978, als sich auf einer Baustelle in B eine Betonplatte mit einem Gewicht von ca. 1,5 t löste und auf den Kläger kippte. Der Kläger erlitt eine Beckenfraktur (Fraktur des rechten Sitzbeins mit Schambeinfugenruptur, Sprengung des Kreuzdarmbeingelenkes rechts) und wurde im O Krankenhaus (jetzt: S Klinikum L) vom 05. Mai bis zum 06. Juli 1978 stationär behandelt. Im Befund zur Beckenübersichtsaufnahme vom 29. Juni 1978 wurde nach Luxation bzw. Subluxation im rechten Iliosakralgelenk und breiter Sprengung des Symphysenspaltes eine deutliche Besserung des Standes der rechten Beckenhälfte beschrieben. Es bestehe nur noch eine kleine Stufenbildung zwischen dem linken und rechten Os pubis, das rechte Os pubis sei um 1 cm nach kaudal verlagert. Eine Verbreiterung im rechten Gelenkspalt des Iliosacralgelenks (Kreuzdarmbeingelenk) liege unverändert vor (siehe auch Röntgenbefund vom 06. Juli 1978). Lt. Bericht der Chirurgischen Klinik vom 20. April 1979 zeigte eine Röntgenaufnahme des Beckens eine knöchern durchbaute Sitzbeinfraktur rechts bei völliger Beseitigung der Schambeinfugensprengung. Es bestehe lediglich eine geringfügige Stufenbildung der Schambeinfuge. Das rechte Kreuzdarmbeingelenk sei ebenfalls geringgradig verbreitert. Klinisch sei das Becken fest, die Beweglichkeit im Hüftgelenk rechts gleich links sei uneingeschränkt. Lt. Eintragung im Sozialversicherungsausweis (SVA) des Klägers bestand Arbeitsunfähigkeit bis zum 31. August 1978.

Wegen zunehmender Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS), der Hüfte und der Hände stellte sich der Kläger am 18. Januar 2005 bei dem Orthopäden Dr. H vor, der eine Beckenfraktur, Coxarthritis und eine muskuläre Dysbalance diagnostizierte und am 10. Februar 2005 beim Röntgen der LWS u. a. eine Arthrose im Kreuzdarmbeingelenk links feststellte (vgl. Befundbericht <BB> vom 22. Mai 2007). Da sich die Beschwerden des Klägers nicht besserten, stellte er sich am 12. April 2007 bei dem Durchgangsarzt (DA) Dr. H vor, der nach Erstellung von Röntgenaufnahmen zu dem Ergebnis gelangte, dass beim Kläger eine mit Stufenbildung von ca. 1 cm verheilte Schambeinfugensprengung und Sitzbeinfraktur mit arthrotischen Ausziehungen in der Schambeinfuge sowie Randzackenausziehungen in beiden Hüftpfannen vorlägen (Bericht vom 12. April 2007).

Mit Schreiben vom 14. April 2007 bat der Kläger bei der Beklagten um Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens zu diesem Unfall. Daraufhin zog die Beklagte die Krankenakte des S.-Klinikums L aus dem Jahr 1978 bei.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der DA und Facharzt für Chirurgie/Orthopädie im Klinikum F Dr. H am 09. August 2007 nach Untersuchung des Klägers ein fachtraumatologisches Zusammenhangsgutachten und stellte folgende Unfallfolgen fest:

Mit Stabilität und weitestgehender Symmetrie ausgeheilte, primär instabile Fraktur des Beckens mit Beteiligung der Symphyse des vorderen Beckenringes und des rechten Iliosakralgelenkes.

- Leichtgradige degenerative Veränderungen der linken Darm-/Kreuzbein-fuge.
- Kallöse Überbrückung mit reduzierter Elastizität des vorderen Beckenringes sowie Hochstand des linken Schambeines von 5 mm infolge der stattgehabten Symphysensprengung.
- Linksbetonte leichtgradige degenerative Veränderungen der Zwischenwirbelgelenke am Übergang von der LWS zum Kreuzbein.

Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage vom Eintritt der Arbeitsfähigkeit ab ca. Mai 1979 bis zum jetzigen Zeitpunkt und darüber hinaus auf Dauer 10 v. H..

Mit Bescheid vom 25. September 2007 erkannte die Beklagte als Unfallfolgen an: Reduzierte Elastizität des vorderen Beckenringes sowie Hochstand des linken Schambeines von 5 mm nach Bruch des Beckens mit Beteiligung der Schambeinfuge, des vorderen Beckenringes und des rechten Kreuzdarmbeingelenks. Nicht als Folgen des Versicherungsfalles anzusehen seien: Degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS), Bluthochdruck, Diabetes mellitus. Die Gewährung einer Unfallrente lehnte die Beklagte ab.

Mit Bescheid vom 30. Oktober 2007 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Berlin-Brandenburg dem Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01. Mai 2007 (Leistungsfall 12. April 2007).

Mit seinem gegen den Bescheid vom 25. September 2007 gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Beklagte sei nicht auf eine durch den Hochstand des linken Schambeins bedingte erhöhte Belastung des Knochenapparates und die Veränderung der Zwischenwirbelgelenke eingegangen.

Auf Nachfrage der Beklagten führte Dr. H in einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 12. November 2007 aus, dass die leichtgradigen degenerativen Veränderungen in der linken Kreuzdarmbeinfuge Verletzungsfolgen durch Überlastung des hinteren Beckenringes infolge der reduzierten Elastizität im vorderen Beckenringbereich seien. Dies übertrage sich auch auf die Zwischenwirbelgelenke im Bereich zwischen unterer LWS und Kreuzbein. Allerdings sei die MdE nicht höher als mit 10 v. H. einzuschätzen, da die degenerativen Veränderungen lediglich diskret seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.

Mit seiner hiergegen am 14. Dezember 2007 vor dem Sozialgericht (SG) Frankfurt (Oder) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf Gewährung einer VR bei einer MdE von mindestens 20 v. H. unter Anerkennung weiterer Unfallfolgen weiter verfolgt und ein Schreiben der DRV, Rehabilitationsklinik H vom 07. Februar 2008, betreffend ein stationäres Heilverfahren vom 03. Januar bis zum 07. Februar 2008 mit Entlassung als arbeitsunfähig sowie seinen SVA vorgelegt.

Im Auftrag des SG hat der Arzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S unter dem 05. Oktober 2009 ein Gutachten erstellt (Untersuchung des Klägers am 06. Juli 2009), in welchem er folgende Gesundheitsstörungen festgestellt hat:

- mit Verknöcherung der Symphyse in geringer Stufenbildung und mit entsprechender Verformung des Beckenrings und Verschleißumformung der Darmbein-Kreuzbein-Gelenke knöchern ausgeheilter kompletter Beckenringbruch,
- eine generalisierte Verschleißumformung der Wirbelsäule mit chronischem Schmerzsyndrom,
- eine teilweise Einsteifung beider Schultergelenke,
- eine motorische Nervenfunktionsstörung des rechten Arms,
- diffuse Nervenfunktionsstörungen (Polyneuropathie) beider Beine.

Das Unfallereignis vom 05. Mai 1979 stelle die alleinige Ursache für die knöchern vollständig ausgeheilte Knochenbruchverletzung des Beckens dar. Die Verschleißumformungen der Darm-Kreuzbein-Gelenke seien unmittelbare Folge des Arbeitsunfalls, da diese straffen gelenkigen Verbindungen in die komplette Beckenringverletzung mit einbezogen gewesen seien. Als mittelbare Folge des mit Verformung des Beckens ausgeheilten Beckenbruches seien anteilig und gegen körpereigene, schicksalhafte Verschleißveränderungen im Einzelnen nicht abgrenzbare Verschleißumformungen des Lendenwirbel-Kreuzbein-Überganges anzusehen. Diese seien jedoch leichtgradig und träten hinter der generalisierten Funktionsstörung der gesamten Wirbelsäule (WS) mit begleitendem chronischem Schmerzsyndrom zurück, die jedoch ebenso wie die teilweise Einsteifung der Schultergelenke und die Nervenfunktionsstörungen am rechten Arm und an beiden Beinen schicksalhafte Erkrankungen darstellten, die durch das Unfallereignis weder hervorgerufen noch beeinflusst worden seien. Der Übergangswirbel L5/S1 habe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Unfallzeitpunkt bereits bestanden und stelle eine Anlagevariante, aber keine krankhafte Veränderung dar.

Die MdE hat der Sachverständige wie folgt eingeschätzt:

- vom 05.05.1978 bis zum 05.09.1978 arbeitsunfähig, MdE 100 v. H.,
- vom 06.09.1978 bis zum 30.04.1979 MdE 20 v. H,
- vom 01.05.1979 bis zum 08.08.2007 MdE 10 v. H,
- vom 09.08.2007 bis zum 06.07.2009 und weiterhin auf Dauer 10 v. H.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Facharzt für Orthopädie Dr. A ein Gutachten (eingegangen beim SG am 28. Mai 2010) erstattet, in welchem er nach Untersuchung des Klägers am 22. April 2010 sowie Auswertung einer am 28. April 2010 gefertigten CT-Aufnahme des Beckens zu folgenden Diagnosen gelangt ist:

1. Zustand nach schweren kompletten instabilen Beckenringfrakturen beidseitig,
2. erhebliche Fehlstatik bei Beckenasymmetrie,
3. sekundäre Arthrosen posttraumatisch der beiden Iliosakralgelenke, rechts führend und drittgradig,
4. sekundäre Coxarthrose beidseitig, rechts führend, drittgradig,
5. pseudoradikuläres Lumbalsyndrom bei lumbosakraler Übergangsanomalie und Fehlstatik,
6. generalisiertes dorsales und cervicales Syndrom bei degenerativen Veränderungen und Überlastung,
7. partielle Schultersteife beidseitig,
8. Dupuytren‘sche Kontraktur geringen Grades 4. Strahl beidseitig.

Durch den Unfall sei es zu einer komplexen schweren Beckenverletzung mit Instabilität (so genannte C-Fraktur) gekommen, wobei am vorderen Beckenring eine Fraktur des linken Schambeines und Sitzbeines, des rechten Schambeines sowie eine Symphysensprengung und eine Verschiebung der beiden Beckenhälften erfolgt sei. Im Bereich des hinteren Beckenringes sei es zur Querfraktur des Darmbeines zum linken Iliosakralgelenk und zur Sprengung des rechten Iliosakralgelenkes gekommen. Der Unfall habe eine massive Asymmetrie des Beckens verursacht. Das Becken sei verwrungen, wobei die hintere Beckenhälfte links 1 cm und die vordere Beckenhälfte rechts 1 cm tiefer lägen. Durch die Fehlstatik und die Fehl-/Überbelastung seien Dauerschäden in Form von Arthrosen im Kreuzbein-Darmbein-Gelenk und in der Schoßfuge eingetreten, wobei allerdings unfallunabhängige, anlagebedingte Veränderungen teilweise eine Mitwirkung hätten.

Hinsichtlich der hochgradigen Hüftgelenksarthrose sei der Nachweis eines unmittelbaren Zusammenhanges mit dem damaligen Unfall schwierig und nur teilweise möglich. Zu erwarten bei einer asymmetrischen Beckenverwringung wäre eine einseitig mehr ausgeprägte Hüftgelenkserkrankung. Beim Kläger seien die Veränderungen rechts stärker ausgeprägt, aber nicht eindeutig von einem schicksalhaften Verlauf zu unterscheiden. Zudem hinge dies möglicherweise auch mit dem erheblichen Übergewicht und den sonstigen Erkrankungen des Klägers zusammen. Ohne den Unfall hätte die (anlagebedingte) Anomalie des Überganges vom Lendenwirbel zum Kreuzbein aber bei weitem nicht diese Veränderungen und Beschwerden herbeigeführt.

Eindeutig unfallunabhängig seien dagegen der Diabetes und dessen Folgen, der Bluthochdruck und das Übergewicht (135 Kilo bei 178 cm) sowie die angeborene Verschmelzung zwischen dem fünften LWK und dem ersten Kreuzdarmbeinwirbel, die Veränderungen im Bereich der HWS, der Schultergelenke und der Hände.

Die MdE betrage unter Berücksichtigung der unfallmedizinischen Literatur (Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Schönberger/Mehrtens/Valentin, 7. Auflage, 2003, S. 654) entsprechend den Ausführungen der Vorgutachter 100 v. H. für die Zeit des Krankenhausaufenthalts vom 05. Mai bis zum 05. September 1978, während der Nachbehandlung vom 06. September 1978 bis zum 30. April 1979 20 v. H., vom 01. Mai 1979 bis zum Aufsuchen des Unfallchirurgen Dr. H im April 2007 10 v. H., und seitdem auf Dauer von 20 v. H.

Die Beklagte ist dem Gutachten unter Vorlage einer Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. B, Chefarzt der Abteilung untere Extremität, Endoprothetik und Fußchirurgie im I-Krankenhaus, vom 19. Juli 2010, entgegengetreten.

Dr. A und Dr. B sind in ergänzenden Stellungnahmen vom 18. August 2010 und vom 28. September 2010 bei ihrer jeweiligen Einschätzung geblieben.

Mit Urteil vom 11. Februar 2011, der Beklagten am 28. Februar 2011 zugestellt, hat das SG Frankfurt (Oder) entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag des Klägers folgende Gesundheitsschäden als Folgen des Arbeitsunfalls vom 05. Mai 1978 festgestellt: „Erhebliche Fehlstatik und pseudoradikuläres Lumbalsyndrom und Fehlbelastung des Beckens mit Asymmetrie und Arthrose sowohl der Schambeinfuge als auch der Iliosakralgelenke, Schambeinfugenerweiterung um 1 cm“. Des Weiteren hat es die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine VR nach einer MdE von 20 v. H. ab dem 12. April 2007 zu bewilligen, und sich zur Begründung auf das Gutachten von Dr. A gestützt. Durch ergänzenden Beschluss vom 11. Februar 2011 hat das SG der Beklagten die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens auferlegt.

Mit ihrer Berufung vom 13. März 2011 wendet sich die Beklagte gegen die im Urteil vom 11. Februar 2011 vom SG Frankfurt (Oder) aufgrund des Sachverständigengutachtens von Dr. A vorgenommene Bewertung der Unfallfolgen und der Einschätzung der MdE mit 20 v. H. und bezieht sich hierfür auf die Gutachten der Sachverständigen Dr. H vom 09. August 2007 und Dr. S vom 05. Oktober 2009 sowie auf die beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. B vom 19. Juli 2010 sowie vom 07. März 2011.

Der Senat hat die Rentenstreitakten des SG Frankfurt (Oder), S 9 R 628/08, beigezogen und hieraus Kopien der Gutachten des MDK Berlin-Brandenburg (Dr. Svom 29. Mai 2008), des Orthopäden und Chirurgen Dr. T vom 12. November 2009 und des Internisten und Nephrologen Prof. Dr. B vom 27. Juli 2010 sowie des vollständigen Berichts der Rehaklinik H vom 09. April 2008 zur Akte genommen. Des Weiteren sind von der AOK Berlin-Brandenburg ein Vorerkrankungsverzeichnis für die Zeit von 1990 bis 2011 und vom Klinikum F der Röntgenbefund vom 09. August 2007 angefordert worden.

Im Auftrag des Senats hat der Facharzt für Orthopädie Dr. W unter dem 17. Januar 2013 (Untersuchung des Klägers am 15. Januar 2013) ein Gutachten erstellt, in welchem er zur Feststellung folgender Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet gelangt ist:

- Zustand nach komplexer Beckenfraktur,
- posttraumatische ISG-Arthrose rechts>links,
- dreidimensionale Beckenfehlstatik (geringen Ausmaßes),
- chronische Dorsolumbalgien mit pseudoradikulärer Abstrahlung,
- chronisches HWS-Syndrom,
- chronisches Brustwirbelsäulen(BWS)-Syndrom,
- beginnender Hüftgelenksverschleiß bds. bei anlagebedingter Coxa valga bds.,
- Kniegelenksverschleiß bds. mit geringen Funktionseinschränkungen,
- lymphatisch-venöse Stauungsneigung bds.,
- diabetisch bedingte Polyneuropathie,
- Schulterteilsteife bds.,
- Polyarthrose der Fingergelenke.

Der Sachverständige hat ausgeführt, die Beckenfehlstatik, die rechtsbetonte ISG-Arthrose mit radiologisch erkennbarer geringer Aufweitung, die Stufenbildung mit Verknöcherung an der Symphyse sowie die radiologisch nachweisbaren Verknöcherungen im vorderen Beckenring (Scham- und Sitzbeine) bildeten den Zustand der im Mai 1978 erlittenen Verletzung ab. Dagegen seien die chronischen Dorsalgien (gesamtes Achsenorgan), das Übergewicht, die internistischen Leiden, die Hüftsteilstellung mit beginnenden Abnutzungsprozessen beidseits, der Kniegelenksverschleiß, die venös-lymphatische Stauung, die Fingerarthrosen und die Schulterteilsteifen unfallunabhängige Erkrankungen. Allenfalls die regionalen Dorsolumbalgien (untere LWS, angrenzende Kreuz-Darmbeinfugen) könnten anteilig durch die Beckenfehlstatik negativ beeinflusst worden sein. Nur hierdurch und in Verbindung mit den regionalen Empfindlichkeiten am Becken erkläre sich die gewährte MdE von 10 v. H.

Der Einschätzung Dr. A zu den Unfallfolgen sei nicht zu folgen. Der Behandlungsverlauf deute nicht auf eine komplexe Schädigung von Beckengefäßen oder inneren Organen hin, derartige Beschwerden seien weder benannt worden noch entsprechende Funktionsstörungen verblieben. Zu einer ungemäßen Ausrichtung der Hüftstatik sei es durch die Beckenverletzung nicht gekommen, somit sei auch kein posttraumatisches Korrelat erkennbar, welches durch statische Überlastungen oder knöcherne Deformierungen einen vorzeitigen Hüftgelenksverschleiß hätte begünstigen können. Instabilitäten der Kreuz-Darmbeinfugen bzw. des vorderen Beckenringes würden sich nicht finden und seien frühzeitig radiologisch ausgeschlossen worden. Dass im CT von 2010 möglicherweise auch eine Beteiligung des hinteren Beckenringes aufgedeckt worden sei, spiele für die Gesamtbeurteilung keine Rolle. Der Kläger sei in der Lage gewesen, über 30 Jahre körperlich schwer zu arbeiten, und sei erst ab April 2007 häufiger und intensiver behandelt worden, wobei es jedoch um vielfältige Beschwerden des Bewegungsapparates und internistische Leiden gegangen sei. Die ISG-Arthrose rechts und die Beckenverkippung/-verwringung löse im gesamten Symptomkomplex keine hochgradige abgrenzbare Einzelbehinderung/Funktionsstörung aus. Erhöhte Reizsyndrome durch die Fehlstatik im Muskel-/Bandbereich und an der rechten Kreuz-Darmbeinfuge, möglicherweise auch eine erhöhte Schmerzhaftigkeit über den Schambeinästen seien als Spätfolgen dem Unfall zuzuordnen. Im Vordergrund der aktuellen Symptomatik stünden jedoch nicht Kreuz-Darmbeinfugenreizungen trotz erkennbarer posttraumatischer ISG-Arthrose (vor allem rechts), sondern die zunehmende Bewegungseinschränkung beider Hüften, die pseudoradikulären Dorsolumbalgien sowie weitere unfallunabhängige Faktoren (Adipositas, Abnutzungserscheinungen des Achsenorgans, Steilstellung der Hüfte mit beginnendem Hüftgelenksverschleiß, Neigung zu Polyarthrosen, Kniegelenksverschleiß und diabetesbedingte Polyneuropathie beider Füße und Unterschenkel).

Die MdE aus Unfallfolgen sei zeitlich wie folgt zu staffeln: vom 05. Mai bis zum 05. September 1978 (Krankenhausaufenthalt) 100 v. H., vom 06. September 1978 bis zum 30. April 1979 (erstes posttraumatisches Jahr) 20 v. H., vom 01. Mai 1979 bis zum 15. Januar 2013 und bis auf weiteres 10 v. H.

In seiner hierzu nach § 109 SGG eingeholten und nach erneuter Einbestellung des Klägers abgegebenen Stellungnahme zu dem Sachverständigengutachten von Dr. W (eingegangen beim LSG Berlin-Brandenburg am 24. Juni 2013) ist Dr. A bei seiner Einschätzung geblieben, dass die beim Kläger vorliegenden Unfallfolgen, insbesondere die instabile Beckenfraktur mit der Folge einer Schoßfugenerweiterung über 15 mm nach der unfallversicherungsrechtlichen Literatur bereits eine MdE von 20 v.H. rechtfertigten, bei beidseitiger Verschiebung jeweils über 10 mm und mit Arthrose sogar eine MdE bis zu 30 v.H.

Dr. W ist in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 31. Juli 2013 hierzu ebenfalls bei seiner Auffassung geblieben, dass die jetzt noch vorliegenden unfallbedingten Gesundheitsstörungen und Beschwerden keine MdE von mehr als 10 v.H. rechtfertigen würden.

Die Beklagte hat sich der Einschätzung von Dr. W angeschlossen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung des Senats am 05. Dezember 2013 hat der Vertreter der Beklagten als weitere Unfallfolge die beim Kläger aufgrund Stufenbildung der Schambeinfuge bestehende Verkippung des Beckens um 1 cm sowie die Arthrose der Iliosacralgelenks rechts größer links anerkannt. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil des SG im Hinblick auf das Gutachten von Dr. A und dessen ergänzender Stellungnahme für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig (§§ 143, 144 SGG).

Nachdem der Rechtsstreit durch das im Termin zur mündlichen Verhandlung des Senats am 05. Dezember 2013 vom Kläger angenommene Teilanerkenntnis der Beklagten (Verkippung des Beckens um 1 cm aufgrund von Stufenbildung der Schambeinfuge und Arthrose der Iliosacralgelenke rechts größer links als weitere Unfallfolgen) insoweit erledigt worden ist (§ 101 Abs. 2 SGG), ist nur noch der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Feststellung weiterer Arbeitsunfallfolgen (erhebliche Fehlstatik, pseudoradikuläres Lumbalsyndrom, Fehlbelastung des Beckens mit Asymmetrie und Arthrose der Schambeinfuge und Schambeinfugenerweiterung um 1 cm) sowie auf Gewährung einer VR nach einer MdE i. H. v. 20 v. H. ab dem 12. April 2007 streitbefangen.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Frankfurt (Oder) vom 11. Februar 2011 ist in dem noch streitbefangenen Umfang begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 25. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2007 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf Anerkennung weiterer Arbeitsunfallfolgen sowie auf Gewährung einer VR zu.

gerhardtVersicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 8 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (etwa Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale „versicherte Tätigkeit“, „Verrichtung zur Zeit des Unfalls“, „Unfallereignis“ sowie „Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden“ im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen (etwa BSG, a.a.O., Rn. 16). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R –, zitiert nach juris Rn. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O., auch Rn. 18 und 20). Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall (wesentlich) verursacht wurde, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht nur eine andere, unfallunabhängige Ursache - wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Soweit das Gesetz in § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII eine äußere Ursache für den Gesundheitsschaden fordert, lösen im Umkehrschluss solche Gesundheitsschäden keinen Anspruch aus, welche auf so genannten inneren Ursachen beruhen. Dies sind körpereigene Ursachen infolge krankhafter Erscheinungen oder der Konstitution des Betroffenen (Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Kap. 1.6.2, S. 28).

Gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Nach § 56 Abs. 1 S. 2 SGB VII besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert ist und die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20 erreichen. Nach § 56 Abs. 1 S. 3 SGB VII sind die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Nach § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII werden bei der Bemessung der MdE Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden. Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab: Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R -, zitiert nach juris Rz. 12).

Von diesen Grundsätzen ausgehend ist der Senat nicht im nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG erforderlichen Maße überzeugt, dass weitere als die von der Beklagten anerkannten Gesundheitsstörungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Wesentlichen auf den Arbeitsunfall vom 05. Mai 1978 zurückgeführt werden können und dass die - von der Beklagten anerkannten – Unfallfolgen eine MdE in rentenberechtigender Höhe von 20 v. H. begründen.

Der Senat stützt sich für seine Überzeugungsbildung maßgeblich auf das in sachlicher Argumentation gehaltene Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. W vom 17. Januar 2013 nebst ergänzender Stellungnahme vom 31. Juli 2013. Der dem Senat als erfahrener Sachverständiger bekannte Orthopäde Dr. W hat als (verbleibende) Unfallfolgen einen Z. n. komplexer Beckenfraktur, eine posttraumatische ISG-Arthrose rechts>links, eine dreidimensionale geringe Beckenfehlstatik (geringen Ausmaßes), eine Stufenbildung mit Verknöcherung an der Symphyse sowie radiologisch nachweisbare Verknöcherungen im vorderen Beckenring (Scham- und Sitzbeine) festgestellt und die beim Kläger bestehenden weiteren Gesundheitsstörungen (chronische Dorsolumbalgien mit pseudoradikulärer Abstrahlung, chronisches HWS- und BWS-Syndrom, beginnender Hüftgelenksverschleiß bds., Kniegelenksverschleiß, Übergewichtigkeit etc.) als unfallunabhängig eingestuft, wobei die regionalen Dorsolumbalgien (untere LWS, angrenzende Kreuzdarmbeinfugen) möglicherweise anteilig durch die Beckenfehlstatik negativ beeinflusst worden sein könnten. Seine Einschätzung zur haftungsausfüllenden Kausalität begründet Dr. W nachvollziehbar damit, dass die durch den Unfall unmittelbar erlittenen Verletzungen nicht zu einer erheblichen Fehlstatik mit nachteiligen Folgen auf Becken, Schambeinfugen und Iliosakralgelenke und damit einhergehenden WS-Beschwerden geführt hätten. Hiergegen spreche schon der nach Ausheilung der unmittelbaren Unfallfolgen aktenkundige Zustand. Nach den frühen Behandlungs-/ und Befundberichten sei der Kläger ausschließlich wegen Verletzungen des vorderen Beckenringes, nämlich einer Fraktur des rechten Sitzbeines, des rechten Schambeines, einer Sprengung des vorderen Beckenringes und der rechten Kreuzdarmbeinfuge, behandelt worden, wobei eine Indikation zum operativen Vorgehen nicht gesehen und Behandlungskomplikationen nicht übermittelt worden seien. Die Beckenverletzung sei nach konservativer Behandlung mit kleiner Stufenbildung des Symphysenspaltes sowie mit Verbreiterung des rechten Iliosacralgelenkspaltes ausgeheilt. Bereits in der röntgenologischen Aufnahme des Beckens vom 29. Juni 1978, also etwa acht Wochen nach dem Unfall, habe sich eine knöchern durchbaute Sitzbeinfraktur rechts bei völliger Beseitigung der Schambeinfugensprengung mit lediglich geringfügiger Stufenbildung von ca. 1 cm sowie eine ebenfalls geringgradige Verbreiterung des rechten Kreuzdarmbeingelenkes gezeigt. Die ausweislich der Röntgenaufnahmen vom 06. Juli 1978 ersichtliche Konstellation im Beckenbereich stellt nach Ansicht des Sachverständigen Dr. W auch den in den Röntgenaufnahmen von 2010 dokumentierten Zustand dar; grundlegende Veränderungen der Statik oder der Verknöcherung hätten sich über 30 Jahre nicht eingestellt. Soweit die CT-Aufnahme vom 28. April 2010 zusätzliche frühere knöcherne Verletzungen vermuten lasse (z.B. Querfraktur der iliakalen Kreuzdarmbeinfugengelenkfläche linksseitig, beidseitige Fraktur der vorderen Schambeinäste), sei jedoch die ISG-Fuge rechtsseitig reaktiv arthrotisch (knöchern) fixiert. Aus der - für die Einschätzung verbleibender Unfallfolgen entscheidenden - funktionellen Sichtweise sei daher eher von einer knöchernen Fixierung als von einer federnder Instabilität auszugehen. Keinesfalls hätten die beschriebenen Verletzungen am vorderen und hinteren Beckenkamm zu Auslockerungen der jeweiligen Gelenke geführt. Durch die wahrscheinliche Mitbeteiligung des vorderen und hinteren Beckenkammes sei zwar eine veränderte Beckenstatik mit leichter Stufenbildung von ca. 1 cm im Bereich des vorderen Beckenrings und mit geringer Erweiterung des rechten Kreuzdarmbeingelenkes entstanden, jedoch keine Instabilität.

Mit nachvollziehbarer Begründung weist der Sachverständige Dr. W darauf hin, dass beim Kläger anlagebedingte Faktoren wesentlich zu den jetzt geklagten Beschwerden beitrügen. So werde weder der physiologische Verlauf der WS durch die geringe Beckenfehlstatik wesentlich beeinflusst noch finde sich ein darauf zurückzuführender altersvorauseilender Verschleiß. Die klinisch und radiologisch beschriebene Steilstellung der LWS finde sich durchgehend bis in die HWS hinein, so dass es sich um einen Anlagekomponente handele. Im Stehen zeichne sich die geringe hintere Beckenverkippung ab, die Ausrichtung der Dornfortsätze verlasse jedoch nicht die Medianebene. Nur radiologisch (klinisch erschwerter Eindruck durch die massive Übergewichtigkeit) lasse sich eine minimale, langbogige skoliotische Unruhe der unteren LWS darstellen, wobei die Abweichung bei Schätzung keine 10° überschreite. Damit sei auch am Achsenorgan keine ausgeprägte und vor allem keine statische Sekundärwirkung zu objektivieren. Die dort lokalisierten lumbalen Schmerzen hätten ein pseudoradikuläres und vor allem muscoligamentäres Ausbreitungsmuster, wobei die ganze WS einbezogen sei. Solche Symptome seien durch die jahrelange starke berufliche Belastung in Verbindung mit der erheblichen Übergewichtigkeit hinlänglich zu erklären und damit unfallunabhängig entstanden. Die muskulären tiefen lumbalen Rückenschmerzen beruhten zudem auf alters- aber nicht unfallbedingten Abnutzungserscheinungen. Hätte eine posttraumatische Beckenfehlstatik zu einem vorzeitigen Verschleiß der LWS geführt – wie der Kläger unter Bezugnahme auf das nach § 109 SGG von Dr. A eingeholte Gutachten meint –, hätte aufgrund der statischen Auswirkungen der Beckenverletzung auf die LWS auch ein entsprechend altersungemäßer Abnutzungsprozess vorliegen müssen. Die Röntgenaufnahmen vom 12. April 2007 (Einsetzen akuter Beschwerden) zeigten jedoch keine dem Alter vorauseilenden Veränderungen. Die Sakralisation des 5. LWK ohne Instabilität stelle einen genetisch bedingten Zufallsbefund dar und trage nicht zu den Beschwerden bei. Ansonsten fänden sich eine stabile LWS und unauffällige Bandscheibenfächer, so dass über 30 Jahre nach dem Unfallgeschehen an der angrenzenden LWS kein altersuntypischer Schaden eingesetzt habe. Zwar sei auch denkbar, dass die frühe Sprengung der rechten Kreuzdarmbeinfuge mit der dort erkennbaren Arthrosenbildung zu erhöhten Beschwerden hätte führen können, jedoch fehlten hierfür eindeutige klinische Hinweise. Die vom Kläger geschilderten Rückenschmerzen seien diffus, gleichseitig und reichten bis in die HWS hinein, zentrierten sich also nicht bevorzugt auf die ehemals verletzte Kreuzdarmbeinregion rechts. Bei der klinischen Untersuchung hätten sich die Kreuzdarmbeinfugen leichtgradig druckempfindlich gezeigt, wie auch die angrenzenden paravertebralen Muskeln bis in die obere LWS hinein. Selbst wenn man eine möglicherweise zumindest partielle Mitverletzung auch des linken Kreuzdarmbeingelenkes annehmen würde, so zeichne sich hier jedoch über die letzten Jahrzehnte hinweg keine ISG-bezogene, behandlungsbedürftige Erkrankung ab. Vielmehr rührten die vom Kläger geschilderten Schmerzen von einem muskel-/bandhaften Überlastungssyndrom im Sinne eines Lumbago i. V. m. körperlichen Belastungen bzw. der erheblichen Übergewichtigkeit her. Der vermehrte Verschleißprozess vor allem der rechten Kreuzdarmbeinfuge hat nach Auffassung des Sachverständigen an den Beschwerden allenfalls einen geringen – umschriebenen - Anteil.

Ebenfalls nicht zu bestätigen vermochte Dr. W das Vorliegen einer von Dr. A diagnostizierten drittgradigen posttraumatischen Hüftgelenksarthrose bds. Aus radiologischer Sicht lägen im April 2010 keine drittgradigen, sondern nur erstgradige Verschleißerscheinungen an den Hüftgelenken vor. Der Gelenkspalt sei symmetrisch, die Hüftkopfoberflächen seien glatt konturiert und nicht sklerosiert und an den angrenzenden Gelenkschichten hätten sich keine Zysten als Beleg für einen voranschreitenden Verschleißprozess gebildet. Zudem zeige sich beim Kläger eine anlagebedingte Hüftsteilstellung bds. (deutliche Cox valga). Zutreffend weist der Sachverständige darauf hin, dass weder an der WS noch an den Hüftgelenken eine direkte oder indirekte Beeinflussung durch Unfallfolgen vorgelegen hat. So sind nach den Ausführungen von Dr. W durch die Beckenverletzung weder die Hüftgelenkspfannen geschädigt noch ist es zu einer ungemäßen Ausrichtung der Hüftstatik gekommen. Somit sei kein posttraumatisches Korrelat erkennbar, welches durch statische Überlastungen oder knöcherne Deformierungen einen vorzeitigen Hüftgelenksverschleiß hätte begünstigen können. Die Beurteilung des Sachverständigen, dass, wenn sich wie hier 30 Jahre nach einer Beckenverletzung an den Hüftgelenken eines über 50jährigen, stark übergewichtigen Mannes mit einer anlagebedingten Hüftsteilstellung bds. lediglich initiale Abnutzungzeichen gebildet hätten, nicht von einem messbaren Unfalleinfluss ausgegangen werden könne, überzeugt daher den Senat. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass schon im Aufnahmebefund des O-Z-Krankenhaus vom 05. Mai 1978 die Bauchdecke des Klägers als adipös beschrieben und bei der Begutachtung durch Dr. H im Jahr 2007 ein Gewicht von 105 kg angegeben worden ist. Zudem sind nach Darlegung des Sachverständigen die Veränderungen an beiden Hüftgelenken im Gesamtkontext der vielfältigen degenerativen Veränderungen am Bewegungsapparates des Klägers (Beschwerden der Hand- und Fingergelenke, beider Knie, den Schultern, der oberen WS-Abschnitte) zu sehen.

Diese Einschätzung wird im Wesentlichen auch durch das vom SG vom Sachverständigen Dr. S eingeholte Gutachten vom 05. Oktober 2009 bestätigt. Dr. S hat als Unfallfolgen einen mit Verknöcherung der Symphyse in geringer Stufenbildung und mit entsprechender Verformung des Beckenrings und Verschleißumformung der Kreuzdarmbeingelenke knöchern ausgeheilten kompletten Beckenringbruch festgestellt. Als mittelbare Folgen des Unfalls seien zudem anteilig und gegen körpereigene, schicksalhafte Verschleißveränderungen im Einzelnen nicht abgrenzbare leichtgradige Verschleißumformungen des Lendenwirbel-Kreuzbein-Übergangs anzusehen. Diese seien jedoch insgesamt als leichtgradig zu bewerten und träten hinter den generalisierten, schicksalshaften schmerzhaften Funktionsstörungen der gesamten WS zurück. Die generalisierte Verschleißumformung der WS mit begleitendem chronischen Schmerzsyndrom, die anlagebedingte Anomalie am Übergangswirbel L5/S1, die teilweise Einsteifung der Schultergelenke und die Nervenfunktionsstörungen am rechten Arm und an beiden Beinen seien weder durch das Unfallgeschehen hervorgerufen noch beeinflusst worden. Schließlich hat auch der von der Beklagten beauftragte Gutachter Dr. H in seinem Zusammenhangsgutachten vom 09. August 2007 und der ergänzenden Stellungnahme vom 12. November 2007 unter Auswertung der vorliegenden ärztlichen Befunde und der Röntgenbilder vom 10. Februar 2005 sowie der Beckenübersichtsaufnahme vom 12. April 2007 festgestellt, dass der Kläger zwar eine primär instabile Fraktur des Beckens mit Beteiligung der Symphyse des vorderen Beckenringes und des rechten Iliosakralgelenkes erlitten habe, die jedoch mit Stabilität und weitestgehender Symmetrie ausgeheilt sei, und dass lediglich leichtgradige degenerative Veränderungen der linken Kreuzdarmbeinfuge, eine kallösen Überbrückung mit reduzierter Elastizität des vorderen Beckenringes – also keine Instabilität – sowie ein Hochstand des linken Schambeines von 5 mm infolge der Symphysensprengung festzustellen sei.

Mit der vom Sachverständigen Dr. W vorgenommenen Beurteilung des Kausalzusammenhanges und der danach festzustellenden Unfallfolgen korreliert der Umstand, dass der Kläger nach Ausheilung der originären Verletzungen körperlich in der Lage war, bis zum Jahr 2006, also etwa 27 Jahre lang, in körperlich schweren Berufen tätig zu sein. Es ist, worauf der Sachverständige nachvollziehbar hinweist, nicht wahrscheinlich, dass sich knöcherne Unfallfolgen erst nach einem so langen Zeitraum eingestellt hätten. Vielmehr rührten die Beschwerden, die den Kläger im Jahr 2005 veranlassten, zum Orthopäden Dr. H zu gehen, im Wesentlichen von arthrotischen und muskulären Beschwerden her, die allenfalls zum Teil auf der alten Verletzung beruhten (Röntgenaufnahme vom 10. Februar 2005: Arthrose im Kreuzdarmbeingelenk links, gering rechts). Insbesondere weisen die Eintragungen im SVA des Klägers im Zeitraum von 1979 bis 1990 keine Behandlungen wegen Beschwerden an der LWS oder im Beckenbereich sondern lediglich wegen Störungen im zervikalen Bereich in den Jahren 1980,1988 und 1989 aus. Eine Arbeitsunfähigkeit u. a. wegen WS-Beschwerden lässt sich erstmals dem Vorerkrankungsverzeichnis der AOK im Jahr 2005 entnehmen. Die ab dem 12. April 2007 beginnende und letztlich zur Berentung führende Arbeitsunfähigkeit hatte ihre Ursache zum großen Teil in unfallfremden Erkrankungen wie Diabetes mit Komplikationen, Nephropathie, Bluthochdruck, Polyneuropathie, Schulterarmsyndrom bei nachgewiesener Neuroforaminaeinengung, Schwindel, Arthrosen nicht unfallbetroffener Gelenke etc., wie sich aus dem für den MDK Berlin-Brandenburg erstellten Gutachten von Dr. S vom 29. Mai 2008 ergibt (vgl. hierzu auch die von der DRV eingeholten Gutachten des Orthopäden und Chirurgen Dr. T vom 12. November 2009 und des Internisten und Nephrologen Prof. Dr. Bvom 27. Juli 2010 sowie den Bericht der Rehaklinik H vom 09. April 2008).

Demgegenüber überzeugt das am vom 28. Mai 2010 beim SG eingegangene Gutachten nach § 109 SGG von Dr. A nebst ergänzender, am 24. Juni 2013 bei Gericht eingegangener Stellungnahme aus den bereits dargelegten Gründen nicht. Der Sachverständige hat zwar eine umfängliche apparative Untersuchung vorgenommen (röntgenologisch, sonografisch, CT) und anhand der von ihm gefertigten Röntgenaufnahmen vom 10. Mai 2010 einen Z. n. kompletter, instabiler Beckenringfraktur vom Typ C (beide Schambeine und linkes Sitzbein mit Symphysensprengung und Aufweitung des rechten Iliosakralgelenkes), drittgradige Arthrosen der Iliosakralgelenke und der Hüftgelenke und ein pseudoradikuläres Lumbalsyndrom befundet. Seine Annahme, es sei durch den Unfall zu einer komplexen schweren Beckenverletzung mit Instabilität (C-Fraktur) gekommen, hält der Senat unter Berücksichtigung der oben dargestellten unfallnahen Röntgenbefunde vom 29. Juni 1978 und vom 06. Juli 1978 und dem Bericht der Chirurgischen Klinik des O-Z-Krankenhaus vom 20. April 1979 für widerlegt. Vielmehr lässt sich mit Sicherheit lediglich eine partielle rechtsseitige Beckenringfraktur feststellen, die bei Beseitigung der Schambeinfugensprengung mit nur geringfügiger Stufenbildung und geringgradiger Verbreiterung der Schambeinfuge und des rechten Kreuzdarmbeingelenkes knöchern konsolidiert ist. Die von Dr. A veranlasste CT-Aufnahme vom 28. April 2010 lässt zwar zusätzliche frühere knöcherne Verletzungen (z.B. Querfraktur der iliakralen Kreuzdarmbeinfugengelenkfläche linksseitig, beidseitige Fraktur der vorderen Schambeinäste) vermuten, erbringt jedoch im Hinblick auf den langen Zeitabstand von über 30 Jahren zum Unfallgeschehen und die zeitnah erhobenen Befunde keinen Nachweis dafür. Zudem haben, derartige primäre Verletzungen unterstellt, diese, wie der Sachverständige Dr. W-R nachvollziehbar dargelegt hat, zu keinen Auslockerungen der jeweiligen Gelenke und damit zu keiner Instabilität geführt. Hinsichtlich der Frage der Unfallkausalität der beim Kläger bestehenden LWS-Beschwerden lässt das Gutachten von Dr. A eine nachvollziehbare Begründung vermissen. So weist er zunächst auf die anlagebedingte Übergangsanomalie L5/S1 und das erhebliche Übergewicht des Klägers hin und führt dann aus „ein eindeutiger, unmittelbarer, kausaler Zusammenhang ist, wenn überhaupt, nur teilweise und nur sehr schwierig nachzuweisen“. Diese Argumentation genügt nicht den Anforderungen an eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der wesentlichen Verursachung durch den Unfall. Nichts anderes gilt hinsichtlich der beim Kläger bestehenden Hüftgelenksarthrose bds. und zwar unabhängig von der Frage ihrer Ausprägung. So führt Dr. A hierzu in seinem Gutachten wie folgt aus: „Auch hier ist der Nachweis eines unmittelbaren Zusammenhanges mit dem damaligen Unfall sehr schwierig oder nur teilweise möglich, zu erwarten bei einer asymmetrischen Beckenverwringung wäre eine wahrscheinlich einseitig mehr ausgeprägte Hüftgelenkserkrankung, die Veränderungen sind auch tatsächlich eher rechts ausgeprägt, aber nicht eindeutig von dem größten Teil schicksalhaften Verlauf zu unterscheiden.“ Auch weist der Sachverständige Dr. W-R in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 31. Juli 2013 zutreffend darauf hin, dass sich degenerative Veränderungen an paarigen Gelenken keinesfalls auch gleichförmig ausbilden müssen. So können sich im Hüft- als auch im Kniebereiche trotz fehlender externer Einflüsse (z.B. durch Traumata) mitunter unterschiedliche Schadensmuster entwickeln.

Eine für den Kläger günstige Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem vorgelegten, für den MDK Berlin-Brandenburg erstellten Gutachten von Dr. S vom 29. Mai 2008. Darin werden die bekannten unfallunabhängigen Leiden diagnostiziert, ein Zusammenhang zum Arbeitsunfall wird - entsprechend der andersartigen Fragestellung - nicht hergestellt. Auch der ärztliche Entlassungsbericht der Rehaklinik H vom 09. April 2008 erwähnt zwar einen Status nach bg-lichem Unfall mit komplexer Beckenringsfraktur. Der Kläger beschreibe belastungsabhängige, seit etwa 2006 konstant zunehmende Schmerzen im Bereich der LWS bis ins Gesäß ziehend und eine auf 300 bis 400 m reduzierte Gehstrecke. Soweit der Bericht von einer ausgeprägten Fehlstatik durch „Beckenfraktur 78“ spricht, ist diese nicht näher beschrieben und auch nicht durch nachvollziehbare Mess- oder röntgenologische Befunde unterlegt. Aus dem im Verfahren vor dem SG Frankfurt (Oder) zum Az. S 9 R 698/08 von dem Facharzt für Orthopädie Dr. T am 12. November 2009 erstatteten Gutachten lässt sich schließlich entnehmen, dass die im Tatbestand erwähnten Röntgenaufnahmen (LWS, Beckenübersichts- und WS-Ganzaufnahme vom 09. August 2007, gefertigt im Rahmen der Begutachtung durch den Facharzt für Chirurgie Dr. H, sowie die Beckenübersichtsaufnahme vom 12. April 2007, gefertigt vom DA H) vorgelegen haben, aus denen sich lediglich leichte degenerative Veränderungen der LWS sowie eine beginnende Coxarthrose und ein im Wesentlichen altersentsprechender Befund ergeben. Dr. T führt zu den Folgen des vom Kläger erwähnten Arbeitsunfalles aus, dass es dem Kläger bei der Untersuchung möglich gewesen sei, auf der Untersuchungsziele mit gestreckten Beinen zu sitzen, was eine Hüftbeugung von 90° bedeute, auch die Anamneseerhebung über nahezu 2 Stunden im Sitzen mit Hüftbeugung von 90° sei gut toleriert worden. Die Messung der Beinumfänge habe keine signifikanten Differenzen ergeben, und die Ober- und Unterschenkelmuskulatur habe dem Gesamthabitus entsprochen. Es seien - bei erheblicher Aggravation - allenfalls leichte bis mäßige Verschleißerscheinungen festzustellen.

Unter Berücksichtigung der festzustellenden Unfallfolgen, nämlich einen Z. n. komplexer Beckenfraktur, eine posttraumatische ISG-Arthrose rechts>links, eine dreidimensionale geringe Beckenfehlstatik (geringen Ausmaßes), eine Stufenbildung mit Verknöcherung an der Symphyse sowie radiologisch nachweisbare Verknöcherungen im vorderen Beckenring (Scham- und Sitzbeine), wie auch der evtl. anteilig durch die Beckenfehlstatik negativ beeinflussten regionalen Dorsolumbalgien (untere LWS, angrenzende Kreuzdarmbeinfugen) ergibt sich aus den daraus resultierenden Funktionsstörungen keine MdE von 20 v.H. Insoweit folgt der Senat der nachvollziehbaren Einschätzung der MdE mit 10 v.H. durch den Sachverständigen Dr. W die auch von dem Sachverständigen Dr. S, dem im Verwaltungsverfahren gehörten Gutachter Dr. H und dem beratenden Arzt der Beklagten, Dr. B geteilt wird und in Übereinstimmung mit den Erfahrungswerten der unfallmedizinischen Literatur steht (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Kap. 8.8, Seite 579; Ludolp/Lehmann/Schürmann, Kursbuch der ärztlichen Begutachtung, Stand September 2013, III–1.12, Seite 6). Hiernach können bleibende Sprengungen der Schoß- und der Kreuzdarmbeinfuge und Verschiebungen in diesem Bereich zwar zu nicht unerheblichen Deformierungen mit Belastungsstörungen des Beckenringes führen und eine MdE von 20 bis 40 v.H. bedingen. Allerdings darf die MdE, worauf auch die Sachverständigen hingewiesen haben, nicht allein aufgrund des Röntgenbefundes bemessen werden. Im Vordergrund stehen die Folgen der Verletzung für Statik und Dynamik der WS und der unteren Gliedmaßen. Die MdE beträgt nach den Erfahrungswerten für stabilen Beckenringfrakturen bei vorderen Beckenringfrakturen (ein- oder beidseitig) 0 v.H., bei Schoßfugenerweiterung (unter 15 mm) 10 v.H. und bei Schoßfugenversteifung 10 v.H.(vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, a.a.O.; Ludolp/Lehmann/Schürmann, a.a.O.). Nach den Erfahrungswerten beträgt die MdE bei instabilen Beckenringfrakturen ohne Schoßfugenerweiterung 0 v.H., mit Schoßfugenerweiterung unter 15 mm 10 v.H. und über 15 mm 20 v.H., mit Arthrose in den Kreuzdarmbeingelenken 20 v.H., bei einseitiger oder beidseitige Verschiebung einer Beckenhälfte über mehr als 10 mm 20 v.H. und mit Arthrose 30 v.H. Der Sachverständige Dr. W hat nachvollziehbar dargelegt, dass die unfallbedingte ISG-Arthrose rechts und die geringe Beckenverkippung (Stufenbildung jeweils unter 15 mm, maximal 10 mm) keine hochgradigen, abgrenzbaren Einzelbehinderungen/Funktionsstörungen auslösten. Im Vordergrund der beim Kläger bestehenden Symptomatik stünden (unfallunabhängig) die zunehmende Bewegungseinschränkung beider Hüften und die pseudoradikulären Dorsolumbalgien mit einem diffusen Ausbreitungsmuster des gesamten Achsenorgans. So seien erhöhte Reizsyndrome durch die Fehlstatik im Muskel-/Bandbereich und an der rechten Kreuzdarmbeinfuge, möglicherweise auch eine erhöhte Schmerzhaftigkeit über den Schambeinästen (hier allerdings kein bevorzugter Leistenschmerz feststellbar) als Spätfolgen dem Unfall zuzuordnen. Überragende Bedeutung für die orthopädische Gesamtproblematik besäßen jedoch die unfallunabhängigen Faktoren (langjährige Adipositas, Cox valga mit beginnendem Hüftgelenksverschleiß, Lumbalgien, Polyarthrosen der Hand- und Fingergelenke, Diabetes-bedingte Polyneuropathie beider Füße und Unterschenkel). Maßgebend für die MdE-Bewertung ist daher, dass beim Kläger eine Beckenverwringung mit einer Stufenbildung von ca. 10 mm im Bereich der Symphyse (Schambeinfuge) vorliegt, die Beckenringfraktur mit nur geringer Erweiterung der rechten Kreuzdarmbeingelenkes stabil ausgeheilt ist und keine relevanten Auswirkungen auf die WS festzustellen sind. Dem Sachverständigen Dr. W folgend deckt eine MdE von 10 v.H. auch den Umstand ab, dass evtl. anteilig durch die Beckenfehlstatik die beim Kläger auftretenden regionalen Dorsolumbalgien (untere LWS, angrenzende Kreuzdarmbeinfugen) negativ beeinflusst werden.

Demgegenüber vermochte der Senat der von Dr. A vorgenommenen MdE-Einschätzung nicht zu folgen, da der Sachverständige hierbei weitere Erkrankungen und Funktionsstörungen als die festzustellenden Unfallfolgen berücksichtigt hat.

Da eine MdE von mindestens 20 v.H. nicht festzustellen war, besteht kein Anspruch auf VR.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, wobei das Teilanerkenntnis der Beklagten im Vergleich zum gesamten Streitgegenstand nicht ins Gewicht fällt und daher eine Kostenteilung nicht auszusprechen war.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs. 2 SGG vorliegt.